Reisebericht


Indischer Ozean

 

Ashmore Reef  (02.09. - 05.09.2010)
Cocos Keeling  (17.09. - 26.09.2010)
Rodrigues        (11.10. - 20.10.2010)
Mauritius         (23.10. - 27.10.2010)
Réunion           (28.10. - 08.11.2010)

Ashmore Reef

Als wir von Darwin losfuhren, hatten wir eine Weile damit geliebäugelt, doch noch die verlassene Gegend der Kimberleys mit dem King George River anzulaufen. Der Zoll hatte uns gesagt, dass wir dort ankern dürften, auch wenn wir bereits ausklariert waren. Allerdings dürften wir nicht  an Land gehen. So ganz geheuer war uns das Ganze jedoch nicht. Marlene vor Sonnenuntergang auf SeeDie Australier bewachen ihre Küsten akribisch Tag und Nacht und täglich besuchten uns Zollflieger und fragten nach unserem Woher und Wohin. Schließlich entschieden wir uns dagegen und für einen direkten Kurs zum Ashmore Reef.

Die ganze Strecke herrschten nur leichte Winde oder Flaute. Nach der Hitze und Hektik in Darwin genossen wir das laue Lüftchen und die Ruhe. Wir nahmen die Schule wieder auf und Till hatte trotz der halbjährigen Unterbrechung durch die Iluka-Schulzeit und die Neuseelandreise seinen Zweite-Klasse-Stoff geschafft. Kurz vor Anlaufen des Atolls funkte uns ein Militärschiff an. Wahrscheinlich pure Neugierde oder Langeweile. Jedenfalls unterbrachen wir den Unterricht und tauchten alle im Cockpit auf, um zu winken. Militärfregatte ArmidaleDie Besatzung informierte ihre Kollegen vom Zollboot, das mehr oder weniger ständig beim Ashmore Reef stationiert war, wo wir entsprechend erwartet und nach Erledigung des Papierkrams in die Lagune gelotst wurden.

Das Ashmore Reef hat einen besonderen Status. Offiziell gehört es zu Australien, aber da indonesische Fischer schon immer hierher gekommen sind, um zu fischen, gibt es ein Sonderabkommen, das auch weiterhin den Fischfang auf traditionelle Weise erlaubt, d.h. mit kleinen Booten unter Segel und historischem Fanggerät. Moderne Netze und Außenborder sind dagegen verboten. Halten sich die indonesischen Fischer nicht daran, landen sie vor australischen Gerichten, ihre Boote werden in Brand gesetzt und die Motoren zerstört. Ashmore ReefDie Überfischung der Meere ist weltweit ein Problem, besonders jedoch im bevölkerungsreichen Asien, und die kriminelle Energie ist groß. Ein Hauptgrund für die Stationierung des Zollbootes war die Überwachung der geltenden Regeln. 

Das Militärschiff dagegen kümmert sich hauptsächlich um die Flüchtlingsboote, die von Indonesien rüber kommen. Die Boote werden abgefangen und die Flüchtlinge nach Christmas Island gebracht, das ebenfalls politischen Sonderstatus trägt. Die Flüchtlinge kommen überwiegend aus Bürgerkriegsgebieten wie dem Irak, Afganisthan, Sri Lanka und Pakistan. Die meisten Flüchtlinge sind gebildet und wohlsituiert. Faszination für JungsCa. 80% werden von Australien als Asylanten anerkannt und aufgenommen. Die Schlepper kassieren angeblich 10000$ pro Person. Die indonesischen Skipper wissen, dass sie für 3 Jahre in Australien ins Gefängnis wandern, aber ihre Familien sind derweil finanziell gut versorgt. Man fragt sich, warum die Flüchtlinge nicht ohne riskante Seereise einfach bei einer australischen Botschaft in Indonsien oder sonstigen Zwischenländern Asyl beantragen können. Vielleicht kommt den Australiern ja insgeheim die Vorauswahl durch den Geldbeutel ganz gelegen, haben wir überlegt.

Das Ashmore Reef bietet tolle Gelegenheiten zum Tauchen und Schnorcheln. Berühmt ist es vor allem auch für seine Seeschlangen. Wir sahen allerdings keine einzige. Die Zollbeamten, die gleichzeitig Nationalparkwächter sind, berichteten, Wer hat da schon genascht?dass seit 1 1/2 Jahren die Schlangen aus unbekannter Ursache hier am Verschwinden sind. Unsere Freunde von der SY Kire, die wir später auf Cocos Keeling kennenlernten, erzählten uns, dass sie zwischen Darwin und Cocos sehr viele Seeschlangen im Wasser beobachtet hätten.

Zunächst mal hatten wir Pech mit dem Wetter. Die ganze Fahrt lang hatten wir mehr Flaute als uns lieb war. Gerade bei unserem Zwischenstop in Ashmore jedoch begann es zu winden und die Sicht beim Schnorcheln war durch die Wellen, das aufgewühlte Wasser und den bedeckten Himmel nur mäßig. Beim Morgenbad hatten wir aber immerhin einen Mantarochen beobachtet. Wir waren gerade beim Abtrocknen und hatten noch nicht gefrühstückt, als wir plötzlich Besuch bekamen. Das Militärschiff hatte draußen vor dem Atoll geankert und Phil, der "boarding officer" kam mit einem Beiboot zu uns in die Lagune gebraust, um uns im Namen des "commander"s zum Mittagessen und Besuch auf der Fregatte einzuladen. Mit 25 kn übers WasserWir waren völlig perplex und nahmen gerne an. Wann bietet sich schon mal so eine Gelegenheit? Mit 25kn brauste das Schlauchboot mit uns übers Wasser. Mittels Kran wurden wir an Bord der Fregatte gehievt. Dazu mußten wir Schutzhelme tragen. Wir lernten Grant, den Kommandanten kennen, der uns herumführte und aßen gemeinsam mit ihm, Phil und dem Schiffsarzt in der Offiziersmesse. Wenn es nach den Kindern gegangen wäre, hätten sie sich das Büffet jeden Tag gefallen lassen, vor allem den frischen Salat. Anschließend durften sie oben auf der Brücke selber steuern. Till fuhr unter "full speed" eine schöne Acht und Marlene einen akkuraten Kreis. Von der Geschwindigkeit merkte man drinnen fast nichts. Später wurde ihnen dafür eine Urkunde überrreicht. Phil zeigte uns auch, wie man mit der Marlene am SteuerKanone ein Ziel (die Spica) ins Visier nehmen und fixieren kann. Jetzt bloß nicht den falschen Knopf drücken, bitte! Es war schon irgendwie beängstigend und zugleich faszinierend. Ein Glück, dass Frieden herrscht und wir kein feindliches Ziel darstellten. Phil und Grant waren ihrerseits sehr an unserer Reise interessiert. Phil, der selber zwei Kinder im Alter der unsrigen hatte, rief gleich seine Frau an und fragte, ob sie nicht auch Lust zu so einem Abenteuer hätte (Sie war offenbar nicht allzu begeistert). Phil bedauerte auch, uns nicht in Darwin bereits gekannt zu haben, wo er mit seiner Familie wohnt, wenn er nicht gerade Dienst auf See hat. Interessant fand ich auch seine Einstellung zur Arbeit. Wenn er Schiffe entert, die illegal in australisches Hoheitsgebiet eingedrungen sind, setzt er zwar auf Einschüchterung, nicht jedoch auf Gewalt. Er macht seinen Jungs klar, dass die Aufgegriffenen (meist Indonesier) nicht unbedingt schlechte Menschen seien, sondern oft einfach nur zur falschen Zeit (mit dem falschen Pass) am falschen Ort, und dass man sie entsprechend auch mit Menschenwürde zu behandeln hätte.

Die Stimmung an Bord war ausgesprochen gut und bis zum letzten kleinen Matrosen hielten alle große Stücke auf ihren Kommandanten. Nachmittags am Strand spielten die Jungs von der Navy gegen die vom Zoll Rugby. Familienfoto im CockpitWir wanderten am Strand entlang und beäugten die zahlreichen Spuren von Schildkröten, die zum Eierablegen an Land gekommen waren. Das Muschelnsammeln war leider verboten, ebenso wie das Betreten der Rückseite der Insel, die den Indonesiern vorbehalten ist und an der sich ein kleiner Friedhof befinden soll.

Am nächsten Tag war wieder ruhiges Wetter und wir gingen zu viert ausgiebig schnorcheln. Es gab Korallen in allen Farben, bunte Fische, Schildkröten, Haie und auch wieder einige majestätisch dahingleitende Rochen. Nachmittags wollten wir mit der Sonne im Rücken die Lagune verlassen und weiterfahren, als uns eine erneute Einladung des Navy-Schiffs erreichte. Wir waren zusammen mit den Jungs vom Zoll zum Barbecue eingeladen. Wir warfen kurzerhand unsere Pläne um und verbrachten einige weitere interessante Stunden an Bord der Fregatte. Reich beschenkt wurden wir zur Spica zurück gefahren. Sie war im Finstern kaum auszumachen, aber Phil trug ein Nachtsichtgerät, mit dem er sie bestens sehen konnte. Ich borgte es mir und schaute in die Achterkabine, wo noch allerlei Spielzeug der Kinder herumlag, wie man im Infrarotlicht eindeutig erkennen konnte.

Zahnputzbecher in der Pantrywohlgefülltes Vorratsnetz

Am nächsten Tag ging es aber endgültig weiter. 12 Tage brauchten wir bis Cocos Keeling. Wind und Welle nahmen allmählich zu. Das Wetter wurde unbeständiger. Nachts sahen wir z.T. Lichterketten am Horizont - meilenweite, beleuchtete Fischnetze. Wir hielten lieber Abstand. Manche Nächte waren rabenschwarz. Dann war das fluoreszierende Meeresleuchten besonders gut zu sehen. Unterwegs feierten wir Lars' Geburtstag. Er hatte sich "kalten Hund" als Geburtstagskuchen gewünscht. Marlenes Schneidezähne wurden immer wackliger und fielen schließlich heraus. Was sah sie auf einmal schön häßlich aus mit ihrer großen Zahnlücke. Marlene mit ZahnlückeZur nachmittäglichen Vorlesestunde hatten wir das Epos vom "Herr der Ringe" angefangen. Ich hatte nicht mehr in Erinnerung, dass es so viel um Schlachten, Mord und Totschlag geht, und hatte es mir nach Australien schicken lassen. Kürzere Bücher wären ja bereits nach 1-2 Tagen ausgelesen. Je näher wir Cocos kamen, desto gröber wurde die See, obwohl gar nicht unbedingt so viel Wind herrschte. Das war mitunter recht anstrengend. Es regnete immer öfter und bei achterlichem Wind dann durch die Luke ins Schiff. Wir spannten unser Sonnensegel vor den Niedergang. Manchmal gab es Wolkenbrüche, die ausreichten, sich damit die Haare zu waschen. Zum Schluß hakelte und knirschte unser Rudergestänge. Wir waren froh, als wir am 17. September wohlbehalten Cocos Keeling erreichten.

Cocos Keeling

Bei bestem Licht manövrierten wir durch die Korallen und ließen den Anker in den hellen Sand fallen. Das Einklarieren war völlig unkompliziert. Die Zöllner, die Cocos Keeling Ankerfeldeigentlich auf West Island leben und dort ihr Büro haben, waren sowieso vor Ort und hatten offensichtlich auch ihre Familien mitgebracht, die auf Direction Island das Wochenende über zelteten. (Cocos Keeling kann man sich vorstellen wie ein Ziffernblatt, quasi ein Ring aus kleinen Inseln, in deren Mitte sich die Lagune erstreckt. Die meisten Inseln sind unbewohnt. Direction Island, wo die Yachten ankern, liegt bei 01:00 Uhr, Home Island, wo die Malaien wohnen, bei 03:00 Uhr und West Island, wo die australischen Verwaltungskräfte leben, bei 9:00 Uhr.)

Kurz vor uns war die deutsche Segelyacht "Kire" mit Kindern an Bord eingelaufen - die erste deutsche Segler-Familie seit den Kanaren. Die beiden Jungs, Karl und Arne, waren mit ihren 2 und 4 Jahren deutlich jünger als unsere beiden, aber die Kinder störte der Altersunterschied nicht im Geringsten Kire bei uns an Bordund sie wurden für den Rest unserer Reise unzertrennlich. 

Lars baute nachmittags die Ruderanlage auseinander. Zum Glück mußte nur ein Gelenk gängig gemacht werden und waren keine Ersatzteile erforderlich. 

Auch John und Freda von der englischen Segelyacht Quywer, mit denen wir seit Darwin in Funkkontakt gestanden hatten, waren noch da und luden uns zum Abendessen ein. Die 5 Tage, die sie bereits hier vor Anker lagen, war das Wetter wohl recht unfreundlich gewesen. Wir hatten tatsächlich mal Sonne statt Regen mitgebracht. 

Cocos KeelingZwei Familien mit Banana-Booten 

Am nächsten Tag setzten wir mit der Fähre nach Home-Island über, wo ca. 500 muslimische Malayen leben. Zur Geschichte der Inseln kann ich nur wenige Details liefern. Benannt ist der Archipel nach dem Erst-Beschreiber Kapitän William Keeling, der 1609 im Auftrag der East India Company unterwegs war. Die Malaien wurden als Arbeitskräfte von dem Schotten John Cluny-Ross mitgebracht, der 1827 die Inseln für sich beanspruchte. Seine Familie herrschte in feudalistischer Weise bis in die jüngste Vergangenheit und machte Geschäfte mit Kopra. 1886 wurde dieser Besitzanspruch offiziell von Queen Victoria anerkannt. Als der Kopra-Handel daniederging, wurde die Versorgung der malaiischen Bevölkerung zum Subventionsgeschäft. Zwischen 1948 und 1951 wurden 1600 Insulaner ausgesiedelt, da die Bevölkerung zu stark zugenommen hatte. Viele gingen in die Phosphatminen von Christmas Island, andere nach Singapur. Citizenship UrkundeDanach wurde für die verbliebenen Einwohner eine strenge Geburtenkontrolle eingeführt, bei der maximal 2 Kinder pro Familie erlaubt waren. Aufgrund der abgeschiedenen Lage war der Austausch mit der Außenwelt sehr begrenzt und Kontakte zur malaiischen Bevölkerung wurde von der Cluny-Ross-Familie weitgehend unterbunden, da sonst das interne System mit Plastik-Geld, subventionierten Nahrungsmitteln und Dingen des Allgemeinbedarfs nicht funktioniert hätte. Erst 1984, nach dem Ende der schottischen Dynastie, entschieden sich die Malaien in einem Referendum für einen Beitritt zu Australien, was ihnen Pässe und damit Reisefreiheit brachte. Das Leben scheint sich seither dramatisch geändert zu haben. Die Menschen leben in einheitlichen, bungalow-artigen Häusern, die in Reih und Glied stehen. Obwohl die Insel so klein ist und keine Strasse länger als 400m, gibt es erstaunlich viele Autos und noch mehr Quads, die auf den ordentlich befestigten Straßen lang fahren. Außer in der Verwaltung, Schule und den 3 Läden scheint kein Mensch zu arbeiten. Ein Angestellter im Supermarkt klagte, das er nicht mehr Geld verdienen würde als die anderen durch Rente oder Sozialhilfe zur Verfügung hätten. (Das Arbeitstempo war selbst mit den tropischen Temperaturen nicht zu entschuldigen.) Privat gehen einige noch fischen. Der eine oder andere Brotfruchtbaum steht im Garten, aber die Hauptversorgung mit Nahrungsgütern scheint mittels importierter Lebensmittel zu erfolgen. Die Preise waren gigantisch. Der Hammer waren Zucchinis für 5 Dollar pro Stück und Bananen für 14 Dollar pro kg. Grundnahrungsmittel wie Milch, Mehl, Reis und Nudeln kosteten doppelt bis dreifach so viel wie in Australien. Nur Kekse waren erschwinglich. Insgesamt schien uns Cocos Keeling ein weiteres Beispiel dafür zu sein, wie Subventionierung zu Müßiggang und astronomischen Preisen führt.

Bungalows auf Home IslandSogar Autos auf dieser winzigen Insel

Die Menschen waren freundlich, aber in keiner Weise offen, neugierig oder entgegenkommend. Von den älteren sprach kaum jemand englisch. Traditionell muslimischen Glaubens, hat sich das Kopftuchtragen erst in den letzten Jahrzehnten verbreitet.  Zum Abschluss der Ramadan-Festlichkeiten gab es, als wir da waren, eine Segelregatta mit offenen Holzsegelbooten, die schottischen Dories ähnelten.
Dorie-ähnliche BooteZu Lars Entzücken fand außerdem ein Volleyball-Turnier der Damen statt, von denen die meisten mit Kopftuch und bunten, langen Kleidern verhüllt waren. Nach Abschluss schwangen sich die Damen mit ihren flatternden Gewändern auf ihre Quads und knatterten davon. Da sich keine persönlichen Kontakte ergeben hatten und Museum und Läden zu hatten, das Dorf und die Moschee schnell abgegrast waren und das modernisierte, ehemalige Wohnhaus der Cluny-Ross' uns auch nicht wirklich anzog (die neuen Besitzer versuchten mit Führungen ein wenig Geld rauszuschlagen), langweilten wir uns zum Schluß, bis endlich die Fähre zurück ging.

Die nächsten Tage verbrachten wir viel mit unseren Freunden von der "Kire". Unermüdlich schwammen die Kinder zwischen Strand und einer davor verankerten Badeplattform hin und her, beförderten Kokosnüsse und Einsiedlerkrebse. Till kümmerte sich rührend um den kleinen Karl, der mit seinen Schwimmflügeln nicht so recht hinterherkam. Marlene verbesserte ihre Schwimmkünste enorm bei der Aufgabe, ein halbes Dutzend schwimmende Kokosnüsse beisammen zu halten. Die Kinder bringen Kokosnüsse zur BadeplattformAus ihrem geliebten Hundepaddeln wurden endlich koordinierte, kräftige Schwimmzüge, da anders ein Abtreiben der Nüsse gar nicht zu verhindern war.

Wir Großen tauschten uns über vieles aus: die Erlebnisse, die hinter uns lagen und die Reviere und Segeltaktiken, die uns noch erwarteten. Lisa beeindruckte mich ob ihrer Geduld, mit der sie mit den Kindern umging. Paul frönte seinem Hobby, dem Kite-Surfen. Als der Wind nachließ, schwammen wir durch den "Rip", eine 4 Knoten starke Strömung durch die Riffkante mit spektakulär großen, bunten Fischen und toller Korallenlandschaft. Am Grunde ruhten ein paar schwarze Riffhaie.

Grosse Fische im RipRiffhaie

Abends trafen wir uns mit weiteren Seglern zum gemeinsamen Dinner an Land, rösteten Stockbrot, schwatzten und spielten Gitarre. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde es am Boden lebendig. Heerscharen von riesigen Einsiedlerkrebsen krabbelten heran, um die Reste unseres Mahls unter dem Tisch zu vertilgen. Wenn man es sich nicht versah, trat man auf einen oder wurde in den Zeh gezwackt.
Durch die vielen Niederschläge war der Regentank der Insel ordentlich voll, so dass wir genug Süßwasser zum Duschen und Wäschewaschen hatten. Wir sammelten Kokosnüsse, deren fasrigen Mantel Lars an einem senkrecht montierten Metallprofil entfernte, und bald machten es ihm Paul und andere Segler nach. Der Vorrat reichte bis Südafrika.

Spica-SchildJörg beim Erklären

An den Palmen rund um den Picknickplatz hatten sich bereits zahlreiche Crews mit phantasievollen Namensschildern ihrer Yachten verewigt. Manche waren aufwendig geschnitzt, andere mosaikartig aus Glasscherben gefertigt. Auch wir machten uns auf die Suche nach geeignetem Strandgut und kamen mit einer alten Schiffsplanke und angeschwemmten Badelatschen in verschiedenen Farben zurück, aus denen wir die passenden Buchstaben schnitten.
Bald schon wieder hieß es Abschied nehmen, denn auch im Indischen Ozean gibt es eine Hurrikan-Zeit, zu der man gewisse Gebiete lieber meidet. Inzwischen war es auf dem Ankerfeld auch recht voll geworden. Normalerweise schaukeln hier nur 4-6 Yachten vor Anker. Jetzt jedoch kamen die über 20 Teilnehmer der Banana-BooteWorld-ARC eingetrudelt. So trafen wir auch Jörg wieder, der auf der "Lady Ev" mitsegelt, und uns seine Sicht aufs deutsche Schulsystem wiedergab.

Zum Wasserbunkern und Bezahlen der Ankergebühren fuhren wir noch einmal nach Home Island, diesmal im eigenen Banana-Boot zusammen mit der "Kire", die auch eine Banana-Boot als Dingi hatte. Die Behörden waren ob des Ansturms von gleich 2 Skippern am Rande der Überforderung. Diesmal war das Museum geöffnet. Im Wesentlichen ging es um Militärgeschichte des zweiten Weltkrieges, als hier eines der gefürchtetsten deutschen Kriegsschiffe aufgebracht wurde.

Rodrigues

Einen Tag vor der ARC verließen wir Cocos. Die Wetterprognose sah günstig aus und in der Wellenabdeckung der Inseln segelte es sich gemütlich. Kaum hatten wir das in der Funkrunde erzählt, änderte sich die Situation. Drei Tage lang quälen uns Schauerböen. Ständig mußten wir Segel setzen oder reffen oder sie schlugen bei Flaute in der Dünung. Es war scheußlich naß und wir verkrochen uns im Schiffsinneren. TillNur der Wachhabende mußte sich regelmäßig naßregnen lassen. Dazu kam die miserable Sicht. In einem Wolkenloch sichteten wir plötzlich keine 2 Meilen entfernt ein großes Cargoschiff. Es fuhr ohne Radar - keine Seltenheit, wie wir auf unserer Reise erfahren mußten.

Die Wellen im indischen Ozean sind irgendwie höher und steiler, als wir es im Atlantik und Pazifik erlebt haben. Eines Abends stieg eine Welle ins Cockpit ein und fand sogar durch den geschlossenen Niedergang ins Schiffsinnere. Auch Marlenes Bett hatte durch einen Doradelüfter einen Schwapp abgekriegt. Zum Glück tat die Windsteueranlage treu ihren Dienst und gab uns damit Zeit, den Schaden zu beseitigen. Ab sofort fuhren wir mit Sturmschott, und da das so groß und schwer war und außerdem klemmte, blieb uns nichts weiter übrig, als ständig drüber zu klettern, wenn wir ins Cockpit wollten. In vollem Ölzeug und mit Gummistiefeln glich das olympiareifem Hürdenlauf. Diese Etappe war eine der anstrengendsten der ganzen Reise insgesamt. Nur zwei Mal konnten wir im Cockpit essen, sonst zogen wir wegen Regen und Gischt den Salon vor. 

Schulkind MarleneMarlene mit Abakus

Die Kinder machten trotz des Geschaukels fleißig Schule. 

Nach 14 Tagen auf See erreichten wir die Insel Rodrigues, die zu Mauritius gehört. Die Behörden kamen kurz nachdem der Anker gefallen war an Bord. Es wurden die üblichen Fragen gestellt und Papiere beschrieben. Ein recht fülliger Beamter stützte sich dabei so auf unseren Cockpittisch, dass er abbrach. Einstieg ins Dingi über das Tug-boatOb das der Grund war, warum wir im Gegensatz zu anderen Seglern von jeglichen Gebühren verschont blieben?

Nach den Offiziellen kam die Kire-Crew mit frischem Salat und knuspigen Baguettes vorbei, die sie gerade eingekauft hatten. Sie teilten mit uns und wir frühstückten gemeinsam. Abends gingen wir zur Feier des Tages zusammen essen. Der Ort wirkte ziemlich ausgestorben, da Sonntag war. Schließlich fanden wir aber doch ein Restaurant, das geöffnet hatte. Im Vergleich zu Australien waren die Preise so moderat, dass wir außer den Hauptgerichten auch ungeniert Getränke und Desserts bestellten. 

LKW-Fahrer auf RodriguesLändliches Rodrigues

Rodrigues ist kreolisch, was nicht viel mehr heißt, als Kultur- und Sprachgemisch. Die Bevölkerung besteht überwiegend aus Farbigen afrikanischen Ursprungs. Die meisten stammen wohl ursprünglich aus Madagaskar. Im Gegensatz zur Karibik, wo 90% der Ländereien nach wie vor im Besitz der wenigen, weißen "Bequé"-Familien sind und Rassismus in beide Richtungen blüht, haben die Weißen auf Rodrigues nach dem Ende der Sklaverei den Grund und Boden mit ihren Lieblingssklaven geteilt und gemischte Ehen waren keine Seltenheit. Von den Minderwertigkeitskomplexen und antifranzösischen Ressentiments insbesondere der Karibik-Schwarzen ist deshalb auf Rodrigues quasi nichts zu spüren. Strassenverkauf auf RodriguesDie Menschen haben eine natürliche Freundlichkeit, die noch nicht vom Massentourismus erdrückt wird. Sprachlich lehnt sich das Kreolische stark dem Französischen an, das im Übrigen auch die Schriftsprache ist. Politisch gehört Rodrigues zu Mauritius. Seit wenigen Jahren hat es jedoch weitgehend autonomen Status und damit die Hoheit über die eigenen Finanzen. Angesichts des wenigen Tourismus und Fehlens anderer Einnahmequellen, haben wir uns über den vergleichsweise hohen Wohlstand gewundert. 

An unserem 2. Tag wohnten wir den Feierlichkeiten zum Tag der Unabhängigkeit bei. Auch hier wurde die Prominenz in dicken Autos herangekarrt. Das Spektakel auf der Bühne war recht provinziell und das Französisch der Redner schwer zu verstehen. Wer von den Zuschauern es sich leisten konnte, erstand ein Grillwürstchen oder eine gefüllte Teigtasche am Straßenrand. Später wurden auch kostenlose Leckereien herumgereicht. Kamerateams filmten immer wieder uns paar Ausländer, vielleicht um die internationale Bedeutung des Ereignisses zu unterstreichen oder sich selbst auf die Schulter zu klopfen, wie toll man den Tourismus angekurbelt hat.

Korbwaren auf dem MarktMarktstrasse mit scharfen Pasten

Wochentags herrschte buntes Treiben auf den Straßen. Ins Auge fielen vor allem Marktstände mit aus Gras geflochtenen Körben und Taschen. Überall wurden einem außerdem selbstgemachte Gewürzpasten angeboten, von denen die meisten höllisch scharf waren. In der Ernährung hat inzwischen der Reis mit verschiedenen Currys die traditionellen Maisgerichte abgelöst. Typisch ist auch "Daube" - eine Tomatensauce mit frischem Thymian. 

Oststrände RodriguesSchildkrötenfüttern

Zusammen mit der Kire-Familie erkundeten wir die Insel. Einen Tag fuhren wir zu den schönen Sandstränden im Osten. Wir wanderten zum Trou d'Argent und Paul brachte seinen Kite zum Einsatz. Einen anderen Tag fuhren wir zu einer Schildkrötenfarm. Wie auf vielen anderen Inseln wurden die Landschildkröten von den Seefahrern früherer Till reitet auf einer SchildkröteZeiten rücksichtslos gewildert und sind inzwischen fast überall ausgestorben. Auf den Seychellen haben sie überlebt und von dort wurden sie für das hiesige Projekt eingeführt. In einem kleinen Tal, von Felsen natürlich begrenzt, weideten sie auf dem Rasen oder dösten im Schatten von Büschen. Sie waren so riesig, dass die Kinder sogar auf ihnen "reiten" konnten. Viel Spaß machte es ihnen auch, sie zu füttern. Die Eier werden in Inkubatoren ausgebrütet und die kleinen Schildkröten in speziellen Gehegen gehalten, da ihnen sonst Gefahr durch Ratten und verwilderten Katzen droht. Die Kinder waren hin und weg und viel stärker beeindurckt als von den legendären Galapagos-Schildkröten. Die 2 km Fußweg auf der staubigen Straße schaffte selbst Karlchen, der erst 2 Jahre alt war, dank kleiner Motivationshilfen in Form von Gummibärchen.Französische Familie

Nach uns trudelten noch andere Segler ein. Eine französische Familie mit 4 Kindern segelte in West-Ost-Richtung um die Welt. Die Eltern liebten die hohen Breiten, die Antarktis mit ihrem tollen Licht. Die Kinder dagegen waren von der ständigen Seekrankheit genervt und wären den nächsten Schlag, der bis Hobart in Tasmanien führen sollte, lieber mit dem Flugzeug geflogen, statt sich durch die "Forties" zu kämpfen.

Mit zerfetztem Vorsegel lief die SY Huayra aus Argentinien ein. Mit Marissa und Jorge trafen wir uns auf dem weiteren Weg immer wieder, bis sie hinter St. Helena Richtung Südamerika abbogen.

Crocs - die ultimativen SeglerschuheSY Huayra mit zerfetztem Segel

Auf Rodrigues lernten wir auch Birgit und Dirk aus Berlin kennen, die in den 90er Jahren hierher ausgewandert sind. Von den Behörden mehr geduldet als erwünscht, schlagen sie sich so recht und schlecht durch, obwohl ihre Fachkenntnisse durchaus gefragt sind. Freundschaften mit den Einheimischen haben wenig Tiefgang,Birgit beklagen sie. Die Nachbarn informierten sie noch nicht einmal, wann der Tankwagen kam, als bei einer Dürreperiode die Wasserversorgung zusammenbrach. Auch die Hafenbehörde boykottiere sie, meinte Birgit. Sie dürfe die Segler nicht mehr auf dem Ankerfeld besuchen oder das Hafengelände betreten. Birgit ist selbsternannte Spezialistin für den Eisbären Knut aus dem Berliner Zoo. Seit Jahren pflegt sie eine Homepage und sammelt alle Artikel, Filme etc. Als Till und Marlene Monate später auf den Kapverden von Knuts Tod erfuhren, brachen sie tagelang immer wieder in Tränen aus.

Was Musik betrifft, hat Rodrigues mit "Sega" eine ganz eigene Tradition hervorgebracht: Afrikanische Rhythmen, die einem sofort in die Beine gehen. Am Abschluß einer mehrtägigen Landwirtschafts-Show bekamen wir eine Kostprobe davon und wurden sogar in die VIP-Lounge gebeten. Sega wird paarweise und Sega Tanzvon jeder Altersklasse getanzt, wobei auf der Bühne oft abwechselnd ein Paar in die Mitte trat, während die anderen rundum im Rhythmus mitklatschten. Lange, schwingende Röcke gehören unbedingt dazu. Bei der moderneren Variante mischten sich Techno-Klänge unter. Die jungen Mädels ließen ihre Hüften kreisen, was zwar die Männerwelt entzückte, aber auf Dauer langweilig war. Leider stellte sich heraus, dass beim sonntäglichen Sega, der bisher Familienveranstaltung war, neuerdings nur noch Erwachsene zugelassen sind.

Wie auf vielen anderen Inseln war auch auf Rodrigues das Internet eine schlichte Katastrophe. Die dünnen Leitungen waren der wachsenden Nachfrage einfach nicht gewachsen. Wir verbrachten Stunden mit dem Versuch, unsere e-mails herunter zu laden, ärgerten uns dabei über Spam-mails und dicke Datei-Anhänge, die alles andere blockierten. Schließlich gelang es Lars am Konzert-Abend, wo die Masse der Jugendlichen ausgegangen war, eine gute Verbindung zustande zu kriegen.

Unsere Freunde von der SY Valiam hatten sich auf Rodrigues ausgesprochen wohl gefühlt. Wir Erwachsenen hätten noch viel mehr über die Märkte bummeln, wandern gehen oder in den bezahlbaren Cafés die Seele baumeln lassen können. Aus Familiensicht dagegen fehlten uns Spielplatz, nahe gelegener Strand, Fußgängerzone, Strandpromenade oder wenigstens Bürgersteige, um die Kinder einfach mal laufen lassen zu können. Deshalb waren wir nicht allzu traurig, als wir nach 9 Tagen die Segel setzten Richtung Mauritius.

Mauritius

Für die 3 Tage dauernde Überfahrt hatten wir perfekte Bedingungen: leichter Wind von hinten, tagsüber Sonnenschein und nachts Vollmond. So schön kann segeln sein! Sonnenaufgang vor Mauritius

Die Kire war schon einen Tag vor uns gestartet, und Karl und Arne warteten bereits sehnsüchtig auf unsere Ankunft. Das Einklarieren zog sich allerdings 4 Stunden hin, da am selben Tag die ARC startete und 20 Yachten abgefertigt werden mußten. Dadurch wurde im kleinen Hafenbecken wieder Platz und die Kire, die provisorisch an der Außenmauer längsseits gegangen war, ging später bei uns ins Päckchen. Für die Kinder war das der Traum schlechthin. Nun brauchten sie nur noch über die Reling zu klettern, um miteinander zu spielen.Kire und Spica im Päckchen

Mauritius gilt als das Mallorca des Indischen Ozeans. Regelmäßige Flugverbindungen nach Europa sorgen für ständigen Touristennachschub. In den letzten 10 Jahren soll sich die Insel sehr gewandelt haben. Es wurde so viel gebaut, dass die Einheimischen ihre Insel kaum noch wieder erkennen. War Rodrigues überwiegend hügelig, so wechseln sich hier Ebenen, Hügel und schroffe Berggipfel ab, die der Insel ihr typisches Gesicht verleihen.

Mauritius ist im Gegensatz zu Rodrigues überwiegend indisch geprägt. Der Hinduismus ist daher die am stärksten vertretene Religion. Silhouette von MauritiusDas indische Kastensystem wurde dagegen nicht übernommen und hat, wie uns unser indischer Taxifahrer erzählte, auch nichts mit der Religion zu tun. Daneben gibt es Moslems, Christen und andere Glaubensrichtungen. Zwischen den verschiedenen Gruppen geht es recht entspannt und tolerant zu, worauf man sehr stolz ist.

Port Louis ist der quirlige Haupthafen der Insel. (Der Name weist auf die französische Vergangenheit hin. Heutzutage ist Englisch die Amtssprache. In den Schulen werden daneben jedoch auch die verschiedenen Muttersprachen der einzelnen Bevölkerungsgruppen gelehrt sowie die entsprechenden Religionen.) Im Hafenbecken lagen dutzende chinesische Fischtrawler, deren Besatzungen uns freundlich zuwinkten. Die Cargos waren eher von der kleinen Sorte. GemüsemarktDer Export spielt keine große Rolle. Die Marina bestand aus einem Nebenbecken, das direkt an einen Parkplatz und ein neu errichtetes Einkaufs- und Vergnügungsviertel grenzte. Hier bummeln die besser Betuchten durch eine heile, saubere Kunstwelt. Der eigentliche Markt war noch fußläufig zu erreichen. Obst und Gemüse war meistens fest ausgepreist. Wir wagten uns an die Imbißstände und probierten von den verschiedenen Dingen. Auf der Straße vor dem Gemüse-Markt boten Händler allen möglichen Billig-Ramsch an - von Klamotten über CDs, Haushaltswaren, Elektronikgeräte, Sonnenbrillen etc. Es ging laut und bunt zu. In den kleinen Läden dahinter war es dagegen eng und dunkel. Wer hier Ersatzteile fürs Schiff sucht, wird sicher irgendwann fündig, muß aber Zeit und Geduld mitbringen.

StrassenhändlerSchmakazenverkäufer

Coole JugendlicheVerkäuferin von Heiligenbildern

Zusammen mit Kire und Huayra teilten wir uns ein Minibus-Taxi, um den Süden der Insel zu erkunden. Die Tour führte zunächst zu einer Schiffsmodell-Manufaktur, derer es verschiedene gab. Man bekam die verschiedenen Arbeitsschritte gezeigt und konnte den Handwerkern beim Arbeiten zuschauen. Es handelte sich um sehr detailgetreue Nachbauten historischer Schiffe. Diese wurden immer mehrere Wochen lang in Serie gebaut, bevor das nächste Modell dran war. Die Führung und Besichtigung waren kostenlos. Dafür endete sie im Verkaufsraum und nicht wenige Besucher nahmen sich ein Modell mit oder ließen es sich nach Hause schicken. Die Preise waren unschlagbar.

Gruppenfoto mit Kire und HuayraSchiffsmodell

Nächster Höhepunkt war ein Hindu-Tempel. Es war kein besonderer Feiertag, aber trotzdem hatten sich verschiedene Gruppen eingefunden, um zu beten. Fremde wie wir waren ausdrücklich eingeladen und durften auch fotografieren und filmen. Die Gläubigen ließen sich mit Rot, der Farbe des Lebens, die Stirn markieren. Blumen und Reis wurden als Opfergaben dargebracht, meist von jungen Mädchen in schönen Gewändern. Räucherstäbchen wurden angezündet. Die Zeremonien hatten etwas Würdiges und Andächtiges, auch wenn wir nicht im Einzelnen den Sinn verstanden. Draußen am See waren große Statuen von Shiwa und Ganesha aufgestellt. Wir spazierten auf einen Hügel, wo rote Fahnen mit dem Zeichen für die Silbe "Om" im Wind flatterten.

GötterstatuenOm Fahnen

OpfergabenShiva

Die Tour klapperte die typischen Touristenattraktionen ab. Die Restaurants waren 3x so teuer wie in der Stadt, was uns sehr ärgerte. Ob Wasserfall oder Aussicht - überall lauerten die Souvenirverkäufer auf einen. Den Eintritt für ein Gelände mit bunten Lehmhügeln sparten wir uns und machten lieber eine längere Pause am Strand. Die Palmen boten ein schönes Fotomotiv zusammen mit den bunten, offenen Fischerbooten oder dem stattlichen Felsmassiv im Hintergrund. In dieses Strand mit FelsenMassiv hatten sich aufständische Sklaven geflüchtet. Als die Engländer schließlich kamen, um die Aufhebung der Sklaverei zu verkünden, sollen sich etliche das Leben genommen haben in der Annahme, man suche sie, um sie zu verurteilen.

Mauritius war uns zu touristisch. Der Parkplatz hinter der Marina nicht wirklich einladend. So folgten wir dem Drängen Kires, schon am nächsten Tag nach Réunion weiter zu fahren.

Neben Kire und uns legte auch die SY Charconne ab. Svante und Patrick gehören zur schwedischen Minderheit in Finnland. Im Gegensatz zu uns fingen sie, wann immer sie die Angel ins Wasser hielten, innerhalb von 2 Stunden einen Fisch. Auf Cocos Keeling hatten wir bereits Haken und Köder verglichen. Die warenFischhaspel identisch. Der Unterschied liegt wohl tatsächlich an der bremsbaren Rolle und dünneren Angelsehne. Und tatsächlich fingen sie wieder 2 Fische bei der Übernacht-Tour nach Réunion, während Kire und wir mit unseren einfachen Haspeln leer ausgingen. Kire legte sich später in Südafrika auch eine richtige Angel zu und hatte über Fischmangel nicht mehr zu klagen. Wir ärgerten uns im Nachhinein sehr über den Verkäufer im Angel-Fachgeschäft von Gran Canaria, der uns Laien so schlecht beraten hatte, dass wir mit unserem Provisorium statt einer vernünftigen Angelausrüstung um die Welt gesegelt sind.

Réunion

Über Nacht ließ der Wind nach und wir nahmen den Motor zu Hilfe, um am nächsten Tag beizeiten anzukommen. Im Morgengrauen sahen wir den Vulkan auf Réunion Feuer spucken. Lars hatte noch nie dergleichen gesehen und war so beeindruckt, dass er auch die Kinder weckte.

St. Pierre RéunionHafeneinfahrt St. Pierre

Die Einfahrt nach St. Pierre gilt als schwierig, weshalb viele Segler lieber den häßlichen Haupthafen Le Port anlaufen. Man muß bei der Anfahrt gewissermaßen Zickzack fahren, aber wenn man das im Groben weiß, findet man auch problemlos die entsprechenden Peilmarken. Wir hatten ruhige Bedingungen und keinerlei Schwierigkeiten. Anderntags als mehr Schwell stand, sah es ziemlich quirlig aus, aber die Fahrrinne blieb von Brechern verschont. Nur wenige Tage im Jahr soll die Hafeneinfahrt tatsächlich unpassierbar sein. Ob dann wirklich Warnschüsse abgegeben werden, um Schiffe an der Einfahrt zu hindern, wie behauptet wird?

Abendstimmung RéunionIm Hafen nahmen uns hilfsbereite Franzosen die Leinen ab. Es war eine richtige Segler-Kommune. Insider-Wissen und  Schlüssel zum Sanitärblock wurden unkompliziert weitergereicht. Die meisten von ihnen träumten allerdings nur von der großen Fahrt oder bereiteten sich schon Jahre darauf vor und nutzten ihre Yachten hauptsächlich als Unterkunft. 

Direkt neben der Hafenmole begann der Ortsstrand, wo Lisa oft mit allen 4 Kindern hinzog. Paul und Lars reparierten an den Schiffen, ich nutzte die gute Waschmaschine, die nur leider allzu oft belegt war,  und schrieb Reiseberichte. Einen preiswerten Mietwagen für die Inselerkundung zu finden, gestaltete sich schwieriger als gedacht, und wir mußten einige Tage warten. Wir schlenderten in den Ort Eis essen und stellten fest, dass auf Réunion wohl viel geheiratet werden muß, denn es wimmelte nur so vor Braut- und Festmodenausstattern. Die Preise und Produkte waren wieder europäisch, ebenso wie Häuser, Verkehr und Lebensweise. Die Bevölkerung war gemischt und bestand v.a. aus Weißen, Indern und Schwarzen, die im Übrigen viel dunkler waren und andere Gesichtszüge hatten als die in Rodrigues.

KraterwanderungAm Kraterrand

Réunion hat die eindrucksvollste Landschaft von den Maskarenen-Inseln. Mit unserem Minibus fuhren wir hinauf zum aktiven Vulkan, der meist nur frühmorgens zu sehen ist, da im Laufe des Tages Wolken an ihm hängen bleiben und ihn in Nebel hüllen. Wir machten eine lange Wanderung am Kraterrand entlang, die tolle Ausblicke auf die wüste Landschaft bot. Im Inneren des Kraters zeugten kleinere Aschehügel und aufsteigende Dampfschwaden vom brodelnden Innenleben der Erde. Da wir über den Indischen Ozean das Epos von "Herr der Ringe" gelesen hatten, fühlten wir uns regelrecht ins Land "Mordor" versetzt. Als wir zum Auto zurückkamen, zogen schon die Nebel heran. Wir fuhren weiter nach Norden und die Uferstraße zurück, wo wir an ausgedehnten Lavafeldern vorbeikamen. Der Vulkan hatte inzwischen aufgehört, Feuer zu spucken und wir stritten uns lange, ob man noch ein schwaches Glühen erkennen könne, oder ob es sich nur um rotbraunes Geröll handele.

Am nächsten Tag fuhren wir nach Cilaos, einen Ort in einem alten Kratertal. Indische MädchenIn haarnadelscharfen Kurven wand sich die Straße hinauf. Schroffe Felswände ragten empor und Flüsse hatten sich tief eingegraben. Dadurch war selbst der Kratergrund keine Ebene, sondern ein einziges zerklüftetes Gebirge.

Zurück in St. Pierre ließen wir uns auf der Festmeile für das indische Lichterfest Dipawali treiben. In zahlreichen Buden wurde indisches Essen, bunte Kleider, Räucherstäbchen, geschnitzte Möbel, Wandschirme u.s.w. verkauft.Auf einer Bühne traten verschiedene Tanzgruppen auf. Im Gegensatz zum Diwali-Fest in Fiji wirkten die Feierlichkeiten hier wie eine organisierte  kommerzialisierte Volksfestveranstaltung mit Multi-Kulti-Touch. Indische TänzeAm Ende des mehrtägigen Festes gab es einen großen Umzug. Wir hatten Mühe, nach unserem Tagesausflug durch die Absperrung zum Hafen zu gelangen. Besonders mulmig war uns dabei, weil wir Dieselkanister mitschleppten und die Leute ringsherum rauchten. Schließlich wurden wir von den Ordnern jedoch durchgelassen und konnten später ohne Gepäck die Umzugswagen bestaunen und beklatschen.

Die Kire hatte wieder einmal vor uns abgelegt. Ein lokaler Düseneffekt der hohen Berge sorgte für Sturmstärke im Hafen. Da flogen glatt die Plastik-Teller vom Cockpittisch und die Salatblätter beim Auftun daneben. Das Geheul in den Wanten zerrte an den Nerven und auch wir wollten nur noch weg.

Eine der schwierigsten Etappen auf dieser Route lag vor uns: Die Annäherung an die südafrikanische Küste mit ihren gefürchteten Stürmen und Monsterwellen. Jimmy Luise malt die Südafrika-FlaggeCornell empfiehlt in seinem Buch "Segelrouten der Weltmeere", mindestens 150sm Abstand zur Südspitze Madagaskars zu halten, um bei einem Südweststurm nicht in Legerwall zu geraten. Eric, ein französischer Segler, der die Strecke schon über 10x gesegelt ist, empfahl dagegen, sich dicht unter der madegassischen Küste zu halten. Wind und Strömung seien viel günstiger nach seiner Erfahrung, und es ergibt sich die Möglichkeit, ggf. einen Zwischenstopp einzulegen, falls ein Sturm angekündigt wird. Er hatte Jimmy Cornell wohl mal persönlich getroffen, wobei letzterer zugegeben hat, die Strecke nie selber gesegelt zu sein.

Wir segelten schließlich nach Erics Empfehlung und kamen gut durch, obwohl es nicht ganz so eintraf wie von Eric vorausgesagt. Beim Ablegen von St. Pierre bescherte uns der erwähnte Düseneffekt heftigen Wind und ein bißchen Rumpelwelle, was nach wenigen Stunden/Meilen nachließ. Danach hatten wir 3Sonnenuntergang Tage reinstes Kaffeesegelwetter (Seit Rodrigues waren wir gar nichts anderes mehr gewöhnt). An der Südost-Spitze Madagaskars hielt sich jedoch die ganze Zeit ein Starkwind-Gebiet, das uns dann auch ordentlich durchschaukelte. Lars und ich mußten bei den steilen, großen Wellen eine Nacht von Hand steuern und waren froh, als es endlich ruhiger wurde. Die Flaute, die danach folgte, nahmen wir vor Müdigkeit gelassen und dümpelten mit 2 kn dahin. Die Küste war ganz nah aber so im Dunst, dass man nichts von ihr sah. Als wir schließlich neue Wettermeldungen empfangen hatten, die für den übernächsten Tag Starkwinde ansagten, waren wir an der einzig möglichen Ankerbucht bereits vorbei und die nächste Bucht hätte Umweg bedeutet und wir hätten sie auch nicht mehr rechtzeitig erreicht. Da die Aussichten ansonsten aber nicht so schlecht waren, beschlossen wir, Madagaskar rechts liegen zu lassen und direkt Südafrika anzulaufen.

Die kommende Woche hielt Wind aus allen Richtungen und von Flaute bis 25+kn alles für uns bereit. Durch den ständigen Wechsel der Bedingungen gab es immer wieder die Möglichkeit, sich auszuruhen, und die Rumopfer an NeptunWellen entsprachen ziemlich genau den herrschenden Windbedingungen, d.h. sie ließen auch sofort nach, wenn der Wind weg war. Wir hatten nach guter Tradition unseren letzten Schluck Rum an Neptun geopfert, denn bei diesem Seestück braucht man einfach Glück. Regelmäßig werden Yachten mit gebrochenen Masten und sonstigen Schäden geborgen, erfuhren wir später in Richards Bay. Wir erreichten am 20.11.2010 unversehrt das afrikanische Festland. Zum Schluß schob uns der Agulhas-Strom kräftig, so dass wir mit 10kn am Kap St. Lucia vorbei segelten und entgegen aller Erwartungen doch noch im Hellen ankamen. Die Kire hatte jedoch am selben Morgen Richards Bay verlassen und war nach Durban weiter gesegelt. Es sollten noch anderthalb Monate vergehen, ehe wir uns wieder sahen.



zurück nach oben