Südafrika (20.11.2010 - 24.01.2011)
Namibia (31.01.2011 - 16.02.2011)
Südafrika
In Richards Bay machten wir am Zollkai im Päckchen bei einer
deutschen Yacht fest. Von Beamten keine Spur. Die kämen nur alle 1-2
Tage gelegentlich vorbei. Wir könnten ruhig an Land gehen, meinte unser
Nachbar.
Das ließen wir uns nicht 2x sagen und zogen los, uns die
Beine zu vertreten. Sehr hübsch war es nicht mit dem Großhafen nebenan,
und an den Stellen, wo man es sich hätte schön machen können, waren die
Sitzbänke der Cafés immer zur Straßen- statt zur Parkseite
ausgerichtet. Genießen es die anderen Nationen wirklich, auf Asphalt
und Autos zu gucken, und nur wir Europäer ziehen es vor, ruhig und im
Grünen zu sitzen? Immerhin war rings um das Hafenbecken so etwas
ähnliches wie eine Gastro-Flaniermeile angelegt, wenn auch ohne Bäume
oder Blumentöpfe. Abends lud die eine Kneipe zum Grillabend ein, wo
viele Segler hingingen. Man bekam ein Grillpaket mit Fleisch und
Würstchen, die man sich selber braten mußte und konnte am Salatbüfet
teilnehmen. Da die Holzkohle nicht richtig durch war, dauerte die
Grillerei eine Ewigkeit und das Ergebnis ließ unsere argentinischen
Freunde Marissa und Jorge nur den Kopf schütteln, aber wir saßen in
netter Runde. Uns hatte es an einen Tisch mit Holländern verschlagen
und wir lernten At und Dia von der SY Angelique II sowie Peter und
Carla von der SY Odulphus kennen. Später wurde zusammen gesungen, At
holten seine Mundharmonika hervor und einer spielte Gitarre. Die
Holländer kannten mehr deutsche Schlager und Seemannslieder als wir,
und ich dachte an Lisa, die schon auf Cocos Keeling den "Hamburger
Veermaster" gesungen hatte. Wir gaben als Familie noch spontan die
"Affenbande" zum Besten, dessen Refrain so einfach ist, dass die
anderen bald mitsingen konnten.
Am nächsten Tag trauten wir uns
nicht von der Spica, um die Herren von Immigration und Zoll nicht zu
verpassen. Die kamen erst nachmittags und waren sehr nett und
unkompliziert. Wir müßten uns aber in jedem südafrikanischen Hafen an-
und abmelden, wurden wir belehrt. Heilige Bürokratie!
Lars
schlenderte mit den Kindern zum Zululand Yacht Club, der ein herrlich
großes, grünes Gelände hat. Wir beschlossen, uns dorthin zu verlegen.
Inzwischen waren auch wieder Plätze frei, da die meisten ARC-Schiffe
bereits weiter gesegelt waren. Die Schwimmstege waren in afrikanischer
Art selbst geschweißt und z.T. mit schwarzem, in der Sonne
ausdünstenden Gummibelag belegt, wovon mir schlecht wurde. Deshalb
gingen wir lieber an die Kaimauer, wo man sogar 14 Tage umsonst lag. Es
dauerte eine Weile bis wir uns so verstrippt und verzurrt hatten, dass
die Kinder auch allein sowohl bei Ebbe als auch Flut von Bord kamen.
Till und Marlene freuten sich, dass es im Sanitärgebäude nicht nur
Duschen, sondern auch Badewannen gab. Und natürlich wurde der kleine
Swimmingpool sofort ausprobiert, auf dessen Zaun gerade eine
Grünmeerkatze spazieren ging. Viel Spaß hatten wir auch an einer
Kolonie Webervögel, die eifrig am Nestbauen und Junge-Füttern waren. Im
Clubgebäude war ein Imbiß, der nicht viel besucht war. Hierher zog ich
später mit den Kindern zum Schule machen, wenn Lars am Schiff bosseln
mußte. Zum Munter-werden flitzten wir zwischendurch immer Mal bis ans
Ende des Geländes und um ein Palme herum, wobei ich feststellen mußte,
dass Till inzwischen schneller rennt als ich.
Richards
Bay/Empangeni bietet als Ort außer Shoppingmöglichkeiten reineweg gar
nichts. Alles ist aufs Autofahren ausgelegt und Radfahren macht keinen
Spaß. Vom Yachtclub aus war der nächste Supermarkt 4 km entfernt. Das
ist sicher auch der Hauptgrund, warum viele Langfahrt-Segler von hier
aus nur ein paar Nationalparksbesuchen, und dann weiter ziehen.
Auch
wir besorgten uns ein Mietauto, um nach St. Lucia und in den
Hluhluwe-Umfolozi-Nationalpark zu fahren. In St. Lucia beginnt ein
großes Naturschutz-Gebiet mit riesigen Sanddünen und dahinter liegendem
Mangrowen-Feuchtbiotop, das einer Vielzahl von Vögeln als Heimat dient.
Viele der Tagestouristen kommen jedoch wegen der Nilpferde, die man am
besten vom Boot aus beobachten kann. Sie halten sich nämlich tagsüber
fast nur im Wasser auf, lassen ihre Ohren wackeln und reißen zum
Entzücken der Zuschauer gelegentlich das Maul auf und zeigen ihre
langen Zähne. Nachts gehen sie an Land und weiden Gras. Wer ihnen dabei
zu nahe kommt oder gar den Rückweg zum Wasser abschneidet, wird glatt
in einem Happs durchgebissen. Deshalb sind sie die für den Menschen
gefährlichste Tierart Afrikas. Mit den Krokodilen scheinen sie sich
dagegen gut zu vertragen. Neben den Salzwasserkrokodilen Australiens
wirkten ihre afrikanischen Verwandten regelrecht harmlos klein. Es soll
früher jedoch immer wieder Todesfälle durch Krokodile gegeben haben,
wenn die Zulu-Frauen zum Binsen-Schneiden (für Körbe und Dächer) in
Ufernähe kamen.
Wir waren abends noch zu einem Backpacker-Hostel
weitergefahren, das ganz in der Nähe des Eingangstores zum
Hluhluwe-Park (sprich: schlu-schlu-i ) lag. Dort herrschte
erstaunlicherweise ziemlicher Totentanz, obwohl die ganze Zeit
behauptet wurde, es wäre alles reserviert. Stammpersonal und Freunde
waren die besten Kunden der Bar. Einer arbeitete als Restaurant-Manager
im Park und erzählte dolle Stories von Leoparden, die mit Krokodilen
kämpfen und wie viele Löwen es gäbe. Um den Befall des Löwenbestandes
mit Tbc zu prüfen und die Tiere zu impfen, bediene man sich angeblich
eines Tricks. Man locke die Tiere mit Hyänengeheul an, das diese
ausstoßen, wenn sie erfolgreich Jagd gemacht haben. Die Löwen kämen
dann herbei, um den Hyänen ihre Beute streitig zu machen. Plötzlich
wimmele es von gelb-leuchtenden Raubkatzen-Augen in der Dunkelheit. Wie
viel davon Dichtung bzw. Wahrheit ist, kann ich nicht sagen. Wir sahen
anderntags jedenfalls keinen einzigen Löwen - der einzige
Wermutstropfen eines ansonsten großartigen Nationalparkbesuchs.
Von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fuhren wir im Park herum und sahen
unheimlich viele Tiere: Zebras und Gnus, Impalas und Kudus, Wasserböcke
und Warzenschweine, Giraffen, u.a. einen Giraffenbullen, der sage und
schreibe 10 Minuten lang ununterbrochen pullerte... Natürlich ist jeder
scharf auf die "Big Five". Dazu gehören Büffel, Elefanten, Nashörner
(v.a. das Spitzmaulnashorn), Löwen und der Leopard. "Big five" werden
sie genannt, weil die Jagd auf sie besonders schwierig oder gefährlich
ist. Der Hluhluwe-Umfolozi-Nationalpark ist bekannt für seine
Zuchterfolge bei den Breitmaulnashörnern. Die Chance, welche zu Gesicht
zu bekommen, ist hier höher als in allen anderen Reservaten Südafrikas.
Wir sahen ganze Herden sich im Schlammbad suhlten, Mütter mit
Jungtieren und einen verrückten kleinen Bullen ohne Ohren. Viel
seltener sieht man die etwas kleineren Spitzmaulnashörner. Wir hatten
Glück und uns lief am Morgen eine Mutter mit Kalb direkt vor der
Kühlerhaube über den Weg. Leoparden hatte ich bei meinen früheren
Aufenthalten nur in der Ferne oder lediglich eine Schwanzspitze
gesehen. Diesmal entdeckte ich einen im Gebüsch direkt neben der
Straße. Scheu wie er ist, verzog er sich gleich ins tiefe Gras, als er
sich enttarnt sah. Zum Abend hatten wir noch ein besonders schönes
Erlebnis. Eine Elefantenherde zog zu einem Wasserloch, wo sich bereits
ein Nashorn und ein Geparden-Pärchen befanden. Der Leitbulle war
sichtlich aufgeregt, vielleicht weil die Herde die Straße überqueren
wollte und so viele Autos im Weg waren. Jedenfalls trompetete er
lauthals. Und dann zeigte er, wer der wahre König der Steppe ist, indem
er Nashorn und Raubkatzen einfach wegjagte. Wir mußten uns langsam
sputen, bis zum Dunkelwerden den Ausgang zu erreichen. Dabei
schlenderte noch eine Hyäne am Straßenrand entlang, bevor sie seitlich
ins Gebüsch abbog. Fast zur Verzweiflung brachte uns eine Nashornmutter
mit Jungem, die stur auf der Straße stehenblieb, bis ihr unser
Lichtgeblende zu viel wurde. Es war schon dunkel, als wir das Tor
erreichten und uns wurde langsam unheimlich. Zum Glück waren noch 2
andere Autos da, wobei einer wohl einen Schlüssel fürs Tor hatte, so
dass wir ohne Probleme den Park verlassen konnten. Auf der Heimtour
fuhren wir mangels Ausschilderung einen Riesenumweg und gerieten in
sintflutartigen Regen. Da wir keine Nebelleuchte hatten, machten wir
wie die anderen die Warnblinkanlage an. Ich war froh, als wir heil
unser Schiff erreichten.
Die
Hochs sind hoch und die Tiefs
sind tief. Nach der Euphorie des Vortages war nun Katzenjammer
angesagt. Es regnete, aber um das Mietauto auszunutzen, fuhren wir zu
einer Farm mit Streichelzoo. Wir waren die einzigen Gäste, das Café war
geschlossen und der Familieneintritt sollte fast so viel wie im
Nationalpark kosten. Auf den Deal, nur die Kinder bezahlen zu lassen
und uns einen Kaffee zu servieren, wollte oder konnte sich die schwarze
Angestellte nicht einlassen. So zogen wir unverrichteter Dinge wieder
ab und landeten in einem Shoppingcenter. Inzwischen scheint es auch
unter den Schwarzen mehr Mittelständler zu geben, die Autos und eine
gewisse Kaufkraft haben. Es wimmelte vor Billigramsch aus China. Wir
schafften es immerhin, drei Viertel der Familie mit neuer Unterwäsche
einzukleiden (und der Verkäuferin fiel sogar auf, dass einer leer
ausgegangen war). Höhepunkt war die Pizza monsterrito, die im
Durchmesser einen halben Meter maß und uns alle satt machte. Draußen
lauerten bereits die "Autobewacher" auf ein Trinkgeld. Ob wirklich so
viel passiert? Oder würde was passieren, wenn man regelmäßig kommt und
nicht bereit ist zu löhnen? Eine Südafrikanerin aus Johannesburg, die
wir später kennenlernten, erzählte uns, dass jeder Einkauf sie
umgerechnet 3-10 € "Wachschutz" kostet und sie trotzdem mehrfach in der
Tiefgarage überfallen wurde. Natürlich kann man verstehen, dass sich
arme Leute was dazu verdienen wollen, aber ist es nicht Sache der
Läden, die den Umsatz machen, für die Sicherheit ihrer Kunden zu sorgen
und entsprechendes Personal einzustellen? Eigentlich war der Mann sehr
nett und die Kinder schenkten ihm die Münzen, die sie gerade gefunden
hatten. (So viel Geld wie in Afrika fanden die Kinder nirgendwo anders
auf der Straße. Die Leute scheinen zu faul zu sein, sich nach den
Münzen zu bücken.) Uns kam später die Idee, dass man ihn hätte einladen
oder was zu essen mitnehmen und ihn besuchen können. Vielleicht war es
besser, dass wir es nicht versucht haben. Geschichten über ausgeraubte
Touristen, die sich auf Fremde einließen, gibt es leider auch.
Insgesamt kam mir Südafrika aber friedlicher vor als vor 12 Jahren.
Gerade in Zululand hatte ich damals eine Aggressivität in den
Gesichtern gesehen, die ich nun nicht mehr spürte. Die Brutalität der
Delikte soll tatsächlich abgenommen haben.
Viele im Ausland waren
überrascht, dass die Fußball-WM so ganz ohne Zwischenfälle ablief. Das
Geheimnis ist, dass der Staat für die Zeit einfach unheimlich viel
zusätzliches Sicherheitspersonal einstellte. Die Kriminalitätsrate
stieg sofort wieder auf das Niveau davor, nachdem diese Leute entlassen
waren. Die Fußball-WM hat wohl die Menschen im Land ähnlich wie
bei uns 2006 mächtig zusammen geschweißt. Fußball war vorher eher ein
Sport der Schwarzen, wogegen die Weißen sich mehr für Rugby
interessierten. Man bewegt sich langsam aufeinander zu.
Die
Tage im Zululand Yacht Club vergingen mit Schule und allerlei
Erledigungen. Die SY Huayra lag neben uns an der Kaimauer. Jorge und
Marissa luden uns zum Assado, der argentinischen Grillabend-Variante,
ein. Sie legten schließlich Richtung Durban ab, während wir immer noch
auf Ersatzteile für unsere Bordtoilette warteten.
Wir
beschlossen, die Zeit für einen mehrtägigen Ausflug zu nutzen. Diesmal
planten wir, in die Drakensberge und nach Lesotho zu fahren, wo wir die
Kinder mit Pony-Reiten überraschen wollten. Die leere (weil
Maut-pflichtige) Autobahn entlang, ging es über Durban zum
Amphitheater-Backpacker, der nach dem gleichnamigen Bergmassiv in der
Nähe benannt ist. Das Hostel hatte eine kultige Bar, eine Kletterwand,
Swimming-Pool, Sauna und Whirlpool und ein großzügiges Außengelände.
Auch hier hatten sich die Preise drastisch erhöht und wir wollten nur
den Schlafsaal-Tarif zahlen, statt ein eigenes Zimmer. Daraufhin
steckte man uns zu zwei Männern in einen 6er-Raum, was uns insofern
verwunderte, als dass überall gähnende Leere herrschte und die anderen
Schlafsäle unbelegt waren. Ob das als Erziehungsmaßnahme gedacht war,
oder ob man der Saubermachfrau ersparen wollte, am nächsten Tag 2 Räume
zu putzen? Uns hatte der Manager entschieden zu viel Dollarzeichen im
Auge und wir beschlossen, auf der Rücktour nicht mehr hier abzusteigen.
Für das verpaßte Geld hätte die Putzfrau 4 volle Tage arbeiten können.
Abends unterhielten wir uns nett mit 4 deutschen Studentinnen, die
ein halbes Jahr in Port Elisabeth studierten. Über Nacht begann es zu
regnen und sie taten uns leid mit ihrem kleinen Zelt.
Am nächsten
Morgen ging es weiter. Little Switzerland hieß ein Ort an der Strecke,
und er machte mit seinen dunklen Tannen, wabernden Nebelschwaden und
der Gebirgslandschaft seinem Namen alle Ehre. Nur die Pavian-Familien
am Straßenrand paßten nicht dazu. Kurz vor der Grenze zu Lesotho fiel
uns auf, dass wir unsere Reisepässe auf der Spica vergessen hatten. Es
war das erste Mal, dass wir per Auto statt mit dem Schiff oder Flugzeug
eine Grenze überqueren wollten. Zum Umkehren war es zu weit. So machten
wir das Beste aus der Sache und suchten uns vor Ort eine Ferienanlage,
wo man auch reiten konnte. Till war von allein auf diese Idee gekommen,
und da wir sofort zustimmten, war die Enttäuschung über die
Routenänderung gleich vergessen. Mit dem Bokpoort-Backpacker fanden wir
genau das, was wir brauchten. Wir bekamen einen eigenen Bungalow mit
Kochnische und Bad. Auf der Koppel weideten die Pferde. Die traumhafte
Landschaft des Golden Gate Nationalparks war nicht weit. Und
frühmorgens wurde uns ein üppiges Frühstück serviert. Eigentlich war es
eine alte Farm, die aber schon vor 20 Jahren von Landwirtschaft auf
Tourismus umgestellt hatte. Wir spazierten ohne rechten Weg zu einem
Bach. Nachmittags fuhren wir in den Nationalpark, wo wir eine kleine
Wanderung machten, badeten und abends Zebras, Gnus und andere
Wildtiere beobachten konnten.
In den Drakensbergen zeugen viele
Höhlenzeichnungen vom Leben und der Jagd der "Buschmänner", die in
steinzeitlichen Verhältnissen lebten. Aus dem Inneren Afrikas rückten
jedoch immer mehr schwarze Stämme vor und machten ihnen ihr Land
streitig. Diese Völkerwanderung ging wahrscheinlich zurück auf die
Ausbreitung der Sahara, die den Stämmen im Norden ihre Lebensgrundlage
entzog und zu ständigen Kriegen und Vertreibungen der afrikanischen
Stämme auf dem ganzen Kontinent führte. Zeitgleich kamen immer mehr
weiße Siedler mit Schiffen übers Meer und wollten, ausgehend von
Kapstadt, das scheinbar ungenutzte Land urbar machen. Die San wurden
von beiden Seiten verfolgt und aufgerieben oder starben an Krankheiten
wie Pocken oder Masern. Viele verdingten sich später bei weißen
Farmern und vermischten sich offensichtlich. Viele Cape-Coloureds
(Farbige der Kap-Provinz) tragen unzweifelhaft "Buschmann"-Gesichtszüge
und holländisch-deutsche Namen. Sie sprechen Afrikaans und leben nach
westlicher Art. Von den San und Khoikhoi haben nur wenige Stämme ihre
nomadische Lebensweise beibehalten können. Diese findet man am ehesten
im jetzigen Botswana.
Die Rivalität von Schwarz und Weiß hält
dagegen bis heute an. Viele Schwarze empfinden Afrika als "ihren"
Kontinent und betrachten die Weißen schlicht als Eindringlinge. Die
Buren dagegen, die seit Generationen das Land bewirtschaften und immer
wieder gegen ihre Vertreibung - durch die Briten oder Zulus -
gekämpft haben, betrachten sich nicht ohne Grund als Rückgrat für die
Ernährung des Landes. Entsprechend erbittert reagierte Carlos, der
Farm-Eigner deshalb auf Zeitungs- oder Augenzeugenberichte über die
Ermordung von weißen Farmer-Familien. Ein Stück Rassismus schwang mit,
als er sich abfällig über seine schwarzen Angestellten äußerte, die ihn
angeblich immer freundlich anlächeln, aber womöglich in der nächsten
Nacht abmurksen wollen. Leider hatten wir keine Gelegenheit, die
Meinung der Gegenseite zu erfahren.
Wir
unternahmen zwei wunderschöne Reittouren durch die traumhafte
Landschaft. Zu Pferd nahmen einen die Wildtiere nicht als Mensch und
potentiellen Jäger wahr, sondern als ihresgleichen, wodurch man sehr
nah an Gnus, Antilopen und Zebras herankam. Die Farmer haben z.T. große
Probleme, den Tierbestand unter Kontrolle zu halten, da es in den
besiedelten Gebieten natürlich keine Raubtiere mehr gibt, die diese
Rolle übernehmen. Trophäen-Jäger, v.a. aus den USA, wollen immer nur
ein Exemplar jeder Gattung und die einheimischen Jäger seien zu
bierselig und im Suff unberechenbar, klagte Carlos. So heuert er von
Zeit zu Zeit einen Hubschrauber an und schießt ganze Herden, was zwar
teuer aber viel effektiver sei, als zu Pferd auf Jagd zu gehen. Leider
wollen viele auch kein Wildfleisch essen, sondern lieber Rind. Er
mogelt es seinen Gästen einfach unter oder verkauft es nach Europa.
Den
einen Tag ritten wir in weitem Bogen zu einem Fluss, den anderen zu
einer großen, offenen Höhle, die im Winter als Unterstand für die
Rinderherden genutzt wird. Hier konnte man sich auch gut vorstellen,
dass Menschen ihre Feuer angezündet und Fleisch am Spieß geröstet
haben. Das Land soll früher noch viel wildreicher gewesen sein. Auf dem
Weg zur Höhle mußten wir über Felsen klettern, die versteinerte Reste
von Dinosaurierknochen enthielten. Die Kinder waren stolz wie
Bolle, dass sie ganz allein auf den großen Pferden reiten durften.
Marlene berichtete hinterher, dass sie nun "Western style" reiten
könne. Ich war ganz froh, dass wir alle heile geblieben waren, denn das
Gelände war für Anfänger wie uns ziemlich schwierig.
Um nicht
den ganzen Rückweg an einem Tag bewältigen zu müssen, fuhren wir
zunächst bis zum Champagner Castle Valley. Von den Bergen war nicht
viel zu sehen, denn es war grau und regnerisch geworden. Es war
Nikolaustag, aber ich verschaffte mir ein wenig Zeit, indem ich den
Kindern einredete, dass der Nikolaus erst in der Nacht zum 7.12. kommt.
Unterdessen versuchte ich verzweifelt, irgendwo Schokoladen-Nikoläuse
zu bekommen. Da mir das nicht gelang, mußte "der Nikolaus" zwei
Weihnachtskarten schreiben, dass er leider krank geworden sei und bei
nächster Gelegenheit vorbeikommen würde. Die Süßigkeiten, die mit in
den Schuhen steckten, kamen den Kindern natürlich bekannt vor und ich
gab unumwunden zu, dass ich sie selber dort hinein gesteckt habe, damit
sie nicht traurig sind, nur zwei Karten vorzufinden. (Der Nikolaus kam
in diesem Jahr schließlich erst am 21.12.) Als Adventskalender dienten
uns in diesem Jahr übrigens zwei weihnachtlich beklebte
Streichholzschachteln, die jeden Tag mit einer neuen Nascherei gefüllt
waren.
Im
Champagner Castle mieteten wir uns ein Chalet. Abends unterhielten wir
uns lange mit den Eignern, die in Kenia
aufgewachsen waren und die letzten Jahrzehnte afrikanischer Geschichte
hautnah miterlebt haben. Chris' Vater, der im zweiten Weltkrieg für die
britische Armee gedient hatte und nach Ende des Krieges ohne rechte
Perspektive dastand, war den Empfehlungen seiner Regierung gefolgt und
nach Kenia ausgewandert, das damals britische Kolonie war. Ein
richtiger Farmer wurde nie aus ihm, aber er schlug sich so recht und
schlecht durch. Chris kam also in Afrika zur Welt, ging zur Schule,
machte eine Berufsausbildung und gründete eine Firma, die Landmaschinen
vertrieb und wartete. Nach der Unabhängigkeit durften die Weißen vor
Ort keine eigenen Unternehmen mehr leiten, selbst wenn sie die
kenianische Staatsbürgerschaft besaßen. 51% der Anteile mußten einem
Schwarzen gehören. So verließen viele das Land. Chris blieb noch eine
Weile und arbeitete für eine Schweizer Firma. Später ging er nach Dubai
und schließlich 1990 nach Südafrika. Aber Heimat ist und bleibt für ihn
Kenia.
Welchen
Luxus wir in Europa mit unseren gepflegten, kostenlosen Wanderwegen
haben, spürten wir hier wieder ganz deutlich. Da alle Ländereien
eingezäunt sind, kann man eigentlich nur an den Straßen entlang
spazieren oder muss in die Nationalparks gehen, die aber Eintrittsgeld
erheben. Den ersten Tag wanderten wir von unserem Chalet aus einen
privaten Trampelpfad hinunter zum Stausee, wo wir am Ufer über Stock
und Geröll kletterten. Wir beobachteten zwei schwarze Männer, die kaum
handtellergroße Fische angelten, die man bei uns allenfalls seiner
Katze angeboten hätte. Als wir sie fragten, ob sie sie essen würden,
gaben sie uns eine schnippische Antwort. Viele Schwarze leben hier in
Armut, und im Gegensatz zu den tropischen Inseln, gibt es im Winter
richtig Schnee und Eis.
Ein absolutes Highlight der
Region ist der Drakensberg Boys Choir. Seit einem halben
Jahrhundert werden Knaben hier musikalisch auf höchstem Niveau
ausgebildet. Die meisten leben im angeschlossenen Internat. Sie kommen
überwiegend aus Südafrika, einige auch aus den Nachbarländern wie
Botswana, Lesotho, Swasiland oder sogar von ganz fern wie den
arabischen Emiraten und Bulgarien. Neben klassischer Musik und
anspruchsvollen Arrangements aus Jazz und Pop, beherrschen sie ein
großes Repertoir an traditionellen afrikanischen Liedern. Wir besuchten
das letzte Mittwochskonzert des Jahres. Am meisten beeindruckte mich
die A-Capella-Nachahmung eines Gewittergusses im afrikanischen
Busch. Till war von dem Konzert so beeindruckt, dass er am
liebsten sofort bei einem Knabenchor mitgemacht hätte.
Nach diesem
tollen Erlebnis fuhren wir zurück nach Richards Bay. Unterwegs
gewitterte es tatsächlich. Spät in der Nacht kehrten wir heim auf die
Spica. Anderntags gaben wir das Mietauto ab, Lars erledigte den
Papierkram für die Weiterfahrt und wir liefen noch Nachmittags aus
Richtung Durban.
Nach problemloser Überfahrt kamen wir am
nächsten Vormittag an. Durban ist die drittgrößte Stadt des Landes und hat einen
großen indischen Bevölkerungsanteil. Die Marina befindet sich ziemlich
zentral und ist umgeben von Wolkenkratzern. Ein Haufen freundliches
Personal sprang herum, aber Übersicht hatte keiner. So lief ich,
begleitet von einem jungen, indischen Angestellten, selber alle Stege
ab, um einen freien Fleck für uns zu finden. Keine 3 Stunden später
lagen wir endlich in einer Box. Wasser und Strom hatte unser Steg nicht
und die Klampen waren verrostet. Wer hatte uns gesagt, die
südafrikanischen Marinas wären Preis-Leistungs-mäßig die besten der
Welt? Das muss zu einer anderen Zeit gewesen sein. Nicht nur die Küste
ist unwirtlich. Es gibt auch keinen einzigen Hafen, der sichere
Zufahrt, guten Schutz, freie Plätze für Gastlieger, gute
Einkaufsmöglichkeiten und eine nette Umgebung in einem bietet.
Das
Wetter war teilweise sehr schwül und wir verbrachten viel Zeit im
kleinen Swimmingpool des Yacht Clubs. Zum Einkaufen zogen wir tagsüber
manchmal in die Innenstadt, wo wenige alte Gebäude zwischen den
modernen Hochhäuser überlebt haben. Wir waren fast die einzigen Weißen,
wurden oft angebettelt, aber zum Glück nicht überfallen.
Schokoladen-Nikoläuse gab es in den hiesigen Supermärkten nicht.
Eine
neue Schildbürger-Episode erlebten wir bei der Einklarierung. Zu Fuß
waren wir durch die Hitze zur Immigration gelaufen. Dort wurden wir mit
Papieren zum Zoll weitergeschickt, obwohl wir ja das Land gar nicht
verlassen hatten. Wir störten die Herren beim Zeitungslesen.
Mürrisch holte einer in Zeitlupentempo weitere Antragsfomulare hervor
mit einem Haufen Fragen, die gar nicht auf uns zutrafen. Zum Glück trat
in dem Moment eine Weiße herein, die regelmäßig die Papierformalitäten
für Charter-Crews erledigt und erklärte den Herren, dass wir gar keinen
Antrag ausfüllen bräuchten. Daraufhin stempelten sie nur unseren
"Laufzettel" und schickten uns zurück zur Immigration, wo wir mit
weiteren Papieren und Anweisungen versehen, entlassen wurden.
Bei
nächster Gelegenheit segelten wir weiter. Da die letzten Tage SW-Wind
geherrscht hatte, war das Wasser in der Hafenausfahrt schön glatt. Und
ich hatte mich schon gegruselt, wie in Richards Bay gegen steile Welle
auslaufen zu müssen. Zunächst hatten wir fast gar keinen Wind und
mußten motorsegeln. Eine küstennahe Strömung lief gegen uns und bremste
uns, bis wir den Agulhas-Strom erreichten, der bekanntlich
südwest-wärts setzt. Am nächsten Tag kam wie angekündigt 30 kn starker
Wind auf. Zum Glück Rückenwind.Dazu regnete es Bindfäden. Die
Seefestigkeit war uns in Australien wieder abhanden gekommen und wir
hingen alle schlapp rum und hofften, dass der Tag einfach vergeht, es
ein wenig ruhiger wird oder man endlich ankommt. Wind und Strom sorgten
allerdings für ein neues Rekord-Etmal von 183 sm, was ein gewisser
Trost war.
Am nächsten Morgen hörte der Regen auf und die Sonne
kam heraus. Der Wind ließ nach und drehte gegen uns. Wir verließen den
Agulhas-Strom und kämpften uns in die Bucht von Port Elisabeth voran.
Weiterfahren wäre einfacher gewesen, aber wir wollten ja in den
Addo-Elephant-Park und hatten Kontakt zum TO-Stützpunktleiter
aufgenommen, den wir besuchen wollten. Immer mehr Seevögel bevölkerten
die Bucht. Eine Wolkenfront lag über dem Land und die Vögel schienen in
die Gegenrichtung zu fliehen. Sollte das ein schlechtes Omen sein? Hin
und wieder tauchte ums Boot ein Pinguin auf. Luft und Wasser waren
merklich kühler geworden.
Es war schon dunkel, als wir in den
Hafen einliefen. In der Stadt hatte es ein Feuerwerk gegeben, und ein
einheimischer Segler, der extra ausgelaufen war, um es vom Wasser aus
anzusehen und vor uns angelegt hatte, lotste uns in eine freie Box. Ein
Unwetter hatte im Vorjahr die Marina-Stege durcheinander gewürfelt und
am Grund lagen etliche Wracks, die dem Unkundigen zum Verhängnis werden
konnten. An den Stegen waren die Spuren der Verwüstung noch zu sehen.
Die ganze Anlage wirkte nicht sehr solide. Wir erfuhren später, dass
der Yachtclub den Pachtvertrag für das Stück Hafengeländejeweils nur für ein Jahr
verlängert bekommt und alle Stege innerhalb von 9 Stunden entfernbar
sein müssen. Kein Wunder, dass unter diesen Bedingungen keiner
investiert. Segeln ist ein Hobby der Weißen. Wir haben auf der ganzen
Reise nur einen einzigen schwarzen Skipper getroffen, der aus Belgien
kam. Unter der jetzigen südafrikanischen Regierung gibt es also keine
Lobby für den Segelsport. In Durban hatten wir einen Segelkurs für
Erwachsene beobachtet, wo auch einige Schwarze und Inder mitmachten,
und uns über das Miteinander gefreut. An einigen Orten wurden
Segelkurse für sozial benachteiligte Kinder aus den Slum-Gebieten
angeboten, aber die Resonanz war bescheiden. Andererseits gibt es immer
noch Clubs und Cafés, wo weißer Rassismus herrscht und Menschen mit
dunkler Hautfarbe rausgeekelt werden.
Der Yachtclub bestand aus
einem modernen Gebäude mit Restaurant und Sanitäreinrichtungen und
einem winzigen Stück Wiese. Dahinter begann Hafen-Industrie-Brache. Für
die Kinder gab es weder Strand, noch Spielplatz oder Auslauf. Um
Internet zu bekommen oder einzukaufen, mußten wir immer ins 2 km
entfernte Wohngebiet laufen. Die Boote dreckten in wenigen Tagen ein,
da in Hauptwindrichtung Mangan-Erz verladen wird, was jede Menge
schwarzen Staub entstehen ließ. Dafür war der Yacht-Club sehr
freundlich, und die Ein- und Ausklarierungsformalitäten beschränkten
sich auf einen Zettel, den man ausfüllen und in eine Holzbox tun mußte.
Wir lernten den TO-Stützpunktleiter Thomas Wilm kennen, der auch ein
begeisterter Modellsegelboot-Besitzer ist. Er ließ die Kinder das Boot
im Hafenbecken selber steuern, wovon sie natürlich hellauf begeistert
waren.
Wie geplant, besuchten wir den Addo-Elephant-Park, der
seinem Namen alle Ehre macht. Zum Nachmittag fuhren wir vorsichtig an
einem riesigen Elefantenbullen vorbei, der stoisch die Straße entlang
trottete. Kurz darauf kam uns eine Elefantenherde entgegen, die die
ganze Straßenbreite einnahm. Zwei Halbstarke rangelten miteinander und
schubsten sich gegenseitig in den Busch. Mütter kümmerten sich um ihre
Kinder. Zum Glück beachteten sie uns gar nicht weiter und liefen an
unserem Auto einfach vorbei. Wir hätten sie vom Fenster aus mit der
Hand berühren können. Wir sahen natürlich auch andere Wildtiere:
Schabrackenschakale, Mangusten, Kudus etc. Leider wieder keine Löwen.
Nun
war es nicht mehr weit bis Weihnachten. Einen ganzen Tag verbrachten
wir mit Einkaufen. Zum Schluß hatte ich tatsächlich genug Geschenke
beisammen. Bei einem deutschen Fleischer fanden wir außerdem noch
Spekulatius, Dominosteine und Marzipanstollen. Ein paar Plätzchen
hatten wir selber gebacken und Weihnachtskarten gebastelt.
Da
Port Elizabeth so unwirtlich war und das Wetter günstig aussah,
beschlossen wir weiterzusegeln. In 4 Tagen wollten wir in Simonstown,
einer Marina kurz vor Kapstadt sein, wo die Kire, Huayra, Odulphus und
etliche andere bekannte Segler bereits waren. Telefonisch konnten wir
uns sogar ein Stegplätzchen reservieren. Die Kinder waren erst gar
nicht begeistert, da uns die letzte schwere Etappe noch zu gut in
Erinnerung war, aber die Aussicht, mit Karl und Arne Weihnachten zu
feiern, brachte das Murren zum Verstummen.
In der Nacht zum
21.12.2010 liefen wir aus, doch der Törn verlief anders als erwartet. Nach
anderthalb schönen Segeltagen drehte der Wind plötzlich gegen uns. Wir
hatten seit Abfahrt keine Funkverbindung und damit keine neuen
Wetterinformationen bekommen und hofften zunächst, dass die Drehung nur
ein vorübergehender Effekt wäre. Auf halbem Wege zwischen Mossel Bay
und Cap Agulhas kreuzten wir gegen den Wind, der immer stärker wurde.
Um Schutz vor den Wellen zu haben, blieben wir möglichst tief in der
Bucht, wo allerdings eine Gegenströmung herrschte und jegliches
Vorwärtskommen verhinderte. Wir hofften auf das Peri-Peri-Funknetz, wo
man uns nur sagte, dass sie keine Wetterinformationen für uns
vorbeireitet hätten und wir uns 12 Stunden später wieder melden
sollten. Wir probierten, bei vorbeifahrenden Cargos mehr
Wetterinformationen zu bekommen, aber die Großschiffahrt interessiert
sich nicht mehr für den Wind. Nur die Schwellhöhe konnten sie uns sagen
und den aktuellen Wind. Na den kannten wir ja selber. Aber wie sind die
Aussichten????
30 Stunden kämpften wir gegen den Wind. Das zweite
Vorstag war wieder gebrochen, so dass wir die Fock nicht mehr dazu
setzen konnten. Wir hatten weder Meilen gut gemacht noch verloren. Die
Kinder mußten eine Hiobs-Botschaft nach der anderen verdauen: "Wir
schaffen es nicht mehr bis zum 24.12., aber vielleicht zum 25.
Dezember." "Wir schaffen es frühestens zum 26. Dezember und werden
Weihnachten auf See sein." "Wir schaffen es gar nicht mehr zu Weihnachten
und die Kire wird vielleicht gar nicht mehr in Simonstown, sondern
schon in Hout Bay sein, wenn wir eintreffen." Am Morgen des 24.
Dezember beschlossen wir aufzugeben und nach Mossel Bay zurück zu
fahren. Wir hatten es den Kindern nicht gesagt, aber Till erkannte es
an der veränderten Meilenzahl zum Zielpunkt.
Mit
Wind und
Strömung von hinten ging es auf einmal flott voran. Kurz vor Mossel Bay
kam die lang ersehnte Winddrehung, die für uns nun wieder "Gegenan"
bedeutete. Aber die letzten Meilen schafften wir unter Motor. Wir baten
wegen des gebrochenen Vorstags darum, im Hafenbecken liegen zu dürfen
und
gingen bei einem unbenutzten Fischerkahn längsseits. Die Marina hat
keine Gastliegeplätze und die Langfahrtsegler müssen normalerweise
draußen im Schwell ankern. Nicht das Ideal, v.a. wenn man in den Mast
klettern muß. Nachdem wir auch noch Landstrom ankabeln konnten, machten
wir es uns im Inneren mit Lichterkette und Weihnachtsgebäck gemütlich
und packten die Geschenke aus. Till bekam ein 200-Teile Puzzle mit
Afrika-Tiermotiv, das wir in den nächsten Tagen gleich mehrfach
zusammenfügten. Die Kuscheltiere Hippo und Zebra fanden sofort Anschluß
an die restliche Plüschi-Bande, und das im Nationalpark erstandene Buch
"How zebra got his stripes" erklärte auch, warum "Zebra" schneeweiß
aussah. So wurde es doch noch ein schönes Fest, auch wenn wir uns
vornahmen, im nächsten Jahr Weihnachten mit allem Tamtam und Trara zu
feiern, so viel die deutsche Tradition nur hergibt.
Draußen
im Schwell ankerten derweil der französische Katamaran "Kea" und die
hollänische Yacht "Angelique II", die später auch noch in den Hafen
durfte. Ihr Weihnachten bestand in Erwachsenen-Art aus einem kleinen
gemeinsamen Umtrunk.
Vielleicht war es besser, dass wir es nicht
nach Simonstown geschafft hatten, denn Arne hatte sich am Vorabend
einen Arm gebrochen und die Kire-Familie mußte die halbe Nacht zum 24.
im Krankenhaus verbringen.
Ein
Blick auf den Wetterbericht
zeigte, dass am Kap ständig Starkwind herrschte. Wir beschlossen
deshalb, länger in Mossel Bay zu bleiben und uns hier für den Atlantik
zu verproviantieren, wo wir die Einkaufsgelegenheiten im Gegensatz zu
Simonstown fußläufig hatten. Ohnehin mußten wir erst einmal das Vorstag
reparieren. Dazu fehlte uns die Isolierpaste, die wir vor Ort nicht
auftreiben konnten. Ein Ausrüster in Kapstadt hatte sie jedoch
vorrätig. Also mußte ein Mietwagen her. Da Ferien- und Haupturlaubszeit
herrschte, waren jedoch alle ausgebucht und wir konnten erst fürs
Anfang Januar einen organisieren. Damit fiel auch unser Plan ins
Wasser, per
Auto nach Kapstadt zu fahren, um dort mit den anderen Silvester zu
feiern.
Zunächst zogen wir in den Ort. Das Hafengelände war
schwer bewacht. Ein großes Gitter riegelte das Hafendock ab. Personen
mußten sich durch eine enge Drehtür quetschen. Über ein Stück Straße
gelangte man sowohl nach links wie auch nach rechts zu jeweils einer
Auto-Schranke und weiteren Drehtür, die einen zur Stadt hin entließ.
Warum wir nicht an der Schranke vorbei oder ggf. durch das geöffnete
Tor schlüpfen durften, sondern immer durch die Drehtüren sollten, blieb
zunächst ein Geheimnis. Das zahlreiche Personal schien sich um die
Sinnhaftigkeit auch nicht weiter zu kümmern. Doch wir blieben
hartnäckig, und bei der 9. Anfrage hatten wir einen Pfiffikus vor uns,
der den Schleier lüftete: "Wer nicht mit seiner eigenen Karte durch die
Drehtür herein kommt, den läßt die Türautomatik am Ende auch nicht
wieder heraus, und umgekehrt." In unserem Fall war es also komplett
sinnlos, da wir immer die Spezial-Karte vom Wächter benutzen mußten. Da
das in die Köpfe der Wachhabenden aber nicht hineinpaßte, drehten wir
weiter durch die Tür, ca. 300 Mal im Laufe der Zeit.
Mossel Bay
ist in Europäischen Augen nicht gerade pittoresk, aber es hat einen
hübschen Strand mit dem Nachbau eines Viktorianischen Kurhauses. Auf
dem Weg dorthin läuft man über einen wilden Parkplatz und an ein paar
Imbißbuden und mehr oder weniger provisorischen Restaurants vobei, bis
man zum Yachtclub kommt, der wie vieles in Südafrika mit Stacheldraht
gesichert ist. Wie schon in Australien, gehörte auch hier die
Wasserfront den Autos. Der Yachtclub war sehr gastfreundlich und wurde
quasi unser zweites Zuhause. Für die Kinder gab es einen kleinen
Spielplatz, ein bißchen Wiese und vom Restaurant aus hatte man einen
schönen Blick über die Bucht. Hier feierten wir schließlich auch
Silvester, das im Wesentlichen aus einer gemeinsamen Grillparty
bestand. Den einstündigen Stromausfall nahmen alle gelassen. Der gehört
zum heutigen Südafrika mit dazu. Die diversen Feuerstellen gaben
währenddessen Licht genug. In Südafrika grillt man offensichtlich eher
auf Holzfeuer als auf Grillkohle wie bei uns, oder Gas wie in
Australien.
Wir fingen das neue Jahr mit Lachsfrühstück und
Kindersekt an. Gleich im
Anschluss ging es zum Neujahrsempfang zu Dia und At auf die
holländischen Yacht
"Angelique II", die inzwischen ins Hafenbecken umgezogen war. Hier
blieben wir fast bis zum Abendbrot hängen und erfuhren viel
Interessantes über Schiff und Crew. At und Dia hatten von ihren Kindern
ein selbstgemachtes Quartett-Spiel bekommen, das die wichtigsten
Personen, Orte und Ereignisse ihres Lebens beinhaltete. Nachdem wir das
Spiel einmal durch hatten, kannten wir die beiden ziemlich gut. Eine
unterhaltsame Art, sich kennen zu lernen. Am Spektakulärsten war sicher
der Untergang ihrer Yacht "Angelique" auf hoher See in der Karibik. Zum
Glück konnten sie selber geborgen werden, und anstelle der Segelei den
Rücken zu kehren, kauften sie sich gleich ein neues Schiff. Ihr
Lebensmut und Optimismus halfen uns später, als wir Probleme mit der
Hafenbehörde bekamen.
Mossel
Bay hat ein lohnenswertes Museum, in dem u.a. ein Nachbau der Caravelle
von Bartolomeu Diaz ausgestellt ist, der als erster Europäer 1488 das
Kap der Guten Hoffnung gerundet hat. Auszüge aus dem Logbuch geben
einen Eindruck davon, welche Kultur die Weißen vorfanden, und wie sie
mit den "Buschmännern" um Wasser und Proviant verhandelten.
Am 3.
Januar bekamen wir endlich ein Mietauto und fuhren Richtung Kapstadt.
Die Gegend, durch die wir kamen, hatte ich noch nie bereist. Endlos
dehnten sich die Hügelketten am rechten Horizont. Dazwischen lagen
Felder, die jetzt im Sommer trocken und staubig wirkten. Kurz vor dem
Kap bogen wir auf eine malerische Halbinsel nach Bettys Bay ab, wo eine
große Pinguinkolonie lebt. Eine schweizer Touristin hatte uns diesen
Geheimtipp gegeben. Tausende der Vögel hockten in der Abendsonne auf
den Felsen, trockneten ihr Gefieder, schnäbelten miteinander oder
jagten sich gegenseitig davon. Andere kletterten mühsam aus dem Wasser
an Land. Gepflegte Stege sorgten dafür, dass die Tiere möglichst wenig
gestört wurden und ungehindert zu ihren Höhlen kamen. Hin und wieder
huschten kuschelige Dassies vorbei.
Das Backpacker Hostel
wurde von einer Deutschen geleitet, die mit einem Südafrikaner
verheiratet ist. In der ungezwungenen, wohnzimmerartigen Atmosphäre
fühlten wir uns sofort wohl. Die Kinder konnten auf Matratzen bei uns
im Zimmer schlafen. Leicht hat man es als Weißer und Ausländer in
Südafrika offensichtlich nicht. Immer neue bürokratische Hürden werden
vor einem aufgestapelt, ständig wird man für irgendetwas zur Kasse
gebeten, neue Regeln erfunden, erfuhren wir. Auf die einheimischen
schwarzen Arbeitskräfte war die Inhaberin nicht gut zu sprechen. Sie
beschäftigt lieber Menschen aus Malawi. Die wären fleißig, freundlich
und ehrlich. Noch eines ärgerte sie: Dass Positionen in Wirtschaft und
Verwaltung nicht nach Kompetenz, sondern nach Rassen-Quoten vergeben
werden. Auf eine vakante Chirurgie-Chefarzt-Position des Krankenhauses
hätten sich etliche Weiße und Inder beworben. Es sollte aber unbedingt
ein Schwarzer sein, und so blieb die Stelle unbesetzt und mußten die
Patienten für OPs in ein anderes Krankenhaus gebracht werden oder
wurden auf Wartelisten gesetzt. Viele gut qualifizierte Weiße finden
keine Jobs, da sie die falsche Hautfarbe haben, obwohl es allethalben
an Fachkräften mangelt.
Ähnlich frustriert äußerte sich ein
Farbiger in Mossel Bay, der zur Besatzung des Schleppers gehörte, neben
dem wir festgemacht hatten. Früher waren sie Menschen zweiter Klasse,
da sie nicht weiß genug waren, hätten aber immerhin eine gute
Ausbildung bekommen und Jobs entsprechend ihrer Qualifikation ausgeübt.
Jetzt waren sie nicht schwarz genug und ihre holländisch-deutschen
Nachnamen werden ihnen zum Verhängnis. Nicht selten werden "von oben"
irgendwelche neuen "Chefs" eingestellt, die von Tuten und Blasen keine
Ahnung haben, den Mitarbeitern alles Wissen abpressen und sie nach
einem halben Jahr entlassen und ihre Position ausfüllen.
Inzwischen
gibt es zum Teil desolate Zustände im Trink- und Abwasserbereich, der
Stromversorgung etc. Das behindert auch die Wirtschaft. Für Millionen
wurde z.B. ein Hafen ausgebaut, wo Eisenerz weiterverarbeitet werden
sollte, doch die ausländischen Investoren zogen ihre Pläne zurück, weil
ihnen keine ausfallfreie Stromversorgung zugesichert werden konnte. In
Johannisburg droht die Vergiftung der Trinkwasser-Reserven, da das
Grundwasser aus stillgelegten Bergwerksstollen nicht mehr abgepumpt und
entgiftet wird.
Das düstere Bild mag überzeichnet sein. Große
Skandale verkaufen sich bekanntlich besser als leise
Erfolgsgeschichten. Manches im Land liefe besser als erwartet, erzählte
uns eine südafrikanische Familie in Hout Bay. Immer mehr gebildete,
junge Schwarze wären die Korruption und Vetternwirtschaft leid. Man
darf gespannt sein, was die Zukunft bringt!
Am nächsten Morgen waren
wir mit unseren "Kire"-Freunden am Tafelberg verabredet. Es war der
erste schöne Tag nach 2 Wochen Sturm, Kälte und Regen. Als wir
eintrafen quoll die kleine Bergstraße über vor Autos und Menschen. Über
zwei Stunden hätten wir in der glühenden Hitze auf eine Gondel warten
müssen. Einen eigentlichen Parkplatz gab es nicht. Die Autos parkten in
endloser Schlange am Straßenrand. Wir fuhren wie die meisten erst
einmal hoch und an der Seilbahn vorbei, bis wir eine Stelle zum Wenden
fanden, und durch das Chaos wieder zurück. Am Fuße des Berges hielten
wir an einer kleinen Touristeninformation, die über die Seilbahn aber
keinerlei Auskunft geben konnte. Sie wußte noch nicht einmal den
Straßennamen ihres Standortes als ein Service-Techniker vom
Abschleppdienst verzweifelt nach der Tafelberg Road fragte, wo er einem
liegengebliebenen LKW helfen sollte. Lars konnte einspringen, da wir
gerade an selbigem vorbeigefahren waren.
Wir fuhren an diesem Tag
nicht mehr zum Tafelberg hoch, sondern stattdessen zum gegenüber
liegenden Signal Hill. Nach einem kurzen Abstecher zum
Schiffsausrüster, der natürlich die CO2-Patrone für Lars Rettungsweste
entgegen seinem Versprechen nicht besorgt, zum Glück aber wenigstens
die Isolierpaste für unser Vorstag vorrätig hatte, fuhren wir nach Hout
Bay, wo die SY Kire inzwischen lag. Der Ort liegt in einer idyllischen
Bucht, dicke Seehunde tummelten sich auf den Stegen und am Strand. Sie
waren an Menschen gewöhnt und führten z.T. kleine Kunststücke vor.
Bunte Fischerkähne lagen in 4er-Päckchen am Kai. Die Marina hatte sich
bereits etwas geleert. Die Yachten waren wie Spinnen in den Boxen
vertäut. Bei Sturm biegen sich hier die Stege und heben 45° ab, so dass
man selbst als Erwachsener Schwierigkeiten hat, zu seinem Boot zu
kommen. Die Segelyacht Quver lag verwaist und unversehrt am Steg.
(Unsere Freunde John und Freda weilten für 3 Monate in Europa.) Wir
genossen es, wieder mit unseren Freunden zusammen zu sein. In einer
kleinen Pension hatten wir vor Ort doch noch ein Zimmerchen gefunden
und einen bezahlbaren Preis ausgehandelt. So mußten wir abends nicht
mehr ins Auto steigen. Das Tankwasser auf der "Kire" war bei der Hitze
eine angenehme Erfrischung. Es wirkte wie aus dem Kühlschrank, da die
Tanks unterhalb der Wasserlinie liegen und das umgebende Meerwasser
hier nur 11° hat. Wir gingen an den Strand, Paul bekochte uns lecker
und wir schwatzten, bis die Kinder ins Bett mußten.
Die Nacht war
irre heiß, da die ganze Zeit ein warmer Wind von den Bergen wehte. Wir
taten kaum ein Auge zu. Am nächsten Morgen fuhren wir beizeiten zum
Tafelberg. Wer nicht Schlange stehen will, bucht die Tickets für die
Kabel-Bahn besser im Internet. Oben war es wunderschön. Wir
frühstückten mit allem, was der Rucksack hergab und genossen die
Aussicht. Während ich Panorama und Blumenpracht knippste, waren die
Kinder schon auf und davon. Bald verlor sich auch der Weg im felsigen
Gelände. Erst an der oberen Gondel-Station trafen wir uns alle wieder.
Unten
angekommen hieß es leider schon wieder Abschied nehmen. Zurück Richtung
Mossel Bay nahmen wir diesmal den Weg durchs Landesinnere, die
sogenannte Scenic-Route, die ihrem Namen alle Ehre machte. Man konnte
sich die "Voortrekker" bildlich vorstellen, wie sie mit ihren Planwagen
durch die Schluchten und Täler zogen. Ein Museum in einem Örtchen am
Weg zeigte ein paar Einrichtungsgegenstände aus der Anfangszeit der
Siedler sowie ein paar Fotos und Kunstgegenstände aus der Kultur der
Xhosa, die hier ansässig waren. Die fülligen, schwarzen Damen, die das
Eintrittsgeld kassierten, sprachen leider kaum Englisch und konnten uns
keine weiteren Erklärungen geben. Zur Nacht fanden wir ein Zimmer in
einer Biker-Herberge, wo wir die einzigen Gäste waren. Hier öffneten
wir auch das Weihnachtspäckchen der Großeltern, das wir im Hout Bay
Yacht Club abgeholt hatten.
Am nächsten Tag ging es weiter nach
Oudshoorn, der Stadt mit den legendären Straußenfarmen. Einige haben
sich inzwischen ein zweites Standbein mit dem Tourismus aufgebaut und
bieten Gruppenführungen an. Wir lernen hier etliches über
Aufzucht, Verhalten und Nutzung dieser stolzen Vögel. Den Kindern
machte es am meisten Spaß, die Tiere zu füttern. Sie sammelten dafür
fleißig Maiskörner vom Boden auf. Sich aus der Hand fressen zu lassen
erforderte einigen Mut, obwohl Straußenschnäbel nicht spitz sind und es
auf der Handfläche lediglich krabbelte, wenn sie die Körner
runterklaubten. Die Eier sind so robust, dass die Kinder sogar darauf
stehen konnten, ohne dass sie zerbrachen. Normalerweise lassen die
Straußeneltern das natürlich nicht zu und verteidigen ihr Gelege. Auf
Straußen läßt es sich auch reiten. Die Rennstrecke war allerdings sehr
kurz und der gerühmte Wettlauf wenig beeindruckend. Die Kinder durften
auch Mal auf den Rücken klettern. Dazu wurde der Vogel in eine
entsprechende Box gesperrt. "Sack über den Kopf - und schon ist klar,
wer der Herr ist." Es gab auch eine Art Streitwagen mit speziellem
Geschirr für 6 Strauße. Der war wohl mehr zum Gag da, denn bewährt
haben sich Strauße als Zugtiere nicht.
Spät
abends kamen wir zurück zum Schiff. Da wir das Mietauto noch einen Tag
hatten, unternahmen wir von Mossel Bay aus einen Tagesausflug nach
Knysna und in einen privaten Wildtierpark, in dem wir nun endlich Löwen
sehen wollten. Über die Gegend von Knysna und seine inzwischen
ausgestorbenen Waldelefanten gibt es das bekannte Buch von Dalene
Matthee "Circles in a forest", das in Südafrika zur
Schul-Pflichtlektüre gehört. Es handelt von armen, weißen
Holzfäller-Familien, die im Knysna-Wald lebten und von skrupellosen
Holzhändlern ausgebeutet wurden, der ewigen Schuldenfalle, für die das
Elfenbein der Elefanten herhalten mußte und dem kurzen Goldrausch, der
innerhalb weniger Jahre zu Kahlschlag und dem Ausrotten der Elefanten
geführt hat. Die fiktive Geschichte beruht auf wahren Tatsachen und ist
eine Liebeserklärung an die Natur und die Intelligenz der grauen Riesen.
Nun
sahen wir die berühmt-berüchtigten Knysna-Heads, die die Einfahrt zur
Lagune "bewachen". Unter der Wasseroberfläche versteckte Felsen und
tückische Brecher sind hier schon manchem Schiff zum Verhängnis
geworden. Für südafrikanische Verhältnisse ist Knysna recht hübsch.
Viele nette kleine Läden sind fußläufig zu erreichen. Die Lagune hat
durch die zunehmende Bebauung etwas an Charme eingebüßt. Die
Flachstellen sind kaum markiert, ebensowenig die unter Wasser liegenden
Felsen in der Einfahrt, die man oben von der Felskante aus gut erkennen
kann. Es bleibt also riskant, hier einzulaufen und wir bereuten es
nicht, daran vorbei gesegelt zu sein.
Die private Game-Lodge war
früher Mal Farmgelände, was noch unschwer an der Landschaft zu erkennen
war. Die Löwen liefen auch nicht frei herum, sondern waren in einem
elektrisch eingezäunten Gehege untergebracht und wurden gefüttert. Das
wahre Löwen-in-der-Wildnis-Erlebnis war es also nicht. (At und Dia
hatten da die bessere Wahl getroffen mit dem Schotia-Game-Reserve
unweit des Addo-Elephant-Parks. Wer in den großen Nationalparks kein
Glück mit der Löwenpirsch hatte, der kann sie hier mit ziemlich großer
Wahrscheinlichkeit und trotzdem frei lebend antreffen.) Da es eine
geführte Jeep-Tour war, lernten wir jedoch allerhand Neues, z.B. wie
der Wasserbock zu seiner auffälligen Zeichnung am Hinterteil kam. Als
der Wasserbock nämlich auf die Arche Noah kam, hatte Noah gerade die
Klobrille weiß gestrichen und allen Tieren gesagt, sie sollten warten,
bis sie getrocknet sei. Der Wasserbock hat nicht darauf gehört und muß
seither mit einem weißen Ring auf seinem Fell herumlaufen. Wasserböcke
werde ich fortan immer daran erkennen. Ihr Name geht übrigens darauf
zurück, dass sie sich bei Gefahr ins flache Wasser retten, das nicht
das bevorzugte Jagdrevier für Raubkatzen ist. Ihr Fleisch soll im
Übrigen tranig schmecken, weshalb weder Mensch noch Tier besonders an
dieser Beute interessiert sind.
Endlich lernte ich auch Impalas
und Springböcke unterscheiden, die ich bisher immer verwechselt habe.
Wieder muß ich sie dafür von hinten sehen. Die Impalas haben einen
Werbevertrag mit MacDonald und tragen das "m" am Po. So einfach ist
das. Der Springbock ist übrigens das Wappentier Südafrikas.
Die
folgenden Tage putzten und räumten wir im Inneren der Spica, um gute
Innen-Fotos fürs Internet zu bekommen. Wir wollten unser Schiff jetzt
schon zum Verkauf anbieten, um möglichst bald nach unserer Rückkehr
einen Käufer zu finden und uns weitere Kosten und
Instandhaltungsaufwand zu ersparen. Denn dass wir die Spica nicht
behalten können, stand schon vor Beginn der Reise fest. Abendelang tüftelten
wir den Text aus, erstellten Inventarlisten mit genauen
Gerätebezeichnungen, recherchierten Kosten und Zeiträume für die
gängigen Internet-Verkaufsplattformen, verglichen Preise für ähnliche
Segelyachten...
Lars machte sich auf die Suche nach einer großen
Nietenzange, um das Vorstag wieder zu befestigen. Als er es schon
aufgegeben und eine im Laden gekauft hatte, bekamen wir von der
Schlepperbesatzung doch noch überraschend eine geborgt. Die gekaufte
konnten wir zum Glück wieder zurückgeben. Als auch diese Aufgabe
erledigt war, stand unserer Weiterfahrt nichts mehr im Weg. Wir hatten
Wäsche gewaschen, Vorräte eingekauft, die Wassertanks aufgefüllt, die
wichtigsten E-Mails und Internet-Dinge erledigt.
In diesen
letzten Tagen in Mossel Bay machten wir uns große finanzielle Sorgen
wegen des anfallenden Hafengeldes. Als wir um Aufnahme in den Hafen
gebeten hatten, war lediglich von Kosten für Strom und Wasser die
Rede gewesen, was bei unserem moderaten Bedarf ja kein Vermögen kosten
konnte. Eine deutsche Yacht, die keine 24 Stunden hier gelegen hatte,
mußte aber umgerechnet 50 € berappen (mehr als das 6-fache von Richards Bay,
und das für einen muchtigen Industriehafen statt Marina). Hochgerechnet
auf die 23 Tage, die wir insgesamt da waren, wäre das ja eine Summe von
über 1000 €, zwei Drittel unseres Monatsbudgets! Wir teilten unsere
Sorgen mit der SY Angelique II, die ja ähnlich lange im Hafen gelegen
hatte. Wir zogen in Erwägung, in einer Nacht- und Nebel-Aktion einfach
zu verschwinden. Da aber ungewiß war, wie gut die Häfen untereinander
vernetzt waren und wir ja auch noch ausklarieren mußten, ließen wir
diese Variante lieber fallen. Schließlich handelten wir in letzter
Minute mit dem silber-blickigen Buchhalter des Hafenkontors. Durch und
durch Beamtenseele rechnete er uns die verschiedenen Posten aus
Hafengeld, Docknutzung, Bojen- und Leuchtfeuergebühr,
Tagesmindestpauschale für Strom und Wasser etc. vor. Wir hielten reale
Kosten für Strom und Wasser und vergleichbare Marina-Kosten dagegen. Er
wand und krümmte sich ebenso wie wir, räumte hier und da einen Discount
ein oder erließ uns unter irgendwelchen Vorwänden gewisse Summen, um
unseren Fall sauber in seine Bücher zu bringen. Dass man nie wußte, mit
welchem Auge er uns ansah, war auch nicht gerade eine Hilfe zum
Abschätzen der Situation, und gespannt warteten wir auf das Endergebnis
all seiner Berechnungen. Als er schließlich auf umgerechnet 60€ kam,
atmeten wir erleichtert auf. Das war ja geradezu ein Schnäppchen. So
gerne haben wir wohl noch nie eine Rechnung beglichen. Gemeinsam mit
"Angelique II" liefen wir in der Nacht zum 17. Januar 2011 aus Richtung
Kapstadt. Wir sollten unsere Freunde bis zum Ende der Reise leider
nicht mehr wiedersehen.
Diesmal
hielt sich der Wind an die vorhergesagten Werte. Es war sonnig und
dümpelig. Statt Delfinen spielten Seehunde in den Wellen und
vollführten dolle Sprünge. Es war zu putzig, wie sie mit ihren
Stummelöhrchen und Schnurrbarthaaren aus dem Wasser guckten und uns
hinterher starrten. Da wir nicht vorgeschlafen hatten und der lange
Schwell uns seekrank machte, hingen wir den ersten Segeltag überwiegend
in den Kojen ab. Um Mitternacht rundeten wir das Kap Aghulas und
erreichten damit den südlichsten Punkt unserer Segelreise. Bei
Sonnenaufgang war der Wind fast eingeschlafen. Wir motorten durch die
Flaute und rundeten bei schönster Nachmittagssonne das Kap der Guten
Hoffnung. Das Wasser war inzwischen sehr kalt geworden und mit
nachlassender Sonneneinstrahlung wurde es recht kühl und auch etwas
neblig. Am liebsten wären wir ja gleich nach Namibia weitergefahren,
aber es war uns nicht gelungen, in Mossel Bay auszuklarieren. Auch im
nördlicher gelegenen Saldhana Bay kann man auch nicht ausklarieren, sondern
muß für den Papierkram nach Kapstadt fahren. So mußten wir notgedrungen
das gute Wetterfenster verstreichen lassen und noch einmal am windigen
Kap anhalten. Bei Vollmond liefen wir in die Hout Bay ein. Die Marina
kannten wir ja durch unseren letzten Besuch. Freie Plätze gab es zur
Genüge, denn die ARC war inzwischen weitergezogen.
Allan, der Chef der
Hout Bay Marina war Engländer und hatte seinen Laden im Griff. Es war
die erste Marina in Südafrika, wo wir nicht das Gefühl hatten, dass das
Personal seinen Lohn hauptsächlich fürs Herumsitzen bezieht. Leider ist
der Hafen recht ungeschützt. Seit Jahren kämpft Allan darum, den
Fischersteg zur massiven Mauer umbauen zu lassen, denn bei Südost-Sturm
bauen sich ziemliche Wellen im Hafenbecken auf. Bei starkem
Südwestwind, wie wir ihn erlebten, flog die Gischt nur so über die Mole
und bedeckte alle Yachten mit einer dicken Salzkruste.
Wir
mußten, wie gesagt, noch ausklarieren und fuhren mit Taxi in die
Innenstadt. Die Ortsangabe war nicht sehr präzise, und so landeten wir
erstmal im falschen Gebäude, wo wir uns in die Schlange der Wartenden
einreihen mußten. Ohne Antragsformular liefe gar nichts, hieß es. Durch
beharrliches Nachfragen erfuhr ich jedoch nach nicht allzu langer Zeit,
dass wir hier völlig falsch seien und wurde in den richtigen Aufgang
geschickt. Auch dort wurde unsere Geduld wieder auf eine harte Probe
gestellt. Der füllige Beamte erwies uns schließlich die Gnade, unser
Anliegen zu bearbeiten. Nach hartem Kampf mit dem Computer waren unsere
Pässe irgendwann ausgescannt und alle notwendigen Papierchen
beschrieben. Anderen ergeht es viel schlimmer. Zum Teil mußten sie sich
wilde Schimpftiraden gefallen lassen und mehrfach antanzen. Allan hatte
uns davor gewarnt. Der Zoll saß in einem anderen Gebäude, stellte
sinnlose Fragen und ließ uns natürlich auch wieder auf "den richtigen"
Mitarbeiter warten, während die anderen Däumchen drehten. Nun sollten
wir innerhalb von 24h das Land verlassen, aber das Wetterfenster schloß
sich gerade und eine Starkwindphase stand bevor. So blieben wir noch
ein paar Tage illegal im Land und hofften, dass der Zoll nicht gerade
in der Marina aufkreuzen würde bzw. wir uns irgendwie rausreden könnten.
Im
Yachtclub-Gebäude frönten wir unserem neuen Hobby, dem Billiardspiel.
Till konnte bald recht geschickt mit dem Queue umgehen und mit etwas
Glück versenkte auch Marlene die ein oder andere Kugel. Till schloß
Freundschaft mit dem 14jährigen Michael, der mit seinen Eltern und
seiner Schwester auf ihrer Segelyacht "Baltic Sun" bald auf große Fahrt
gehen wollte. Mutter Ingrid berichtete von dem Überlebenswillen und der
Kreativität mancher Jugendlicher aus den Slum-Gebieten, die sie im Rahmen von
Sozialprojekten unterstützt hat. Bessere Freunde könne sie sich für
ihren Sohn nicht vorstellen. So überrascht es auch nicht, dass Michael
ausgerechnet Suaheli als 2. Fremdsprache lernen will.
Während im
Hafen Sturmböen von 50kn durchziehen und die Gischt die Luft salzig
vernebelt, fahren wir mit Ingrids Familie in die Innenstadt, besuchen
ihr Lieblingsrestaurant und lassen uns beim Spaziergang vorbei am
Parlamentsgebäude über südafrikanische Politik und Geschichte erzählen.
Ich
machte die namibische Gastlandflagge fertig. In bewährter Art malte ich
sie mit Textilfarbe auf die von Omi Elfi geschneiderte weiße Fahne.
Wenn man sich überlegt, dass jede Flagge im Laden um die 20€ und mehr
kostet (wenn man sie überhaupt bekommt), ist das eine preiswerte und
vor allem auch flexible Alternative, falls die Route geändert wird.
Lars verwöhnte das Getriebe mit neuem Öl. Dabei löste sich der
Einfüllstutzen und verschwand samt Drahtbefestigung im Gehäuse. Mist!
Nach einer halben Stunde Popelei hatte Lars sie endlich wieder
herausgefischt. Die Erleichterung darüber könnt ihr Euch sicher
vorstellen.
Nach 5 Tagen ließ der Wind endlich nach. Wir nahmen
Abschied von unseren neuen Freunden und Südafrika und liefen am 24.
Januar 2011 gegen Mittag aus der Hout Bay aus. Im Hafen hatte sich kein
Lüftchen geregt, aber als wir um die Felsnase herum waren, legte der
Wind auf 30 kn zu. Zum Glück kamen Wind und Welle von hinten. Seekrank
wurde diesmal niemand, vielleicht weil es im Hafen so kabbelig gewesen
war. So gab es am Losfahrtag sogar mal Bratwürstchen.
Ringsherum
herrschte reger Cargo-Verkehr. Langsam verschwanden Kapstadt und der
Tafelberg achteraus. Im Wasser schwamm viel Kelp. Manchmal waren es
regelrechte "Baumstämme", die gegen den Schiffsrumpf donnerten. Wenn
man genau hinschaute, entdeckte man regelmäßig eine Seehundflosse oder
eine neugierige Schnauze, die hinter den Blättern auftauchte. Ob die
Robben die pflanzlichen Flöße als Tarnung oder als Schwimmhilfe
benutzten?
Der Kapwind ließ bald nach und was wir anfangs zu
viel hatten an Wind, das fehlte uns später. So mußte wieder der
Flautenschieber ran. Ich liebe die Farbspiele auf dem Wasser, wenn die
Oberfläche so glatt ist. Nur das Gebrumm nervt auf Dauer. Irgendwann
begann auch noch der Autopilot zu spinnen. Am Kap Agulhas hatte er das
schon mal kurz getan. Beim Studieren des Handbuches lernten wir, dass
man eigentlich etwas umstellen muß, wenn man von der Nord- auf die
Südhalbkugel wechselt. Aber wir waren doch nun schon so lange auf
südlicher Breite unterwegs, dass das nicht die Erklärung sein konnte.
Nach einer von Hand gesteuerten Nacht waren wir redlich müde. Nachdem
Lars diverse Spannungen nachgemessen und alle Kontakte
nachgezogen hatte, gab sich das Problem zum Glück von selbst.
Irgendwann konnten wir auch wieder segeln. Von der Küste sahen wir
nichts. Zum Teil war es recht neblig.
So zogen die Tage dahin.
Irgendwann begann sich ein Rhythmus abzuzeichnen: morgens Flaute, im
Laufe des Tages aufkommender Wind, der zur Nacht wieder abebbte. Till
war inzwischen zu einer richtigen Leseratte geworden. Hundert Seiten
las er locker an 2 Nachmittagen durch. Notgedrungen griff auch Marlene
öfter allein zum Buch und kämpfte sich durch den "Zauberer der
Smaragdenstadt".
Wir Großen genossen die gewonnene Zeit in der
Nachmittagssonne. Was haben wir nicht alles ausgetüftelt und erfunden:
den perfekten Wecker, das vorausfahrende Echolot und eine Kamera im
Mast für die Fahrt durch Korallenriffe, die perfekte Innenaufteilung
einer kleinen Fahrtensegelyacht. Wir reformierten im Gespräch das
deutsche Gesundheits-, Sozial- und Steuersystem, debattierten übers
Bildungswesen. Lars baute seine Idee von der Globetrotterkneipe weiter
aus, Luise erfand für ihre zukünftigen Patienten einen
Aufklärungs-Trickfilm über den Patho-Mechanismus des Diabetes. Wir
entwickelten Konzepte zur Umnutzung alter Fischerkähne, entwarfen unser
Zuhause "in-spe" und so weiter...
Abends guckten wir mit den
Kindern zusammen Sternenhimmel. Da fast Neumond herrschte, waren die
Nächte rabenschwarz, wodurch das Fluoreszieren des Planktons besonders
eindrucksvoll wurde. Noch war das Wasser ringsherum recht kühl und wir
zogen uns nachts lieber in den Schiffsbauch zurück.
Tagsüber
bevölkerten Vögel die Meeresoberfläche. Am letzten Tag trieb ein
komisches, weißes Etwas an uns vorbei. Ein abgetriebenes Dingi oder
Fender, dachte ich erst. Irgendwie rund. Oder etwa eine aufgedunsene
Leiche? Das erzählte ich den Kindern lieber nicht. In Walfishbay
erfuhren wir später, dass es sich wohl um einen Mondfisch gehandelt
haben mußte.
Am Nachmittag des 7. Tages liefen wir wohlbehalten
in Walfishbay, dem größten Hafen des südlichen Afrikas ein. Walfische
sahen wir nicht. (Auch hier waren wir nicht zur richtigen Saison da.)
Dafür Delfine, Seehunde und jede Menge Seevögel.
Namibia
Die
Küste Namibias besteht aus reiner Wüstenlandschaft. Skelettküste
nannten die frühen Seefahrer den Abschnitt nördlich von
Svakopmund, denn wer hier strandete, hatte keine Chance zu überleben.
Schiffswracks liegen z.T. weithin sichtbar am Strand. Südlich von
Walfishbay befinden sich die berühmten Dünen von Sossusvlei. Einen
weiteren Hafen gibt es in Namibia: Lüderitz. Der gleichnamige Kaufmann
aus Bremen hatte in der Hoffnung auf Bodenschätze den ansässigen Orlam
den Großteil ihrer Stammesgebiete abgeschwindelt. Diamanten wurden aber
erst 20 Jahre später gefunden. Ähnlich wie beim Goldrausch entstand
dort "über Nacht" eine mondäne Stadt, in der Champagner in Strömen
floß, die luxuriösesten Villen gebaut wurden und Prostituierte in
Edelsteinen bezahlt wurden. Kurze Zeit später war der Boom vorbei und
Kolmannskuppe kann heute als Geisterstadt gegen Eintritt besichtigt
werden.
Wir
hatten beschlossen, nicht in Lüderitz anzuhalten,
sondern direkt nach Walfishbay zu segeln, da es den besseren
Ausgangspunkt für die Erkundung des Landesinneren bot. Auf Google-Maps
sah die Stadt selber recht trostlos aus. Die Realität war diesmal
deutlich angenehmer als erwartet. Man lag sicher an einer kostenlosen
Mooring und konnte unkompliziert beim Yachtclub an Land kommen und
duschen. Die großen Cargos waren weit genug entfernt und stellten keine
Belästigung dar. Dagegen hatte man seine helle Freude an der Tierwelt
im und über'm Wasser. Seehunde tummelten sich und waren
regelmäßig bei den Ausflugskatamaranen zu Gast. Wahrscheinlich wurden
sie dort extra gefüttert und stellten bereits einen Teil des
Touristenprogrammes dar. Vogelschwärme flogen besonders kurz vor Abend
dicht über dem Wasser lang. Sturmmöwen ließen sich senkrecht in die
Fluten fallen und kamen mit kleinen Fischen im Schnabel wieder hoch. Am
schönsten waren jedoch die gelbschnäbeligen Pelikane, wenn sie im
Abendrot in langen Reihen über die Boote schwebten.
Frühmorgens,
wenn der Wind noch schwach war, segelte regelmäßig ein älterer Herr auf
seiner Jolle durch das Ankerfeld. Er kam sogar noch vorwärts, wenn die
Wasserfläche glatt wie ein Löschteich um einen lag. Wir nannten ihn den
"Flautensegler".
Die Stadt selber wirkte eher langweilig. Immerhin konnte man prima
Rad fahren, da das Gelände total flach und die Straßen breit und
verkehrsarm waren. Es gab verschiedene Supermärkte mit einem breiten
Angebot und Preisen, die entgegen anderslautender Berichte nicht höher
als in Südafrika waren. Das Sortiment war ähnlich dem des
Nachbarlandes. Gelegentlich mogelte sich das ein oder andere deutsche
Produkt dazwischen wie Apfelmus oder Zuckerrübensirup.
Ehe wir
am ersten Tag unser Dingi aufgebaut, an Land gerudert, mit anderen
Fahrtenseglern geschwatzt, eine Dusche genommen und per Taxi in die
Stadt gefahren waren, war es bereits 5 vor Eins. Vor dem Schalter der
Immigration stand eine lange Schlange und 13 Uhr sollte er geschlossen
werden. Wir verschoben das Einklarieren deshalb auf später. Eine
Anzeigentafel teilte mit, dass Visa 39 Euro pro Person kosten sollten.
Mal 4 macht das schlappe 156€. Wer weiß eigentlich, dass wir überhaupt
im Land sind? Und wen interessiert das? Später erfuhren wir, dass wir
als EU-Bürger kein Visum bräuchten und man sich auch nicht bei der
Schlange anstellen muß, sondern gleich in den dahinter liegenden Flur
weitergehen darf. So kamen wir schließlich doch noch zu einem weiteren
Stempel im Paß. Der Beamte, der für die Einklarierung zuständig war,
saß Zeitung lesend in seinem Sessel, als wir zaghaft durch die offene
Tür in sein Zimmer traten. Ein bißchen space-ig sahen wir aus mit
unseren 4 Fahrradhelmen auf den Köpfen. Nachdem wir unser Anliegen
vorgetragen hatten, zeigte er müde auf einen Stapel Pappkartons im
Hintergrund des Zimmers. Wir sollten uns die passenden Antragsformulare
dort herausnehmen. Bei so viel Gelassenheit ließen wir spaßeshalber die
Kinder ihre Formulare selbst ausfüllen; das kann man nicht früh genug
lernen bei dem Anschwellen der Bürokratie rund um den Globus. Aus
Deutschland kämen wir also, hm. Ob Till denn Ingenieur werden wolle?
Leider hatte Till das Klischee des "ordentlichen" deutschen Berufes
noch nicht verinnerlicht und sagte, dass er lieber Bäcker oder
Reitlehrer werden möchte. Und Marlene - ob sie Ärztin werden will? Uns
Große fragte der Beamte nicht. Ob er geahnt hat, dass er mit diesen
beiden Berufen glatt ins Schwarze getroffen hätte?
Unweit der Behörden befand sich eine Seefahrer-Mission. Wir fühlten
uns von dem Spruch "seafarers welcome" eingeladen und waren neugierig,
was sich wohl dahinter verbergen mochte. Es war ein großzügiges Gebäude
mit diversen Aufenthaltsräumen, preiswerter Bar, einem kleinen
Swimmingpool, Internet und kleinem Souvenirverkauf. Seeleute, die an-
oder abmustern oder einfach mal der Enge ihres Schiffes entkommen
wollen, können sich hier ein Zimmer nehmen. In der Zeitschriftenecke
fanden wir diverse Spiegel-Ausgaben. Es gab auch Bücher in
verschiedensten Sprachen zum Tausch. Es müssen wohl viele Russen
unterwegs sein, denn an der Tiefkühltruhe stand eigens ein Pappschild:
"МОРОЖЕНОЕ". Das Personal war sehr freundlich und hilfsbereit. Unter
anderem konnten wir hier preiswert ins Ausland telefonieren, ein Fax
empfangen und ein Einheimischer ging mit Lars auf Ersatzteilsuche für
unser Ruderstangengelenk, das immer wieder mal knirschte. Die Mission
wurde fast unser zweites Zuhause in Walfishbay.
Unterdessen
hatten wir übers Internet ein Mietauto gebucht, um das Land zu
bereisen. Der erste Ausflug führte uns nach Svakopmund, der
nächstgelegenen Küstenstadt, die stark deutsch geprägt ist. Hier fanden
wir deutsche Kinderbücher und CDs, aßen Kartoffelpuffer mit Apfelmus
und wurden in der Touristeninformation von einer Namibia-Deutschen
beraten, die den ganzen Laden allein schmiß. Auf dem Spielplatz
sprachen die Kinder zu Tills und Marlenes Erstaunen deutsch.
Zum
Abend waren wir mit meinem Kommilitonen und Freund Gunar verabredet,
der in Begleitung von 4 Professoren der Uni Lübeck und des
Forschungszentrums Borstel nach Namibia gereist war, um eine
Uni-Partnerschaft aufzubauen. Sie waren wohl ebenso neugierig auf uns
wie wir auf sie. Die Kinder sprudelten nur so los über ihre
Reise-Erlebnisse und waren stolz wie Bolle. Die "Zauber"-Bleistifte der
Uni Lübeck, die sie geschenkt bekamen, wurden fortan heilig gehalten,
denn sie sollten ja erst während des Studiums benutzt werden.
Anderntags kamen sie uns in Walfishbay auf der Spica besuchen. Die Zeit
verging wie im Flug und eigentlich wollten wir alle noch auf Reisen
gehen: Gunar und co nach Sossusvlei zu den Riesendünen - eine Strecke,
die während der Regenzeit, die gerade herrschte nur mit Jeep passierbar
war. Wir dagegen wollten Richtung Norden - zunächst bis zum Brandberg.
So trennten sich nachmittags unsere Wege.
Wir fuhren zunächst an
der Küste entlang, wo sich endlos die Wüste dehnte. Als wir später vom
Meer weg Richtung Inland fuhren, änderte sich ganz langsam die
Vegetation. Erst tauchte hier ein Grasbüschel auf, dann dort ein
Strauch, und irgendwann war aus der endlosen Sandwüste eine grün
angehauchte Trockensavanne geworden. Die Wüste, muß ich zugeben, machte
mir Angst. Was, wenn hier der Motor versagte und man liegenblieb? Wir
waren auf einer absoluten Nebenstrecke unterwegs und mutterseelenallein.
Als
wir die erste Ortschaft erreichten, hatte es begonnen zu regnen. Die
Dunkelheit war hereingebrochen und wir hatten keinerlei Lust zum
Zelten. Zum Glück fanden wir ein Zimmer in einer Pension, wo wir noch 2
Matratzen für die Kinder mit auf die Erde legen konnten. Wir durften
sogar die Restaurant-Küche benutzen, um unser Abendessen zu kochen,
denn wir hatten uns ja auf Selbstverpflegung eingestellt.
Am
nächsten Morgen fuhren wir zum Brandberg. Die Landschaft war einfach
gigantisch in ihrer Weite. Kaum ein Auto fuhr auf der unbefestigten
Straße, die sich durch die breiten Täler wand. Grau-rot ragten die
Bergmassive aus der Steppe. Zu den berühmten Felsmalereien der "White
Lady" wanderten wir allerdings nicht, da ein dunkle Regenfront im
Anmarsch war. Stattdessen ging es weiter nach Twyvelfontain, der
einzigen Weltkulturerbe-Stätte Namibias mit Felsmalereien und
Steingravuren. Die Stoßdämpfer unseres Autos waren völlig hinüber und
die Fahrerei auf den Waschbrettstraßen eine Tortur. Jetzt begriffen
wir, warum die Mietautos in Namibia so viel teurer waren als in
Südafrika. Bei dem Gerüttel können die Autos ja nicht alt werden. Wir
hatten im Vorfeld versucht, uns ein Bild über die Straßenverhältnisse
Namibias zu machen und ganz unterschiedliche Antworten bekommen. Die
einen meinten, die Straßen seien ähnlich zivilisiert wie in Europa und
man könne auf den Landstraßen locker 100 km/h fahren. Die anderen
hatten eine Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h angegeben. So
widersprüchlich das klang, hatten doch beide recht, denn die eine
Äußerung bezog sich offensichtlich auf geteerte Straßen, die andere
dagegen auf Gravel Road. Durch die vielen Flußbetten, die zu queren
(und zum Glück überwiegend trocken waren) betrug unsere
Durchschnittsgeschwindigkeit ca. 30 km/h.
Am späten Nachmittag
stießen wir auf einen fließenden Strom, an dem es nicht mehr weiter
ging. Man solle einen Umweg fahren und dafür den weißen Markierungen
folgen, besagte ein Schild. Zum Glück kamen gerade Einheimische, denen
wir hinterher fahren konnten. Da Twyvelfontain diesseits des Flusses
lag, gelangten wir schließlich doch noch hin.
Wir waren spät
dran und die einzigen Gäste. Ein Dutzend Schwarze vom Stamm der Damara
spielte im Schatten des modern angelegten Eingangsbereichs
"Mensch-ärger-Dich-nicht". Wir kauften Eintrittskarten und bekamen eine
Führung über das Gelände. Ein Weißer hatte sich 1947 hier angesiedelt,
um eine Farm zu betreiben. Die Quelle, für die er sogar eine eigene
Pumpe bauen ließ, erwies sich jedoch als unzuverlässig (daher der Name
"Zweifel-Quelle) und der Farmbetrieb wurde 1964 wieder aufgegeben. Von
den ehemaligen Wohngebäuden stehen nur noch wenige Mauerreste. Wer
zuerst von den Felszeichnungen berichtete, ist unklar. Um sie vor
Vandalismus zu schützen, wurden die Gegend 1952 zum Nationalen Denkmal
erklärt und sie darf nur noch im Beisein eines qualifizierten Führers
betreten werden. Die Felsgravuren und Malereien sind schwer zu datieren
und offensichtlich ohne Werkzeuge angebracht. Sie zeigen einen Reichtum
an Wildtieren, der suggeriert, dass es hier früher wohl mehr
Niederschläge gegeben haben muß. Immer wieder stößt man auf
Giraffenbilder, die als Regenbringer gelten. Besonders eindruckvoll ist
die Ritzung eines Löwen, dessen Schwanzquaste seiner Fährte
nachempfunden ist. Ähnlich wie bei den Aborigines in Australien
symbolisieren Punkte und Kreise Wasserlöcher.
Da wir nur einen
Teil der Pfade abgelaufen waren, beschlossen wir, am nächsten Tag
wieder zu kommen. Wir bogen zu den "Orgelpfeifen" - einer
entsprechenden Felsformation und zum "Verbrannten Berg" ab. Der Berg
machte seinem Namen alle Ehre. Er soll vor 80 Millionen Jahren
vulkanisch entstanden sein. Hier endete die Stichstraße. Da wir keine
Lust auf eine teure Campingplatz-Übernachtung hatten, schlugen wir
gleich hier unser Zelt auf. Wir fanden eine ebene und etwas höher
gelegene Stelle (falls es regnen sollte) und köchelten im trockenen
Flußbett auf unserem australischen Gas-Campingkocher unser Abendessen.
Eine herrliche Ruhe lag über der Gegend. Ob wir die seltenen
Wüstenelefanten zu Gesicht bekommen würden? Angeblich sollen sie
während der Regenzeit in die Berge hinaus ziehen.
Die Nacht
verlief ungestört und wir machten uns am nächsten Morgen erneut auf
nach Twyvelfontein. Wieder saßen ein Haufen Leute um das Spielbrett
herum. Der Kiosk war jedoch geschlossen. Also leider kein Kaffee zum
Frühstück, wie wir gehofft hatten. Unser Führer vom Vortag zeigte uns
diesmal Felsmalereien und vom Wind geschaffenen Felsbögen und
Formationen.
Danach wollten wir zum Etosha-Nationalpark
weiterfahren. Der Flußarm, der gestern noch unpassierbar war, führte
heute nur noch wenig Wasser. Allerdings war viel Sand angeschwemmt, in
dem wir fast stecken blieben. Am anderen Flußufer nahmen wir eine
schwarze Tramperin mit, die in die nächste Stadt zum Arzt wollte. Sie
gehörte zum Stamm der Herero und arbeitete in der Twyvelfontein-Lodge
als Supervisor. Wie viel sie denn verdiene, wollten wir u.a. wissen.
Genau sagte sie es uns nicht, aber offensichtlich weniger als 300 €,
denn da liegt die Steuergrenze, und Steuern zahle von den Angestellten
keiner. Die Lodge habe 56 Doppelzimmer, gepflegte Außenanlagen mit
Pool, Bar und ein Restaurant. Insgesamt gäbe es 93 Angestellte. Wir
tippen, dass eine ähnliche Anlage in Deutschland mit einem Zehntel an
Personal betrieben würde, die nicht ganz das Zehnfache verdienen würden
und davon ca.die Hälfte als Steuern und Abgaben abführen müßten. Kein
Wunder, dass die Übernachtungskosten für Touristen in Namibia im
Vergleich zum Lohnniveau nicht gerade billig sind und andererseits
nicht genug Steuergelder für den Bau von Straßen, Brücken, Bildung und
Gesundheitsversorgung vorhanden ist. Andererseits scheint mir das
Tourismus-Geschäft eine riesige ABM-Maßnahme zu sein und die Leute
machen sich nicht tot vor Streß. Die Lodge hatte in der Nacht, die wir
am "Verbrannten Berg" verbrachten, vermutlich nicht mehr als 2 Gäste,
denn wir sahen nur einen Touristen-Jeep dort einbiegen von den wenigen
Besuchern, denen wir in Twyvelfontein begegnet waren.
Leider war
der nächste Flußlauf wieder nicht passierbar und zwang uns zu einem
Umweg. Nun half nur noch Daumendrücken, dass nicht am Ende noch ein
unpassierbarer Fluss kommt und wir die gesamte Strecke zurückfahren müßten. Wir
wünschten uns ein paar kleine Betonbrücken über die Flußarme, denen wir
uns jedes Mal mit Bangen näherten, und je länger wir fuhren umso
dringlicher eine Asphaltdecke für die Straße. Selten haben wir die
Rückkehr zu zivilsierten Verkehrsverhältnissen als wohltuender
empfunden. Es ist eben ein Unterschied, ob man gemächlich auf dem
Eselskarren, mit einem gewöhnlichen Kleinwagen oder mit angepaßtem Jeep
auf der Schotterpiste unterwegs ist.
Ein schöner Abstecher
führte uns noch zum Finger Clip, einer Felsformation, die wie ein
Finger in den Himmel ragt. Ich versuchte mich mal wieder mit der
Panorama-Funktion an unserer Kamera. Einfach herrlich - diese Weite der
Landschaft ringsum, rote Felsen und grüner Busch.
Als
wir in Outjo, der letzten Ortschaft vor dem Etosha-Park ankamen, hatte
ich ein Erlebnis, das den ganzen afrikanischen Kontinent bei mir in
Ungnade fallen ließ. Wir waren durch die lange Fahrt über die
schlechten Straßen ziemlich geschlaucht, waren vor dem Supermarkt
wieder angebaggert worden von Leuten, die auf unser Auto aufpassen oder
uns Souvenirs verkaufen wollten. Wir hatten am Ortseingang getankt und
hielten nach unserem Einkauf vor der Weiterfahrt noch einmal an
derselben Tankstelle, weil wir vergessen hatten, den Reifendruck zu
prüfen. Dabei fragte ich die Angestellte, ob ich meine Wasserflasche
auffüllen könne, was sie mir mit der Bemerkung abschlug, ihr Chef hätte
angeordnet, dass nur Mineralwasser verkauft werden dürfe. Eigentlich
eine Enttäuschung, die man mit einem Schulterzucken hätte abtun können,
2 € - eine Summe, die einen nicht in den finanziellen Ruin getrieben
hätte. Wir hatten Durst bei der Hitze, aber wir waren nicht am
Verdursten. Und dennoch brachte diese kleine Ungefälligkeit das Fass
bei mir zum Überlaufen. Der im Verlauf unserer Reise angestaute Frust
über die weltweite Abzocke von Touristen brach sich Bahn und ich in
Tränen aus. "Schande über sie und dieses Land, wo nur das Geld zählt
und nicht der Mensch, der zu Besuch kommt", warf ich ihnen an den Kopf.
"Wir können nichts dafür", wehrten die Damen ab und setzten abweisende
Gesichter auf. "Wir folgen nur den Anweisungen des Chefs".
Wieso
mich diese kleine Szene so aufgebracht hat und mich noch heute
beschäftigt, frage ich mich oft. Vielleicht, weil es sich in andere
Erfahrungen einreiht. Zum Beispiel aus meiner Zeit 1998/99 in
Südafrika, wo ich im Baragwanath-Hospital, dem größten Krankenhaus
Sowetos in Johannesburg arbeitete: Wie querschnittsgelähmte junge
Männer auf der chirurgischen Station uns weiße Studenten anbettelten,
ihnen ein Glas Wasser zu bringen oder sie auf die andere Seite zu
lagern, weil die Krankenschwestern dies nicht für sie tun würden. Wie
eine Krankenschwester früh um 4 Uhr meine Bitte abschlug, für einen
Patienten Blutkonserven aus der Blutbank zu holen mit der Bemerkung "My
feet are tired" (Meine Füße sind müde) und ich selber diesen Gang
erledigte, obwohl ich auch seit 20 Stunden auf den Beinen gewesen war.
Warum nehmen deutsche Ärzte ihren 6-wöchigen Jahresurlaub, um in
Hilfsprojekten in indischen Slums mitzuhelfen, während sich die
indischen Ärzte dafür zu schade sind oder trotz Bezahlung nebenher
Bestechungsgelder dafür kassieren. Wie viele indische oder afrikanische
Ärzte arbeiten in Großbrittanien, Australien, USA und Kanada und
streichen gutes Geld dabei ein - viel mehr als man in Deutschland
verdienen würde - und leiden offensichtlich nicht unter dem
Helferkomplex wie wir?
Warum geschehen in Afrika so viele
Gewalttaten, Kriege, Vergewaltigungen, Genitalverstümmelung von Frauen?
Warum zählt das Menschenleben nicht so viel wie bei uns, reicht
Solidarität selten über Familien- und Stammesgrenzen hinaus? Was hat
diese Erwartungshaltung erzeugt, dass einem Hilfe von außen zusteht?
Gestern
las ich in einem Buch ein Kapitel über den Kongo und die letzten 175
existierenden Freiland-Gorillas. Eine Straße, die zu belgischen
Kolonialzeiten gebaut wurde und inzwischen von Urwald überwuchert
weitgehend unpassierbar geworden ist, sollte mit Europa-Geldern wieder
saniert werden, wenn es sich mit dem Naturschutz vertragen würde, da
die Trasse durch besagtes Gorilla-Gebiet führt. Die Straße ist für die
anliegenden Ortschaften ökonomisch überlebenswichtig. Und wie reagieren
die Einheimischen? "Wenn Europa uns das Geld wegen der Gorillas nicht
gibt, dann knallen wir die Tiere einfach ab." Wer hat da wem
Versprechungen gemacht und welche Konsequenzen entstehen daraus?
Nebenher erfuhr ich, dass der berühmte Gorilla-Forscher Bernhard
Grzimek, der mir seit Kindheitstagen ein Begriff ist und dazu geführt
hat, dass ich heute Ärztin bin, bei seinem Einsatz 1989 im Kongo
vergiftet wurde.
Es gehören noch mehr Puzzle-Stückchen dazu, die
ich nicht alle aufführen kann und will. Meine Wasserflasche bekam ich
schließlich doch noch gefüllt. Ich weiß nicht, woher die Frau kam, die
sie mir füllte, und wer sie war, aber ich danke ihr, denn es sind die
kleinen Gesten der Mitmenschlichkeit, das
Sich-über-Regeln-auch-mal-hinwegsetzen, die einem wieder Hoffnung geben
für die Welt und den schwarzen Kontinent. Möge es viele solcher
Menschen geben und die Erinnerung an sie einem helfen, aus seinem
eigenen Panzer der Abschottung und Gleichgültigkeit gelegentlich heraus
zu kommen.
An
diesem Abend fuhren wir noch bis kurz vor den Etosha-Park, wo wir auf
dem samtweichen Rasen einer Lodge zelteten. Wer es sich leisten kann,
in Lodges zu nächtigen und einen Jeep zu mieten, der wird von Namibia
begeistert sein: üppiges Frühstücks- und Abendbüffet mit
Musikumrahmung, ein kühles Bad im Swimmingpool, tagsüber tolle
Landschaften und faszinierende Tierwelt oder exotische afrikanische
Kultur - und im Meer noch Wale sichten... Wer allerdings tiefer in die
Kultur eindringen möchte, muß sich auf Abwege begeben, auf Straßen,
Wasser und Strom verzichten und in die entlegenen (Malaria-bedrohten)
Gegenden im Norden fahren. Leider zerstört solcher Tourismus ungewollt
das, was er sucht: die ursprüngliche Lebensweise. Ob Fotoabzug oder
Lebensmittelspende als Gastgeschenk, auch einfach nur das Vorleben der
eigenen Kultur, werden schon zu veränderten Bedürfnissen der
Einheimischen führen und ihre traditionellen Werte in Frage stellen.
Am nächsten Tag fuhren wir kreuz und
quer durch den Etosha-Nationalpark, der durch den vielen Regen sehr
grün war. Die Wasserlöcher waren alle unbesucht, da überall genug
Pfützen standen, und so sahen wir vergleichsweise wenig Tiere. Zu
unserer großen Freude entdeckten wir jedoch einen prächtigen Löwen, der
faul hinter einem Busch lag und ab und zu mit dem Schwanz wippte.
Neu waren die Gemsböcke, die wir bislang nur von den
Buschmannzeichnungen kannten. Den lustigsten Tiernamen hatte ein Vogel
namens "Gackeltrappe". Am zweiten Tag gab es zunächst
kaum große Tiere zu sehen, weshalb wir uns zu Vogelbestimmungsexperten entwickelten. Die Pfützendurchquerungen wurden
immer abenteuerlicher, bis wir an einer Stelle kapitulieren und 60 km
Umweg antreten mußten. Dafür liefen uns abends über 50 Giraffen, 2
Nashörner, eine Hyäne und die bis dahin noch gar nicht gesichteten
Damara-Dikdiks über den Weg. Eingeschlammt bis über die Frontscheibe
erreichten wir im Dunkeln das Sachsenheim-Camp jenseits des anderen Ausgangs.
Vom
Service in und um den Park, der schließlich Touristenattraktion Nr. 1
des Landes ist, waren wir wenig begeistert. Adhoc fielen uns in typisch
deutscher Manier mindestens ein Dutzend Verbesserungsideen ein, z.B.
Fernglas-Verleih, Schautafeln, wo aktuell welche Tiere gesichtet
wurden, Autowasch-Anlage am Ausgang etc. Angeblich soll es so viel
Angestellte und Verwaltungsposten geben, dass der Etosha-Park sogar
subventioniert werden muß.
Auf
dem Rückweg nach Walfishbay besuchten wir noch den größten Meteoriten
der Welt, eine Holzschnitzerei und eine Pralienen-Manufaktur. Hinter
Svakopmund kletterten wir auf eine der hohen Sanddünen und genossen den
Blick aufs Meer. Im Landesinneren war in diesem Jahr richtig grün
gewesen, so viel hatte es geregnet. In Walfishbay führte der viele
Regen paradoxer Weise dazu, dass die Trinkwasserversorgung
zusammenbrach. Die Einheimischen meinten, es wäre bereits das 4. Jahr
in Folge, wo das passiert und die Reparatur würde sich 3-4 Monate
hinziehen. Zum Glück hatten wir unsere Wassertanks bereits vor unserer
Reise aufgefüllt, denn das Wasser, was jetzt sporadisch mal durch die
Leitungen lief, war so stark gechlort, dass es schlichtweg ungenießbar
war.
Bevor wir uns wieder der Weite des Ozeans anvertrauen
konnten, mußte wieder allerhand erledigt werden. So stockten wir noch
einmal unsere Vorräte auf, da wir weder auf St. Helena, noch Ascension
oder den Kapverden mit guten Einkaufsmöglichkeiten rechnen konnten. Wir
nutzten das Internet, um noch die Verkaufsanzeige für die Spica ins
Netz zu stellen. Die
Eingabemasken der Internetplattformen waren z.T. so schlecht
programmiert, dass unser
Schiff u.a. als 355m breit und nur noch 9kg schwer angegeben wurde.
Beim Ausklarieren füllten die Kinder diesmal selbst ihre Formulare aus.
Man kann ja kaum früh genug damit anfangen, sich in der
Bürokratie-Bewältigung zu üben.
Endlich
fanden wir auch Leute, denen wir unsere Fahrräder überlassen konnten.
Wir tauschten sie ein gegen handgeschnitzte Souvenirs. Als der Deal
sich bei den anderen Schnitzern rumsprach, konnten wir uns vor
Angeboten kaum retten, aber wir hatten ja nur 2 Räder zu vergeben.
Unter Deck genossen wir den zusätzlichen Platz.
Am 16. Februar 2011 hieß es dann endlich Leinen los mit Kurs auf St. Helena.
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