Marokko
(30.09.2008-06.11.2008)
Gran
Canaria (06.11.2008-07.12.2008)
Gomera
(07.12.2008 bis 24.01.2009)
Über'n
Teich (24.01.2009-16.02.2009)
Die
Überfahrt von Cascais/Portugal nach Salé/Marokko verlief sehr angenehm.
Wir hatten frischen bis mäßigen, konstanten Rückenwind. Am Morgen des
zweiten Tages hatten wir mit dem Cap Sao Vicente das letzte Stück
Europa querab.
Die Schiffahrtsroute ´gen Mittelmeer querten
wir unter Maschine, da gerade Flaute herrschte - die einzige auf dieser
Tour. Kaum waren wir durch, war der Wind wieder da. Echt praktisch !
Wieder waren wir froh über unser AIS-System. Die Nächte waren mondlos
und sternenklar. Das Wasser war unglaublich türkisblau. Delfine bekamen
wir diesmal leider nicht zu Gesicht, aber jede Menge Vögel, die knapp
über der zerfurchten Wasseroberfläche dahinsegelten. Wie schaffen die
es, nicht von den Wellen erwischt zu werden? Ein Nachschlagebuch über
die Lebewesen an und im Meer, wie ich es auf einer englischen Yacht
gesehen hatte, wäre echt schön !
Nach 3 Tagen und 3 Nächten auf See liefen wir am 3.10.08
vor malerischer Kulisse in den Hafen von Salé ein.
Die Kasbah Oudaia von Rabat erhob sich
majestätisch an unserer Steuerbordseite. Das linke Ufer war gesäumt von
bunten Fischerbooten und zum Teil üppigem Grün in einer sonst
ockerfarbenen Landschaft.
Wir hatten die Marina angefunkt, um an der Außenmole von einem
Pilot-Service abgeholt zu werden, da uns genaue Unterlagen zur Einfahrt
fehlten. Die Marina wurde erst zu Beginn des Jahres eröffnet und steht
noch in keinem Handbuch. Die Flußmündung, die eigentlich recht flach
ist, wird nun offensichtlich ausgebaggert. Wir wurden zum Empfangssteg
geleitet, wo 2 Herren von Polizei und Zoll an Bord kamen. Sie waren
ausgesprochen nett und höflich, guckten ein wenig in verschiedene
Schapps und Schränke und nahmen unsere Pässe und Papiere mit.
Immer wieder hießen sie uns herzlich
willkommen in ihrem Land, wollten wissen, ob wir schon mal da waren und
freuten sich über die Kinder an Bord. Alles ganz korrekt und keine
Frage nach Bakschisch.
In der Marina liegt man wie in Abrahams Schoß. Allerdings sind die
Stege völlig unsinnig geplant: die Ausleger viel zu kurz, keinerlei
Abstand zwischen den Stegreihen, falls wirklich mal von beiden Seiten
Schiffe liegen sollten, die Boxen überflüssig breit. Da ab Mitte
September Nebensaison herrscht, zahlen wir hier pro Woche nur so viel
wie in Cascais pro Nacht in der Hochsaison.
Das Licht, die Farben und die Freundlichkeit der Leute
hatten uns so richtig in Hochstimmung versetzt.
Der einheimischen
Bevölkerung ging es ähnlich, denn der Ramadan war gerade zu Ende
gegangen. Wir schlenderten gemütlich in die Medina und die Kinder
erlebten erstmalig einen wirklichen Unterschied der Kulturen. Sie
machten jede Menge spannende Entdeckungen. Marlene hatte es
insbesondere ein Fotostudio angetan, wo man sich als Braut oder
Prinzessin verkleiden konnte. Das finden die marokkanischen Mädchen
wohl auch schön, denn wie wir gehört haben, lassen sie sich jedes Jahr
zum Ende des Ramadans so fotografieren, bis sie aus dem
Prinzessinnenalter heraus sind. In einem Café, in dem nach Landessitte
ausschließlich Männer saßen, bestellten wir Cola für die Kinder und den
typischen "Thé à la menthe" für uns Große. Zeitgleich stellte ich
entsetzt fest, dass Marlene unter ihrem Röckchen in der Eile des
Aufbruchs nicht einmal einen Schlüpfer angezogen hatte. Das hat außer
mir hoffentlich keiner gemerkt. In einem einfachen Straßenlokal ließen
wir uns überraschen, was uns nach unserer von heftigen Gesten
begleiteten Bestellung am Ende serviert würde. Es war durchaus sehr
lecker. Die Kinder waren so gesättig von den Eindrücken, dass Till auf
die Frage, was heute am schönsten war, glatt antwortete: "Dass ich
jetzt ins Bett gehen kann." Wir Großen hatten das Gefühl, endlich
richtig bei unserer Reise angekommen zu sein.
Am nächsten Morgen drängelte Marlene bereits seit dem
Aufwachen nach dem Fototermin.
Sie konnte es kaum abwarten zu frühstücken.
Dann stellte sich noch Besuch ein. Eine Engländerin mit ihrem
4-jährigen Sohn hatte uns vom Nachbarsteg aus erspäht und war wegen der
Kinder gucken gekommen. Sie fand es bei uns "so well organized". Später
besuchten wir sie und verstanden, warum sie bei uns so "amazed" war.
Bei ihr herrschte blankes Chaos. Sie segelt im Übrigen mit ihrem Sohn
allein, hat das 14m lange Aluschiff in Kroatien gekauft und baut es
nach und nach ganz allein aus. Wie schafft sie das nur?
Im Fotostudio kamen wir genau richtig. Marlene suchte sich ein
pink-goldfarbenes Gewand aus und ließ sich ankleiden, schmücken und
schminken wie eine Diva. Mit ernster Miene posierte sie vor der Kamera.
Auch die Markthalle war spannend. Halbe Rinder wurden durch die Gegend
getragen und man konnte beim Zerlegen zusehen. An einem anderen Stand
waren zwei Männer gerade dabei, Würstchen abzufüllen. Es sah im
Gegensatz zu Erfahrungen in anderen Entwicklungsländern alles sehr
frisch aus. Kein Gestank und kaum Fliegen.
Natürlich
konnte man auch Eier, Hühner, Gemüse und sogar Blumen kaufen. Die
meisten Stände waren aber bereits geschlossen.
Nachmittags bekamen wir erneut Kinderbesuch. Ein marokkanischer Junge
in Tills Alter wollte unbedingt auf ein Boot. Wir luden ihn kurzerhand
ein, und da Till gerade am malen war, machte er gleich mit. Später kam
noch der englische Junge vom Morgen und für mich als Dolmetscherin war
es gar nicht so einfach, zwischen deutsch, englisch und französisch hin
und her zu springen.
Beim abendlichen Spaziergang in die Stadt, um die Fotos abzuholen,
wurde Till beinah von einem unbeleuchteten Moped angefahren. Lars hatte
ihn zum Glück fest an der Hand und konnte ihn in die passende Richtung
zurückreißen. Bemerkenswert fand ich, dass die Männer sofort anhielten,
sich entschuldigten und nach seinem Befinden fragten.
Wir haben später viele
Verkehrskontrollen gesehen. Es läuft wohl auch eine Kampagne zur
Verkehrserziehung, um die Autofahrer zu mehr Rücksichtnahme anzuhalten.
Regelrecht erstaunt hat uns, dass die Taxis nur maximal 3 Personen
mitnehmen dürfen und sich auch strikt daran halten. Das hat für uns den
Nachteil, dass wir nie als ganze Familie mitfahren können. Insgesamt
ist der Verkehr aber recht nervig, zumal die Marina direkt an der
Verbindungsstrasse zwischen Salé und Rabat liegt. Bei der ASU würden
wohl 80% aller Fahrzeuge durchfallen. Die Kinder haben sich an den
großen Verkehrsstraßen bereits darüber beklagt, dass es ihnen zu laut
sei. Das wundert uns ein wenig, wo sie doch selber oft so viel Radau
machen und in der Kita ja auch nicht gerade Stille herrschte.
Am
nächsten Tag fuhren wir auf die andere Seite nach Rabat. Das Sammeltaxi
setzte uns an einem Park gegenüber der Altstadt ab. Die Kinder
entdeckten sofort einen Kinderspielplatz und schossen davon. Es gab
schattige Alleen, einen Ententeich und ein Café, wo die Kinder Fanta
bekamen. Cola war wohl wegen des Ramadanendes ausverkauft. Das
öffentliche WC war eine Herausforderung für die Kinder. Sie waren ja
bislang nur unsere Sitzklos gewohnt. Till hatte seine Probleme mit der
Hockhaltung und verschob das Problem auf später.
Die Medina von Rabat ist viel touristischer als in Salé. Die Kinder
hätten am liebsten jede Menge intarsien- oder perlmuttgeschmückte
Schatztruhen, goldene Teller, Zierdolche und Spielzeugkamele gekauft.
Wir hielten uns an die wichtigen Dinge und kauften Brot. Es schmeckte
so gut, dass es gleich wieder aufgegessen war. In der Hoffnung auf ein
westliches Klo machten wir uns auf den Weg zu einem vielbesuchten
Aussichtscafé, das uns empfohlen worden war. Tatsächlich konnte man
dort herrlich sitzen, die Aussicht auf den Fluss, leckeres Gebäck und
natürlich den obligatorischen Minztee genießen.
Vor der Kasbah-Mauer verkaufte jemand Zuckerwatte. Er hatte lange
Pflanzenstiele dabei und drehte den auf ein Fahrrad montierten Kessel
von Hand. Kostenpunkt umgerechnet 10ct. Wer kann da widerstehen?
Rückzu ließen wir uns von Fischern übersetzen. Das Boot war rammelvoll
und ziemlich wackelig. Wir waren froh, als wir heile am anderen Ufer
angekommen waren. Die meisten Einheimischen betrachteten es wohl nur
als Ausflugsfahrt und kehrten zum Ausgangsort zurück.
In den Folgetagen machten wir noch verschiedene kleine
Ausflüge, suchten (leider vergebens) eine Badegelegenheit, da der
örtliche Strand zu schmutzig ist, erkundeten den Zoo mit seinen
Berber-Löwen und vielen anderen Tieren usw.


Am 11.10.08 fuhren wir mit dem Zug nach Fes, dessen
Innenstadt zum Weltkulturerbe gehört. Wir hatten mangels Gelegenheit
kein Hotel reserviert und schoben uns mit unseren Rucksäcken durch die
Menschenmassen in den engen Gassen.
Die Seitengassen waren oft unspektakulär. Hinter mancher Tür verbarg
sich jedoch ein wunderschön restauriertes Haus mit prächtigem Innenhof.
Die meisten dieser traditionellen Riads verfügen nur über wenige
Fremdenzimmer, die im Nu ausgebucht sind. Im dritten hatten wir Glück.
Ein Raum im Erdgeschoß war noch frei. Der Hof war mit schönen Mosaiken,
Gipsstukkatur und bemalten Zedernholzflügeln geschmückt. Die Räume sind
ziemlich finster, da die Häuser alle so gebaut sind, dass man möglichst
viel Schatten bekommt. Nur auf der Dachterasse ist es sonnig und man
blickt über die Dächer der Altstadt hin zu den umgebenden Bergen. Wir
ließen uns treiben. Die verschiedenen Gewerke versammeln sich jeweils
in einem Viertel.
Überall
kann man den Männern bei der Arbeit zugucken. Es wird gehämmert und
geschnitzt, genäht und gebacken. Wir erfuhren, dass den Handwerkern in
der Innenstadt die Steuern erlassen werden, damit sie dort die alte
Kultur weiterführen.
Jedes Viertel verfügt über
eine eigene Moschee, eine Koranschule, eine Wasserstelle, ein Hammam
und eine Bäckerei. Die Viertel sind nur durch Torbögen getrennt, die
man ohne entsprechende Information kaum bemerkt. Ein Handwerker
verdient nur ca. 8 Euro pro Tag.
In Diskrepanz dazu wird für Fotos,
Gefälligkeiten etc. in der Regel ein Bakschisch von mindestens einem
Euro erwartet. Alle "westlichen" Produkte wie Konserven, H-Milch,
T-Shirts etc. sind mindestens genauso teuer wie bei uns. Alle im Land
produzierten Sachen, insbesondere auch Gemüse und sogar Fleisch sind
jedoch vergleichsweise billig.
Es
gibt quasi nirgendwo öffentliche Mülleimer. Die Ladenbesitzer und
Imbisse haben in der Regel ihre eigenen Papierkörbe, ansonsten landet
alles auf der Strasse, die aber jeden Morgen akribisch gekehrt wird. Da
die Gassen so eng sind, gibt es natürlich auch keinen Autoverkehr,
dafür regelmäßig beladene Maultiere und Männer, die einen Karren vor
sich her schieben.
Vielleicht am Eindrucksvollsten war für uns die Gerberei. Hier wird
noch wie im Mittelalter Leder gegerbt. Dazu braucht man jede Menge
Taubenmist und natürliche Farbstoffe wie Minze (Grün), Indigo (Blau),
Safran (Gelb), Henna (Braun) etc. Die Männer arbeiten bei bestialischem
Gestank und stampfen mit bloßen Füßen in den Bottichen herum. Immerhin
geschieht das Waschen der Felle inzwischen mechanisch mit großen
Trommeln, die an Wassermühlräder erinnern.


Unser Führer erzählte uns, dass sein jüngerer Sohn für den Fall, dass
er mit schlechten Schulergebnissen nach Hause kommt, in den Ferien
mitarbeiten muß, damit er lernt, was schwere Arbeit heißt und sich
entsprechend beim Lernen anstrengt.


Ist er gut genug, soll er lieber Anwalt oder Arzt werden. Reicht die
Intelligenz nicht, so soll er wie sein älterer Bruder lieber in der
Gerberei arbeiten, als arbeitslos zu sein. 120 Familien betreiben die
Gerberei in einer Art Genossenschaft. Natürlich gegerbtes Leder stinkt
nicht. Hier wird Ziegen-, Schafs-, Rinds- und Kamelleder verarbeitet
und wohl in alle Welt exportiert.

Alle
Eindrücke aufzuzählen führt einfach zu weit. Erwähnen sollte ich aber
vielleicht noch, dass sich in der Altstadt von Fes die älteste
Universität der Welt befindet, nämlich bereits aus dem 8. Jahrhundert.
Der Zugang ist Nicht-Muslimen nicht gestattet (ebensowenig wie zu den
Moscheen), ein Gesetz, das angeblich auf eine Anordnung der Franzosen
aus der Zeit ihres Protektorats zurückgeht.
Trotz all der schönen Erlebnisse, war es eine recht
anstrengende Zeit für uns als Familie. Die Kinder mußten in den Gassen
natürlich die ganze Zeit an die Hand genommen werden, um nicht im
Gedränge verloren zu gehen. Auch im Hotel sollten sie möglichst leise
spielen, da der Innenhof alle Geräusche sofort weiterleitete.
Deshalb genossen wir es sehr, eine Nacht in den Bergen bei der
berühmten Heilquelle von Sidi Harazem zu verbringen, wo wir den ganzen
Hotel-Swimmingpool für uns allein hatten. Das Hotel selber war ein
heruntergewirtschaftetes 60er-Jahre Objekt, wo die Touristen
busladungsweise abgesetzt werden.


Die waren tagsüber natürlich auf Sightseeing, weshalb wir den Garten
ganz in Ruhe genießen konnten. Um ein Haar hätten wir nicht einmal
bezahlen müssen, da das Kartenlesegerät nicht mitmachte. Die
Installation war nett gesagt "provisorisch". Leider funktionierte es am
Ende doch, nachdem der Cheftechniker persönlich noch ein paar Mal die
Drähte zusammengezwirbelt hat. Er fuhr uns im Anschluß selber zurück
nach Fes zum Bahnhof, und wir erfuhren einiges über Land und Leute und
die Veränderungen seit dem Amtsantritt des jungen Königs 1999.
Nächste Station war Meknes, eine Stadt, die durch Moulay
Ismail, einem Zeitgenossen des Sonnenkönigs in Frankreich, geprägt
wurde.
Er
ließ ganze Stadtviertel abreißen, um Platz für seine ehrgeizigen
Palastpläne zu schaffen. Zehntausende von Sklaven schufteteten für ihn
während seiner fast 50jährigen Amtszeit. Aber keiner seiner Nachfolger
wollte in Meknes bleiben, und alles verfiel wieder. Innerhalb der
ehemaligen Palastmauern befindet sich nun ein Golfplatz. Beeindruckend
sind vor allem die Stadttore. Zum Gaudi ließen wir uns dafür mit einer
Kutsche fahren. In Nepper-Schlepper-Bauernfänger-Manier hatte uns
bereits kurz vor dem Hotel ein Mann in der Strasse angesprochen.
Er würde eine prächtige Kutsche besorgen und
sein "Bruder" könne hervorragend englisch. Wir hatten uns halbwegs
drauf eingelassen, da die Kinder bei der Hitze etwas pflastermüde
waren. Natürlich stimmte nichts von den Versprechungen und wir liefen
doch zum Hauptplatz, wo die Kutschen standen. Dass wir die Kutsche
hauptsächlich wegen der mangelnden Sprachkenntnisse und aus Prinzip
abgelehnt hatten, war den Kindern schwer zu erklären.
Stattdessen gaben wir
vor, lieber mit einer der silbernen (Hochzeits-) Kutschen fahren zu
wollen. Am Ende landeten wir bei Mohammed, der wie er später erklärte
an der Reihe gewesen war, seine einfache Kutsche jedoch gegen die
seines Schwagers getauscht hat als er merkte, dass wir auf eine
prächtigere aus waren. Die 3 Euro Aufschlag für den "Bauernfänger"
mußten wir trotzdem bezahlen, ein Prinzip, das auch für das Taxisystem
gilt. Nach der offiziellen Tour begleiteten wir ihn bis zum Stall, weil
wir sehen wollten, wo und wie mitten in der Stadt die Tiere
untergebracht sind. Es hat uns so viel Spass gemacht, dass wir uns für
den nächsten Tag noch einmal verabredeten.
Außerdem lud er uns am
Freitag zum Couscous-Essen zu sich nach Hause ein. Das war für uns sehr
eindrucksvoll. Dass Mohammed sehr traditionell lebte und dachte, hatten
wir bereits gemerkt. Nicht zuletzt sein Vollbart und sein Gewand
sprachen dafür. Wir hatten auch schon erfahren, dass er mit seiner Frau
und seinem kleinen Sohn in einem Raum der Wohnung, sein Vater mit
seinem Bruder in dem anderen Raum wohnt. Überrascht waren wir, dass
Männer und Frauen trotz Besuch getrennt essen sollten.
Lars durfte nicht zu den
Frauen genauso wenig wie ich zu den Männern. Bei den Männern drehte
sich die gesamte Unterhaltung um religiöse Fragen. Lars hatte das
Gefühl, regelrecht bekehrt zu werden. Da er kaum etwas gefragt wurde,
war es mit der Zeit ein wenig langweilig. Mohammed verabschiedete sich
am Nachmittag, da er noch mit Freunden verabredet war. Er hatte einen
Freund organisiert, der etwas englisch sprechen konnte, aber von echter
Unterhaltung konnte mangels gemeinsamer Themen nicht wirklich die Rede
sein. Für mich war es dagegen echt spannend, mich mit den Frauen zu
unterhalten, insbesondere später, als noch verschiedene gut französisch
sprechende Freundinnen dazu kamen.
Mohammeds Ehefrau Nizrine darf die Wohnung nie
ohne ihren Ehemann verlassen und, wenn ich es richtig verstanden habe,
sogar nicht einmal allein auf die Dachterasse gehen. Die Rechtfertigung
für diese lebenslange "Gefängnishaft" liegt allein in den allgültigen
religiösen Gesetzen, die nicht in Frage zu stellen sind. Sie stammt
eigentlich aus einer liberaleren Familie und so ganz klar war ihr das
wohl vor der Hochzeit nicht. Auszuhalten ist das sicher nur durch den
regelmäßigen Besuch von Freundinnen und ihrer Mutter, aber zu
langweilen scheint sie sich trotzdem.
Ganz so streng geht es in den meisten
marokkanischen Haushalten wohl nicht zu, aber für viele Frauen ist nach
der Ehe Schluß mit lustig. Die Werktätigkeit der Frauen führt derzeit
auch eher dazu, neben sämtlichen Haushaltsaufgaben nun auch noch für
den Familienunterhalt sorgen zu müssen, während die Männer z.T.
arbeitslos ihren persönlichen Freuden nachgehen. Wirklich moderne
Männer nach unserem Verständnis sind eine Rarität. (Bei uns ja sicher
auch nur eine Minderheit!?). Sind bis 1999 fast alle Frauen maximal bis
zur Grundschule gekommen und viele Analphabeten geblieben, so müssen
jetzt alle - egal welchen Alters - das Lesen und Schreiben lernen. Für
die höhere Schulbildung ist Französisch unerläßlich, da an den meisten
Universitäten nur in selbigem gelehrt wird. Jungs und Mädchen gehen
inzwischen zusammen zur Schule, was Mohammed nicht gut findet.
Er
meint, es führe dazu, dass die jungen Leute weniger heiraten. (Würde
ich hierzulande sicher auch lieber nicht).
Der Couscous war im Übrigen ganz ausgezeichnet, der beste, den ich je
bisher gegessen habe. Wir bekamen Löffel, die anderen aßen mit den
Fingern. Natürlich alle von einem großen Teller. Marlene wurde
permanent gefüttert, vor allem, nachdem die Frauen herausgefunden
hatten, wie gerne sie Fleisch ißt.
Wir kamen erst spät in der Nacht mit dem Zug in Salé an. Vielleicht
hatten wir uns zu sehr auf die Mitreisenden verlassen, die uns Bescheid
geben wollten. Jedenfalls dauerte es zu lange, die Kinder zu wecken,
Schuhe anzuziehen, alle Sachen zu schnappen... Als ich mit den Kindern
zur Türe kam, die sowieso klemmte, rollte der Zug bereits wieder an und
Lars konnte gerade noch seinen Rucksack wieder hineinwerfen und
aufspringen.
Dem
Zugschaffner, der ausgerechnet unsere Fahrkarten nicht kontrolliert
hatte, da Marlene auf meinem Bauch schlief, tat es sehr leid. Wir
nahmen am nächsten Bahnhof einen Zug der Gegenrichtung und fuhren
zurück. Das ganze Abenteuer hatte uns eine halbe Stunde gekostet.
Reisen mit Kindern ist eben anders ! Zum Glück hatte der Taxifahrer ein
Einsehen und nahm uns ausnahmsweise mal zu viert mit.
Nach dieser Ferienwoche genossen es die Kinder, einfach
mal auf dem Schiff zu spielen. Inzwischen sind noch mehr Familien
angekommen. Die Marokkaner müssen denken, dass die Hälfte aller Segler
mit Kindern unterwegs sind. Leider sind keine deutschsprachigen Kinder
dabei. Obwohl beide Kinder brav ihren Namen auf englisch sagen können,
trauen sie sich doch nicht ohne unsere Begleitung auf die anderen
Boote. Heute sah es jedoch schon fast so aus, als ob sich das bald
ändert.
Zwei Tage lang hatten wir hier Dauerregen und ziemlich kühle
Temperaturen.
Zeit fürs Weiterkommen. Wir haben uns von einem Tischler Luken mit
stabilen Fensterkreuzen und Moskitogaze anfertigen und verschiedene
Arbeiten in der Pantry und an den Regalen machen lassen.


Das naß-kühle Wetter hielt länger an als uns lieb war. Der
Marina-Manager behauptet sogar, so ein Wetter hätte er noch nie erlebt.
Die Wäsche wollte nicht trocknen und fing nach 2 Tagen an zu stinken
und mußte noch einmal gewaschen werden. Alle Welt kramte warme Decken
hervor und Heizlüfter wurden geborgt oder gekauft.
Am 31.10. wurde nach britisch-amerikanischer Tradition Halloween
gefeiert. Die Kinder kostümierten sich und zogen trotz Dauerregens von
Boot zu Boot, um nach Süßigkeiten zu fragen. Die größeren Kinder hatten
kleine Zuckertüten gebastelt und verteilten sie stolz an die jüngeren.
Auf dem Katamaran "Double
Helix" gab es Kürbissuppe und Kürbiskuchen, und später saßen wir alle
zusammen und sangen zur Gitarre. Liz und Celia waren ganz begeistert
von den vielen englisch-sprachigen Songs im Liederbuch "Das Ding" und
gaben verschiedene Titel zum Besten. Ich spielte ein paar russische und
deutsche Volksweisen und fand damit viel Anklang. In dieser Marina hat
sich wirklich eine besonders nette Auswahl von Seglern zusammengefunden
und man hatte das Gefühl, zu einer Art Kommune zu gehören.
Inzwischen stand fest, dass nicht vor dem 5.11.08 mit einem
Weiterkommen zu rechnen war. Da uns der Hafenkoller so langsam einholte
und wir den Kindern unbedinget noch Essaouira zeigen wollten, nahmen
wir für 4 Tage einen Mietwagen, um die Hafenstadt dann eben auf dem
Landweg zu erkunden - eine gute Entscheidung, wie wir vor Ort
feststellten.
Am Sonntag, den 2.11.08 wurde ich bis auf die Haut
durchnäßt, als ich das Mietauto vom Parkplatz an den Steg holen wollte.
Wir gaben alle Pläne, eventuell doch noch in die Berge zu fahren auf
und entschieden uns für die Küstenstrasse nach Essaouira.
Diese war landschaftlich wunderschön mit
urwüchsigen bäuerlichen Gegenden, Lagunen, Salinen und dahinter ohne
Autozugang kilometerlangen unberührten Stränden. In Al-Jadida
machten wir Zwischenstop und besuchten eine alte Zisterne. Die
Portugiesen haben hier eine Festung errichtet und einen Hafen angelegt,
der derzeit aber nur von Fischern genutzt wird. Von der Kulisse her
wäre es auch ein attraktiver Platz für eine Marina, aber der
Yacht-Tourismus steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Später
durchquerten wir die mit vielen Lichterketten geschmückte
Töpferei-Stadt Safi. Mehrfach mußten wir Polizeistrassensperren
passieren. Der König besuchte die Stadt, wie wir später erfuhren. Nach
einer solchen Sperre gerieten wir unverhofft in eine monstergroße
Stinkepfütze. Der Regen hatte wohl das Phosphatwerk reingewaschen, das
daneben lag. Zum Glück ging der Motor nicht aus, aber der Gestank blieb
uns noch fast 100 km erhalten, bis uns die nächste Riesenpfütze eine
kostenlose Unterbodenwäsche beschehrte. Spät abends kamen wir an
unserem Zielort an.


Nach einigem Suchen fanden wir eine sehr schöne, bezahlbare
Ferienwohnung mit 2 Schlafzimmern, warmer(!) Dusche und Kamin. Till und
Marlene waren ganz begeistert. Dank unseres Heizlüfters, den wir
mitgenommen hatten, war es auch bald gemütlich warm. Am nächsten Tag
erkundeten wir die Stadt. Im Hafen herrschte quirliges Leben. Es wurden
Netze gesäubert und geflickt, Fischköder an Haken gesteckt,
Boote lackiert, Kähne ausgeschöpft, Eis in die Fischkutter verladen...
Der nahegelegene Fluß hatte jede Menge Lehm, Geäst und Müll ins Meer
gespült und die Schiffe schaukelten in einer ekligen rostbraunen Brühe.
Die wenigen Yachten lagen sehr unruhig in 2. und 3. Reihe neben
Fischerkähnen. Sanitäre Einrichtungen gab es natürlich nicht. Das wäre
nicht der rechte Fleck für uns mit den Kindern gewesen.
In Essaouira hatten wir vor 6 Jahren
besonders leckere Schweineohren in der Bäckerei erstanden und den
Kindern davon vorgeschwärmt. Und wahrhaftig - diesen Kultort gab es
immer noch. Nun saßen wir vergnügt im Hafen und knabberten am süßen
Gebäck.
Nachmittags wanderten wir den Strand entlang Richtung Düne, wo man
Kamel oder Pferd reiten kann.
Vor
allem Marlene war ganz scharf darauf. Aber erst mal wurde nichts
daraus, da wir mit den Kameltreibern nicht handelseinig werden konnten.
Stattdessen fanden wir im Strandgut einen kleinen kugelrunden Kürbis,
mit dem sich herrlich Fangeball spielen und eine Murmelbahn bauen ließ.
Und nun hatte es sich einer der Kameltreiber doch überlegt, auf unseren
Preis einzugehen. So ließen wir uns auf den Wüstenschiffen über die
Dünenwellen schaukeln, bis uns der Po weh tat. Selbst als der Himmel es
wieder regnen ließ, blieben die Kinder fröhlich.
Wohlgelaunt
balancierten wir auf der Abgrenzung der Strandpromenade zurück in die
Stadt, wo wir uns nach warmer Dusche etwas Eßbares suchten.
Am nächsten Tag machten wir uns bereits auf den Rückweg. In Safi war
alles rot beflaggt für den Königsbesuch. Alle 50m war auf beiden
Straßenseiten ein Fahnenmast eingebohrt. In der Stadt standen die Leute
Spalier. Im Gegensatz zu DDR-Zeiten wohl aber freiwillig.
Nachmittags erreichten wir Oualidia,
einen an einer Lagune gelegenen Ort, wo wir die Fahrt für eine Nacht
unterbrechen wollten.
Von unserem Hotelzimmer
konnte man das Wasser sehen. Ein idyllisches Fleckchen Erde - zumindest
jetzt in der Nebensaison. Das wußte auch der alte König, der sich hier
einen Palast bauen ließ. Die Kinder buddelten fröhlich am Strand und
bei einem Spaziergang zu den Klippen bot uns ein alter Mann Seeigel an.
"Alles mal probieren im Leben" heißt unsere Devise und ich machte einen
tapferen Versuch. Es schmeckte ungefähr wie einmal am Ufer lang
hingefallen und einen Schwapp Brackwasser in den Mund bekommen. Ganz
praktisch gesehen, kann man davon eigentlich nur Hunger bekommen und
ist es die Sache in meinen Augen nicht wert, die Tiere dafür zu töten,
auch, wenn es angeblich gesund sein soll.
Am Mittwoch kehrten wir nach Salé zurück.
An der Strasse hatten
wir bereits das leckerste frische Gemüse erstanden. Wir nutzen das Auto
für einen letzten großen Einkauf im Supermarkt. Dann mußten noch alle
Papiere zum Zoll zwecks Ausklarieren. Am nächsten Tag wollten insgesamt
13 Schiffe auslaufen, die meisten in Richtung Kanaren. Wir hatten alle
lange genug auf das passende Wetterfenster gewartet!
Am
6.11.08 liefen wir nachmittags bei schönstem Wetter aus. Das Lotsenboot
manövrierte uns geschickt am Baggerschiff in der Mitte der Fahrrinne
vorbei und als wir zum Abschied winkten, waren wir doch etwas wehmütig.
So viel Freundlichkeit waren wir in diesem Land begegnet.
Unser nächstes Ziel war Gran Canaria, wo am 12.11. die Großeltern per
Flugzeug eintreffen sollten.
Die 6 Tage sollten wir auch brauchen und
leider blieb uns natürlich auch keine Zeit mehr für die Erkundung der
vorgelagerten kanarischen Inseln Graziosa, Lanzarote und Fuerteventura,
die wir nun im wahrsten Sinne des Wortes links liegen lassen mußten.
Die Überfahrt begann mit schönsten Dünungswellen, die bei den Kindern
auf dem Vordeck zu Freudenjuchzern führten. Endlich wieder auf See! Wir
hatten es fast schon verlernt. Bei schwachem Wind motoren wir ein
bißchen, um Abstand von der Küste und eventuellen Fischernetzen zu
gewinnen. Vor dem Einbruch der Dunkelheit zogen wir die Segel hoch. Und
plötzlich hingen wir wieder an einem Seil fest. Böse Erinnerungen kamen
hoch, aber diesmal ging es glimpflich ab und mit einem Schnitt konnten
wir uns befreien. Eine Weile guckten wir noch ungläubig ins Wasser,
aber es gab keinen Zweifel - wir machten Fahrt und das Ruder ließ sich
auch frei bewegen.
Die Kinder sind, seit wir auf See sind, erstaunlich ausgeglichen. Der
zweite Segeltag vergeht in Ruhe. Es sind immer noch viele Fischer in
unserer Nähe, da wir quasi parallel zur Küste fahren. Einmal müssen wir
ausweichen. Am 3. Tag frischt es deutlich auf. Auch die Wellen bauen
sich entsprechend auf, aber bei ca. 5-6 Beaufort auf Raumschotskurs
segelt es sich auf der Spica immer noch trocken. Nur das Windrad faucht
in einem fort und geht einem damit auf die Nerven. Die Bordbatterien
freut's. Die Nacht wird anstrengend mit vielen Schiffen (wo die nur
alle hinwollen) und noch reichlich alter Welle bei nachlassendem Wind.
Wir halten etwas östlich vor, da wir für den nächsten Tag Südwind
erwarten. Der kommt auch wie erwartet und es wird vor allem Nachts
spürbar wärmer. Die Tage vergehen mit Wache und Essen und Schlafen und
Schule und wieder Wache und ... Am schönsten sind die Sonnenauf- und
-untergänge und der Sternenhimmel mit seinen vielen Sternschnuppen.
Was hab ich mir nicht alles gewünscht. Einiges
davon ist schon in Erfüllung gegangen. Nach 4 Tagen taucht Graziosa
neben uns auf. Der Wind hat nach der Drehung wiedermal eine Pause
eingelegt. Bis Gran Canaria sind es noch 2 Tage und Nächte. Lanzarote
liegt je nach Sicht manchmal als schwarzer Schatten an Backbord, später
Fuerteventura. Am 11.11. ist Sankt-Martinstag und Beginn der
Karnevalzeit. Ich backe zum ersten Mal in meinem Leben Pfannkuchen (von
Nicht-Berlinern auch "Berliner" genannt). Außerdem haben wir erstmalig
seit Portugal wieder Delfine gesichtet. Ich habe sofort die Blockflöten
rausgeholt, um die schlauen Tiere zum Verweilen zu anzuregen, aber sie
hatten wohl anderes vor. Das einzige, was ich damit erreichte, war, den
Skipper zu wecken. Naja, die Wachablösung war sowieso fällig. Außerdem
entdeckte ich in der Entfernung den Blas eines Wals. Lars hat als
Einziger bei dieser Fahrt zwei Meeresschildkröten gesehen. Sie lagen
aber so schnell achteraus, dass es sich nicht lohnte, den Rest der
Mannschaft herbei zu rufen. Am letzten Tag bekommen wir noch einmal
heftig Wind. Das 1. Reff hatten wir sicherheitshalber nachts und seit
wir in der Nähe der Inseln sind die ganze Zeit drin. Jetzt wird es Zeit
fürs 2. Reff.
Unser Schiff macht treu und brav genau das,
wofür es gebaut wurde. Es hebt sich bei jeder Welle und bringt uns
ordentlich voran. So erreichen wir am 12.11. gegen Mittag den Hafen
Pasito Blanco im Süden Gran Canarias. Keine 3 Stunden später sind die
Großeltern bei uns an Bord und die Kinder ziehen für 2 Wochen um in
ihre Bungalowanlage in Maspalomas. Wie wir gehört haben, hatten nicht
alle Schiffe so eine glückliche Überfahrt. Einem Katamaran ist das
Großsegel gerissen und 2 Schiffen ist die (elektrische)
Selbststeuerungsanlage ausgefallen. Auf dem einen Schiff war die
Mannschaft dadurch so entkräftet, dass sie 30 sm vor Lanzarote den
Lotsendienst anrufen mußten. Warum sie nicht einen nähergelegenen Hafen
ansteuerten, haben wir nicht erfahren. Wir sind bislang mit unserer
Kombination aus Wind- und elektrischer Selbststeuerungsanlage recht gut
gefahren und möchten keine von beiden missen.
Gran Canaria hat viel von seinem Charme durch den
Massentourismus eingebüßt. Aber in unserem Fall war es genau das
Richtige. 

Die Ferienanlage der Großeltern hatte alles, worauf die Kinder so lange
verzichten mußten. Ein autofreies, großzügiges Gelände, einen
Spielplatz direkt vorm Haus, richtige Betten, gutes Essen und zur
Freude der Kinder 3 schöne Swimmingpools. Der ambitionierte Großvater
schaffte es denn auch, Marlene binnen einer Woche das Schwimmen
beizubringen. Fragt sich nur, wer stolzer darauf war! Till entwickelte
Fertigkeiten als Kellner, indem er sich und aller Welt mit Begeisterung
Eis vom Büffet holte, je öfter je lieber.
Wir
Großen hatten Zeit für uns und das Schiff. Unter anderem galt es,
frische Lackkratzer am Steven und den alten von Dänemark auszubessern.
Die frischen Blessuren hatten wir uns zum einen beim Anlegen und dann
noch Mal mitten in der Nacht geholt, als das Schiff durch den Schwell
im Hafen wie wild in den Seilen hin und her hüpfte und trotz ablandigem
Wind gegen den Steg stieß. Wie so vieles, machten wir auch diese
Arbeiten zum ersten Mal und mußten unser Lehrgeld zahlen. Erst taten
wir zu viel Härter in die Spachtelmasse, dann zu wenig. Warum können
die Hersteller nicht einfach 2 Tuben machen, die bei gleicher
Stranglänge das passende Mischungsverhältnis ergeben? Stattdessen
empfehlen sie, die ganze Masse auf einmal anzurühren, damit es stimmt.
So ein Blödsinn.
Endlich fanden wir auch Zeit, alles zu lüften, zu säubern und zu
waschen, was so vor sich hingegammelt hatte. Alle Schapps offen stehen
zu lassen, ist bei 4 Personen und der Enge einfach nicht drin. Die vor
dem Start eingebauten Regale und die umgebaute Pantry wurden mit Hilfe
von Beize und Lack dem Rest der Inneneinrichtung angepaßt und der
Regalinhalt auf den Kinderkojen zwischengelagert.


Abends trafen wir uns meist mit den Großeltern und unseren Kindern. Wir
machten einen schönen gemeinsamen Ausflug in die Berge, spazierten
durch ursprüngliche Bergdörfer und bewunderten die Aussicht vom
höchsten Gipfel der Insel auf den Teide, den Vulkan der Nachbarinsel
Teneriffa, der zugleich der höchste Berg Spaniens ist.
Besuch bekamen wir auch von "unserem Kamerateam". Wir posierten für ein
Fotoshooting auf der Düne von Maspalomas und machten eine Kaffeefahrt
mit der Spica. Wir hoffen, dass wir die Profi-Tipps in Zukunft umsetzen
können. Anfang Januar soll vermutlich der nächste Fünfminüter im RBB zu
sehen sein.

Sehr gefreut haben wir uns auch über den Besuch von Beate und Ecki aus
Jena mit ihren Kindern Philip und Linus, die unweit der Großeltern
einen Bungalow gebucht hatten. Die Kinder hatten bald raus, welcher
Swimmingpool das wärmste Wasser führte. Till übte Kopfsprung und
tauchte wie ein Fisch auf den Grund nach seinem Ritterpferd und Marlene
traute sich am Ende auch, frei weg vom Beckenrand ins Wasser zu hüpfen
("ohne alles nur mit Badeanzug und ohne Festhalten" wie sie stolz
verkündete). Da Philip mitten in der Ritterphase steckt, aus der Till
noch nicht ganz raus ist, waren sich die beiden Jungs sowieso einig,
welche Spiele am meisten Spass machen.
Wir erlebten alle zusammen den Start der ARC (Atlantic Rallye for
Cruisers) in Las Palmas, der ursprünglich den Grund für die Terminwahl
des Familientreffens abgegeben hatte.


250 Segelboote starten hier gemeinsam ihren Törn über den Atlantik.
Darunter sind Rennyachten ebenso wie Fahrtenboote, die natürlich in
verschiedenen Kategorien gewertet werden. Wir hatten auch daran
gedacht, uns anzuschließen, haben aber in Marokko verschiedene Segler
getroffen, die uns davon abrieten, weil die Windverhältnisse so früh in
der Saison zu instabil wären. Da wir zeitlich sowieso im Verzug waren,
änderten wir gern unsere Pläne, um uns noch ein wenig auf den Kanaren
umzugucken.
Einen
Tag früher als sonst (Freitag vor dem 1. Advent), fand dieses Jahr
unsere Feuerzangenbowle hier an Bord statt mit Beate und Ecki als
Stammgästen. So gut mit Feuerlöschern waren wir noch nie ausgestattet
gewesen, aber ich war doch froh, dass unsere Deckenverkleidung die
Sache unbeschadet überstanden hat. Erst nach dem Abschied von
Großeltern und Freunden wurde uns so richtig bewußt, dass das nächste
Wiedersehen vermutlich erst in gut zwei Jahren sein wird.
Am letzten Tag in Pasito Blanco machten wir noch eine schöne Wanderung
an der Küste entlang nach Maspalomas. Dabei war auch eine kleine
Kletterpartie zu absolvieren, die die Kinder aber mit Bravour
gemeistert haben.
In Maspalomas verdienten sich verschiedene
Schauspieler ein Zubrot als "Statuen". Man mußte schon genau hinsehen,
um zu erkennen, dass es lebende Menschen waren. Bei den meisten
Passanten löste es aber eher Irritation aus als dass es ihren
Geldbeutel lockerte. Eine kleine Interaktion bringt sicher mehr.
Am 1. Advent motorten wir in die nächste Bucht nach
Arguineguin, wo wir eine deutsche Familie mit ihrem selbstgebauten
Katamaran "Hermann-Heinrich" kennenlernen wollten. Wir hatten schon
einige Zeit in mail-Kontakt gestanden. Ihre Kinder Felix (13) und
Marvin (11) kümmerten sich ganz reizend um unsere beiden und es war
eine sehr glückliche Zeit insbesondere für Till. Aus den geplanten 1-2
Tagen wurde kurzerhand eine ganze Woche und am Nikolaustag gab es bei
uns an Bord Kinderpunsch für die junge Generation und Feuerzangenbowle
für die Großen. Inzwischen war auch ein weiteres deutsches Schiff mit
Familienbesatzung per Zufall eingetroffen, das wir schon von Oostende
kannten.


Die Kinder paßten altersmäßig besser zu den Jungs und Computerspiele
waren angesagt. Obwohl der Abschied schwer fiel, fuhren wir weiter nach
Gomera, wo wir über die Feiertage bleiben und wieder in eine Art Alltag
zurückfinden wollten nach der langen begegnungsreichen Zeit.
In der letzten Nacht in Arguineguin fanden Lars und ich wenig Schlaf.
Als wir uns hinlegen wollten, hörten wir eigenartige Geräusche, die uns
an Camping erinnerten. Und tatsächlich sahen wir, dass auf der
Hafenmole vom Roten Kreuz Zelte aufgebaut wurden. Viele Menschen eilten
geschäftig hin und her. Einige Zeit später hörten wir den Seenotkreuzer
einlaufen.
Er
hatte Flüchtlinge aus Afrika aufgelesen, die zum Teil auf Tragen und
mit Rollstühlen in die Zelte transportiert wurden. Tote gab es, soweit
wir gesehen haben, nicht. Die Menschen wurden mit Decken und Nahrung
versorgt. Der Rettungskreuzer lief noch ein zweites Mal aus und mit
Schutzanzügen bekleidete Männer entluden bei der Rückkehr Dinge, die in
schwarzen Mülltüten verpackt waren. Später stiegen die Flüchtlinge in
einen bereitgestellten Reisebus. Am Morgen war das Zeltlager abgebaut
und nur noch die Müllsäcke waren vom nächtlichen Spuk übrig.
Bei der Überfahrt von Portugal nach Marokko konnte ich während meiner
Freiwache nicht schlafen bei dem Gedanken, womöglich solchen
Flüchtlingsbooten auf offener See zu begegnen. Wie wir erfahren haben,
fahren die meisten jedoch von Mauretanien zu den Kanaren, wobei
besonders günstige Wetterlagen abgewartet werden. Die Überfahrt dauert
wohl in der Regel 3 Tage und die Menschen müssen pro Nase ca. 4000 Euro
an die Schlepperorganisation bezahlen. Andere Segler sind hier zwischen
den kanarischen Inseln wirklich solchen Booten begegnet. Was die
Flüchtlinge nach den Auffanglagern auf Fuerteventura erwartet, ist
ungewiß. Man kann sich glücklich schätzen, dass einem selbst die Welt
offen steht, während andere aus krisengeschüttelten Regionen
unverschuldet als Bittsteller dastehen.

Die
Überfahrt nach Gomera bescherte uns wieder nur dünnen Wind. Dafür
besuchten uns Delfine zum Sonnenuntergang und Schweinswale zum
Sonnenaufgang. Gerade diese Momente sind die schönsten auf See. Dabei
leuchteten die Inseln Teneriffa und Gomera noch in herrlichem Lila.

Die ganze Nacht war es ruhig gewesen und kein
einziges Schiff zeigte sich weit und breit. Als wir uns San Sebastian
näherten, lief jedoch gerade eine Fähre aus und ein Kreuzfahrtschiff
legte an.
Der Hafen von San Sebastian liegt vor einem farbenfrohen Felsen. Wie
ein Hundertwasser-Motiv schmiegt sich der Ort daneben an die Berghänge.
Unsere Ankunft war schon von "Hermann-Heinrich" angekündigt worden,
weshalb gleich ein 3-köpfiges deutsches Empfangskomitee uns die Leinen
abnahm. Wir hatten einen der begehrten innenliegenden Plätze zugewiesen
bekommen, vermutlich, weil wir gleich für einen ganzen Monat bezahlt
haben. Zugleich wurden wir bestens mit Tipps und Informationen versorgt
sowie zum täglichen Treffen der Trans-Ocean-Mitglieder eingeladen.

Die nächsten Tage vergingen mit Installation einer neuen Wifi-Antenne,
Ausbesserungsarbeiten am Schiff, Schule, Erkundung des Ortes,
Spielplatz, Strand und Schnack mit den Stegnachbarn. Für die nächste
Zeit wird die Wäsche wohl von Hand gewaschen werden müssen. Wir ließen
uns von darin erfahrenen Wäscherinnen eine ausgereifte Technologie und
das beste Waschmittel empfehlen und legten uns große Weinbottiche dafür
zu. Die Co-Skipperin hegt die Hoffnung, dass auch diese Aufgabe ähnlich
wie das Geschirrspülen zur Männersache wird.
Heidi von der "Soleil II" weihte mich in die Geheimnisse des Sauerteigs
ein. Vorerst war es mir aber zu zugig und kalt dafür. Till und Marlene
bekamen eine neue Frisur bei einer langfahrtsegelnden Friseurin. Die
Berge hingen fast ständig in den Wolken und ließen keinen Zweifel, dass
sich dort oben große Nebelwälder befinden.


Erst nach 10 Tagen, kurz bevor die Weihnachtsurlauber sämtliche
Mietwagen Gomeras blockieren, nahmen wir ein Auto um die Insel zu
erkunden. Leider hatte der Sonnenschein am Morgen wieder getrogen und
während der Fahrt hatten wir viel Nieselregen. Wir bekamen jedoch einen
Eindruck von den Landschaften und Orten und freuten uns, dass Gomera
sich bislang offensichtlich erfolgreich den Massentourismus vom Leibe
gehalten hat.

Wir
nahmen Anhalter mit, die bereits seit 22 Jahren im Dezember hier Urlaub
machen. Dass das Wetter sonst nie so schlecht war wie in diesem Jahr,
wie sie uns erzählten, war dabei kein wirklicher Trost. Selbiges hörten
wir nun schon seit Frankreich immer wieder. Zwei Tage später war
endlich der Sonnenschein da und wir beschlossen spontan, mit dem Bus in
die Berge zu fahren. Eine ca. 5 km lange Wanderung sollte uns zu einem
großzügigen Spiel- und Picknickplatz bringen. Wir bemerkten mit Freude,
dass es sich selbst mit Marlene schon gut wandern läßt. Rückzu
probierten wir es mit Trampen im Familienpack. Ich stellte mich mit den
Kindern der Größe nach sortiert an die Straße und wir hielten alle den
Daumen raus. Promt hielt ein Auto mit einer Deutschen, die skeptisch
fragte, ob das ein Witz sein solle. Obwohl sie an der nächsten Kreuzung
abbiegen wollte, fuhr sie uns bis zu der Stelle, wo wir zur Not auch
per Bus weitergekommen wären. Doch auch hier hatten wir Glück und
wurden zu viert mitgenommen bis fast zum Hafen.
Am
18.12. besuchten Lars und ich ein Weihnachtskonzert, bei dem auch der
örtliche thüringische Bootsbauer und der schweizer Segelmacher
mitsangen. Außerdem trat ein großer Kinderchor quer durch alle
Alterstufen auf und ein Bläserensemble von der Größe eines
Sinfonieorchesters mit nicht weniger als 20 Klarinetten brachte mit
Wiener Walzer, Radecki-Marsch und verjazzten Weihnachtsmelodien
Stimmung in den Saal. Als besondere Überraschung für die Kinder hatten
sich die Musiker alle rote Zipfelmützen aufgesetzt.
Die Weihnachtsvorbereitungen waren viel weniger hektisch
als sonst. Wir haben eifrig Plätzchen und Pfefferkuchen gebacken
(Vielen
Dank für die vielen Rezepte, die uns erreicht haben), ein Hexenhaus
gebaut, Sterne gebastelt und die aus Playmobil zusammengestellte Krippe
mit Moos und Zweigen aus den Bergen geschmückt. Trotzdem war es bei den
sommerlichen Temperaturen vor allem für uns Große eher schwierig, so
richtig in Weihnachststimmung zu gelangen. Das änderte sich am 24.12.,
als ein richtiges Schmuddelwetter mit Regen und Wind einsetzte. Als ich
dann drinnen im Schiffsbauch alles gemütlich dekoriert hatte, die
Lichterkette in warmem Licht strahlte, der bunte Teller mit Biesdorfer
Walnüssen, Mandarinen, Nürnberger Lebkuchen, Dominosteinen und den
eigenen Plätzchen verführerisch zum Zulangen einluden, war es doch
richtig Heilig Abend geworden.

Die Weihnachtsgeschenke paßten alle in den Sack des Weihnachtsmanns,
der uns bei Einbruch der Dunkelheit besuchte. Der Wattebart wollte
nicht so ganz halten und Till entlarvte ihn im Nachhinein als Werner,
den Bootsbauer 3 Schiffe weiter. Ob Marlene auch schon ihre Zweifel
hatte, war nicht zu erkennen, aber wir schärften Till ein, Marlene noch
nicht die Illusion zu rauben. Es gab ein fröhliches Geschenke-Auspacken
und Kartoffelsalat mit Würstchen.



Am 25.12. strahlte wieder die Sonne. Statt der traditionellen
Freyerschen Gans
gab es französische Entenkeulen mit leckerem Rotkraut. Am 26.12.
kehrten wir nach Winkelmannscher Tradition vornehm ein.
Inzwischen war auch die deutsche Segelyacht "Christine"
mit ihren Kindern angekommen, die wir in Oostende und dann in
Arguineguin getroffen hatten. Till hielt sich mehr dort als bei uns
auf, ging mit Britta an den Strand und guckte sich ab, wie man einen
Adventskalender bastelt, den er mir stolz schenkte. Am Strand stand
jetzt öfter mal das Wohnmobil einer deutschen Familie mit 4 Kindern,
die sich auf einer der Inseln eine neue Existenz aufbauen will. Die
Kinder hatten viel Spaß miteinander.
Silvester war schon lange eine Party unter den deutschen
Seglern geplant. Trotz der langen Zeit, die wir nun schon in diesem
Hafen lagen, hatten sich für uns noch kaum Kontakte ergeben, die über
das freundliche "Guten Morgen" oder ein paar sachliche Fragen
hinausgingen. Mit Kindern lebt man einfach in einer anderen Welt und
mit Sehnsucht dachten wir an die Zeit in Marokko zurück, wo wir so
viele Familien waren.
So
saßen wir auch am Silvesterabend mit "Christine"s zusammen, genossen
die schöne Aussicht von der Dachterasse und froren jämmerlich bei dem
stetigen kühlen Wind. Ein Spieleabend auf einem der Schiffe wäre
vielleicht die bessere Option gewesen. Mitternacht ging dann aber im
Ort echt die Post ab. Zuerst gab es ein öffentliches Feuerwerk (und
quasi keine privaten Knaller oder Raketen). Dann spielte eine Band bis
zum Morgengrauen lateinamerikanische Rhythmen und alles tanzte. Die
Gomeros waren sämtlich in Abendgarderobe erschienen: die Frauen in
heißen kurzen Kleidern, die Herren in schwarzem Anzug, egal ob jung
oder alt.
Überall bildeten sich kleine Stehparties um geparkte Autos, aus deren
Kofferräumen Sekt und Imbiss gezaubert wurde. Ein gefundenes
2-Euro-Stück setzte ich an einem der beiden zusätzlichen Imbißbuden in
"Churros", einer Art Schmalzgebäck, um. Marlene war schon gegen 23 Uhr
eingeschlafen und selbst beim Feuerwerk nicht munter geworden. Till
feierte bis halb 2 mit und wollte immer noch nicht schlafen gehen. Ich
hatte meine Hochzeitsschuhe angezogen und tanzte mit Lars noch bis halb
4. Silvester würden wir jederzeit wieder hierher kommen !
Die spanischen Kinder bekommen ihre Geschenke nicht zu
Weihnachten, sondern erst von den heiligen drei Königen. Am 5.1. gibt
es in allen großen Orten Drei-Königs-Umzüge, die ein bißchen an
Karneval erinnern.
Es
werden Süßigkeiten und Bonbons verteilt, die Könige ziehen in die
Kirche und bringen dem Christkind in der Krippe ihre Geschenke dar. Zum
Schluß gab es eine bunte Bühnen-Show von Kindergarten-Gruppen,
Vereinen, Artisten und Sängern, die populäre Kinderlieder sangen. Dann
drängten sich die Kinder auf die Bühne zu den Königen, um ihre
Wunschzettel abzugeben für die Geschenke, die sie am nächsten Morgen
vorfinden wollen. Wie so oft, hatten wir erst in letzter Minute von dem
Umzug erfahren. Mangels genauer Anfangszeit, warteten wir mit vielen
Einheimischen geduldig auf dem Kirchplatz und genossen die Atmosphäre,
die zunehmende Unruhe und die letzten Sonnenstrahlen. Ältere Menschen
beobachteten das Treiben vom Fenster aus.
Nach den Weihnachtsvorbereitungen und -Feierlichkeiten
arbeiteten wir fleißig am Schiff, um es für die Atlantiküberquerung
vorzubereiten. Die Lackschäden außen

am Rumpf und die kleinen, unvermeidlichen Roststellen an Deck wurden
ausgebessert,
die
Windsteueranlage, die Rollfockanlage und anderes auseinandergenommen
und gewartet. Wir paßten einen windstillen Moment ab, um das Groß
hochzuziehen und für die noch immer fehlende 3. Reffleine Maß zu
nehmen. Die Lösung, wie man bei 4 Leinen mit 3 Umlenkrollen auskommt,
hatte sich Lars schon ausgedacht und installiert. Der Mast bekam nun
doch noch Maststufen, um bei der "Augapfel-Navigation" schneller eine
erhöhte Ausguck-Position einnehmen zu können. Endlich wurde unser
Bugkorb neu geschweißt. Die Backskiste und "die Werkstatt", die fast
das komplette Bad belegt, wurden aufgeräumt, sehr zur Erleichterung der
Bordfrau.
Die Verproviantierung erfolgte in mehreren Schritten:
Konserveninventur, Konserven-Großeinkauf, Mehl-Großeinkauf ,
frisches
Obst und Gemüse, Wurst, Käse und Butter und zuletzt noch mal diverse
Kleinigkeiten, die noch gefehlt haben oder schon wieder alle geworden
sind.
Der Start-Termin wurde mehrfach verschoben: ursprünglich für ca. den
8.1. geplant, hieß es, unsere Kamera (die wir nach Berlin zur Reparatur
mitgegeben hatten) würde uns am 10.1. mitgebracht werden. Daraus wurde
nichts, aber nun sollte sie "innerhalb von 2 Tagen" per Kurier am 14.1.
eintreffen. Leider blieb sie in Madrid beim Zoll hängen. Wir
beschlossen, auf die Kamera zu verzichten, aber nun hielt uns das
Wetter fest.
Zuviel Wind und Welle, wie sie jetzt von den Sturmtiefs in der Biskaya
bis hierher schwappten, wollten wir uns für den Beginn der Reise nicht
gleich antun. Wir faßten Sonntag, den 18.1. ins Auge, um uns dann doch
lieber für Donnerstag, den 22.1. zu entscheiden. Aber wie das so ist,
die Vorbereitungen waren immer noch nicht fertig, obwohl wir den ganzen
Tag geschuftet hatten. "Tiggers" und Bert und Annette von der
holländischen "Aventyr" hielten sich umsonst bereit, uns beim Ablegen
zu helfen. Wir verbrachten noch einen gemütlichen Abend, bevor sie am
nächsten Morgen ein 2. Mal vor uns den Hafen verlassen würden.
Schließlich wurde es Samstag, der 24.1.2009, als wir endlich die Leinen
loswerfen konnten.
Die Verzögerung des Zeitplanes gab uns Gelegenheit, ein
weiteres Fest auf Gomera mitzufeiern.
Anlaß
war der Namenstag des Heiligen Sebastian, des Namensgebers der Stadt.
Am 17.1. trafen aus verschiedenen Dörfern Gomeras und der Nachbarinseln
Folkloregruppen und bunte Umzugswagen ein. Singend und musizierend
zogen sie durch die Straßen und gruppierten sich bei ihren Wagen, von
denen Essen und Trinken heruntergereicht wurde. Selbst wir Touristen
bekamen hier und da etwas ab und die wenigen kommerziellen Imbißbuden
hatten es schwer. Viele trugen traditionelle Trachten und ein
Nachwuchsproblem scheint es auch nicht zu geben. Es war eine fröhliche,
entspannte Atmosphäre, wie wir sie in Deutschland auf Volksfesten noch
nie erlebt haben.
Auf
einer kleinen Bühne traten die Gruppen nacheinander auf, und die alte
Frau, die uns eben noch Paella spendiert hat, tanzte mit einem riesigen
Blech auf dem Kopf zur Musik ihrer Landsleute. Zwischen den Wagen war
ein regelrechtes Wettmusizieren entstanden. Als sich am Abend alle müde
gesungen hatten, konnte, wer wollte, noch die ganze Nacht zur Musik
einer Live-Band tanzen.
Obwohl alle sich Mühe gaben, den entstehenden Müll in die vorgesehenen
Säcke zu sammeln, machte der Wind noch allerhand Beute. Am nächsten
Morgen (Sonntag !) war aber alles bereits weggekehrt und die Straßen
mit Wasser abgespritzt, so dass der hübsche Ort wieder einladend
wirkte.
Auch an den folgenden Tagen war noch allerhand
los. Überhaupt scheint man auf den Kanaren gern und häufig zu feiern.
Am Samstag, den
24.01.2009 legten wir in San Sebastian auf Gomera ab und nahmen Kurs
auf die Karibik. Le Marin auf Martinique haben wir uns als Zielhafen
ausgesucht, da dort günstige Möglichkeiten sein sollen, die Vorräte
wieder aufzustocken und sich ein Sonnensegel anfertigen zu lassen, was
uns auf Gomera nicht geglückt war.
Wir rechnen mit 20 bis 25 Segeltagen. So lange waren wir bisher noch
nie am Stück unterwegs gewesen.
Erstaunlicherweise
blieb das Lampenfieber komplett aus.
Ruhig motorten wir in der Inselabdeckung gen Süden. Die Sicht war so
gut, wie die ganze Zeit bislang nicht und der Teide von der
Nachbarinsel Teneriffa gab eine herrliche Kulisse. Langsam zogen wir an
den Felsenbuchten vorbei, sahen "El Cabrito", die ehemalige
Hippie-Siedlung und jetzige "Öko-Ferienanlage", die nur zu Fuß oder per
Boot erreicht werden kann, malerisch in seinem zerklüfteten Tal liegen.
Ich genoß die Farbspiele auf dem Wasser, die durch den blauen Himmel
mit Schäfchenwolken hervorgerufen wurden.
Von
Grau mit strahlendem Hellblau changierte es zu kräfigem Azur und
Stahlblau. Maler müßte man sein !
Hinter der Insel erwischte uns der "Düseneffekt" (der Wind ist einige
Stärken heftiger als im Gebiet allgemein) und unter 1. Reff und Genua 3
rauschten wir mit 7,5 Knoten bei halbem Wind und Querwelle dahin. Das
war für den ersten Tag für meinen Geschmack zu viel, aber
glücklicherweise ließ es über Nacht bereits nach. El Hierro versteckte
sich in Dunst und Wolken und war nur zu erahnen. Unser Kurs schwankte
wie der Wind, so dass wir die Lichter der letzten Kanareninsel bald
hinter, bald neben uns hatten. Am Morgen kam endlich ein stetiger
Nordost auf.
Am
2. Tag hatte noch keiner richtig Appetit. Wir mümmelten ein paar
Zwiebäcke, die Kinder mußten sich ein paar mal übergeben, ohne viel
Aufhebens darum zu machen. Sie halfen sich auch gegenseitig. Man wollte
am liebsten nur in Ruhe gelassen werden und die Stimmung war so grau
wie der Himmel. Naja, das kennen wir ja inzwischen. Da muß man eben
durch. Ich begann Till den spannenden Epos "Die Söhne der großen Bärin"
vorzulesen, wo wir doch bald nach Amerika und zu echten Indianern
kommen wollen.
Ab dem 3. Tag war Seekrankheit kein Thema mehr. Spätestens nach dem
deftigen Mittagsessen ging es allen wieder prächtig und alle hatten
gute Laune. Ein amerikanischer Frachter passierte uns in 3,5 Meilen
Abstand.
Wir
hatten schon angefangen zu zweifeln, ob unser AIS-System noch
funktioniert, weil wir bislang kein einziges Schiff in der Nähe hatten.
Die Schule hatte heute nicht so gut geklappt und Till schrieb aufgrund
seines schlechten Gewissens als Überraschung ganz allein in sein
Schreibheft: "Ich will mit Papa Mamorkuchen backen." Wir waren so
gerührt, dass wir tatsächlich noch einen Kuchen zustande brachten.
Die ersten Nächte blieben mond- und sternenlos. Hin und wieder regnete
es (meistens zum Beginn meiner Wache). Das Plankton glitzerte nur wenig
und das Wasser war tagsüber so grau wie die Ostsee. Die Wellen kamen
immer noch von der Seite und die Schaukelei konnte einem auf Dauer auf
die Nerven gehen. Keine Delfine besuchten uns.
Nichts
von der Magie des Segelns weit und breit ! Auf der Übersegler-Karte
waren unsere Fortschritte kaum zu erkennen. So viel Strecke lag noch
vor uns, obwohl wir doch nun schon etliche Tage unterwegs waren.
Dafür machten wir es uns im Schiffsinneren gemütlich. Wir kuschelten
ausgiebig, die Kinder bastelten uns Überraschungen und verwandelten das
Vorschiff in ein Teddy-Paradies. Langeweile kommt mit Kindern nie auf.
Da braucht nur eines der beiden ein Spiel wegräumen wollen um dabei die
Perlendose umzukippen. Schon ist man wieder eine halbe Stunde
beschäftigt. Die Kinder wirken sehr ausgeruht und Lars macht mit ihnen
"Sport" im Vorschiff.
So
viel Frisches essen wir an Land nur selten. Hier war nun alles
gebunkert und mußte weg, ehe es verdarb: die leckeren Sternfrüchte,
Apfelsinen, Mandarinen, knackige Paprika, Äpfel, mehrere Abende lang
Avocadomus. Nach einer Woche wurden die Bananen reif. Einige Tage lang
gab es Bananen in allen Variationen. Die letzten gehen über Bord. Braun
geworden wollte sie keiner mehr essen. Unsere Kalkulation scheint ganz
gut aufzugehen. Alles Essen und Kochen ist anstrengend bei der
Schaukelei. Wir haben gelernt, Getränke am besten in Längsachse des
Schiffes einzugießen, um Überschwemmungen zu vermeiden. Das Essen nimmt
bei uns nicht den Stellenwert ein, wie bei reinen Erwachsenen-Crews, wo
es oft der Höhepunkt des Tages ist. Bei uns sind Schule und
Begebenheiten mit den Kindern entscheidender.
Dieser lange Törn ist eine Erfahrung im eigentlichen Sinne des Wortes.
Wir
erfahren uns die Strecke nach Amerika, die im Flugzeug nur einen halben
Tag dauert. Drei Wochen - diesen Zeitraum konnten selbst wir
Erwachsenen uns nicht vorstellen. Die zweite Woche beschehrte uns mehr
Wind und Schaukelei. Manchmal kommen mir die Schiffsbewegungen vor wie
Skilaufen auf schwarzer Piste: "Schwung links - Schwung rechts -
Schwung links - Schwung rechts". Dazwischen immer kurz das Gefühl der
Schwerelosigkeit. Manchmal fühlt es sich mehr an wie im ICE: ein
gleichmäßiges Gefühl, schnell unterwegs zu sein,
mit kurzem Ruck zur ein oder anderen Seite,
wie beim Gleiswechsel. Wenn es heftig kommt, dann gleicht es eher einem
Fahrgeschäft auf dem Rummel, bloß dass man nach der ersten Runde nicht
aussteigen kann. Im Schiff rumpelt und klappert es in allen Schapps wie
ein Gemischtwarenladen bei Erdbeben. Die Kinder spielen
"Schlittschuhlaufen" auf Socken und rutschen von einer Seite des Salons
zur anderen, bis ich es aus Sicherheitsgründen untersage.
Am 11. Tag auf See nutzen wir den morgendlichen Sonnenschein und machen
ein Waschfest im Cockpit. Die Bordfrau bekommt sogar die Haare
gewaschen und fühlt sich gleich viel besser. Mit Süßwasser werden die
"Frauen" zum Schluß abgespritzt.
Nachts war ein ganz besonderer "Stern" aufgegangen.
Erst
funkelte er gelblich mit ein bißchen rot, später deutlich grün. Da er
sich auch nicht über den Horizont erhob, blieb irgendwann kein Zweifel
mehr, dass es sich um ein anderes Segelboot handeln mußte. Bei
Sonnenaufgang hatte es uns überholt und seine Segel verschwanden vor
unseren Blicken. Unser Funkspruch blieb unbeantwortet. Schade !
Nach 12 Tagen war Bergfest - die Hälfte der Meilen sind
geschafft. Erst die Hälfte?! Wir feiern mit Schokoladenpudding zum
Abendbrot.
Der
Tag war anstrengend. Von irgendwoher haben sich große Wellen aufgebaut
ohne, dass der Wind wesentlich zunimmt. Das bedeutet noch mehr
Geschaukel. Mittags waren wir mit dem amerikanischen Frachter "Laura"
auf Kollisionskurs. Es ist bereits das 2. Mal, dass wir ausweichen
müssen. Merkwürdig, wo wir im Schnitt nur ca. alle 2 Tage überhaupt ein
Schiff treffen oder per AIS/Radar erfassen. Die Wellen sind so hoch,
dass sie den ganzen Frachter einfach "verschlucken". Der Anblick prägt
sich mir ein und warnt mich,
beim
Ausguck wirklich wachsam zu sein. In der Regel kündigen sich die
"Großen" Schiffe schon Stunden vorher durch Hupen unseres aktiven
Radarreflektors an. Nicht immer bekommen wir sie überhaupt auf den
Bildschirm, geschweige denn zu Gesicht. Manchmal fragen wir uns, wozu
wir überhaupt regelmäßig Wache gehen. Man könnte sich auch einfach auf
die Technik verlassen. Nur den Segler hätten wir dann übersehen, aber
der paßt ja auch noch auf und fährt einen ähnlichen Kurs wie wir, so
dass Annäherungen sich über längere Zeiträume erstrecken.
Nach 13 Tagen sichten wir das erste Mal auf dieser
Reise Delfine.
Sie
sind recht klein und auch bald wieder verschwunden. Dafür gibt es jetzt
regelmäßig fliegende Fische. Einige kleine landen unbemerkt auf unserem
Deck. Die größeren fliegen durchaus mehrere Meter durch die Luft, ehe
sie wieder im Wasser verschwinden. Beim ersten Mal hatte ich sie noch
für Möwen gehalten und mich gewundert, warum sie nicht wieder
auftauchen. Echte Möwen sehen wir auch gelegentlich. Wie können sie nur
so weit von Land entfernt leben?
Das Anglerglück läßt auf sich warten. Tagelang schleppen wir die Angel
nun schon hinterher, jeden Tag probieren wir es mit anderen Ködern,
Gewichten, lassen mal mehr mal weniger Leine raus... Eines Tages ziehen
wir sie ein und entdecken den sauber abgenagten Unterkiefer eines
angebissenen Fisches.
Den
hat sich also wer anders geholt. Immerhin scheint es Fische zu geben
und sie beißen auf unseren Köder. Keine 1 1/2 Stunden später zappelt
sichtlich einer an unserer Angel. Eifrig filme ich das Geschehen in
Vorfreude auf das leckere Abendbrot, während Lars die Leine einholt.
Aber da haben wir uns wieder zu früh gefreut. 10m vorm Schiff reißt
sich der Bursche los, vielleicht ein Weißer Marlin. Schade!
Unsere Atlantiküberquerung geht zu Ende, ohne dass wir frischen Fisch
in der Pfanne hatten.
Die letzte Woche nehmen Temperaturen und die
Luftfeuchtigkeit ständig zu. Wir nähern uns merklich unserem tropischen
Ziel. Immer noch gibt es Regenschauer und Salzspritzer an Deck, die uns
Zuflucht im Schiffsinnern suchen lassen. Die Kinder hören sämtliche
Kinder-CDs rauf und runter, ich schaffe es immerhin, einen dicken
Wälzer zu lesen. Till macht fleißig jeden Tag Schule einschließlich
Wochenende und freut sich auf die dadurch extralangen Ferien mit den
Großeltern. Marlene studiert eifrig ihr Bastelbuch und kreiert die
schönsten Kunstwerke, mal mit mir, mal mit Papa, mal mit Till, mal ganz
allein.
Ich bekomme von den Kindern eine schöne neue Perlenkette. Abends wird
im Vorschiff herumgetobt, gekitzelt und Kissenschlacht gemacht (Papas
Resort). Die Kinder klettern auf die Steuersäule und spielen Cowboy mit
selbstgeknüpften Steigbügeln. Wir spielen Dame, Halma, Fuchs und Hühner
und was die magnetische Spielesammlung sonst so her gibt. Rommé spielen
ist bei der Schaukelei aussichtslos, da die Karten ständig verrutschen.
Wir backen noch einmal Plätzchen. Die Zutaten für Kokosmakronen haben
wir alle an Bord. Bloß was machen wir mit den Eigelb? Natürlich
Vanillekipferln in freier Variation nach den 4 Rezepten, die uns
vorliegen. Während uns letztere glücken und munden, kippt eine Welle
die 4 Eiweiß über Salontisch und -bank. Na, dann eben keine
Kokosmakronen !
Wir sind keine Rallye gefahren, haben insbesondere
nachts oft vorsorglich gerefft, um der Freiwache nicht mit zusätzlichen
Manövern den Schlaf zu rauben.
Haben
fürs Ausreffen gewartet, bis der Partner ausgeschlafen hatte... Zum
Ende mußten wir dann bremsen, um nicht bei Dunkelheit die unbekannte
Küste zu erreichen. Ich fand es ziemlich bizarr, selbst am letzten Tag
wie schon seit Wochen nichts als Wasser um mich erblickt zu haben und
trotzdem zu wissen, dass wir am nächsten Morgen Croissants kaufen
können.
Die ersten Lichter von Martinique erblickten wir am 16.02.09 um 01.11
Uhr Ortszeit nach 22 Tagen und 16 Stunden. Das Einlaufen in Le Marin
gelang problemlos. 9.30 Uhr Ortszeit hatten wir am Steg der Marina
festgemacht und 45 Minuten später entdeckten wir die Großeltern auf dem
Weg zu Zoll und Marinabüro, die ebenso wie wir vor Wiedersehensfreude
jubelten.
Das letzte Türchen der Überfahrts-Adventskalender war
leergenascht. Der erste Ozean liegt hinter uns. Was für ein Gefühl!
Wir möchten uns an dieser Stelle ganz besonders bei Norbert bedanken,
der uns über Funk die ganze Zeit mit aktuellen Wetterinformationen
versorgt und den Draht zur Außenwelt gehalten hat.
Wie es uns in der Karibik weiter ergeht, erfahrt ihr im
nächsten Kapitel.
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