Reisebericht


Karibik

 

Martinique (16.02.-01.03.2009)
St. Lucia (01.03.-10.03.2009)
St. Vincent (10.03.-17.03.2009)
Grenada (17.03.-27.03.2009)
Los Roques (27.03.-02.04.2009)
Bonaire und Curacao (02.04.-17.04.2009)
Kolumbien (17.04.-01.05.2009)
San Blas-Inseln Panama (01.05.-13.05.2009)
Panamakanal (13.05.-25.05.2009)

Die Kapitel dieses Berichtes schreibe ich rückblickend auf 4 Monate, während wir bereits auf dem Pazifik unterwegs sind. Es war eine ereignisreiche und anstrengende Zeit mit vielen Höhepunkten aber auch gelegentlichen Zweifeln an unserer Reise.

Die Karibik galt lange Zeit als Seglerparadies. Farbenfrohe BlumeDie Gründe dafür liegen auf der Hand: stetige Winde, gute Ankerplätze, herrliche Landschaften, türkisblaues Wasser, palmenbesetzte Strände... Wir hatten aber auch gehört, dass alles sehr teuer sei und die Menschen zuweilen unfreundlich. Gegen Diebstähle und Überfälle hatten wir uns in Marokko mit einbruchshemmenden Luken ausgerüstet. Sogar eine elektrische Weidezaunanlage für die Reling gegen unerwünschte Besucher hatten wir in Erwägung gezogen, die Umsetzung aber verworfen. Die Erwartungen waren also bewußt tief angesetzt, zumal wir ja ursprünglich gar nicht diese Region bereisen, sondern um Südamerika herumsegeln wollten.

Die Realität war noch mal anders.Strassensperre Der Empfang auf Martinique, das Teil von Frankreich ist, war eher unfreundlich. Seit 2 Wochen herrschte hier Generalstreik. Supermärkte und Tankstellen waren geschlossen und die Bevölkerung wie die Touristen litten unter den Einschränkungen. Die Gründe für den Streik erhellten sich uns nicht vollständig. Die Inselländereien gehört offensichtlich wie zu Zeiten der Sklaverei zu 80%einigen wenigen weißen Familien. Sie beherrschen auch die Tankstellen und Supermarktketten und den größten Teil der Hotels. Leere RegaleDie Preise waren in den letzten Jahren drastisch angestiegen und überschritten oft das europäische Niveau, zum Teil betrugen sie sogar ein Vielfaches. Letzteres wurde auf die Monopolstellung zurückgeführt. Die überwiegend schwarze Bevölkerung kämpfte also um Anhebung der Löhne und gegen die Vorherrschaft der weißen Familien, der sogenannten Bequé. Die Streikposten wirkten eher anarchistisch. Für uns ohne Sinn und Verstand wurden Straßen blockiert. Die Streikposten hatten kein Interesse, ihre Botschaft zu übermitteln, trommelten stur vor sich hin und das Flugblatt, das ich auf Nachfrage erhielt, bezog sich auf rassistische Parolen aus den 60er Jahren. Mit weißer Hautfarbe paßte man perfekt ins Feindbild und mehr als einmal wurde uns vorgeworfen, arroganterweise nicht zu grüßen, obwohl wir nur eben an einem Aussichtspunkt oder einem Strand Stop gemacht hatten und gar niemand gesehen hatten.

Exotische PflanzeBotanischer Garten

Der schönste Strand von MartiniqueAuf Beobachtungsposten

Ich wäre ja am liebsten gleich weitergesegelt, zumal sogar der Karneval aufgrund des Streiks ausfiel. Da wir aber mit den Großeltern verabredet und ihr Hotel und der Mietwagen bereits gebucht und bezahlt waren, Kolibrimachten wir das Beste draus und unternahmen im Rahmen der Möglichkeiten kleine Ausflüge (der Großvater stellte sich 3x 4 Stunden in die Benzinwarteschlange an der Tankstelle und bekam nur einmal 30 Liter nachgetankt). Die Kinder zogen zu den Großeltern ins Hotel und genossen natürlich wieder den Swimmingpool, der diesmal angenehm warm war. Marlenes Schwimmkünste machten ordentliche Fortschritte, Till schwimmt und taucht sowieso wie ein Fisch. Die Strände waren ausgesprochen schön und alle öffentlich. Wir besuchten einen botanischen Garten, der nicht nur schöne Pflanzen, sondern auch viele Kolibris zu bieten hatte, erwanderten im Nordosten die Halbinsel Caravelle mit ihren Mangrovenwäldern und legten uns am Südstrand unter die Palmen. Nebenher ruhten wir uns aus, machten große Wäsche, strichen die Bilge, ließen uns ein neues Sonnensegel anfertigen...

Die GrosselternDer berühmte Diamantfelsen von Martinique

Wir nehmen jede HürdeMangroven

Wir lebten überwiegend von unseren Vorräten und der Hotelküche, da es in den Läden aussah wie in Rumänien vor 20 Jahren: gähnend leere Regale. Außer Seife und Plastikschüsseln gab es fast nichts mehr. Der Gemüsemarkt gab immerhin noch etwas her und Baguette ließ sich auch immer noch auftreiben. Die Großeltern bunkerten ungeniert Schokoladenbrötchen und Croissants beim Frühstücksbüffet und hatten bei den Preisen noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Die Cola für Marlenes Geburtstag bekamen wir von einem Künstler in einer Galerie geschenkt, der seine eigenen Verbindungen hatte. Aus dem, was ich noch hatte, kreierte ich eine superleckere Geburtstagstorte (Marlene hatte sich nichts geringeres als Kirschcremetorte gewünscht).

Marlenes GeburtstagstorteTopfschlagen

Geburtstagskind MarleneAbhängen am Pool

Ihren 5. Geburtstag feierten wir im Hotel mit einheimischen Kindern und traditionellen Spielen wie Topfschlagen, Eierlauf, Tauziehen etc. Am vorletzten Tag verschwanden wahrhaftig die letzten Reserven an Käse, Bier und Brot aus der Kitchenette des Hotelzimmers, die außen über die Terasse zugängig war und sich nicht richtig abschließen ließ. Na man gut, dass sie nicht die Geburtstagstorte geklaut haben...
Beim Ausflug in ein Internetcafé lernten wir den Österreicher Volkmar Volkmarkennen, der sozusagen per Anhalter um die Welt segelt, um seine Tochter in Neuseeland zu besuchen. Da sich die Situation auf Martinique immer mehr zuspitzte und es bereits zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen war, boten wir ihm an, ihn zur Nachbarinsel St. Lucia überzusetzen. Außerdem traf unser Kameramann Peta ein, der uns eine Woche lang begleiten wollte. Als wir am Sonntag, den 1. März Abschied von den Großeltern nahmen und Richtung Rodneybay weitersegelten, waren wir also zu sechst an Bord.

Die gut 4-stündige Überfahrt brachte uns Querwelle und Regen. Wir erreichten die Rodneybay erst bei Dunkelheit, was zum Glück bei der Größe des Ankerfeldes kein Problem war.

Rodney-BayRodneybay-Marina

Am nächsten Morgen feierten wir Volkmars 69. Geburtstag mit Schokokeksen und Sahnehäubchen. Er suchte sich ein Hotel und verließ uns am Nachmittag. Wir sind gespannt, wie seine Reise weiter geht. (www.segelnumdiewelt.at)
Außerdem begrüßten uns Claude und Rike vom amerikanischen Katamaran "Cénou", die wir in Marokko kennengelernt hatten und Lars konnte gleich mit ins Dinghi steigen, um den Einklarierungskram zu erledigen. Wir luden sie mit ihren Kindern zum klassischen Montag-Spaghetti-Essen ein und verbrachten einen schönen Abend.

Es ist zum Verzweifeln mit dem AußenborderDas Segelschiff von "Fluch der Karibik"

Der Ort wirkte gepflegter als Martinique und die Leute freundlicher. Peta, unser KameramannEigentlich war es in der Hauptsache eine Ansammlung von Hotels. Die Preise im Supermarkt waren gepfeffert, aber immerhin gab es wieder alles zu kaufen.
Die nächsten 2 Tage versuchte Lars, den Außenborder zum Funktionieren zu bringen. Bei den vielen vergeblichen Versuchen rutschte das Stimmungsbarometer ordentlich in den Keller. Umso größer war hinterher die Freude, als wir mit motorisiertem Dinghi einen Ausflug in die Lagune unternehmen konnten. Peta war eine große Bereicherung in der Zeit. Die Kinder hatten viel Spaß mit ihm, und was er uns abends aus seinem Leben berichtete, stellt unsere Erlebnisse weit in den Schatten.
Der Segeltörn von der Rodney Bay zur Souffrière Bay im Süden von St. Lucia gehört zu den schönsten unserer Reise. Bei raumem Wind und unter Wellenabdeckung der Insel glitten wir bei Sonnenschein an der bergigen Kulisse und kleinen Ankerbuchten vorbei, bekamen Besuch von Delfinen, sichteten eine Meeresschildkröte Wundervoll kitschige Abendstimmungund erreichten am späten Nachmittag die zum Weltkulturerbe gehörenden Pitons. Eine Landschaft wie im Paradies. An einer Mooringboje vor einer Fledermaushöhle machten wir fest. Am nächsten Tag gingen Lars und Till vom Boot aus das erste Mal schnorcheln. Till wirkte dabei fast professionell. Peta probierte das Unterwassergehäuse der Kamera aus. Der Landgang zeigte uns jedoch die Schattenseite des Paradieses. "Welcome to paradise. I am the watchman!" - begrüßten uns einige Jugendliche am Dinghisteg. Klar, dass sie fürs Aufpassen Geld haben wollten. Der Ort besteht aus allerliebsten Holzhäusern, die aber leider größtenteils ziemlich heruntergekommen sind. Am Strand liegt jede Menge Müll herum und trübe Rinnsale finden ihren Weg in die Bucht. Peta war mit seiner großen Kamera natürlich sehr auffällig, aber es war trotzdem nervig, dass man nicht einmal im Wind wehende Wäsche und Trockenfisch filmen konnte, ohne dass jemand dafür Bakschisch sehen wollte. Viele Einheimische wirkten von Alkohol und Marihuana gezeichnet und unter ihren Blicken fühlten wir uns unwohl.

Lecker Essen im "Hummingbird"Idylle wie aus dem Ferienkatalog

Umso mehr genossen wir die Zuflucht im Hotelrestaurant "Hummingbird", wo man richtig lecker essen konnte und die Umgebung so war wie in Ferienkatalogen abgebildet. Sonnenuntergang mit Palmenkulisse am Swimmingpool und im Hintergrund ein Fünfmaster unter vollen Segeln. Wir wurden fast von den Klischees erschlagen.
Als wir im Dunkeln zur Spica zurückkehrten, hatte ein Schiff an der Nachbarmooring festgemacht. Bei der Flaute dümpelten beide Schiffe aufeinander zu und berührten sich fast. Wir bringen alle verfügbaren Fender aus und schlafen unruhig. Am nächsten Tag bringen wir einen Heckanker aus, der das Schwojen verhindert, denn auf dem Nachbarschiff ist niemand zu sehen.

Erster Schnorchelausflug von Lars und TillDuschen unter einem warmen Wasserfall

Stinkende SchwefelquellenÜppige Vegetation

Wir unternehmen eine Tour zu vulkanischen Schwefelquellen und einem warmen Wasserfall. Lars ist schwer beeindruckt von den brodelnden, stinkenden Kesseln, die einen an Bilder von der Hölle erinnern. Jetzt wissen wir auch, woher der Geruch der nach faulen Eiern stammte, der uns beim Einlaufen in die Bucht entgegenschlug. Peta mußte am nächsten Morgen den Heimweg antreten.

Nach einem Ruhetag stechen wir abends bei Vollmond in See und nehmen Kurs auf Bequia. Der Skipper macht sich fein für den LandgangDiese Insel gehört zu St. Vincent. Die Hauptinsel wollen wir lieber nicht besuchen, da es dort gelegentlich zu Überfällen auf Yachten gekommen ist. Bequia ist wohltuend freundlich und gepflegt im Vergleich zu Soufriere. Der Schwell wiegt uns sanft. Weiter innen ist es ruhiger, aber auch hier ist das Ankerfeld voll. Die Zahl der Yachten in der Karibik soll sich in den letzten 5 Jahren verdreifacht haben, wie wir gehört haben.
Der nächste Tag wird zum Wandertag erklärt und wir fahren per Pickup zu einer Schildkrötenfarm. Ein ehemaliger Fischer sammelt die Eier der vom Aussterben bedrohten Hoaksback-Schildkröten (die bei den Einheimischen als Potenzmittel gehandelt werden) und zieht sie 6 Jahre lang in Wasserbecken auf, bis sie groß genug und vor Freßfeinden sicher sind. Er erzählt uns, Schildkrötenfarmwie die Insel in seinen Kindheitstagen aussah und berichtet, dass immer mehr Menschen von der Hauptinsel nach Bequia kommen, um mit den Touristen das schnelle Geld zu machen. Unter den Besuchern des Zentrum ist auch eine holländische Familie mit 2 Kindern, die 3 Monate eine Auszeit nehmen und sich auf verschiedenen Karibikinseln Ferienhäuschen gemietet haben. Fast ein Jahr lang hat Myra, die Mutter, dafür die Preise und Kataloge verglichen und bislang sind sie sehr zufrieden mit ihren Unterkünften. Auch sie haben die Erfahrung gemacht, dass die Kinder viel entspannter sind als zu Hause im Alltag. Unsere Wege kreuzen sich auf Grenada ein zweites Mal.

Einer der schönsten Orte in der östlichen Karibik sind unzweifelhaft die Tobago Cays. Till auf der PalmeDie Zufahrt ist wegen der vielen Riffe etwas knifflig, aber unsere elektronische Seekarte stimmt ziemlich genau. Leider lag auch hier schon eine riesige Luxusmotoryacht, die größer war als die umgebenden Inseln. Am Strand wurde für sie ein Barbecue und ein Volleyballnetz aufgebaut. Die Einheimischen flunkerten etwas von russischer Mafia. Wer weiß?
Till erprobt seine Künste im Palmen erklettern und wir finden unsere ersten "Trompetenmuscheln". Die schönste mußte natürlich mit an Bord. Am nächsten Morgen verlegten wir uns ins Hauptankerfeld, wo Meeresschildkröten zwischen den Yachten herumschwammen. Lars fuhr mit Marlene im Bananaboot zur nächsten Insel, um dort mit ihr im flachen Wasser das Schnorcheln auszuprobieren. Ich schwamm mit Till direkt vom Schiff aus Richtung Strand. Auf dem Weg konnten wir viele Seegras äsende Schildkröten beobachten. Kleckerburgen bauen macht immer wieder SpassKurz vorm Ziel tauchte plötzlich vor uns im flachen Wasser ein Rochen auf, der uns den Weg zum Strand abschnitt. Er jagte uns einen gehörigen Schrecken ein. Was, wenn er sich von uns in die Enge getrieben fühlt? Till war vor Panik nicht mehr zu halten und schoß wie eine Rakete über den Rochen hinweg auf das Ufer. Ich suchte mir ein anderes Fleckchen zum Anlanden. Till war nicht mehr ins Wasser zu bewegen und froh, rückzu ins Dinghi einsteigen zu können.
Die Farbspiele vom blau-türquisen Wasser und strahlend weißen Strand waren einfach zu schön. Beim Schnorcheln entdeckte ich einen großen Barracuda, der reglos im Wasser stand. Die Kinder bauten fleißig Sandburgen und suchten weitere Trompetenmuscheln zusammen. Wie schön wäre es, hier einfach allein zu sein oder allenfalls einige wenige Yachten anzutreffen, natürlich vorzugsweise mit Kindern. Dann würde man dort einfach vorbeirudern und ein Schwätzchen halten und Informationen austauschen. So muß man sich zwischen ca. 50 Besatzungen entscheiden und läßt die Kontaktaufnahme gleich ganz bleiben.

StrandbadewanneSquall

Schnorchelausflug mit den FranzosenMarlene kopfüber

Anderntags lernen wir jedoch am Strand eine französische Familie kennen, gehen gemeinsam schnorcheln und besuchen sie auf ihrer Segelyacht "Portauloin". Leider fahren sie Richtung Norden. Sie wollen ihr Schiff nach Frankreich überführen lassen, da Mutter und Tochter nach der Atlantiküberquerung keine Lust mehr auf den Rückweg haben.
Der Passat bläst die ganze Zeit über recht heftig, Am Strand der nahegelegenen Baradel-Inselso dass wir uns mit unserem Bananaboot nicht so recht zu den abgelegeneren Inseln trauen. Wir versuchen, einen der Einheimischen anzuheuern, die stärker motorisiert sind. Bei dem ersten können wir uns über einen Preis einigen, aber er erweist sich als unzuverlässig und taucht nicht mehr auf. Die nächsten verlangen einen Wucherpreis von knapp 30 Euro. Sie ziehen es vor, sinnlos ihren Diesel zu verfahren, als einem für kleines Geld eine Gefälligkeit zu erweisen. Preis und Leistung stehen in der Karibik z.T. in keinem Verhältnis zueinander. Es scheint aber genug zahlende Kundschaft zu geben, denn die Boatboys können es sich offensichtlich leisten, die Rosinen heraus zu picken und ziehen ansonsten lieber das Nichtstun vor.

Auf der Nachbar-Insel Union Island können wir ausklarieren. Die Bucht ist recht tief und mit Moorings verbaut. Von unserem Ankerplätzchen werden wir sofort wieder vertrieben. Wir bauen deshalb gar kein Beiboot auf, sondern Lars schwimmt kurzerhand an Land und erledigt die Formalitäten. Dann gehen wir Anker auf und verlegen uns in die weitgehend naturbelassene Chathambay auf der Rückseite der Insel. Auch hier hat die Zahl der Hütten gegenüber der Fotoaufnahme im Führer mächtig zugenommen. Es entsteht ein Luxushotel, das sich allerdings schön der Landschaft anpaßt. Wir schwimmen mit den Kindern an Land und haben die Entfernung wohl etwas unterschätzt. Zum Glück können wir einige Zwischenstops bei anderen Ankerliegern einlegen. Lars sichtet unter Wasser eine Seeschlange, die es in der Karibik überhaupt nicht gibt, wie wir aus unseren Bestimmungsbüchern später erfahren. Es war wohl doch eher ein Schlangenaal. Wir haben kein Geld mitgenommen und können die kleinen Verkaufsstände nur besichtigen. Die Kinder sind insbesondere von einem Schildkrötenpanzer angezogen. Der Verkäufer wirkt etwas dubios und möchte genau wissen, welches unser Schiff ist und zu wievielt wir an Bord sind. Vermutlich war es reine Neugierde, aber bei uns schlagen alle Alarmglocken und zurück am Schiff treffen wir alle Vorkehrungen für einen eventuellen nächtlichen Überfall. Der Computer wird gesichert, die Festplatten so gut versteckt, dass wir eine davon immer noch nicht wieder gefunden haben, Handfunke und Hand-GPS sicher gestellt, eine "Dummy-Kamera" zurechtgelegt und Verhaltensregeln besprochen. Wir sind so gründlich vorbereitet, dass ...gar nichts passiert.

Der nächste Tag brachte uns ohne Zwischenfälle am aktiven Unterwasservulkan Kick'em Jenny vorbei zur Hauptstadt von Grenada St. GeorgeSt. George. In der Lagune ist das Wasser platt wie ein Löschteich. Wir können umsonst den Swimmingpool und die Duschen der neuen teuren Port Louis Marina nutzen und haben sogar gutes Internet. Auch hier sind die Investoren auf dem Vormarsch. Die ganze Lagune soll später mal mit Stegen zugebaut sein (an den bislang existierenden herrscht derzeit gähnende Leere) und Luxusvillen mit Swimmingpools in jeder Etage sollen entstehen. Ob es dafür nach dem Börsen-Crash in Amerika noch genügend Kundschaft gibt? Das gesamte Gelände wurde übrigens von der inzwischen abgesetzten, korrupten Regierung für einen symbolischen Dollar verschenkt.
Grenada war wohltuend freundlich und nicht ganz so teuer. Hurrikan Iwan hat 2003 fast 80% aller Häuser verwüstet und die Kirchendächer sind immer noch nicht neu gedeckt, Riesenraupeda nicht nur das Geld, sondern auch das entsprechende Know-how fehlt.
Im Ort gibt es ein kleines Museum, das von Fossilien und Schmetterlings-sammlungen über alte Kochtöpfe und Möbel ein wildes Sammelsurium zu bieten hat. Es gab eine Sonderausstellung über die "sozialistische" Vergangenheit 1979-84, als der charismatische Maurice Bishop gewählt wurde und viel in Bildung und Gesundheitswesen investierte. Natürlich kam es auch hier zum Personenkult. In der Ausstellung waren - wen würde es wundern - natürlich Fotos mit Fidel Castro und Che Guevara zu sehen. Auch die DDR leistete Bruderhilfe und schickte Traktoren und installierte Telefonanlagen. Unsere ersten TrinkkokosnüsseEinmal wurde Bishop von seinen Anhängern nach einer Arrestierung befreit, das nächste Mal wurde er in einem von den Amerikanern gestützten Militärputsch kurzerhand mit der Hälfte seines Kabinetts exekutiert. Das alles sei heute Geschichte, die das Land nach wie vor aber gespalten beurteile. Schule kostet wieder Geld, eine Basis-Gesundheitsversorgung ist zumindest für Rentner weiterhin kostenlos.
Ein Dinghi-Ausflug brachte uns zu dem im Süden gelegenen schönen Strand der Grande Anse. Dort trafen wir die Holländer wieder und verabredeten uns für den nächsten Tag. Wir fuhren gemeinsam zur Chocolate Company und ließen uns erklären, wie (Bio-)Schokolade entsteht. Die Kerne der Kakaofrucht werden dabei einer mehrtägigen Fermentierung unterzogen, bei der sie mehrfach umgewälzt werden müssen. Danach werden sie getrocknet und mit Füßen vereinzelt (siehe Foto), dann die Spelzen "weggetanzt" und zum Schluß die Kakaobohnen gepreßt. Mit Zucker und Kakaobutter, die aus dem Fruchtfleisch gewonnen wird, ergibt das leckere dunkle Schokolade, die es womöglich sogar im Schokoladenladen am Helmholtzplatz zu kaufen gibt.

KakaofruchtDie trocknenden Kakaobohnen werden mit den Füßen vereinzelt

Für die Kinder gab es auf der "Schokoladenfarm" auch noch ein paar Tiere zu Wasserfall für Kunstspringerbewundern und das angegliederte Restaurant bot das herrlichste Büffet feil, dem wir nicht widerstehen konnten. Auf der Rückfahrt konnten wir noch in einem Wasserfall baden, der so ein tiefes Loch ausgespült hat, dass Einheimische aus großer Höhe Kunstsprünge darin übten.

Ein weiterer Ausflug führte uns zu einer Muskatnuß-Manufaktur. Grenada ist weltweit größter Exporteur von Muskatnüssen. Sein Weltanteil ging durch den Hurrikan, der viele Bäume entwurzelte von 80 auf 40% zurück. Die Muskatnüsse werden noch komplett in Handarbeit verarbeitet. Es ist wie ein Ausflug in die Vergangenheit. Wahrscheinlich lohnt sich eine Automatisierung nicht und glücklicherweise können so ein paar mehr Menschen beschäftigt werden.

Frische MuskatnußIn der Muskatnussmanufaktur

Auf Grenada werden noch viele andere Gewürze angebaut, die man in den verschiedenen öffentlichen Gärten kennenlernen kann. Sie helfen auch gegen die ein oder andere Krankheit und bereichern die lokale Küche, die sich sehen lassen kann. Die frischen Kakaokerne schmecken übrigens wie fruchtige Lutschbonbons - eine echte Überraschung nach dem erlebten, stinkenden Fermentierungsprozeß, der der leckeren Schokolade vorausgeht.
Auf Grenada hätten wir gern noch mehr Zeit verbracht, denn man kann wirklich viel unternehmen. Im Innern der Insel locken Wanderwege durch den Dschungel und zu Wasserfällen, die aber nach Angabe unseres Führers eher nicht kindertauglich seien.

Unser nächster mehrtägiger Segeltörn führte uns nach Los Roques, das zu Venezuela gehört. Die venezolanische Küste gilt zunehmend als unsicher, weshalb wir nur die abseits gelegenen Inseln anliefen und nachts sicherheitshalber weder Lichter noch Radarreflektor einschalteten. Der erste Segeltag war rauh und wir waren seit langem mal wieder seekrank. Später wurde es ein sehr angenehmer Törn und Los Roques machte mit seiner felsigen Hauptinsel seinem Namen alle Ehre. Es ist zwar kein offizieller Einklarierungshafen, aber wir wollten uns bei den Behörden lieber melden, um uns keinen Ärger einzuhandeln. Der Gang durch die vier notwendigen Instanzen führte von einem Ende des Dorfes bis zum anderen, wo die Insel mit der Landebahn für die Flugzeuge aufhörte. Die letzte Behörde wollte 70 Dollar von uns haben, die wir nicht beihatten und für einen zweitägigen Aufenthalt auch als sehr teuer empfanden. Zum Glück konnten wir einen Kinderrabatt aushandeln.

Hauptort von Los RoquesTraumhafte Farbspiele in Pastell

Luise und Marlene schnorchelnKorallenlandschaft

Am nächsten Tag wagten wir uns in die Lagune vor, die von 3 Inselchen umgeben ist. Die Seekarte stimmte diesmal nicht, so dass wir uns auf das verlassen mußten, was wir sahen, und das sah ziemlich flach aus. Zum Glück hielt sich die Natur an die in der Karte angegebenen 3,50m Wassertiefe, es war also tief genug für unsere Spica. Die Pastelltöne von Hellbeige bis ins zarteste Türkis riefen große Lust in mir wach, mich als Maler zu betätigen.

SeeigelMarlene

Bei der Inselerkundung entdeckten wir ein großes Naturbecken, das nicht umsonst den Namen "Swimming-pool" trägt, wo man herrlich und ungestört von Wellen schnorcheln konnte. In der Abendsonne war alles noch viel bezaubernder und wir hängten einfach noch einen Tag dran. Leider waren wir weder Proviant- noch Bargeldmäßig auf einen längeren Aufenthalt vorbereitet und die Zeit drängte auch, so dass wir uns nach 2 Tagen wieder auf den Weg machten.

Unser nächster Stop war Bonaire, welches die erste der drei holländischen ABC-Inseln ist. Per Mietwagen über die Insel BonaireWir wollten im Club Nautico anlegen und waren sehr überrascht, dass die üppig breiten Boxen keine 2m Tiefgang zuließen. Mitten im Anlegemanöver waren wir auf Grund gelaufen, und ich hatte mich schon gewundert, dass ich mich beim Belegen der Vorleine gar nicht zu beeilen brauchte. Mittels Rückwärtsmaschine, Zug über die Winsch und Hilfe eines amerikanischen Dinghis kamen wir wieder frei und suchten uns lieber eine freie Mooringboje. Nebenher erfuhren wir, dass Ostern erst eine Woche später sein würde als wir gedacht hatten. Seit der Atlantiküberquerung tragen wir keine Armbanduhren mehr und ohne offizielle Schule oder Arbeit sind die Feiertage auch beliebig.

Jede Menge Echsen belagern unsKakteenlandschaft

Bonaire ist im Gegensatz zu den üppig grünen Antillen sehr trocken und von Kakteenlandschaften geprägt. Blaue EngelsfischeDer Hauptort Kralendijk ist nett mit zahlreichen kleinen Boutiquen und die Leute ausgesprochen herzlich. Wir konnten direkt vom Schiff aus schnorcheln. Höhepunkt war jedoch eine Inseltour zum Slaagbaai-Nationalpark mit imposanten Landschaften, vielen Flamingos und hübschen kleinen Stränden, wo man auch prima schnorcheln konnte. Spätnachmittags kamen wir bei schönstem Fotografierlicht bei den Salinen vorbei, in denen früher die Sklaven schuften mußten. Ihre Schlafhütten wurden restauriert und glichen eher Kinderhäuschen.

SalinenDie ehemaligen Sklavenhütten

Salz war früher teuer und wurde vor allem in der Fischerei und zum Pökeln gebraucht, als es noch keine Gefriermöglichkeiten gab. Jetzt ist die Haupteinnahmequelle der Insel der Tourismus.

Eigentlich hatten wir vorgehabt, direkt von Bonaire Richtung Panama weiter zu segeln. Angesichts der schwierigen Wetter- und Seebedingungen vor der kolumbianischen Küste beschlossen wir jedoch, es lieber mit kleinen Sprüngen zu versuchen. Bei schönstem Mondlicht segelten wir also zunächst zur Nachbarinsel Curacao.

Schönes altes HausWillemstad

Dort bleiben insbesondere die holländischen Segler oft hängen und verbringen die Hurrikan-Saison. Es gibt eine Seglergemeinschaft, wo man einige Informationen über Kolumbien und die San Blas-Inseln bekommen konnte. Im örtlichen Copy-Shop gab es auch günstig Papier-Seekarten bis Australien. Ansonsten gefiel es uns nicht so sonderlich. Ostern 2009Es herrschten so viel Wind und Wellen auf dem Ankerplatz, dass wir regelmäßig in unserem Bananaboot "geduscht" wurden, ehe wir die Spica erreichten. Wir tauften es "Spritzkiste" bzw. "Wellenpeitscher". Die Wetterprognosen änderten sich ständig. Immer, wenn wir dachten, in 2 Tagen ein gutes Wetterfenster für das "Kap Hoorn der Karibik" zu haben, schüttelten wir am geplanten Abfahrtstag bedenklich die Köpfe und verschoben den Start wiederum.
Der Osterhase kam diesmal an Bord und muß wohl sogar auf den Mast geklettert sein. Natürlich gab es auch Schokoladeneier, die allerdings schnell wieder ihren Platz im Kühlschrank fanden, um ihre Form zu bewahren.

In Curacao hatten wir am meisten mit Zweifeln an unserer Reise zu kämpfen. Lars hat bis heute noch kein einziges Buch gelesen. Ständig muß organisiert, eingekauft, Dinge repariert, gewaschen werden etc. und die Tage, an denen man wirklich etwas Schönes unternimmt sind im Vergleich dazu eher rar. Käptn "Sir" und Matrose "Marlene"Ewig sitzt uns der Zeitdruck im Nacken. Viel zu oft fühlt man sich abgezockt. Leider sind wir weder Geld- noch Zeit-Millionäre. Es sind viel zu viele Yachten unterwegs um noch wirklich mit anderen in Kontakt zu kommen. Und überall werden die schönen Plätze mit Hotels u.ä. zugebaut. Vielleicht sind wir einfach 20 Jahre zu spät dran. Sollte man die Reise ganz abbrechen? Sollte man das Ziel "Weltumsegelung" aufgeben und lieber mehr Zeit in einer Region verbringen? Sich diese gründlicher anschauen? Doch lieber auf dem Landweg reisen? Wir haben schwer mit uns gerungen und beschlossen, zunächst einmal bis Panama weiter zu segeln.

Ein Gutes hat das Hinterherhinken im Zeitplan: für die gefürchtete kolumbianische Küste sind wir mit April inzwischen im ruhigsten Monat des Jahres angekommen. Wir haben gute oder später zumindest noch gut erträgliche Segelbedingungen und endlich unseren ersten Fisch nicht nur an der Angel, sondern auch in der Pfanne. Ein "little tunny" hat angebissen. Er ist 63cm lang und schmeckt ziemlich lecker. (Das Foto, das an dieser Stelle zu sehen sein sollte, ist leider beim späteren Raub unserer Kamera mit verloren gegangen).
Nach 3 Tagen und Nächten auf See fällt unser Anker in der mittleren der 5-Finger-Buchten. Das Dorf besteht nur aus wenigen Häusern und Beton ist als Baumaterial verboten, da es sich um einen Nationalpark handelt. Die Menschen sind sehr nett und Reinaldo zeigt uns stolz seine Visitenkarten-Sammlung von Yachten, die vor uns hier vorbei gekommen sind. Weniger schön ist, dass der Wind auflandig bläst und in Böen fast 40 Knoten erreicht. Am nächsten Morgen können wir beobachten, wie alle verfügbaren Männer ein riesiges Fischer-Netz einholen. Es scheinen vorwiegend kleinere Fisch gefangen worden zu sein, die wohl nur als Köder dienen sollen. Es bilden sich einzelne Teams, die jedes ein Faß voller Kleinfische schnappen und sich in einer Geschwindigkeit in ihre Kanus schwingen, als ob jede Minute ein Vermögen kostet.

Innenstadt von CartagenaTauben füttern

Schöne blumige HolzbalkoneTolle Tanzdarbietung


Wir gehen also am nächsten Tag Anker auf und passieren bei Nacht die wegen Wellen und Treibholz gefürchtete Mündung des Rio Magdalena. Till und AldenAm nächsten Tag erreichen wir bei Flaute Cartagena. Die nördliche Zufahrt über die künstlich durch eine Unterwassermauer verengte Boca Grande ist sehr flach und nur bei ruhigen Bedingungen empfehlenswert. Wir haben Glück und kommen unbeschadet durch. Auf dem Ankerfeld sichten wir unsere Freunde Don und Priscilla mit ihrer Segelyacht "Chautauqua", die wir in Marokko kennengelernt haben. Es ist das erste Wiedersehen nach so langer Zeit, denn wir haben uns auf den Kanaren verpaßt und später waren sie uns immer voraus. Der Club Nautico bietet genau das, was sich die Langfahrt-Segler wünschen: einen Ort zum geselligen Beisammensein mit etwas Gastronomie, die keine Pflicht ist, Duschen, Wäscherei, Internet und alles das für nur kleines Geld. Dazu kommt die Attraktivität einer mittelgroßen Touristenstadt plus ein sicherer Ankerplatz. Fehlt eigentlich nur ein bißchen Grünanlage und ein Swimmingpool und - naja - es dürfte ein paar Grad kälter sein. Die Hitze lähmt jegliche Aktivität während des Tages, es sei denn, man sucht ein klimatisiertes Einkaufszentrum auf.
Wir verbringen eine Woche mit Festung in Cartagenaeiner 70/30-Mischung aus Erledigungen und Sightseeing. Den Kindern hatten wir von einer dollen Festung mit Geheimgängen vorgeschwärmt, die wir natürlich unbedingt besuchen mußten. GeheimgängeBesonders schön war aber auch das Stadtzentrum, das regelmäßig nachmittags und wenn Kreuzfahrtschiffe anlegen (und die Touristen strömen) für jeglichen Verkehr gesperrt wird. So kann man ungestört durch die Gassen schlendern, die Bougainvillien-bewachsenen Holzbalkone bewundern, bummeln, schlemmen, das Flair und die kostenlosen Tanzvorführungen auf dem Hauptplatz genießen. Im Goldmuseum sind Kunstwerke der indigenen Kulturen ausgestellt. Sie sind alle nur klein (aber fein), denn die Europäer haben ja leider das meiste geklaut und eingeschmolzen. Im angrenzenden Getsemani-Viertel findet man viel Handwerk und wir lassen uns in einer archaischen Druckerei Visitenkarten anfertigen. Das Design wird allerdings modern auf dem Computer entworfen.
Wir besuchen das Segelschulschiff der spanischen Segelschulschiff der spanischen MarineMarine "Juan Sebastian de Elcano", ein stolzer Viermaster. Hier wird noch mit Sextant navigiert und eigene Wettervorhersagen anhand von Barometer und Hygrometer getroffen. In die Wanten müssen die Matrosen auch klassisch ohne Sicherung. Erst bei der Rahe angekommen können sie sich mit Leinen absichern.
Cartagena hat uns insgesamt sehr gut gefallen. Auch hier waren die Leute (insbesondere im Vergleich zur östlichen Karibik) ausgesprochen nett. Die Stadt boomt, überall werden Hochhaustürme gebaut. Ursache dafür könnte sein, dass die venezolanische Mittelschicht massenhaft das "sozialistische" Nachbarland verläßt, Don, Kirsten, Priscilla und Peterihr Kapital mitbringt und sich hier ansiedelt.
Während all der Zeit genossen wir die Gesellschaft von Don und Priscilla, die sich immer wieder rührend um unsere Kinder kümmerten. Mittels Notizblock und Stift sowie Zeichensprache konnten sie sich bald ganz gut verständigen. Till schloß Freundschaft mit dem gleichaltrigen Alden von der amerikanischen Segelyacht "Charlotte", von denen auch sämtiche Fotos, die hier zu sehen sind, stammen.

Gemeinsam mit der "Chautauqua" verließen wir Cartagena und legten einen kleinen Zwischenstop bei den Rosario-Inseln ein. Till spielt mit Cowboys und IndianernSie haben uns nicht sonderlich beeindruckt, auch wenn der Besuch in einem Vogeltierpark ganz nett war. Dass wir aufgrund des ungenauen Kartenmaterials und der schlechten Sicht einmal Korallen berührten und uns einen kleinen Kratzer am Unterwasserschiff holten, steigerte auch nicht gerade unsere Lust, hier weiter das Revier zu entdecken.
Wir wollten endlich zu den San Blas-Inseln mit den Kuna-Indianern, von denen wir schon soviel gehört hatten. (Inzwischen habe ich Till bereits die gesamte Geschichte der "Söhne der Großen Bärin" vorgelesen. Die Bücher haben ihn sehr angesprochen und vermutlich auf immer sein Indianer-Bild geprägt.)

Bei der Überfahrt nach Panama sind wir viel zu viel unter Maschine gelaufen. Zunächst war tatsächlich Flaute. Spica unter SegelnSpäter lag es mehr daran, dass Don und Priscilla schneller waren, wir aber gemeinsam bzw. vor ihnen ankommen wollten, da ihr Tiefenmesser kaputt war. Irgendwann waren wir das Geknatter leid und beschlossen, lieber eine zweite Nacht langsam zu segeln, statt den Motor so zu strapazieren. In dieser Nacht setzte die Regenzeit ein. Das nächtliche Wetterleuchten, das uns schon die ganze kolumbianische Küste entlang begleitet hatte, wurde jetzt zu einem richtigen Unwetter. An Schlafen war also auch für die Freiwache nicht zu denken. Am nächsten Morgen hatte es sich ausgetobt. Der Wind trug würzigen Geruch nach Erde zu uns. Der Himmel war grau verhangen und die Sicht für die Passage durch die Riffe ungünstig. Mulatupu mit typischem UluWie verabredet meldeten wir uns über Funk bei unseren Freunden, die die Nacht hinter einer vorgelagerten Insel geankert hatten und passierten die Einfahrt zum Dorf Mulatupu gemeinsam. Einige Indianer in ihrem Einbaumkanu zeigten uns den richtigen Weg. Wir waren die einzigen Segler und sofort Objekt der allgemeinen Neugierde. Es war Sonntag, der 3. Mai - mein Geburtstag. Die Kinder hatten allerlei kleine Geschenke für mich verpackt und waren ganz hibbelig, sie zu überreichen. Lars hatte nachts noch einen leckeren Marmorkuchen gebacken und die Blumen gab es gemalt auf Papier. Das schönste Geschenk war aber eigentlich, Beim Dorfältestendass die Kinder nach dem Frühstück ganz friedlich spielten und uns ein kleines Tagesschläfchen gönnten.
Unter den Einheimischen, die uns mit ihren Kanus besuchten, war auch Mister Green, der Sohn des Dorf-Chefs. Wir waren am Nachmittag mit ihm verabredet und er führte uns in die Hütte seines Vaters, der uns in der Hängematte liegend begrüßte. Wir hatten frisch gebackenes Brot und Salz als Gastgeschenk mitgebracht. Keine Ahnung, wie das angekommen ist. Jedenfalls wurden wir für den nächsten Tag zum Abendessen eingeladen.
Die meisten Hütten waren ganz traditionell aus Stöcken gebaut, durch die der Wind hindurchblasen konnte und mit Kokospalmwedeln gedeckt. Dorfgasse MulatupuUnter den Häusern aus Beton mit Wellblechdach waren mehrere kleine Einkaufsläden, die Sahliatura (das Verwaltungsgebäude übertrieben gesagt), die Kirche und das Pfarrhaus. Die Hütten standen so dicht zusammen, dass man kaum dazwischen durchpaßte. Insbesondere waren die Dächer so niedrig, dass Lars mit seiner Größe und dem Rucksack auf dem Rücken sich ständig bücken mußte.
Straßen und Autos gab es gar nicht. Hauptverkehrsmittel in Kunayala sind die Einbaumkanus - Ulus genannt. In der Mitte des Dorfes war ein zentraler Platz, an dem der "Congreso", also die Versammlungshütte und daneben eine weitere öffentliche Hütte standen. Die Toilettenhäuschen werden am Ufer über das Wasser gebaut. Ulus - typische Einbaumkanus der Kuna-IndianerIn den Freiluft"bädern" gibt es Wasserleitungen, die trinkbares Quellwasser aus den Bergen des Festlandes in die Siedlung bringen. Das ganze Dorf war sehr beschäftigt, da wir ausgerechnet am Tag der Parlamentswahlen angekommen waren.
Am nächsten Morgen besuchten uns wieder viele Kinder am Boot, und als Till mit der Schule fertig war, gingen wir alle an Land Fußball spielen. Als wir zum Mittagessen zum Boot zurückkehrten, luden wir 4 Jungs ein, mit unseren Kindern im Schiffsinnern zu spielen. Sofort herrschte ziemliches Tohuwabohu, denn den Kindern konnte es gar nicht schnell genug gehen, alles Spielzeug hervorzukramen. Außerdem suchte ich nach einem Pflaster für Tills Arm,Toilettenhäuschen den er sich an Land aufgeschlagen hatte. Derweil ergriffen weitere Kinder und Jugendliche die Gelegenheit, unser Schiff zu entern. Wir spielten kurzzeitig mit dem Gedanken, sie weg zu scheuchen, entschieden uns aber, ihnen den Spaß nicht zu nehmen. Lars hatte unsere kleine Fotokamera oben unters Deckshäuschen gelegt, um ggf. schnell einen Schnappschuss machen zu können, und auch hier den Gedanken an Diebstahl verworfen. Leider wurden wir in dieser Hinsicht enttäuscht. Erstaunlich plötzlich sagten die zwei Ältesten Jugendlichen "Adios". Das war ganz untypisch nach allem, was wir bisher erlebt hatten, Jubel über den Wahlsiegdenn bislang hatten die Einheimischen uns immer ganze Ewigkeiten bestaunt. Unser Verdacht bestätigte sich leider, dass die Kamera nicht mehr an ihrem Platz war. Wir wissen nicht, was mit ihr geschehen ist, da zumindest die beiden Jugendlichen sie auch nicht in ihrem Kanu oder Hosentaschen hatten. Wir unterbrachen also das Spiel der Kinder und setzten ins Dorf über, wo wir die Eltern der Jugendlichen zu sprechen hofften. Die 4 eingeladenen Jungs halfen uns dabei, die Namen heraus zu bekommen. Im Dorf herrschte großer Jubel und Trubel, denn zum ersten Mal in der Geschichte war ein Kuna-Indianer, noch dazu einer aus Mulatupu, Abgeordneter im Parlament geworden. Wir dagegen standen etwas bedripst und verärgert herum. Keiner wußte Wahlergebnisseso richtig mit der Situation umzugehen und wir hielten es für das Beste, die Sache dann doch öffentlich zu machen und dem Dorfchief vorzutragen. Er schien mit der Sache jedoch auch überfordert zu sein und reagierte mit dem Vorwurf, warum wir überhaupt jemand an Bord gelassen hätten und so teure Gegenstände mit uns trügen. Die Jugendlichen waren nicht auffindbar und die ganze Verhandlung wurde auf den nächsten Tag verschoben. Enttäuschend war weiterhin, dass aus der Einladung zum Abendessen nichts wurde. Angeblich hatte Mister Green nicht genug Lobster gefangen, um uns zu beköstigen und wir sollten lieber am nächsten Tag kommen. Statt uns also mit dem Dorf über den Wahlsieg zu freuen, Sahliatura - die Amtsstube des Dorfchiefswar unsere Stimmung gedämpft. Allerdings hatten wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich die Kamera anfinden würden, denn das Dorf hatte nur überschaubare 1000 Einwohner.
Der nächste Tag verging wieder mit Schule und dem Bemühen um unsere Kamera. Inzwischen hatten wir auch den örtlichen Englisch-Lehrer kennengelernt, der uns behilflich sein wollte. Don und Priscilla paßten auf unsere Kinder auf, während wir uns in der Sahliatura einfanden. Diesmal waren die Jugendlichen und ihre Eltern anwesend, aber wie nicht anders zu erwarten, negierten sie sowohl den Diebstahl, als auch überhaupt an Bord gewesen zu sein. Ihr Auftreten war ein bißchen zu cool. Priscilla spielt mit den KindernOffensichtlich funktionieren die traditionellen Machtstrukturen nicht mehr so richtig, denn sie schienen keinen wirklichen Respekt vor den Autoritäten zu haben. Enttäuscht zogen wir ab, vertröstet auf den Folgetag und unsere Dinner-Einladung hatte sich auch ins Nichts aufgelöst. Zur verabredeten Zeit standen wir da wie bestellt und nicht abgeholt.
Es folgte ein dritter Tag, der wieder keinerlei Fortschritt brachte. Die Kamera hatten wir inzwischen abgeschrieben, aber es wurmte uns, dass wir nicht wenigstens die Wahrheit ans Tageslicht bringen konnten. Mit Hilfe des Englischlehrers klapperten wir sämtliche Häuser Turnhalleder Jungs ab, die zum Zeitpunkt des Diebstahls um unser Schiff gewesen waren. So nach und nach hatten wir eine vollständige Namensliste beisammen und wußten auch, wer wirklich an Bord gewesen war, obwohl sich die Aussagen z.T. widersprachen. Die Kamera brachte all das nicht zurück. Es mag der erste Diebstahl an Seglern in diesem Dorf gewesen sein, aber das Phänomen ist nicht ganz so neu. Die Zeiten, wo die Indianer sich ausschließlich von ihren Feldern und Fischfang ernährten, sind vorbei. Inzwischen leben mehr Kinder mit UluKunas in Panama City als in Kunayala und Handys, Fernseher und sonstige Konsumgüter, die man nur für Geld kaufen kann und die demzufolge nicht mehr jeder hat, haben längst Einzug gehalten. Die kolumbianischen Handelsboote kaufen offensichtlich auch nicht nur Kopra auf und verkaufen Gemüse und Grundnahrungsmittel, sondern auch Drogen. Eine weitere Enttäuschung war der viele Müll, der überall herumlag bzw. im Wasser herumschwamm. Die Gewohnheit, allen Abfall ins Wasser zu entsorgen, hat sich leider mit Einführung von Plastikartikeln und Mädchen mit Schweinestall im HintergrundBlechdosen nicht geändert. Einige sind sich des Problems bewußt, aber es wird noch eine Weile dauern, ehe ein Müllsystem eingeführt wird. Selbst auf den abgelegenen unbewohnten Inseln störte das die Idylle.
Wir beschlossen, weiter zu fahren. Don und Priscilla nahmen gleich Kurs auf Colon, um ihren Tiefenmesser reparieren zu lassen. Wir machten noch einige Stops in den San Blas-Inseln. Einen Abend ankerten wir in einer herrlich-ruhigen, von Mangroven umgebenen Bucht. Einheimische beschenkten uns mit leckeren Mangos und freuten sich über unsere leeren 5 l-Wasserkanister als Gegengeschenk. Im Panama-Führer stand zum Genuß von Mangos: "Peel it - eat it - and take a bath". Bäckerei in MulatupuIch weiß nicht, wie die Einheimischen es schafften, einigermaßen unbeklekkert diese Früchte zu genießen. Wir hatten jedenfalls Schlabberpfoten und jede Menge Fasern zwischen den Zähnen, aber der Geschmack war einfach umwerfend. Früh um 4 Uhr war es mit der Idylle vorbei. Ganze Heerscharen von klitzekleinen Stechfliegen fielen über uns her und waren durch kein Moskitonetz und kein Antimückenmittel abzuhalten. Es half nur, komplett im Bettbezug zu verschwinden, aber dazu war es unter Deck zu heiß. Ich zog mit den Kindern ins Mulatupu hinter der KircheCockpit um und wir legten uns auf das blanke Holz und konnten noch einige Stunden ruhen. Die Stellen juckten so verflixt, dass alle sich großflächig blutig kratzten. Damit war das Badengehen für über eine Woche gestorben - und das bei der Hitze. Wir verbrachten 2 Tage bei einigen kleinen, unbewohnten, nur mit Kokospalmen bewachsenen Inseln. Es hätte so schön sein können ohne die Plagegeister und den Müll !
Entgegen aller Erwartung hatte ich noch keine Gelegenheit gefunden, einige der berühmten "Molas" zu erstehen. Diese aufwendigen Handarbeiten, die die symbolische Körperbemalung seinerzeit ersetzten, werden von den Indianerfrauen normalerweise als Bluse getragen. Dazu tragen sie rote Kopftücher, bunt gemusterte Röcke Kunafrauen im Uluund Schmuck an Armen und Beinen aus kleinen Perlen. Manche Frauen tragen goldene Nasen- und Ohrringe. Wir besuchten das touristisch geprägte Carti, wo sofort aus allen Hütten Molas hervorgezaubert wurden, als wir vorbeiliefen. Dort gab es auch ein kleines Museum, in dem uns ein Grundschullehrer Einblicke in die indianische Kultur gab. Kleine, in die Hosentasche gesteckte Kreuze sollen z.B. giftige Schlangen abwehren, wenn die Menschen auf ihren Feldern arbeiten gehen. Die Symbole auf den Molas helfen gegen Kopfschmerzen, bei Schwangerschaft und vielem mehr. Alle wichtigen Ereignisse im Leben finden in der Hängematte statt: z.B. Hochzeit, Geburt, Beerdigung und es gibt spezielle Hängematten in den Versammlungshäusern für die Dorfältesten, während die anderen auf Holzbänken Platz nehmen müssen. Die Entstehung von Erdbeben wird mit den Bemühungen eines in einer Hängematte gefesselten MädchenRiesen erklärt, der vergeblich versucht sich zu befreien. Der Dorfchief wird übrigens mehrheitlich vom ganzen Dorf auf Lebenszeit gewählt. Er ist oberster Wächter über die Einhaltung der Traditionen und muß sich demzufolge gut mit der eigenen Geschichte und in der traditionellen Landwirtschaft auskennen. Administrative Aufgaben werden von Unterchefs wahrgenommen. Ca. 3x im Jahr werden die 12jährigen Mädchen nach mehrtägigem Unterricht von zahlreichen Bräuchen begleitet einer Initiation unterzogen. Für die Jungs gibt es kein vergleichbares Ritual. Hochzeiten werden entweder von den Eltern arrangiert oder von dem jungen Paar selbst. Der Mann zieht traditionell in die Hütte der Frau. Scheidungen sind legitim, aber nicht zu häufig. Eheliche Verbindungen zu Nicht-Kunas werden seit den 1920er Jahren mit dem Ausschluss aus der indianischen Gemeinschaft geahndet. Wir probieren die Segelanlage für unser Bananaboot ausDas ist wohl der Grund, warum es recht viel Albinos in den Dörfern gibt.
Insgesamt hat es uns bei den Kuna-Indianern trotz allem gut gefallen. Wer ihre Kultur kennenlernen möchte, sollte nicht allzu lange damit warten, denn die moderne Zivilisation ist auch hier auf dem Vormarsch.

Bezüglich unserer Reise hatten wir inzwischen beschlossen, doch wie geplant in den Pazifik weiter zu reisen und waren gespannt, was uns bei der Durchquerung des Panama-Kanals erwarten würde.

Nachdem wir im Kuna-Dorf Carti noch einige letzte Molas erstanden und zu Mittag gegessen hatten, lichteten wir den Anker und nahmen Kurs auf Colon, den Eingang zum Panama-Kanal. Zunächst mußten wir noch an einigen Riffen zwischen den Inseln vorbei, die zu Glück in der Karte gut verzeichnet und deren Lieblingsmola von LuiseBrecher deutlich zu sehen waren. Bei Sonnenuntergang hatten wir Kunayala hinter uns gelassen und die offene See erreicht. Wir hielten uns aber immer in der Nähe der Küste, zum einen, um nicht zu viele zusätzliche Meilen segeln zu müssen und zum anderen, um der Berufsschiffahrt nicht in die Quere zu kommen. Nächtliches Navigieren an unbekannten Küsten gehört nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Leuchtfeuer blinkten, wo gar keine verzeichnet waren und andere fehlten, wo sie uns vor Felseninseln warnen sollten. Und wer weiß, wie genau die elektronischen Seekarten immer so stimmen. Ich hatte nichts dagegen, dass die Windsteueranlage ein wenig mehr Abstand zum Ufer steuerte als der Zielkurs vorgab. Lieblingsmola von LarsAb dem Morgengrauen überholten uns dann die Ozeanriesen. Im Vergleich zu europäischen Gewässern hielten sie sich mengenmäßig jedoch in Grenzen. Als wir Colon und den äußeren Wellenbrecher erreichten, waren wir ganz allein. Besser so. Der Weg zur Shelterbay Marina war auch schnell geschafft und unsere Freunde von der "Chautauqua" und der "Charlotte" nahmen uns die Leinen ab. "Charlotte" mit Tills Freund Alden fuhr leider noch am gleichen Vormittag weiter. Sie wollen vor der Hurrikansaison die Karibik verlassen und die amerikanische Küste erreicht haben.
Die Shelterbay-Marina wird für die nächste Woche unser Zuhause. Endlich mal wieder gute Stege, Duschen, Waschmaschinen, Internet und sogar ein kleiner Swimmingpool. Und im Restaurant gibt es leckeres Eis. MarleneEin Marina-eigener Bus fährt jeden Vormittag umsonst in die 20km entfernte Stadt Colon (eigentlich liegt sie nur jenseits des großen Hafenbeckens, aber wir müssen immer den Umweg über die Gatunschleusen machen, um übers Wasser zu kommen). Überall sieht man Leute emsig an ihren Schiffen arbeiten, Proviant bunkern, Reifenfender an Deck hieven oder befestigen... Wir sammeln Informationen, wie man die Einklarierungformalitäten allein erledigen kann, um die 100$ Agenten-Gebühr zu sparen, denn das ist mein Job am nächsten Tag.

1. Behördentag: Wir fahren mit dem Bus in die Stadt und ich lasse mich gleich zur "Autoridad maritima" mitnehmen. Der Busfahrer erledigt den Papierkram für zahlende Marinabenutzer und will mir auch die ganze Zeit helfen. Zwei Amtsstuben gilt es abzuarbeiten und meine vorhandenen Kopien von Pässen, Schiffspapieren und Crewliste sind bald erschöpft. Zum Glück gibt es einen Kopierer, den sich die Damen und Herren natürlich auch fürstlich bezahlen lassen. Naja, besser, als erst einen Copyshop suchen zu müssen. Ich achte darauf, alle Papiere selber auszufüllen, was dank meiner Spanischkenntnisse auch nicht allzu schwierig ist, denn ich will ja keinen Agenten (bezahlen)! Nach einer knappen Stunde sind wir fertig. BordfrauJetzt noch die Immigration. Es hieß, man müßte zu einem Herrn Ceballos zum Dock 16, einer ziemlich finsteren Hafengegend hinaus bzw. sich mit ihm verabreden, damit die Pässe gestempelt werden können. Der Busfahrer leiht mir freundlicherweise sein Handy, die Verständigung ist schwierig, aber plötzlich taucht (ein ziemlich jung aussehender) Herr Ceballos auf und nimmt mich und Marlene mit zu seinem Auto. Er wirkt auch mehr wie ein Agent (ist auch einer) und ich komme mit ihm überein, Leinen und Fender über ihn zu beziehen. Die brauchen wir sowieso und soll er doch ruhig auch ein kleines Geschäft machen. Für den Einklarierungskram wollte ich jedoch nichts extra zahlen. So ganz klar wird mir das zunächst alles nicht, aber er schlägt vor, als erstes noch die Anmeldung bei der Kanalbehörde für die Kanalpassage im rot-weißen "Turm" zu erledigen. Auch die wollen wieder diverse Kopien und wir halten unterwegs noch an einem Copyshop. Die Kanalbehörde war nett und ziemlich schnell fertig. Am nächsten Tag zwischen 9 und 10 Uhr würde der Vermesser zu unserem Boot kommen. Prima! Dann weiter an der kommunalen Müllhalde vorbei zum Dock 16. Trostlose Gegend. Einige Supertanker werden abgepumpt. Die verlassene Steganlage des ehemaligen Panamakanal-Yachtclubs grüßt herüber und man sieht ein paar Yachten auf dem ungastlichen Ankerfeld. GatunschleuseWir halten am Eingang des Geländes an einer Baracke, doch der Zuständige scheint nicht dazusein. Ein paar spanische Touristen spazieren in der Gegend herum und suchen wohl auch die Immigration. Mit dem Auto fahren wir über das weitläufige Gelände, kommen aber an den Pipelines nicht weiter. Gesperrt! Explosionsgefahr! Wir machen kehrt und mein "Agent" fährt über einen Umweg von hinten aufs Gelände. Jetzt scheint er den Gesuchten gefunden zu haben. Ein Mann mittleren Alters in Zivil mit Klemmappe steigt zu uns ins Auto. Ob ich die Papiere gleich im Auto machen will? Irgendwie erscheint mir das alles komisch und ich will lieber alles in der "offiziellen Baracke" erledigen. Der Herr stellt sich vor und siehe da, er heißt auch "Ceballos". Ein Zufall? Nein, Vater und Sohn. Jetzt wird mir einiges klar - oder auch nicht. Jedenfalls werden die Pässe tatsächlich von Cebollas sr. gestempelt (die der Spanier im Anschluß auch). Für die Visas in einer anderen Immigrationsbehörde in Calle 16 irgendwo in der Stadt ist es inzwischen zu spät. Zurück gehts im Affentempo zum Einkaufszentrum, wo der Marinabus mit Lars und Till auf uns warten. Cebollas jr. hätte uns auch zur Marina herausgefahren, aber ich wollte seine Freundlichkeit nicht überstrapazieren (und natürlich nicht extra dafür bezahlen) und springe lieber schnell in den Bus. Er kommt übrigens wirklich am Nachmittag vorbei und bringt Leinen und Fender und will seine "Agentendienste" nicht extra vergütet haben. Offensichtlich versucht er ins Geschäft einzusteigen und ist mehr an Werbung für seine Person interessiert. Na, das hätte ja ganz gut geklappt. Ich bin sehr zufrieden mit mir.

Am nächsten Tag kommt der Vermesser. Natürlich nicht zur verabredeten Zeit - aber er kommt. Neben diversen Angaben taucht die von allen Seglern einheitlich mit "ja" beantwortete Frage auf, ob die Yacht denn in der Lage wäre, 8 Knoten Geschwindigkeit zu fahren, und zwar auch über längere Zeit. Fangfrage! Der Zusatz, dass ansonsten 450$ zusätzlich zu bezahlen sind, nimmt uns alle Zweifel und mit Bestimmtheit kommt uns das "Ja" von den Lippen. Ist natürlich Quatsch. Jeder, der ein bißchen Ahnung von der Sache hat, weiß, dass die maximale Rumpfgeschwindigkeit von der Länge des Schiffes abhängt und unsere "Spica" schafft theoretisch 7,2 kn. In der Praxis hat sie bei Maschinenfahrt schon mit 6kn ordentlich zu kämpfen. Nebenher erfahren wir, dass seit 3 Tagen nicht nur die Kanalpassage bar bezahlt werden muß, sondern auch der Deposit. Insgesamt also rund 1500$. Nix Visa-Card. Und die zuständige Citi-Bank selber zahlt sowieso keinerlei Bargeld aus. (Die Fortsetzung dieser Geschichte folgt weiter unten unter "2. Behördentag").

Zunächst ist Wochenende und großer Waschtag. Ziemlich dämlich, wo es nämlich ständig regnet. Also rauf auf die Leine mit den Sachen- runter von der Leine. Für die Restfeuchtigkeit gibt es zum Glück Wäschetrockner. Wie zum Hohn erleben wir später keinen derart verregneten Tag mehr, aber das konnten wir schließlich nicht wissen, wo doch offiziell Regenzeit herrscht.
Lars kümmert sich am Sonntag um den Motor. Damit er uns nicht im Stich läßt, bekommt er eine neue Ölung und wird gründlich durchgecheckt. Getriebeölwechsel, Impellerwechsel, Kühlwassersieb reinigen, Keilriemen prüfen... Oh wie schön ist Fahrtensegeln!
Ich wollte mit den Kindern eigentlich den Urwald entdecken und Priscilla wollte uns begleiten und nur noch eben die Waschmaschine abwarten. Irgendwie trödelt sich der Tag so hin und am Ende wird gar nichts draus. Schade. Ich fange an, die Holzteile des Bananabootes zu lackieren. Linda vom Marinabüro habe ich lieber nicht gefragt, sonst hätte sie vielleicht gleich noch eine Extragebühr für Arbeiten an Land auf unsere Rechnung draufgeschlagen. Die Dame ist zwar jung und hübsch, aber ein echter Drachen. Aus Frust haben wir den 23§ langen Vertrag mit der Marina nie unterschrieben.

2. Behördentag: Der Marina-Bus bringt uns in die Stadt zum Einkaufszentrum. Dort sind sämtliche Bankautomaten außer Betrieb. Wir rufen die Citibank an und bekommen die Auskunft, dass die HSBC-Bank Bargeld auszahlen würde. Also ab ins Taxi und zur HSBC-Bank. Dort stehen die Leute bereits Schlange und der Bankautomat ist auch gesperrt. Was ist denn hier los? Ich reihe mich in die Schlange am Informationsschalter ein und erfahre zunächst nur, dass wir zur anderen Filiale um die Ecke sollen. Dort sieht es noch schlimmer aus. Die Leute stehen bereits draußen an. Wieder warte ich am Info-Schalter und bekomme 20min später die Information, dass man innen am Bankschalter auch nur max. 500$ bekommen könne wie am Bankautomat. Dafür wollen wir aber nicht 1 1/2 Stunden warten. Langsam glauben wir an einen Bankencrash. Till mit ZahnlückeIm Eiltempo steuern wir den nächsten funktionierenden Bankautomaten an, haben Glück und heben erstmal jeder 500$ auf seine Visacard ab, bevor wir womöglich gar kein Geld mehr bekommen. Mehr rücken die Automaten nicht raus. Also ab zur nächsten Bank, der "Banco National". Der Automat will meine Visa-Card nicht, aber bei Lars sagt er "Transaktion erfolgreich". Nur das Geld kommt nicht raus. Irgendwie steckt der Wurm drin. Wir betreten also die Bank und erfahren, dass die Automaten leer wären, weil am Samstag Lohnauszahlungstag war und sie erst wieder aufgeladen werden müßten. Ja warum sagt uns das der Automat nicht und tut so, als hätte er den Autrag geschluckt. Wir wollen den Chef sprechen, der natürlich nicht im Hause ist. Einige Zeit später trifft er ein und ist auch sehr nett und bemüht. Persönlich tippt er einen Brief, dass wir kein Bargeld erhalten hätten für den Fall, dass unser Konto belastet würde und ermittelt telefonisch, welche Bank uns denn nun tatsächlich Bargeld auszahlt: nämlich die "Banco general". Unser Taxifahrer ist inzwischen verschwunden, aber es ist gleich um die Ecke und der Direktor gibt uns einen Bodyguard als Führer und Begleiter mit. In der Banco general heben wir gleich einen größeren Betrag ab. Nun haben wir endlich genügend Bargeld in der Tasche, um es der Citibank ins Haus zu tragen. Unser Taxifahrer ist wieder aufgetaucht und fährt uns hin. Die Kinder verstehen nicht, warum wir unser mühsam aufgetriebenes Geld gleich wieder abliefern müssen und wir lassen die arme Bankangestellte unseren Frust deutlich spüren. Leben wir wirklich im 21. Jahrhundert? Unser kostenloser Marina-Bus ist natürlich längst weg und das Taxi soll 20$ kosten. Der ganze Spaß hat uns den kompletten Vormittag und zusätzliche 100$ gekostet, nur weil die Citibank keine Kreditkarten akzeptiert. Zu allem Überfluß erfolgt die Rückerstattung des Deposits erst nach 4-6 Wochen als Verrechnungscheck nach Deutschland oder gegen 25$ Gebühr als Überweisung auf unser Konto.

In der Marina sind wir mit einem jungen Amerikaner verabredet, der uns bei unseren Computerproblemen helfen will. Die alte Antivirendatenbank war beschädigt und seit wir einen neuen Virenschutz haben, funktioniert wiedermal weder e-mail-Verkehr, noch Funken oder das Hochladen der Homepage. Da der amerikanische Kat noch am selben Tag durch den Kanal will, eilt es. Tatsächlich gelingt es den Männern durch Veränderung einiger Einstellungen, wenigstens Outlook wieder in Gang zu kriegen.

Am nächsten Nachmittag steht für unsere Freunde Don und Priscilla die Kanaldurchfahrt an. Die notwendigen Leinen und Fender trafen über ihren Agenten erst nach mehrfachen Telefonaten und auf den letzten Drücker ein. Nervenkitzel ! 4 Leute für die Leinen müssen neben dem Skipper an Bord sein. Besuch aus Amerika ist extra dafür eingeflogen und Lars stellt den 4. Mann. Don an Bord der SpicaSo kann er sich die Sache gleich mal mit eigenen Augen ansehen. Bei der Verköstigung der zusätzlichen Crew muß sich der Smutje schon was einfallen lassen, denn die meisten gehen der Erfahrung wegen zwei Mal durch den Kanal und keiner will sich auf seiner eigenen Fahrt dann lumpen lassen. Priscilla hatte einen ganzen Korb voller Snacks und Süßigkeiten bereit gehalten und kalte Getränke in extra dafür besorgte und mit Eis gefüllte Kühlbehälter gepackt. Der endgültige Start verschob sich noch mehrmals, aber schließlich stand ich mit den Kindern am Steg und winkte zum Abschied.
Danach wandte ich mich irdischeren Problemen zu. Ich wollte den Landstrom nutzen und mal wieder gründlich reine machen. Dummerweise ließ mich gerade da unser Staubsauger im Stich und ich mußte borgen gehen. Nun wollte ich also entsprechendes Gerät bei einer netten Amerikanerin abholen und mußte leider festzustellen, dass es natürlich nicht in unsere Steckdosen paßt. Den Adapter konnte ich aber erst am nächsten Tag bei der Marina bekommen und meine Aktion war auf Eis gelegt.
Dafür fand sich Besuch aus Deutschland ein. Martin und Yves, zwei junge Rucksacktouristen aus Potsdam, suchten eine Mitfahrgelegenheit durch den Kanal und eine Überfahrt nach Kolumbien. Wir kamen ins Gespräch und als ich merkte, dass sie kein Nachtquartier hatten (um zu ihrem Backpacker-Hostel in Panama-City zurückzukehren war es inzwischen zu spät), Martin und Yves auf ihrer kolumbianischen Yachtbot ich ihnen kurzerhand die Spica an. Wir schwatzten bis spät in die Nacht und am nächsten Tag halfen sie mir bei der Konserveninventur, Dieselbesorgung, Verteidigung unserer Kanal-Leinen (ein anderer Agent hatte sie in unserem Cockpit entdeckt und behauptete nun, es wären seine) und Kinderbespaßung. Insbesondere Till war ganz begeistert und empfand sie wie zwei große Brüder. Sie fanden im übrigen eine kolumbianische Yacht, die sie einige Tage später nach Cartagena mitnehmen wollte. Trotz gewisser Bauchschmerzen, womöglich in Drogenschmuggelgeschäfte zu geraten, gingen sie auf das Angebot ein und sind nach abenteuerlicher Fahrt auch wohlbehalten angekommen.
Die nächsten Tage vergingen mit vielerlei Vorbereitungen: Einkaufen und Verstauen, Wasserbunkern, Lackarbeiten... Einen Tag vor der Schleusung mußten die Ausklarierungsformalitäten erledigt werden. Wenigstens kannte ich ja jetzt schon die Plätzchen. Wozu die Beamten noch einmal Pass- und weitere Kopien einschließlich des von der Behörde selbst ausgestellten Cruising permits benötigen, ist mir absolut schleierhaft. Vielleicht haben sie eine Bücherwurmzucht in der Hinterstube und brauchen dafür Futter? Diesmal wollte es das Glück, dass der Marina-Busfahrer selber zum Dock 16 hinausmußte und mich mitnahm. Senor Ceballos senior schimpfte, dass wir uns keine Visa besorgt hatten. (Nach übereinstimmender Auskunft des Marina-Personals und des Transocean-Stützpunktleiters war das für Aufenthalte bis zu einem Monat angeblich nicht notwendig), stempelte die Pässe Gott sei Dank aber trotzdem. Noch mal 30 $ gespart!

Zentimeterarbeit in den SchleusenLars hatte sich währenddessen mit den Kindern beim Besucherzentrum der Gatunschleusen absetzen lassen. Wie paßgenau die Ozeanriesen da ins Becken gezirkelt werden, ist schon eine Kunst für sich.
Endlich waren auch bei Lars und Till die Kratzestellen einigermaßen verheilt und wir gingen nachmittags als Familie gemeinsam in den Swimmingpool. Vielleicht wundert es Euch, dass ich das hier extra erwähne, denn ihr haltet es eher für alltäglich. Aber das war es nicht. In dieser arbeitsreichen Zeit war eine Stunde Entspannung eine wahre Kostbarkeit.

Und dann kam Samstag, der 24. Mai, "unser großer Tag", an Leinenhelfer internationaldem für uns die Kanalschleusung beginnen sollte. Vormittags war ich noch ein letztes Mal einkaufen gewesen. Die Verpflegungsfrage hatte auch uns einiges Kopfzerbrechen gemacht. Meinen ursprünglichen Plan, einfach fertig gegrillte Hähnchen anzubieten, gab ich auf als ich sah, dass unsere französischen Leinenhelfer sich nahezu jeden Tag davon ernährten. Plan B sah Nudelsalat mit Bouletten vor und war natürlich entsprechend aufwendiger. Lars hatte vormittags die Solarpaneele abgedeckt (wegen der Affenfäuste), die Autoreifen-Fender angebracht und ein letztes Mal die Maschine kontrolliert. Ab mittag hieß es Essen vorbereiten. Kochen und Pierre und Francois sind Raucher und die Kinder probieren es mit Salzstangen nachzumachenBraten bei Affenhitze! Den Nudelsalat, der fürs Abendbrot vorgesehen war, gab es natürlich auch schon mal zum Mittagessen und Don, der inzwischen von Panama-City eingetroffen war, hatte zum Glück auch keine höheren Ansprüche. Wir waren bis zur letzten Minute beschäftigt und nicht böse, dass unser Termin über Funk ein halbes Stündchen nach hinten verschoben wurde. Pierre und Francoix von der französischen Yacht "Altair" kamen an Bord und wurden mit Don bekannt gemacht. Wir waren also eine lustige internationale Besatzung und ich mußte immer mal überlegen, wenn ich jemanden ansprach, welcher Sprache ich mich jeweils bedienen mußte. Und schon warfen wir die Leinen los und fuhren Richtung "Flats", einem Teil des Hafenbeckens, wo der Advisor Yachten auf einem Ozeanriesenzu uns an Bord kommen sollte. Eine viel größere, halb verrostete und im Übrigen anarchistisch schwarz-rot-bemalte Segelyacht ging gerade Anker auf und wurde unser Schleusenpartner. Wir mußten nicht lange kreisen, bis unser Advisor Ricardo von seinem Lotsenboot bei uns abgesetzt wurde. An ihm ist ein Lehrer verloren gegangen, denn er erklärte uns in aller Ruhe und Ausführlichkeit, was vor und in den Schleusen genau passieren wird. Trotzdem waren die Schleusungen etwas chaotisch. Zunächst war nicht genau klar, mit welchem Ozeanriesen wir in die Kammer gehen, da irgendwer vorgedrängelt hatte. Darüber war es dunkel geworden und plötzlich sollte alles sehr schnell gehen. Wir vertäuten uns mit dem anderen Segler, wobei Ricardo dabei unser Handfunkgerät ins Wasser fiel. Die andere Yacht überragte uns hinten und vorne und sollte die Leinenarbeit alleine machen. Gatunschleuse nachtsUns blieb nun Zeit, alles in Ruhe zu beobachten. Allerdings stellten sich die Nachbarn nicht übermäßig geschickt an, verknoteten die Leinen an den Relingstützen (Klampen hatten sie wohl nicht), statt sie auf Slip zu legen... Als wir langsam Richtung Schleusenwand drifteten, weil die Leine auf der Gegenseite nicht dicht geholt war, stockte mir der Atem. Zum Glück ging aber alles gut. Die nächsten zwei Kammer liefen etwas besser und schon waren wir im Gatunsee und machten an einer Riesen-Mooringtonne fest. Der erste und turbulenteste Teil war geschafft. Die Kinder durften eine Kinder-CD einlegen und für alle gab es jetzt endlich Abendbrot. Ricardo wurde bald danach abgeholt. Für uns Große wurde es ein gemütlicher Abend. Pierre hatte längere Zeit auf den Marquesas gelebt und war schon früher dort umhergesegelt. Seine Familie lebt jetzt in Neu-Kaledonien. Pierre und Francois genießen die UrwaldlandschaftFrancois ist Anthropologe und seine Frau studiert das Verhalten der Affen im Urwald. Beide Franzosen haben beruflich mit Naturschutz zu tun. Frankreich kauft wohl, soweit noch in Privatbesitz, sämtliche Küstenregionen seiner Gebiete auf und wandelt sie in Schutzzonen um. Es wurde recht spät. Da wir 7 Leute waren, fehlte uns eine Koje, aber Pierre bestand darauf, im Cockpit zu schlafen.
Am nächsten Morgen kam der neue Advisor eine halbe Stunde früher als angekündigt und uns allen blieb kaum genug Zeit, in die Sachen zu springen. Die andere Yacht war schon Ankerauf gegangen und nun passierte genau das, was Lars befürchtet hatte. Sie legte unheimlich viel Tempo vor und wir mußten die ganze Zeit hinterher hetzen. Der Himmel war grau verhangen und es regte sich kein Lüftchen. Alles hing vom Motor ab. Ursprünglich hieß es, dass wir die 29 Meilen entfernte Pedro-Miguel-Schleuse bis 12 Uhr erreicht haben sollten, Gatunseeaber unser Advisor drängte uns die ganze Zeit, volle 6 Knoten zu fahren, bis der Motor heiß lief. Mir blieb wenig Zeit, die Umgebung zu genießen, denn es mußten ja alle wieder beköstigt und dann das Mittagessen vorbereitet werden. Entgegen den Berichten anderer Segler gefiel mir die Landschaft nicht übermäßig. Die Ufer sahen auch nach knapp 100 Jahren Stausee noch nicht natürlich aus und die vielen Bojen, die die Schiffsroute markierten, störten die Idylle. Am Rande sah man die Bauarbeiten für die Kanalerweiterung. Pierre und Francois hielten Ausschau nach einer berühmten Urwald-Forschungsstation, kommentieren das Gebrüll der Affen und entdeckten zahlreiche Vögel. Don leistete dem Advisor auf dem Vordeck Gesellschaft, Lars saß am Steuer und überwachte den elektrischen Autopiloten und ich kümmerte mich darum, dass es allen gut ging, überbrachte Botschaften und übersetzte hin und her, soweit das Not tat. Die Kinder waren ganz lieb. Auf dem Kanal herrschte nur wenig Betrieb und er war so breit, dass genug Platz zum Überholen blieb. Kein Vergleich zum Nord-Ostsee-Kanal und den engen Fahrwassern rund Rügen.
Wozu die Segelyachten so unter Streß gesetzt werden, hat sich uns nicht erschlossen. Die ganze Zeit wurde unser Schleusentermin immer Luise mit Panamakanal-Leineweiter nach vorn verlegt. Von 11.30 Uhr auf 11.20 Uhr und als wir bereits um 11 Uhr mit hängender Zunge angehetzt kamen, warteten die anderen in einer ansonsten völlig leeren Schleuse. Auch hier ging es mit den Anweisungen hin und her. Erst sollten wir im Päckchen durchgehen wie am Vortag, dann doch alle 4 Leinen selber klar machen. Am Ende gingen wir einfach bei den anderen längsseits. Wozu hat man eigentlich den Advisor bzw. wozu funkt der permanent und schmeißt dann den Plan in der letzten Minute 2x um ? In unseren Augen könnte man die ganze Hetzerei sowieso lassen. Die Segelyachten müßten dann einfach so lange vor den Schleusentoren warten, bis Platz zum mitschleusen ist. Pierre berichtete uns, dass er bei seiner letzten Kanalpassage den Motor seiner Yacht derart strapaziert hat, dass er hinterher kaputt war. Gibt es Probleme innerhalb der Schleusen und hält man dadurch den Verkehr auf, muß man saftige Geldstrafen zahlen. Die Anweisungen des Advisors ließen nicht darauf schließen, dass er selber mit dem Umgang mit Booten vertraut ist. Das Steuern bei der Strömung in den Schleusenkammern war nicht so ganz ohne und man mußte schon ein bißchen aufpassen, um nicht quer zu treiben. In den letzten beiden Schleusen hinter dem Miraflores-See hingen Panamaleinen in der Schleusebeide Yachten in ihren eigenen 4 Seilen. Pierre und Francois waren sich schon ganz überflüssig vorgekommen und freuten sich auf ihren Einsatz. Wo blieben nur die Männer, die die Affenfäuste (dünne Leinen mit schweren harten Enden, mit denen die langen Leinen an Land gezogen werden) zuwerfen sollten. Sie kamen so spät, dass von beiden Seiten gleichzeitig geworfen wurde und der eine Werfer brauchte 3 Versuche, bis er endlich unser Boot getroffen hatte. Schnell einen Palstek rein - und bei Francois helfen, der als einziger Nichtsegler, ihn natürlich in der Aufregung nicht hingekriegt hatte. Geschafft ! Bei den Leinen kommt es sehr darauf an, dass sie gleich- und rechtzeitig über die Poller gelegt und von der Mannschaft dichtgeholt werden, um damit das Boot aufzustoppen, denn wollte man mit dem Motor aufstoppen, so treibt man schon quer. (Beim Hochschleusen kommt es also hauptsächlich auf die Vorleinen, beim Runterschleusen logischerweise dann auf die Achterleinen an.) Leider scheint diese Weisheit dem Schleusenpersonal nicht bekannt oder nicht so wichtig zu sein und es macht einen guten Advisor aus, sie entsprechend zu instruieren oder auch mal anzuschreien. Brücke der zwei AmerikasDer Rest ist dann ein Kinderspiel. Alles in allem lief es aber problemlos und es war ein gutes Gefühl, die Sache selber in der Hand zu haben. Schwupp - schon waren wir durch. Die Silhouette von Panama-City grüßte herüber und die Brücke, "die beide Amerikas verbindet" gab ein schönes Fotomotiv. Das Lotsenboot rammte noch ein wenig unsere Relingstütze, als es den Advisor abholte, aber das ließ sich wieder geradebiegen. Vor uns lag der Balboa Yacht Club und direkt neben der Chautauqua war eine Mooring frei. Als wir festgemacht hatten, fiel Lars und mir ein Stein vom Herzen.
Inzwischen war es 14 Uhr und Zeit fürs Mittagessen. Während wir alle um den Gulaschtopf versammelt saßen, bekamen wir unangenehmen Besuch. Ein junger Mann ließ sich bei uns absetzen und fragte barsch nach den Schiffspapieren. Es war als hätte er uns aufgelauert. War das die Rache dafür, dass wir in Colon keinen Agenten benutzt hatten? Wußte er, dass ich mich um den Papierkram in Balboa drücken wollte? Da wir bereits zu den Marquesas ausklariert hatten, dürften wir nicht bleiben, erklärte er uns jedenfalls. Ich redete mich mit der verlorenen Handfunke heraus, die uns Ricardo ersetzen wollte. Irgendwie änderte Ricardos Visitenkarte seine Stimmung. Jedenfalls wurden wir vorerst geduldet und mußten nichts bezahlen, aber er wollte am nächsten Nachmittag wiederkommen. Ob er mal unsere Funke benutzen könne, um das Wassertaxi zu rufen. Nein, die sei doch über Bord gegangen, bemerkte ich. Sichtlich verunsichert nahm er mit unserer Tröte vorlieb und als das Boot ihn endlich abholen kam, hatte es angefangen zu regnen. Wolkenbruch über Panama CityAusgleichende Gerechtigkeit, nach so einem unfreundlichen Willkommen.
Regen war eigentlich gar kein Ausdruck. Der Himmel ließ eine wahre Sintflut auf uns herab. Im Nu waren unsere beiden Weinbottiche voll, so dass wir Waschwasser für die nächsten Tage hatten. Was für ein Glück, dass wir jetzt nicht gerade in der Schleuse oder im Kanal steckten ! Man konnte kaum noch die Nachbarboote erkennen. Als es weniger wurde mit dem Regen, ließ sich Don zur Chautauqua übersetzen und Pierre und Francois verabschiedeten sich und fuhren zurück nach Colon. Leinen und Autoreifen gaben wir mit an Land. Den Rest des Tages genossen wir die eingetretene Ruhe und freuten uns auf den Pazifik.


 

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