Deutschland
und Dänemark (02.07.2008-23.07.2008)
Niederlande,
Belgien und Frankreich (23.07.2008-27.08.2008)
Spanien
und Portugal (27.08.2008- 30.09.2008)
Für
den 2. Juli 2008 war Ostwind angesagt. Obwohl immer noch nicht ganz
fertig mit allen Vorbereitungen - aber wann ist man schon fertig?-
wollten wir nun endlich loskommen und hatten Bilderbuchbedingungen für
den ersten Schlag nach Vitte auf
Hiddensee.
Der
Wind stimmte, die Sonne lachte, die Brücke von Stralsund wurde
pünktlich um 12.20 Uhr mit Musik geöffnet, in Stralsund standen
Hunderte von Leuten an der Pier samt Blaskapelle und winkten
(ehrlicherweise nicht für uns, sondern vermutlich für das uns folgende
Kreuzfahrtschiff) und im Hafen von Vitte war sogar noch unser Plätzchen
vom Vorjahr frei. Unser Freund Kay, der unsere Reise filmdokumentarisch
begleiten möchte, segelte den ersten Tag mit und lud uns abends zur
Grillparty ein. Hiddensee, bei den Kindern unter dem Namen Pferdeinsel
gehandelt, bezauberte uns wiedermal und glänzte, verstärkt durch die
getönten Sonnenbrillengläser, in den schönsten Farben.
Auch den zweiten Tag mit Ostwind wollten wir nutzen.
Unter Fock und 1. Reff war es bei Windstärke 5 noch ganz gemütlich.
Nach kurzem Umweg zwecks Filmaufnahmen vor Hiddensee drehten wir ab
Richtung Klintholm auf der dänischen
Insel Mon, die wir nach
ca. 4 Stunden erreichten.
Die Wellen kamen allerdings querab, was uns allen den Appetit verdarb.
Lars harrte oben im Cockpit aus, während der Rest der Mannschaft sich
in die Kojen verkrümelte. Dafür entschädigte uns der schöne Hafen von
Klintholm, wo wir bei Abendsonne Spaghetti kochten, den Fischern im
goldenen Gegenlicht bei der Arbeit zusahen und die Kinder mit
Begeisterung auf kleinen Rädern, die kostenlos zur Verfügung standen,
um den Spielplatz kurvten. Den folgenden Ruhetag hatten wir uns
wirklich verdient, nach all der langen Vorbereitungszeit. Direkt neben
dem Hafen ist wunderschöner Sandstrand. Nachmittags fuhren wir per
Fahrrad zu den berühmten Kreidefelsen, vorbei an kleinen Bauerngehöften
und blühenden Feldrainen. Das Meer schillerte türkis zu uns herauf.
Da wir ja insgesamt später
dran sind als geplant, stachen wir am nächsten Tag wieder in See. Kaum
hatten wir die Kreidefelsen gerundet, schlief der Wind ein und
beschehrte uns eine kleine Badepause, bevor wir unter Maschine nach Rodvig
tuckerten. Bei einem dänischen Stahlschiff gingen wir längsseits, was
gleich zu Sympathie unter den Eignern führte. Mit guten Tipps für
Kopenhagen versehen, verabschiedeten wir uns von unserem Nachbarn und
fielen wir in die Kojen.
Der
Trip nach Kopenhagen verlief ähnlich wie
am Vortag: erst schöner Segelwind, dann auf halbem Wege Flaute. Die
Skyline von Kopenhagen gleicht eher einer Industrielandschaft. Dafür
ist die Ansteuerung ziemlich einfach und der befürchtete Schiffsverkehr
sehr in Maßen. Dixielandmelodien begleiteten unser Anlegemanöver im
Hafen der Innenstadt, denn wir sind zufällig genau in der jährlichen
Jazzfestivalwoche hier gelandet.
Überall in der Stadt sind kleine Bühnen aufgebaut. Die Leute bringen
sich Stühle und Bier selber mit und genießen die Musik. Auch am
nächsten Tag hatten wir Glück, genau die Wachablösung zu erwischen, als
wir beim Schloß der Königin waren. Mit der berühmten kleinen
Meerjungfrau hatten wir mehr Mühe, sie zu finden, denn sie ist recht
unscheinbar. Wegweisend waren hier die Touristenbusse. Kein Bild ohne
Japaner! Wir hatten den Kindern erzählt,
dass
es in Dänemark das beste Eis der Welt gibt (auch wenn manche Menschen
behaupen, Italien wäre das Eisland schlechthin). Deshalb gibt es nun
auch jeden Tag das beliebte Milchprodukt, selbst für die Kinder nach
dänischer Art in der Mindestanzahl von 2 Kugeln. Abends gelang es uns,
unsere Bekannten Nils und Gitte zu kontaktieren, die wir vor 6 Jahren
in der Wüste von Marokko kennengelernt haben. "Falls ihr mal nach
Kopenhagen kommt, sind hier die Adressen..." hatten sie damals in einem
Abschiedsbrief hinterlassen.
Wir
sind am nächsten Tag zum Abendessen eingeladen. Vorher besichtigen wir
aber das Dornröschenschloss und die Kinder kommen aus dem Staunen über
Schwerter, Pistolen, kunstvolle Elfenbeinschnitzereien, Sättel, Schmuck
und natürlich die echten Königskronen in der Schatzkammer gar nicht
mehr heraus. Als wir abends zum Boot kommen, liegt ein anderes Schiff
längsseits. Da wir am nächsten Tag vor dem Kassieren des Liegegeldes
weg sein wollen, sprechen wir die jungen Leute an. Sie wären am
nächsten
Morgen
angeblich gar nicht an Bord und wir sollten lieber jetzt mitten in der
Nacht die Plätze tauschen. Da die Kinder schon schliefen, natürlich
ohne Maschine. Dabei ging noch der schönste Platzregen nieder. Kleine
Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Die faule Bande lag natürlich am
nächsten Morgen noch in den Kojen - von wegen nicht an Bord!
Inzwischen sind wir in Helsingör
angekommen. Die Festung Kronborg ist schon von weitem auszumachen.
Davor fahren so ungefähr 4 Fähren gleichzeitig ständig
zum gegenübergelegenen schwedischen Helsingborg und zurück, aber wir
haben Glück und rutschen dazwischen durch. Vor dieser Kulisse kommt uns
die Greif unter Segeln entgegen. Beim Stadtbummel entdecken wir
zufällig die Eisdiele mit dem meisten Flair, wo offensichtlich schon
ein Film mit Cary Grant gedreht wurde. Abends geraten wir im
Marienkloster unverhofft in ein Orgelkonzert. Bislang sind wir prima
ohne Reiseführer und Plan ausgekommen und geniessen unsere
Entdeckungsreisen aufs geratewohl. Da kommt gar nicht erst das Gefühl
auf, etwas zu verpassen, was man sonst unbedingt hätte sehen wollen.
Unser nächstes Ziel war die Insel Anholt,
die immerhin 50 sm entfernt lag. Das erschien uns im Vergleich zu
unseren bisherigen Strecken schon ganz schön weit.
Gut, dass wir den morgentlichen Regen
ignoriert hatten, denn der Tag war nahezu perfekt. Erst kurz vor dem
Hafen zogen Gewitterwolken auf. Die Böen blieben allerdings aus. Naja,
besser rechtzeitig reffen. Immerhin hatten wir es einmal mehr geübt.
Der Hafen war ziemlich voll und die meisten lagen tatsächlich vor
Heckanker, den wir noch nicht klar gemacht hatten. Wir zogen es vor,
als 4. im Päckchen bei einem Fischer längsseits zu gehen, der
allerdings kurze Zeit später ablegen wollte.
Mitten beim Geburtstagskuchenbacken
mußten wir also doch umziehen und den Anker herausholen, der dann noch
nicht einmal hielt. Wir konnten froh sein, dass der an einer der
wenigen Mooringtonnen liegende Nachbar uns eine Leine anbot.Anholt
strahlt Ferienstimmung aus. Die ganze Insel ist von feinen Sandstränden
umgeben. Unser Geburtstagskind Till war schon um 5 Uhr wach und in
bester Laune. Wir hatten den Kuchen als Piratenschiff dekoriert. Zum
Frühstück gab es frische Brötchen, Croissants und Negerküsse. Nach dem
Geschenkeauspacken zogen wir zum Strand, bauten eine große Sandburg und
ließen Marlenes Drachen steigen. Nachmittags spielten wir Topfschlagen
und Schokoladeessen. Es war ein wunderschön harmonischer Tag.
Die nächsten Tage sollte es weiter kräftig aus West
blasen, am Sonntag (13.7.)
allerdings nur in Stärke 4-5. In aller Frühe weckte uns der Nachbar und
wir legten mit ihm zusammen ab. Zu dumm, dass wir die Vorderluke aus
Versehen nur zugeklappt und nicht verriegelt hatten. Kaum waren wir aus
dem Schutz des Hafens ausgelaufen, schwappten die Wellen über das Deck
und im Vorschiff wurde alles naß. Später wurde es Gott sei dank
gemütlicher. Die Sonne trocknete die Matratzen und zum Andenken blieben
uns nur die Salzränder.
Wir hatten beschlossen,
durch den Limfjord zu gehen, wo wir ggf. auch mit Maschine weiterkommen
können, statt in Skagen festzuhängen. Wir machten im Hafen von Hals
an der Kaimauer fest. Später bekamen wir einen norwegischen Nachbarn,
der bei uns längsseits ging und am nächsten Morgen bei einem
unglücklichen Ablegemanöver unseren großen Fender ruinierte und uns
zwei unschöne Kratzer machte. Wir sehen uns in Aalborg, riefen wir ihm
hinterher, denn wir wußten, dass auch er dem
Limfjord westwärts
folgen wollte. Statt ebenfalls abzulegen, kramten wir tief unter den
Kojen nach Farbe, denn die Schrammen gingen bis runter zum Stahl.
Später legte der Wind zu und drückte uns direkt gegen die Mauer,
während wir hinten und vorn von anderen Schiffen eingekeilt waren. Wir
blieben lieber an Ort und Stelle, statt weitere Schäden zu riskieren.
Schlimmstenfalls Geld adé, falls der Norweger über alle Berge sein
sollte. Aber wir hatten Glück. Als wir einen Tag später Aalborg
erreichten, war er noch da und bezahlte den Schaden ohne Umschweife.
Witzigerweise lagen wir noch weitere zwei Male nebeneinander: in Logstor
und Sillerslev, wo
wir einen schönen Abend gemeinsam
verbrachten. Er wunderte sich nur, wie wir es schafften, regelmäßig
nach ihm abzulegen und vor ihm anzukommen.
Am 18.7.08 erreichten wir mit Thyboron
das Tor zur Nordsee. Lange Dünung schwappte herein. Der Hafen war
erstaunlich leer. In der Abendsonne spazierte
wir am Strand entlang und beobachteten die
ein- und auslaufenden Fischerboote. Die Nordsee gab sich friedlich,
aber für übermorgen sind Starkwindwarnungen ausgegeben.
Die Tage in Thyboron vergingen mit Regen und Vorlesen
und Kartenspiel. Der Ort gab nicht viel her, aber am Strand gaben die
Wellen ein tolles Schauspiel. Lars und Till spielten so lange "Ich bin
schneller als die Welle"
bis sie sich nasse Füße holten. Am Montag war
großer Waschtag. Wir zogen mit Sack und Pack zum Waschsalon und füllten
4 Maschinen. Das Wäscheaufhängen hinterher dauerte mindestens 1 1/2
Stunden, da wir wegen des dollen Windes alles auf Seile auffädelten.
Zum Glück war die Bettwäsche bis Abends tatsächlich trocken, denn wir
haben keine zum Wechseln.
Im Hafen machten wir nette Bekanntschaft mit
einer holländischen Familie, die uns computermäßig sehr geholfen hat.
Als
die Sturmwarnungen für die deutsche Bucht aufhörten, der Wind auf
Stärke 4 abgeflaut war und demnächst auf Ost drehen sollte, beschlossen
wir weiter zu fahren. Mittwoch, den 23.7. begann kurz nach Mittag unser
erster großer Törn über die Nordsee. Gut,
dass ich bereits im Hafen das Vordeck aufgeräumt hatte.
Auflandiger Wind gegen
ablaufenden Strom beschehrte uns die schönsten Achterbahnwellen, die
erst jenseits der 10m-Tiefenlinie nachließen. Die Kinder amüsierten
sich bei dem Auf und Ab im Cockpit prächtig. Nachdem wir auf SW-Kurs
gegangen waren, kamen die Wogen wieder genau von der Seite und uns
wurde auf Dauer bei der Schaukelei schlecht. Gut, dass bei mir das
Schlimmste schon vorbei war, denn Till schaffte es nicht mehr bis zum
Klo und die Aufwischerei dauerte gefühlte 2 Stunden. Manchmal braucht
man eben einen starken Grund, denn ich hatte mir bereits seit Tagen
vorgenommen, innen mal aufzuwischen und es immer wieder verschoben. Zum
Glück nehmen die Kinder die Seekrankheit gelassen. Medikamente haben
wir bislang nicht genommen. Kurz vor 22 Uhr ging die Sonne in aller
Pracht unter, kurz darauf der halbe Mond in schönstem Orange auf. Der
Wind wehte lau und alles war friedlich.
Lars übernahm die erste
Wache. Als ich ihn ablöste, dämmerte es bereits ein wenig. Der Wind
hatte nachgelassen und wir dümpelten in der Flaute. Ein paar Möwen
schaukelten auf dem Wasser und am Horizont war hin und wieder ein
Schiff zu sehen. Segel runter, Segel rauf. Irgendwann stellte sich ein
stetiger Ostwind ein. Die Kinder waren den ganzen Tag superlieb und wir
konnten abwechselnd noch ein wenig schlafen, so dass wir uns insgesamt
ganz ausgeruht fühlten. Wieder gab es einen prächtigen Sonnenuntergang.
Pünktlich zum Dunkelwerden frischte es ordentlich auf - nanu, das
hatten sie gar nicht angesagt. Es war uns nicht ganz geheuer und da
sich die Fock nicht so reffen ließ, wie wir uns das gedacht haben,
ließen wir sie vorsichtshalber ganz unten, auch wenn wir dadurch an
Geschwindigkeit einbüßten. In kurzer Zeit hatten sich wieder
ordentliche Wellen gebildet und ratet mal woher - natürlich direkt von
der Seite. Warum fahren wir eigentlich immer mit halbem Wind? Gut
geschlafen hat in dieser Nacht keiner von uns. Till zog ins Vorschiff,
Lars und ich legten uns zeitweise im Salon lang. Als der Morgen graute,
kam uns der Wind etwas weniger vor.
Ob
das am Licht lag oder der Realität entsprach, wissen wir nicht genau,
denn unser Windgeber wurde ja in Wolgast geklaut. Nun wieder mit
Vorsegel wurde die Schaukelei etwas besser und wir machten über 6
Knoten Fahrt. Je weiter wir unter Land kamen, desto geringer wurden die
Wellen. Wir durchquerten die Verkehrstrennungsgebiete vor der
holländischen Insel Vlieland. Leider war abzusehen, dass wir es vor dem
Dunkelwerden nicht mehr in den Hafen schaffen würden. Also richteten
wir uns auf eine 3. Nacht auf See ein. Um uns herum blinkte es von
allerhand Leuchttürmen Leuchtbojen und Wetterleuchten. Und plötzlich
war das Gewitter genau über uns. Blitze zuckten um uns herum, der Regen
platschte herab und wir verkrochen uns ins sichere Innere unseres
Stahlschiffs, das wie ein Faraday`scher Käfig wirkt. Wir hatten
vorsorglich die Segel geborgen, obwohl die Böen ausblieben. Froh waren
wir über unseren Autopiloten und das Navigieren über den Bildschirm.
Sicherheitshalber hatten wir den Hand-GPS und die Handfunke in die
Backröhre getan, denn bei Blitzschlag ist die übrige Technik mit
Sicherheit im Eimer. Ein paar Schreckschüsse bekam ich durch
Fischerboote, die neben uns aus dem Nichts aufzutauchen schienen um
kurz darauf querab vor uns in die Texelrinne einzubiegen.
Irgendwann war der Hexenspuk vorbei. Am
Morgen war alles wieder friedlich. Während Lars schlief hatte ich die
Segel gesetzt und das Boot für Am-Wind-Kurs getrimmt. Die
Windsteueranlage steuerte endlich den richtigen Kurs. Wir fuhren wie
auf Schienen. Das Frühstück schmeckte uns allen hervorragend und es
hätte ruhig noch ein wenig so weitergehen können. Leider schlief der
Wind wieder einmal ein und es wurde diesig. Unter Maschine erreichten
wir gegen 15 Uhr den Hafen von Ijmuiden,
der sicherlich nicht zu den schönsten gehört.
Eine skurrile Mischung aus
Industrieschornsteinen und Ferienbungalows verschandelt die Landschaft.
Direkt neben der Marina war eine rummelige Vergnügungsmeile. Auch hier
gab es genau am heutigen Tag ein Festival: verschiedene
Western-Tanzgruppen legten eine Show aufs Parkett. Wir gingen lecker
chinesisch essen und die Kinder freuten sich über Zuckerwatte. Die
ganze Familie lag pünktlich 20 Uhr im Bett als meine holländische
Freundin Marieke aus Amsterdam anrief. Sie hatte meine mail aus
Thyboron erhalten und wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Meine
Freundin Willy aus Maastricht setzte sich Sonntag früh sofort ins Auto,
als sie von unserer Ankunft hörte.
Wir
hatten einen wunderschönen gemeinsamen Tag am Strand. Willy brachte mir
Sirupwaffeln mit. Nein, nicht an der Tankstelle gekauft. Sie hätte doch
diesmal 3 Tage Zeit gehabt, sich auf den Besuch vorzubereiten. Als ich
sie 2005 das letzte Mal in Holland besuchte, hatte ich ca. 1 1/2
Stunden vor Ankunft angerufen und nach Quartier gefragt.
Im Restaurant bekam Marlene ein 1/2 Hähnchen für sich allein und ich
bestellte frische Muscheln. Jetzt müssen wir nur noch Gouda-Käse
kaufen, bevor wir die Niederlande verlassen können.
Abends hatten wir ein sehr unschönes Erlebnis
. Während wir versuchten, verschiedene
Computerprobleme unter Deck zu lösen, provozierten uns irgendwelche
Typen von der 8m hohen Kaimauer aus mit Laserpointer und Parolen. Wir
ließen uns nicht aus der Ruhe bringen. Zum Dank schmissen sie mit Glas
nach uns. Als wir den nächsten Tag das Boot und uns selber mit
Süßwasser abspritzten und die Aktion filmen wollten, warfen
irgendwelche Idioten mit Sand. Wir hatten endgültig die Nase voll und
suchten uns ein anderes Plätzchen in der Mitte des Hafenbeckens. Kein
Wunder, dass wir am nächsten Morgen nichts wie weg wollten. Der Wind
war auch nicht unser Freund und kam so weit von vorn, dass wir den Kurs
nicht halten konnten und immer weiter Richtung Land abkamen. Nach 12 sm
auf halber Strecke nach Scheveningen gaben wir auf. Gegen Wind und
Wellen und Strömung machten wir kaum noch 2 Knoten Fahrt.
Zähneknirschend drehten wir um und kehrten mit 8,4 kn über Grund zurück
nach Ijmuiden. Wir wußten ja immerhin schon, wo wir uns besser nicht
hinlegen sollten.
Am nächsten Tag waren die
Bedingungen besser: diesmal keine Welle und raumer Wind. Wir nutzten
die Gelegenheit gleich für einen größeren Schlag nach Belgien. An der
berühmt berüchtigten Hoek van Holland, der Einfahrt zum größten
europäischen Hafen Rotterdam mit einer Art Kreisverkehr für die
Großschiffahrt war bis auf einen einzigen Frachter und eine Hand voll
Segelyachten nichts los. Am Horizont fädelten sich allerdings die
Großen auf, wie auf eine Perlenkette. Nachts sah das aus wie eine Stadt
auf dem Wasser. Am nächsten Morgen, gerade als ich dachte, hier ist ja
nichts los und nach unten ging, um die belgische Flagge hervorzukramen,
holte mich ein Tuten in Blitzesschnelle wieder an Deck.
Ein
Fischer ging zum Greifen nah vor uns durch die Kurslinie. Eigentlich
ein klassischer Fehler, der mir nicht hätte unterlaufen sollen: ich
hatte nicht gründlich genug hinters Vorsegel geguckt. Und da er von Lee
kam, hatte ich auch keine Motorengeräusche gehört. Jedenfalls fuchtelte
er ordentlich mit den Armen, ohne dass ich daraus schlau wurde.
Vielleicht wollte er mich nur auf die falsche Flagge hinweisen. Wir
ließen Zeebrugge links liegen und fuhren weiter bis Oostende,
das wir am späten Vormittag bei brütender Hitze erreichten.
Bevor wir city- und strandnah im Royal North Sea Yacht Club festmachen
konnten, hieß es geduldig warten, denn die Schiffe kreisten wie die
Haie im Becken herum und warteten auf das Ausfahrtsignal. Da wir länger
bleiben wollten, wurde uns ein Stegplatz mit Heckboje zugewiesen. Die
anderen lagen abends im Sixpack am Steg. Wir hatten, wie uns die
belgische Zeitung berichtete, den heißesten Tag des Jahres erwischt. Am
Strand war kaum Platz zum treten. Was für ein Unterschied zu den leeren
Stränden Dänemarks! 

In den Strassen drängt sich ein Restaurant neben das
andere.
Bei den Konditoreien und Pralinenläden gehen
einem die Augen über. Obst, Gemüse, Fisch, Meeresfrüchte, Fleisch- und
Wurstwaren... verhungern kann man hier wirklich nicht.
Oostende ist, man sollte es kaum glauben, einer der königlichen
Badeorte des Landes. Alte Häuser stehen zwischen häßlichen Neubauten.
Zum Urlaubmachen ziehe ich die Kaiserbäder an der Ostsee vor.
Immerhin ist es eine
Stadt, und wir nutzten die Gelegenheit, ein neues Handy zu erwerben,
dass nun hoffentlich wirklich weltweit funktioniert. Am Sonntag
(03.08.08) trafen wir uns mit meinem Großonkel in Antwerpen. Mehrere
Päckchen sind bei ihm inzwischen eingegangen, aber das am meisten
ersehnte mit dem neuen Motor für die Ankerwinsch leider nicht.
Am nächsten Tag erfahren wir, dass die Ankerwinsch nun
auch angekommen ist und mein Onkel bringt sie uns am nächsten Tag per
Zug nach Oostende. Die Montage ist natürlich wieder mal schwieriger als
erwartet. Der Motor paßt zwar, aber für die Relaisbox brauchen wir neue
Quetschungen. Also immer noch nichts mit Ankern.
Lars' Freund Arnd hat sich angekündigt, um ein paar Tage
mitzusegeln.
Da
er den Nachtzug verpaßt hat, kommt er erst am nächsten Tag. Wir
genießen den ruhigen Mittwoch. Lars geht mit den Kindern an den Strand,
während ich ein paar Arbeitsblätter für den baldigen Schulbeginn
kopiere und Überraschungen für die Zuckertüte kaufe. Arnd kommt
Donnerstag Morgen. Es regnet den ganzen Vormittag in Strömen und der
Wind steht immer noch auf SW. Freitag starten wir einen Versuch, weiter
zu kommen, aber wir können keinen sinnvollen Kurs anlegen. Nach 2
Stunden sind wir zurück im Hafen. Dabei haben wir unser schönes
Plätzchen aufgegeben und müssen nun ca. 20 min. bis zum Sanitärgebäude
laufen. Langsam haben wir genug von dem ständigen Gegenwind, aber Arnd
tröstet uns, dass das nun mal ein unangenehmes Seegebiet ist und wir da
einfach durchmüssen. Ab Spanien wird alles besser. Die Männer
fachsimpeln und schöpfen Ideen für die verschiedensten Bordprobleme.
Wir besichtigen das 3-Mast-Schulsegelschiff Mercator, das im Innenhafen
liegt. Eine seiner Missionen in den 30er Jahren war es, zwei große
Steinstatuen der Osterinsel nach Belgien zu bringen. So einfach haben
wir Europäer uns damals an den Kulturgütern der Welt bedient. Übrigens
hat es 60% aller Seemeilen während seiner Dienstzeit unter Maschine
zurückgelegt. Das ist tröstlich, wo wir bislang auch mehr als gewünscht
motort sind.
Der ungünstige Wind hält
an und wir machen einen Sonntagsausflug in die wunderschöne Stadt
Brügge. Die Windböen pusten verschiedene Vogeleier aus den Nestern und
eine uralte Linde, die bei unserer Ankunft noch gestanden hat, liegt
auf dem Rückweg geknickt am Boden.
Derweil
lacht die Sonne und die Touristen lassen sich mit Kutschen durch die
engen Gassen fahren. Ausflugsboote gondeln übers Wasser. Wir picknicken
auf dem von herrlichen Giebelhäusern umgebenen Marktplatz.
Am Montag (11.8.08) fahre ich mit den Kindern in
Oostende zur anderen Seite des Hafenbeckens, wo ein Ausrüster sein
soll. Unser großer Fender fehlt uns regelmäßig und wir wollen einen
weiteren Versuch machen, ihn zu ersetzen. Bislang gab es immer nur
kleinere zu kaufen oder man hätte 2-3 Wochen Bestellzeit abwarten
müssen.
Heute
haben wir Glück. Nach fast einem Monat Suche haben wir endlich einen
Laden gefunden, wo einer vorrätig ist. Dass der Fährmann uns direkt an
unserem Steg absetzt, erspart uns 20 min. Fußweg. Lars hatte weniger
Glück mit dem Monteur, auf den er gewartet hat. Er besitzt keine große
Crimp-Zange für unsere 35 mm² Kabel und gibt den unprofessionellen
Tipp, einfach die vorhandenen Augen weiter aufzubohren. Lars hat die
neuesten Wetterdaten studiert und die Rückseite eines Tiefdruckgebietes
soll uns S bis SE-Wind über Nacht bescheren. Wir beschließen, sofort
aufzubrechen. Die See ist noch rauh, der Wind kommt von vorn und dreht
auch nicht wie angesagt, unsere schöne Navigation über den Computer
funktioniert wieder mal nicht (und uns erwarten über Nacht enge
Fahrrinnen durch ein Labyrinth von Sandbänken), wir haben nichts
gegessen und die Kinder streiten sich ununterbrochen. Wir haben keinen
Diesel nachtanken können, da unglaublicherweise in ganz Oostende keine
einzige Schiffstankstelle existiert. Katzenjammer auf der ganzen Linie.
Deshalb beschließen wir, den nächsten Hafen Niewport
anzulaufen, das zwar nur ein Nest ist, dafür aber bessere
Versorgungsmöglichkeiten bieten soll.
Der Anblick ist trist, denn ringsherum ist
alles Baustelle. Nach einer ordentlichen Portion Spaghetti sieht die
Welt schon ganz anders aus. Jetzt fangen wir an, uns zu ärgern, dass
wir nicht weitergefahren sind, denn der Wind scheint nun wirklich zu
drehen. Wir haben aber die Nacht schon bezahlt, noch nicht getankt und
den Kindern versprochen zu bleiben. Immerhin sind wir 12 sm weiter und
haben mal wieder eine andere Umgebung. Am nächsten Morgen weht ein
netter SO, der bis 11 Uhr wie angekündigt auf SW zurückdreht. Die
nächsten Tage wird es nichts mit dem Weiterkommen, da wieder mal
Sturmwarnungen ausgegeben sind. Wir haben Glück im Unglück. Hier gibt
es einen pfiffigen Elektriker, der nach 3 Stunden endlich unsere
Ankerwinsch zum Laufen bringt. (Allein mit dem Anklemmen der neuen
Relaisbox war es eben doch nicht getan.) Bei Sonnenschein ist Niewport
gar nicht so häßlich. Wenn erst der Hafen und die Promenade fertig
sind, wird es hier sicher ganz nett. Wir verbringen einen ganzen Abend
damit, 500g Nordseegarnelen zu pulen und beschließen, selbiges nicht zu
wiederholen, denn der kulinarische Genuss steht in keinem Verhältnis
zum Aufwand. Mittwoch Nachmittag veranstaltet der Sturm ein wahres
Konzert in den Wanten. Die Schiffe schaukeln an den Schwimmstegen und
haben auch ohne Segel ziemliche Schräglage. Der Donnerstag vergeht mit
allerhand Bordarbeiten. Wir füllen die Dieseltanks auf. Aus dem
Ölwechsel wird nichts, da es weder Motor- noch Getriebeöl noch den
passenden Ölfilter gibt.
Am Freitag (15.08.08) starten wir im
Morgengrauen und nutzen die günstige Strömung, um unter Motor
voranzukommen. Auch wenn es schon langweilig klingt: der Wind kam
natürlich wieder genau von vorn und kreuzen kann man zwischen den
Sandbänken nicht. Bald hatten wir Dunkirchen mit seiner "bezaubernden"
Industriekulisse querab. Ein dicker Pott nach dem anderen kam uns
entgegen. Die Schnellfähren begegneten sich ganz in unserer Nähe, so
dass wir uns lieber aus der Rinne verdrückten.
Der Bildschirm zeigte zwei Dutzend
AIS-pflichtige Großschiffe, die wie in einem Ballett auf dem Bildschirm
herumtanzten. Dass es sich um das Wartegebiet handelte und die meisten
davon vor Anker lagen, bekamen wir erst später raus. Die französiche
Küste ist viel abwechslungsreicher als die holländische und belgische.
Endlich kann man wieder Landschaft gucken. Das Cap Blanc Nez (übersetzt
"Weisse Nase") strahlt einen mit seiner weißen Steilküste genauso an
wie die gegenüberliegenden Klippen von Dover. Man sieht förmlich, wie
hier die Erdschollen auseinandergebrochen und weggedriftet sind. Es
paßt wie ein Puzzle zusammen.
Es
ist wie verhext mit dem Wind. Nicht nur, dass die erhoffte Norddrehung
ausbleibt. Dreht er doch tatsächlich von W nach SW um auch nach dem Cap
weiter von vorn zu wehen. Der Strom ist inzwischen gegen uns gekentert
und statt 5 kn machen wir nur noch 2,5 kn Fahrt. Wir kreuzen ein
bißchen unter Groß und mit Maschine und wollen nur noch einen Schlag
Richtung Verkehrstrennungsgebiet machen, um am Cap Gris Nez ("Graue
Nase", ist ganz felsig dort) vorbeizukommen, da passiert, wovor man
sich am meisten fürchtet: als wir von einem kurzen gemeinsamen Blick in
die Karte wieder an Deck kommen, treiben direkt vor uns 3
zusammengebundene Kanister und wir kriegen das Schiff nicht schnell
genug herum und damit das Tau direkt in Schraube und Ruder.
Geistesgegenwärtig hat Lars noch schnell den Gang rausgerissen,
trotzdem sind wir gleich manövrierunfähig !
Eine halbe Meile vom Verkehrstrennunggebiet
entfernt, treiben wir direkt dorthin. Alle Befreiungsversuche von Bord
fruchten nichts. Lars muss ins Wasser. Eine Ewigkeit scheint es zu
dauern. Immerhin driften wir erstmal nur mit 0,5 kn. Offensichtlich
werden wir von irgendwas festgehalten, vermutlich einem Fischernetz.
Welcher Idiot muss auch ausgerechnet hier an der schmalsten Stelle vom
Kanal ein Netz ausbringen und steckt nicht einmal Fähnchen?. Als eine
Leine gekappt ist, driften wir schon mit 2 kn, aber Ruder und Schraube
sind immer noch nicht frei. Wir setzen vorsichtshalber einen Notruf
(All-Stations-Ruf) mit Problem und Position ab. Hoffentlich machen die
Tanker tatsächlich einen Bogen um uns, wenn wir nicht bald wieder klar
kommen. Es meldet sich zuerst die britische Küstenwache, obwohl wir ja
auf der französischen Seite treiben. Die Franzosen erreichen wir auf
Kanal 68. Sie bieten uns Hilfe an und bleiben standby. Das beruhigt ein
wenig. Das Schiff schaukelt, Lars ist schon leicht durchgefroren , mir
läuft es kalt den Rücken hinunter, wenn ich ihn mit dem offenen Messer
im Wasser hantieren sehe. Gott sei Dank schafft er es beim zweiten
Anlauf, unter das Schiff zu tauchen und die Seile zu kappen. Auch der
Motor läßt uns nicht im Stich und springt prompt wieder an. Da sind wir
noch mal glimpflich davongekommen. Aber der Schreck sitzt uns in den
Gliedern.
Eigentlich
wollten wir trotzdem weiterfahren und den angekündigten Südwind für den
Schlag nach Cherbourg nutzen, aber ich fühle mich körperlich und
psychisch nicht mehr in der Lage, Lars zu unterstützen. Ich bin nur
noch fertig. Wieder einmal entscheiden wir uns zum vorzeitigen Abbruch
und laufen zurück nach Boulogne sur mer,
das wir beim aufgehenden Vollmond und weiß blinkenden Leuchtturm in der
Dämmerung erreichen.
Eine
Schnellfähre jagt uns im Hafenbecken noch einen gehörigen Schreck ein.
Sie wirbelt so viel Sand auf, dass die Tiefenanzeige sprunghaft von 5
auf 0,7m schnellt. Das hätte uns gerade noch gefehlt: im Hafenbecken
aufzulaufen. Aber wir erreichen unversehrt die Marina und gehen als 3.
im Päckchen längsseits. Einziger Wermutstropfen: der erste am Steg will
am nächsten Morgen in Herrgottsfrühe aufbrechen. Das tut er dann auch
und weckt uns kurz vor 6.
Boulogne sur mer gefällt uns gar nicht so schlecht.
Es ist zwar ein bißchen laut mit all den
Fischern, aber sehr lebendig. Fußläufig erreicht man in 15 min den
feinen Sandstrand. Es gibt Spielplätze, Parks, wunderschöne
Blumenanlagen, eine Altstadt mit Festung, Schloss, Kathedrale und
Rathausturm, den man umsonst besichtigen kann. An der Küste sieht man
überall Bunker aus dem zweiten Weltkrieg. In einem davon war Lars
Großvater stationiert. Glücklicherweise sind die Amerikaner an einer
anderen Stelle gelandet und sein Truppe konnte sich kampflos ergeben.
Wieder hieß es warten auf ein günstiges Wetterfenster.
Wir nutzten die Zeit, um 200 Liter Wasser zu bunkern, dass allerdings
scheußlich schmeckt im Vergleich zu dem aus Neuhof und den 100 Liter in
Oostende.
Die
Wasserbilanz ist eigentlich gar nicht so schlecht für die letzten knapp
2 Monate, zumal wir bislang nicht wirklich daran gespart und angesichts
des dreckigen Hafenwassers auch immer mit dem Trinkwasser abgewaschen
haben. Die Marina schenkte uns die letzte Übernachtung, da wir schon
wieder fast eine Woche hier waren. Dummerweise hatten wir in Niewpoort
vergessen, das Lichtmaschinenproblem anzugehen. Nun haben wir hier in
Boulogne in einer trostlosen Hafen-Großhallen-Landschaft wieder einen
Elektriker ausfindig gemacht, der zweifelsfrei feststellte, dass die
Lichtmaschine einwandfrei arbeitet, aber der Regler kaputt ist.
Ersatz dafür ist natürlich bis zur Abfahrt am
nächsten Tag nicht aufzutreiben. Immerhin sind wir jetzt schlauer,
können zur Not die Starterbatterie ungeregelt laden und der gute Rat
hat uns freundlicherweise keinen Pfennig gekostet.
Am Freitag, den 22.08. werfen wir im Morgengrauen die
Leinen los. Wir sind nicht allein. Ca. 8 weitere Boote nehmen Kurs auf
nach Süden. Augenscheinlich haben wir die Strömung richtig berechnet.
Wir hoffen, am nächsten Tag in Cherbourg anzukommen. Wieder können wir
nur einen Teil segeln und müssen mehrfach den Motor mit dazu nehmen.
Da wächst der Respekt vor den Seglern früherer
Zeiten, die nicht auf Maschinenkraft zurückgreifen konnten. Am Ende kam
es so, wie ich es vorhergesehen hatte: den Hafen schon zum Greifen nahe
kenterte die Strömung keine 10 sm vor Cherbourg
gegen uns und wir kamen nur noch mit 1,1 kn statt über 5 voran. Man
hätte sich natürlich auch in einer Ankerbucht verkriechen und die
Gegenströmung abwarten können. Allerdings hätten wir bei dem Wetter
sowieso keine Lust zum Baden gehabt und wir sind dafür Samstag
Nachmittag endlich da. Hier muß ich mal ein Loblied auf unseren guten
alten Motor singen, der bisher (toi, toi, toi) immer anstandslos
funktioniert hat.
Cherbourg empfängt einen von See aus mit Festungsanlagen
im 30er-Jahre-Look. Hier "um die Ecke" sind die Alliierten gelandet und
der Hafen diente bis zum Ende des kalten Krieges wohl als größere
Militärbasis. Neben der weitläufigen Marina beginnt eine großzügige
Grünanlage, die mit herrlichsten Blumenrabatten bepflanzt ist. Wir
feierten die Ankunft am Sonntag mit einer superleckeren Erdbeertorte
vom Bäcker. Kulinarisch haben die Franzosen schon was drauf. 
Am Montag durchforsteten wir die Marina-Ausrüster-Läden und fanden u.a.
passende Schnappschellen, um endlich unser Notruder wieder zu
befestigen, das bislang sehr zu meinem Ärger auf dem Fußboden
herumrutschte. Es ließ sich auch bis zum nächsten Tag ein passender
Regler für die Lichtmaschine organisieren und damit das oben
beschriebene Problem lösen. Wir bekamen neues Motoröl, wenn auch keine
passenden Ölfilter, von denen wir zum Glück aber noch ein paar in
Reserve haben. Die Kombination meiner Sprachkenntnisse mit Lars'
technischem Sachverstand plus ein paar Sympathiepunkte für die Kinder
haben uns bisher sehr geholfen.
Da wir seit unserem
Ankunftstag in Oostende kein richtiges Badewetter mehr hatten, nutzten
wir die nahegelegene städtische Schwimmhalle, um den Kindern und uns
mal wieder Gelegenheit zum Schwimmen zu geben. Es war ganz so, wie wir
es uns wünschten, mit Kinderbecken, Spielzeug, Schwimmbrettern und
allem, was man so braucht für nur 7 Euro insgesamt. Die Franzosen
scheinen mehr Geld für ihre Kinder und die Jugend auszugeben. In
Boulogne waren uns schon die kostenlosen Ferienangebote positiv
aufgefallen.
Eine Bekanntschaft der skurrilen Art machten wir mit
Marco, einem ewig mittellosen Italiener, der sein Glück versucht, ein 7
m Holzboot in fragwürdigem Zustand von Holland nach Italien zu
überführen, um es dort mit Gewinn zu verkaufen. Mastbruch und gerissene
Segel hatte er schon hinter sich. Ohne GPS, brauchbares Fernglas, ohne
Selbsteueranlage, nur mit Außenborder, will er sich im September über
die Biskaya wagen.
Am
liebsten wäre ihm wohl gewesen, wenn wir ihn ins Schlepptau genommen
hätten. Ein Schiff hat er angeblich schon mal verloren, da ihm bei
Sturm das nötige Kleingeld für den sicheren Hafen gefehlt hat. Wir
kratzten an Lebensmitteln zusammen, was wir entbehren konnten, was uns
seine nicht immer willkommene, dankbare Anwesenheit einbrachte. Jedoch,
was wäre die Welt, wenn wir alle gleich wären? Wie heißt es so schön:
es gibt 3 Arten von Langfahrtseglern. Zum einen diejenigen, für die
Geld keine Rolle spielt, weil sie genug davon haben. Zum anderen jene,
die ihren Ausstieg genau kalkulieren (dazu zählen wir uns). Zuletzt
solche, die immer von der Hand in den Mund leben. Heutzutage haben
letztere eher schlechte Aussichten, da man sich nicht darauf verlassen
kann, immer passende Gelegenheitsjobs zu finden, was Marco uns im
übrigen bestätigte. Mal gucken, ob wir irgendwann mal was von ihm hören.
Die Kinder sind immer furchtbar scharf darauf, andere
deutschsprachige Kinder zu treffen. Entsprechend groß war der Jubel,
als eine Segelyacht mit deutscher Flagge und 3 Mädels hinter uns
anlegte. Es handelte sich um eine Familie aus der Schweiz, die entgegen
dem allgemeinen Trend dabei ist, aus ihren Bergen nach
Mecklenburg-Vorpommern umzusiedeln. Wir saßen bis in die Nacht nett
beisammen.
Am
Mittwoch, den 27.08. starteten wir bei schwachem Gegenwind unter
Maschine unseren Trip nach Spanien. Die ersten 3 Tage zeigte sich die
Sonne überhaupt nicht, aber es blieb wenigstens meistens trocken.
Nachts auf die nordbrittannische Küste
zuzusegeln war mir schon etwas unheimlich, aber wirklich frustrierend
war es, beim Kreuzen gegen den Wind durch die Gegenströmung quasi um
180 Grand zurückversetzt zu werden. Am Ende der Nacht hatten wir nur 13
Meilen gut gemacht. Also nahmen wir wieder entschlossen Maschinenhilfe
in Anspruch, um endlich den Ärmelkanal hinter uns zu lassen. Spannend
war die Querung der Großschiffahrtsroute. Dank AIS-System können wir
die Ozeanriesen auf dem Bildschirm verfolgen und schon lange, bevor sie
in Sichtweite kommen, abschätzen, wer uns gefährlich werden wird. Da
gerät das Blut schon eine Stunde vorher in Wallung.
Ganz
gemein wird es, wenn man von zweien quasi in die Zange genommen wird.
Da hilft nur noch ausprobieren, mit welchem Kurs man im wahrsten Sinne
des Wortes am besten fährt. Aber auch die Großen scheinen keinen Wert
auf eine Kollision zu legen, sondern lieber ihren Kurs um ein paar Grad
zu ändern. Möglicherweise ist das die Folge unseres aktiven
Radarreflektors, der uns auf ihrem Bildschirm ganz wichtig aussehen
läßt.
Schöner
wurde es am 4. und 5. Tag, als weder Küste noch unzählige Schiffe uns
auf Trab hielten, dafür aber endlich die Sonne zum Vorschein kam. Immer
wieder konnten wir Delfine beobachten und eines Morgens sogar den Blas
eines Wales. Die Seekrankheit, die uns oft die ersten ein bis zwei Tage
begleitet, war verschwunden. Uns stand ein wichtiges Ereignis bevor:
Tills Einschulung. In Ermangelung eines genauen Datums hatten wir uns
schon lange auf den 1. September festgelegt. Die größte Erwartung
bestand natürlich hinsichtlich der Zuckertüte, die wir Till schon vor
dem Beginn der Reise versprechen mußten.
Zu dumm, dass die Kinder in Frankreich diese
Tradition nicht kennen. Jedenfalls ist es mir in Boulogne nicht
gelungen, ein entsprechendes Exemplar käuflich zu erwerben. Deshalb
verbrachte ich die Nächte, die wir auf der Biskaya segelten damit,
selber welche zu basteln. Das war gar nicht so einfach bei der
Schaukelei. Letztendlich ist es die größte Zuckertüte geworden, die ich
je bei einem Erstklässler gesehen habe und sowieso waren es die
einzigen weit und breit. Und einen Kuchen mit Zuckerbuchstaben gab es
auch.
Die Großeltern und Paten hatten Glückwünsche
und Fotos von ihrer eigenen Einschulung per mail geschickt, die wir
Till vorlesen und zeigen konnten. Gemeinsam schauten wir uns die
Lehrbücher an, stellten Till seinen Stundenplan und seine neuen Lehrer
vor und veranstalteten schon mal einen kleinen Denkquiz.
Über Nacht näherten wir uns der Nord-West-Ecke Spaniens
und mußten wieder die Großschiffahrtsroute queren. Wind hatten wir
inzwischen genug und unser Problem war es, die Küste nicht schon im
Dunklen zu erreichen. Noch mehr Reffs, um langsamer zu werden, konnten
wir bei den 3m hohen Dünungswellen nicht gebrauchen, um nicht total ins
Dümpeln zu geraten. Wir fuhren lieber einen kleinen Umweg, mit dem
Ergebnis, dass wir dann doch erst mittags im Hafenbecken von Camarinas
den Anker fallen lassen konnten.
Die
Kulisse war großartig. Felsige Berge wechselten ab mit sandigen
Buchten. Hier und da stand eine kleine Kirche am Hang wie hingetupft.
Wir konnten uns kaum vorstellen, was mit den großen Wellen passiert,
wenn man in das flache Wasser der Bucht kommt. Draußen gischtete das
Wasser nur so an die Felsen. Aber irgendwie verliefen sie sich ins
Nichts.
Nun war es Zeit für die ersten richtigen Schulstunden,
denn wir wollten ja nicht gleich am ersten wirklichen Schultag
Extrafrei geben (auch wenn Lars behauptet, es gelte als seelische
Grausamkeit, einem Matrosen keinen Landgang zu gewähren, wenn das
Schiff über 6 Stunden im Hafen liegt). Unser Dinghi hatten wir zuletzt
in Neuhof benutzt und es dauerte etwas, ehe wir alle Teile
zusammengefunden hatten. Inzwischen hatte es begonnen zu regnen und wir
beschlossen, den Landausflug auf den nächsten Tag zu verschieben.
Unsere Tage haben jetzt einen anderen Rhythmus. Nach dem Frühstück ist
erst mal Schule angesagt. Wo wir nun selber in die Lehrerrolle
schlüpfen, merken wir, wieviel Geduld und Ideenreichtum es verlangt,
damit der Unterricht den Schülern auch Spaß macht.
Die
Gradwanderung zwischen Fordern und nicht Überfordern ist manchmal auch
nicht so leicht. Insgesamt funktioniert es bislang jedoch ganz gut. In
der ersten Sportstunde wurden Koordinationsübungen (Dinghi ausschöpfen)
gemacht und Rudern geübt. Till kam schon allein vom Ankerplatz zum
Anlegesteg und zurück. Kräftemäßig steht er mir ohnehin kaum noch nach
und wird mich beim Wettlauf bald überholen.
Camarinas erkundeten wir im Regen. Als erstes fielen uns die
Klöppelstuben auf, wo überwiegend ältere Frauen fleißig am wirken sind
und schöne spitzenverzierte Täschchen, Deckchen etc. zum Verkauf
anbieten. Und ich habe immer geglaubt, dass es sich beim Klöppeln um
eine typisch deutsche Handarbeit handelt!
Es gibt nur noch wenige alte Steinhäuser, die meist so klein sind, dass
man es den Menschen nicht verdenken kann, wenn sie sich moderne Häuser
errichten. Allerdings wirken die Orte damit wenig idyllisch. Die
meisten Geschäfte waren nachmittags geschlossen. Nur mit der Bäckerei
hatten wir Glück und kehrten mit Dougnuts, Brot und Empanada (herzhaft
gefüllter Kuchen) in unseren trockenen, gemütlichen Schiffsbauch
zurück.
Für
Donnerstag waren Sturmwarnungen ausgegeben und fast alle ankernden
Yachten suchten sich im Laufe des Tages ein Plätzchen am Steg. In der
Nacht sauste und brauste es nur so, dass wohl keiner außer den Kindern
ruhig schlafen konnte. Ein Katamaran, der noch im Hafenbecken vor Anker
lag, mußte das Rettungsboot anrufen, weil der Anker nicht hielt. Sonst
schien keiner zu Schaden gekommen zu sein. Das spanische Fernsehen
brachte allerdings Bilder von La Coruna, wo etliche vertäute
Motoryachten gekentert und unter Wasser waren und es einen Teil der
Schwimmstege durcheinandergewürfelt hatte.
Gut, dass wir nicht dort
unsere Biskayaüberquerung beendet hatten.
Die schönsten Sandstrände nutzen nichts, wenn es dauernd regnerisch und
kühl ist. Dabei hatten wir den Kindern versprochen, dass es ab Spanien
viel wärmer wird. Am Samstag, den 06.09. zogen wir deshalb weiter nach
Süden. Es stand noch ca. 3 m Dünung, so dass die Küste immer wieder von
den Wasserbergen verdeckt wurde. Himmel, Wasser und Wellen waren
ungefähr genauso wie bei unserer Ankunft. Schon bald hatten wir Cap
Finisterra - das Ende der Welt - querab und um unser Boot sprang
fröhlich eine Schar Delfine.
Die Küste blieb weiter felsig und zerklüftet
mit einsamen sandigen Buchten dazwischen. Wir bogen abends in die Ria
de Muros ein und ankerten in Gesellschaft mehrerer uns
schon bekannten Yachten. In den letzten Strahlen der untergehenden
Sonne nahmen wir ein kühles Bad. Das Wasser war so klar, dass man sogar
in 9m Wassertiefe die weißen Muscheln am Grund erkennen konnte.
Am
Sonntag war Lars' Geburtstag. Die Kinder deckten einen richtigen
Geburtstagsfrühstückstisch und Till malte ein wunderschönes Bild mit
Geburtstagstorte, schleifengeschmückten Geschenken, Wimpelkette und
Geburtstagsgästen. Vielleicht das schönste Geburtstagsgeschenk war der
erste richtig sonnige Tag. Mindestens 20 Delfine kamen zur Gratulation
vorbei und schossen im Synchronstil aus dem Wasser.
Das Tagesziel hieß Bayona,
wo wir abends lecker essen gingen. Die Kinder hatten sich für ein
Restaurant entschieden, in dem man auf "Königsthronen" sitzen konnte.
Bayona liegt ebenfalls in einer sehr idyllischen Bucht.
Schon
von weitem sieht man die eindrucksvolle Festungsanlage, die heute ein
Panorama-Hotel beherbergt, deren gepflegte Außenanlage jedoch betreten
werden können. Hier in Bayona kam übrigens die "Pinta", eines der 3
Schiffe von Kolumbus und das einzige, das heimkehrte, nach der
Entdeckung Amerikas an.
Einen
Nachbau davon kann man im Hafenbecken besichtigen. Mir kam sie
erstaunlich klein vor.
Die Tage in Baiona vergingen mit Schule, dem Entdecken der
verschiedenen Strände, Einkaufen und anderen Alltagsbeschäftigungen. Am
Strand fand auch der Sportunterricht statt mit Slalom um unsere Schuhe,
Käsekästchenhüpfen, Wettlauf, Weitsprung und Schwimmen. Die Kinder
dachten sich selber immer neue Spielvarianten aus und wir machten
natürlich alle mit. Noch entspricht die Reihenfolge dem Alter, aber es
wird nicht mehr lange dauern, bis Till mich beim Rennen und
Weitspringen überholt. Der Sand glitzert hier ganz besonders und man
kann regelrechte "Silberstückchen" finden. Hinter der Festung kann man
herrlich zwischen den Felsen spielen, während die Wellen sich unter
Getose und Gischtsprühen brechen. Einheimische Frauen treffen sich hier
zu einer Art
Glücksspiel mit Steinen vom Strand und auf
Pappe oder Stoff aufgemalten Kästchen.
Am Sonntag, den 14.09.08 legten wir ab Richtung
Lissabon. Der Wind kam von West, so dass wir erstmal ein Stück motorten
und dann versuchten zu kreuzen. Gerade als ich mich genüßlich in die
Sonne legen wollte, fuhr Lars eine Wende und das ganze Cockpit lag im
Schatten. Pech gehabt! Weiter draußen war der Wind günstiger und wir
mußten die nächsten 48 h fast nichts an den Segeln ändern. Nachts
schien der Mond so hell, dass man hätte lesen können. Er ging pünktlich
zu Sonnenuntergang auf und bei Sonnenaufgang unter.
Nur das bei der Dümpelei in sich
zusammenfallende Vorsegel störte die Nachtruhe der Nicht-Wachhabenden.
Montag war für Till wieder Schule. Bei Mathe und Deutsch machte er
prima mit. Da er auf Musik keine Lust hatte, versuchte ich, Lars auf
dem Vordeck das Flöte spielen beizubringen. Den Delfinen hat es wohl
gefallen, denn sie sprangen viel länger als sonst um unser Schiff und
einer machte ständig Salto rückwärts und zeigte dabei seinen hellen
Bauch.
In der zweiten Nacht herrschte mehr Schiffsverkehr und etliche der
Großen kreuzten in weniger als einer Meile Abstand unseren Kurs. In den
frühen Morgenstunden wurden wir umringt von Lichtpunkten, die wohl zu
Fischerbooten gehören, aber pünktlich mit Sonnenaufgang waren sie alle
verschwunden. Nur zwei Segler sind noch am Horizont zu sehen. Der Wind
war inzwischen so schwach, dass wir die letzten Meilen nach Cascais
wieder einmal unter Maschine laufen mußten. Dichter unter Land
erfordern unverhofft auftauchende Fähnchen und treibende Markierungen
guten Ausguck. Kurz vor Cascais fuhren
wir regelrecht Slalom und schafften es trotzdem nicht ganz, alle
Fischernetze zu umfahren. Irgendwann hatten wir eins wohl direkt unter
uns, denn unser Echolot zeigte auf einmal nur noch 8 statt 30 m
Wassertiefe.
In der Marina suchten wir uns eine freie Box, wurden jedoch sofort
wieder weggescheucht. Wir sollen bei der Rezeption längsseits gehen und
erstmal einchecken. Warum stellen sie nicht einfach ein Schild hin? Das
Hafenpersonal stimmte dem zwar zu, aber passieren wird wahrscheinlich
gar nichts. Dieses Mal wollen sie es genau wissen.
Schiffsregistrierung, Versicherung, sämtliche Pässe. Was machen die
Schiffe, die keine haben? Immerhin ist es in Deutschland ja nicht
vorgeschrieben, sich registrieren und versichern zu lassen. Alles wurde
sorgfältig in den Computer geschrieben und Kopien von den Dokumenten
gezogen. Als ich schließlich den Preis erfahre, muß ich erst mal
schlucken: 39 € für eine Nacht. Zum Vergleich: Camarinas kostete nur 14
€, am teuersten waren bislang Kopenhagen und Cherbourg mit 25 €. Dabei
soll das Internet im Hafen nur schlecht funktionieren und es gibt auch
sonst nichts besonderes. Wir sind doch nicht im Mittelmeer !
Wahrscheinlich
hätten wir das Geld für 2 Nächte glatt ausgegeben, aber so entschuldige
ich mich nur für den entstandenen Aufwand und wir gehen lieber in der
angrenzenden Bucht vor Anker. Dort liegen schon allerhand andere, denen
es ähnlich geht. Wir erfahren, dass die Deutschen einen regelrechten
Duschtourismus betrieben, indem sie die Karte eines in der Marina
liegenden Schiffes gemeinsam nutzen. Allerdings war es dem letzten
schließlich auch zu teuer geworden und er war auch ins Ankerfeld
umgezogen. Dass man sich vor dem Ankern bei der Hafenpolizei melden
muß, wie uns die Marina weißmachen wollte, entpuppte sich übrigens als
Mär. Mutti wies mich bei ihrem abendlichen Telefonat darauf hin, wie
dicht in Strandnähe wir liegen würden. Als dann noch unser Tiefenalarm
anging, waren wir kurzzeitig verunsichert, aber es war nur blinder
Alarm. Wahrscheinlich waren es die karpfenähnlichen Fische, die die
Boote von unten ablutschen.
Der nächste Tag begann mit Nieselregen. Wir mussten noch
eine Mathestunde vom Vortag nachholen und begaben uns nachmittags auf
Landgang. Das Festmachen am Fischersteg dauerte länger als geplant.
Um nicht bei Flut unter
den Steg gedrückt zu werden, bringen wir am Bananaboot einen kleinen
Heckanker aus, falls der Wind dreht (und das tut er permanent). Zu
dumm, dass gerade jetzt ein Fischer ausladen und selber festmachen will
und wir ihm offensichtlich im Weg liegen. Wir verholen uns ein Stück so
dass wir immer noch gerade einsteigen können. Die Wellen glucksen unter
der Treppe und so ganz trocken kommen wir hier nicht an Land.
Der Ort ist wirklich sehr hübsch. Längst ist es kein Fischerdorf mehr,
eher ein Vorort von Lissabon, aber ein paar der alten Gassen blieben
erhalten und in der Fußgängerzone drängt sich ein Restaurant ans
andere. Die Bäckereien sind eindeutig die am liebsten und häufigsten
von uns frequentierten Geschäfte.
Als
wir bei einem Friseur vorbeikommen, gehe ich kurzerhand hinein und
lasse mir die Haare kürzen. Lars hat derweil mit den Kindern das
Shoppingcenter entdeckt. Es unterscheidet sich kaum von denen bei uns.
Die Kinder freuen sich vor allem über den Springbrunnen in der Mitte.
Die Suche nach einer zweiten Maltafel für Marlene blieb zunächst
vergebens. Sie malt inzwischen genauso gern wie Till, was in letzter
Zeit zunehmend für Streitereien zwischen den Kindern geführt hat.
Abends
saßen wir zum ersten Mal auf dieser Reise gemütlich beim Schein der
Petroleumlampe im Cockpit und genossen die Aussicht auf die Bucht.
Wir haben uns neu verproviantiert und vielleicht liegt es an den
zahlreichen englischen Touristen oder Irish pubs, jedenfalls hatte ich
plötzlich mitten in Portugal Lust auf ein "full english breakfast" mit
ham&eggs, sausage und baked beans. Den Kindern schmeckte es so
gut, dass sie ordentlich zulangten und nachmittags nach der Schule
immer noch keinen Hunger hatten, sondern lieber zum Strand wollten.
Das
Anlegen mit dem Dinghi war hier augenscheinlich auch nicht erwünscht,
denn wir sollten unser Boot ganz an den Rand der Bucht legen, wo der
Strand am schmalsten war. Offensichtlich hat hier noch keiner das
Kaufpotential der Ankerlieger entdeckt, denn einen Dinghisteg, Duschen,
Waschmaschine und Internet würden sich die meisten etwas kosten lassen.
In den Folgetagen legten wir mehrfach beim örtlichen Segelclub an. Zwar
ist das Tor abends oft abgeschlossen, aber man kann ganz gut über bzw.
durch den Zaun kommen. Man liegt komfortabel an einem Schwimmsteg und
stört niemanden. Zum Ort ist es aber 500m weiter.
Die Vegetation hat sich deutlich gewandelt. Es gibt mehr Palmen als
Bäume, kaum noch Rasenflächen, dafür rote Erde und Sukkulenten. Im Park
entdeckten die Kinder voll Freude einen Spielplatz und ein paar Tiere.
Ein weißes Kaninchen war ausgebüxt und hoppelte durch die Beete. Die
Häuser sind traditionell mit weißblauen Kacheln geschmückt.
Unser Samstagausflug ging nach Belem mit dem berühmten Kloster.
Von
der Bahnstation aus kommt man zunächst durch schöne Parkanlagen und an
einem Spielplatz vorbei, wo wir natürlich glatt hängenblieben. Während
Till und Marlene lautstark zu zweit die Rutsche runtersausten, sprach
sie plötzlich ein Junge staunend an: "Sprecht ihr auch deutsch?". Till
war so perplex, dass er gar nichts antwortete, sondern zu uns gerannt
kam. Aber der andere ließ sich nicht so schnell entmutigen und kam
hinterher. Es entspann sich ein köstlicher Dialog. Tills erste Frage:
"Liegt ihr im Hafen oder vor Anker?". Diesmal staunte sein Gegenüber.
Es stellte sich heraus, dass Luis seit 4 Wochen mit einem Kleinbus quer
über die iberische Halbinsel unterwegs ist und das automatisch (ebenso
wie Till das Leben auf dem Schiff) für die einzig mögliche Lebensform
hält. Mit seinen knapp 6 Jahren war er der perfekte Spielpartner für
Till und beide Jungs heckten den Rest des Tages jede Menge Unsinn aus.
Luis Mutter kommt ebenso wie ihr Freund aus Dresden, und wir machten
uns gemeinsam auf den Weg zum Kloster, das ausgerechnet heute leider
nicht besichtigt werden konnte. Aber in die Kirche kam man im hinteren
Bereich hinein, während vorne ein Traugottesdienst stattfand. Die neuen
Freunde legten sich bäuchlings auf den roten Teppich, nachdem ein
erwachsener Tourist ihnen das vorgemacht hatte, um ein gutes Foto zu
schießen. Wir gingen noch gemeinsam essen und noch einmal zum
Spielplatz. Bänke für die Großen gibt es nicht und wenn man genau
hinschaut, kann man sich auch denken warum. Es gibt kaum ein Kind, was
ohne Hilfe, Absichern oder mit gutem Kommentar durch die Eltern bedacht
an den Spielgeräten zu Gange ist. Entsprechend ängstlich und unbeholfen
wirken denn auch viele Kinder. Insgesamt war es ein wunderschöner Tag
und als wir abends ins Dinghi einstiegen, war es bereits stockdunkel.
Ein Motorboot kam direkt auf uns zu gerast und wir beschlossen, ab
sofort immer eine Taschenlampe in der Bauchtasche mitzunehmen. Auf
halbem Weg zur Spica wurden wir von einem Boot aus angerufen, wo
bereits ein halbes Dutzend Dinghis festgemacht sind. Eine
"Sauerkrautparty" ist in vollem Gang und wir bekommen Cola, Fanta und
Bier. Die Kinder sind trotz fortgeschrittener Stunde quietschvergnügt.
Till
bastelt am nächsten Tag Geschenke für Gudrun und die "Tigger"-Besatzung
und verschenkt zwei seiner Gummibärchentüten . Abends sehen wir uns
alle noch mal im nahegelegenen Hotel, wo es kostenloses Internet gibt.
Leider funktioniert das bei allen außer uns und nach einiger Zeit geben
wir es frustriert auf. Außer Spesen nichts gewesen. Die anderen
Deutschen brechen am Montag auf. Sie wollen sich an der Algarve wieder
treffen. Von ihnen erfahren wir auch, dass die "Mira", die in Neuhof
einige Zeit neben uns auf Land gelegen hat, einen Tag vor unserer
Ankunft abgereist ist. Wir scheinen uns die ganze Zeit immer knapp
verpaßt zu haben. Wir bleiben noch ein bißchen, denn wir wollen uns
noch Sintra ansehen und vielleicht nach Lissabon fahren. Till und Lars
hatten noch einen Termin bei der Bordfriseurin und sehen wieder chic
aus.
Montag ging die Schule weiter. Am Dienstag (22.09.) machten wir
Wandertag.
Sintra steht auf der
Weltkulturerbe-Liste der Unesco. Bereits die Busfahrt dorthin ist
wunderschön. Die Kinder genossen die Aussicht von den vorderen beiden
Plätzen. Es geht durch malerische Dörfer und an der Küste entlang. In
Sintra und Umgebung gibt es viele bemerkenswerte Schlösser und Burgen
eingebettet in sattes Waldgrün. Wir haben uns das Maurenkastell
ausgeguckt und wandern durch Ort, Park und Wald den Berg hinauf.
Riesige Felsen ähnlich wie in der sächsischen Schweiz bilden tolle
Formationen. Je näher wir der Burg kommen, desto häufiger treffen wir
auf Schilder, dass die Eintrittskarten am anderen Eingang vom Park zu
erwerben sind. Da stellen die doch tatsächlich einen Kartenabreißer ans
Tor und statt, dass man bei ihm auch gleich bezahlen kann, schicken sie
einen bis ans andere Ende des Parks.
Ohne
Kinder ist der Weg jedoch schnell zurückgelegt und ich kaufe gleich
noch Eis, das ich im Laufschritt zur Burg trage, denn oben gibt es nur
Ruinen. Die anderen Touristen gucken neidisch. Wir klettern die
Burgmauern entlang und auf die Türme und genießen die wundervolle
Aussicht. Sogar einen Geheimgang hat es früher gegeben. Ich erzähle den
Kindern von den Mauren, aber als ich später noch mal nachfrage,
antwortet mir Till, dass das Kastell von Maurern gebaut wurde.
Irgendwie hat er damit auch nicht so ganz unrecht. Zurück im Ort finden
wir uns unvermittelt im totalen Touristenrummel wieder. Gerade war es
noch so nett, durch die kleinen Gäßchen zu streifen, da biegen wir um
die Ecke und stehen mitten im Gewimmel von Souvenirshops, Kneipen und
Menschenmassen. In einem einfachen Imbiß, der gleichzeitig diverse
portugiesische Textilien und Keramik verkauft, stillen wir unseren
Hunger.
Rückzu nehmen wir den direkten Bus, der auch nicht viel schneller ist
als auf der Hinfahrt, aber die weniger idyllische Seite des Landes
zeigt. Die Ortschaften gehen ineinander über, überall werden Straßen
gebaut und Einkaufscenter mitten aufs Feld gesetzt. Wohin soll diese
sogenannte "Zivilisation" mit Zersiedelung und Verkehr noch führen?
Unser Bordalltag hat eigentlich nichts mit Urlaub zu tun
und ist auch irgendwie anstrengend, wobei wir das nicht anders erwartet
hatten. An den Wochenden versuchen wir, was Schönes mit den Kindern zu
unternehmen. In der Woche wird durch die Schule und die umständlichen
Alltagsbesorgungen an Bord sehr viel Zeit beansprucht.
Um
die Welt zu segeln ist eben auch nur eine andere Art Job mit dem
Vorteil, dass man alles weitgehend selbst bestimmen kann. Das genießen
wir sehr.
Das Tempo ist bereits in Portugal deutlich langsamer. Multitasking ist
hier ein Fremdwort. Ob Kneipe oder Supermarkt, es geht immer schön eins
nach dem anderen, was mir manche Geduldsprobe abverlangt, wenn ich nur
mal eben den Euro für den Einkaufswagen oder eine kleine Information
brauche. Ansonsten hat sich Europa kulturell schon sehr angenähert. Das
Einkaufszentrum von Cascais hätte genauso gut in Berlin stehen können.
Bemerkenswert fanden wir allerdings den Bistro-Bereich unterm Dach. In
der Mitte und z.T. auf der Terasse mit herrlichem Blick übers Meer
stehen Tische und Stühle, die keinem genauen Restaurant zugeordnet
sind. Stattdessen kann man sich ringsherum bei den kioskartigen
Restaurants was aussuchen und sich dann ein Plätzchen suchen.
Echt
praktisch, wenn der eine lieber italienisch, der andere eher indisch
essen möchte. Wir haben natürlich die portugiesische Küche ausprobiert
mit Tintenfisch und deftigen Fleischgerichten. Die Kinder wollten
sowieso nur zu den Spielzeugautos.
Als wir mit den Einkäufen zum Dinghi kamen, rutschte Lars von der
Treppe ab und kam erst im Wasser zum Halten. Die Muscheln hatten ihn
obendrein noch ordentlich zerkratzt. Gott sei dank heilte im Folgenden
alles problemlos ab. Vom Fischersteg hatten wir danach endgültig die
Nase voll. Tags zuvor hatte Lars bereits Probleme gehabt, ans
Bananaboot heranzukommen, weil ein Fischer sich ganz unglücklich
dazwischen gelegt und seine Leine über die unsere geworfen hatte. Wir
versuchten anderntags unser Glück erneut am Strand. Diesmal sollten wir
um nichts auf der Welt zum Rand der Bucht fahren, sondern es ziemlich
genau da, wo wir beim letzten Mal verscheucht worden waren, an Land
ziehen. Das versteh mal einer !
Portugal wollte uns so schnell nicht los lassen. Der passende Wind zum
Weiterkommen ließ auf sich warten. Nach etlichen Flautentagen frischte
es am 28.9.08 ordentlich auf und dummerweise aus Ost, der einzigen
Richtung, vor der die Bucht keinen Schutz bietet. Es wurde ziemlich
ungemütlich auf unserem Ankerplatz. Eigentlich wollten wir schon
morgens in die sauteure Marina umziehen, aber an unserer Ankerkette
hing mindestens eine halbe Tonne Netz, Kette, alte Anker etc. Mit
diesem Reitgewicht hätte der Anker 100%ig halten müssen.
Später
gab es jedoch einen kurzen Ruck, und plötzlich ging unser Ankeralarm
an. Wir waren unserem Nachbarn deutlich näher gekommen, so dass wir
einen neuen Versuch starteten, Anker auf zu gehen. Es war aber immer
noch ein Haufen Kram verfangen und wir kamen erst mit Hilfe eines
Norwegers frei, der vom Dinghi und später sogar vom Wasser aus uns
freischnitt. An nächsten Tag war das Wetter besser, aber wir hatten
keine Lust mehr, hier unseren Anker zu werfen, wie sicherlich zu
verstehen ist.
Im Hafen lagen etliche Holländer mit Kindern an Bord, die
offensichtlich besser organisiert sind. Bereits ein Jahr vor der
Abreise wurde ein Kennenlernen der Familien organisiert und ca. 5 Boote
reisten von Anfang an mehr oder weniger gemeinsam.
Der halbe Hafen schien nach Madeira aufzubrechen zu wollen. Wir liefen
am Dienstag, den 30.9.08, aus um Kurs auf Marokko zu nehmen.
Afrika, wir kommen !
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