Reisebericht


Afrika

 

Südafrika (20.11.2010 - 24.01.2011)
Namibia   (31.01.2011 - 16.02.2011)

Südafrika

In Richards Bay machten wir am Zollkai im Päckchen bei einer deutschen Yacht fest. Von Beamten keine Spur. Die kämen nur alle 1-2 Tage gelegentlich vorbei. Wir könnten ruhig an Land gehen, meinte unser Nachbar.

Das ließen wir uns nicht 2x sagen und zogen los, uns die Beine zu vertreten. Sehr hübsch war es nicht mit dem Großhafen nebenan, und an den Stellen, wo man es sich hätte schön machen können, waren die Sitzbänke der Cafés immer zur Straßen- statt zur Parkseite ausgerichtet. Genießen es die anderen Nationen wirklich, auf Asphalt und Autos zu gucken, und nur wir Europäer ziehen es vor, ruhig und im Grünen zu sitzen? Immerhin war rings um das Hafenbecken so etwas ähnliches wie eine Gastro-Flaniermeile angelegt, wenn auch ohne Bäume oder Blumentöpfe. Abends lud die eine Kneipe zum Grillabend ein, wo viele Segler hingingen. Man bekam ein Grillpaket mit Fleisch und Würstchen, die man sich selber braten mußte und konnte am Salatbüfet teilnehmen. Da die Holzkohle nicht richtig durch war, dauerte die Grillerei eine Ewigkeit und das Ergebnis ließ unsere argentinischen Freunde Marissa und Jorge nur den Kopf schütteln, aber wir saßen in netter Runde. Uns hatte es an einen Tisch mit Holländern verschlagen und wir lernten At und Dia von der SY Angelique II sowie Peter und Carla von der SY Odulphus kennen. Später wurde zusammen gesungen, At holten seine Mundharmonika hervor und einer spielte Gitarre. Die Holländer kannten mehr deutsche Schlager und Seemannslieder als wir, und ich dachte an Lisa, die schon auf Cocos Keeling den "Hamburger Veermaster" gesungen hatte. Wir gaben als Familie noch spontan die "Affenbande" zum Besten, dessen Refrain so einfach ist, dass die anderen bald mitsingen konnten.

Am nächsten Tag trauten wir uns nicht von der Spica, um die Herren von Immigration und Zoll nicht zu verpassen. Die kamen erst nachmittags und waren sehr nett und unkompliziert. Wir müßten uns aber in jedem südafrikanischen Hafen an- und abmelden, wurden wir belehrt. Heilige Bürokratie! 

Lars schlenderte mit den Kindern zum Zululand Yacht Club, der ein herrlich großes, grünes Gelände hat. Wir beschlossen, uns dorthin zu verlegen. Inzwischen waren auch wieder Plätze frei, da die meisten ARC-Schiffe bereits weiter gesegelt waren. Die Schwimmstege waren in afrikanischer Art selbst geschweißt und z.T. mit schwarzem, in der Sonne ausdünstenden Gummibelag belegt, wovon mir schlecht wurde. Deshalb gingen wir lieber an die Kaimauer, wo man sogar 14 Tage umsonst lag. Es dauerte eine Weile bis wir uns so verstrippt und verzurrt hatten, dass die Kinder auch allein sowohl bei Ebbe als auch Flut von Bord kamen. Till und Marlene freuten sich, dass es im Sanitärgebäude nicht nur Duschen, sondern auch Badewannen gab. Und natürlich wurde der kleine Swimmingpool sofort ausprobiert, auf dessen Zaun gerade eine Grünmeerkatze spazieren ging. Viel Spaß hatten wir auch an einer Kolonie Webervögel, die eifrig am Nestbauen und Junge-Füttern waren. Im Clubgebäude war ein Imbiß, der nicht viel besucht war. Hierher zog ich später mit den Kindern zum Schule machen, wenn Lars am Schiff bosseln mußte. Zum Munter-werden flitzten wir zwischendurch immer Mal bis ans Ende des Geländes und um ein Palme herum, wobei ich feststellen mußte, dass Till inzwischen schneller rennt als ich.

Richards Bay/Empangeni bietet als Ort außer Shoppingmöglichkeiten reineweg gar nichts. Alles ist aufs Autofahren ausgelegt und Radfahren macht keinen Spaß. Vom Yachtclub aus war der nächste Supermarkt 4 km entfernt. Das ist sicher auch der Hauptgrund, warum viele Langfahrt-Segler von hier aus nur ein paar Nationalparksbesuchen, und dann weiter ziehen.

Auch wir besorgten uns ein Mietauto, um nach St. Lucia und in den Hluhluwe-Umfolozi-Nationalpark zu fahren. In St. Lucia beginnt ein großes Naturschutz-Gebiet mit riesigen Sanddünen und dahinter liegendem Mangrowen-Feuchtbiotop, das einer Vielzahl von Vögeln als Heimat dient. Viele der Tagestouristen kommen jedoch wegen der Nilpferde, die man am besten vom Boot aus beobachten kann. Sie halten sich nämlich tagsüber fast nur im Wasser auf, lassen ihre Ohren wackeln und reißen zum Entzücken der Zuschauer gelegentlich das Maul auf und zeigen ihre langen Zähne. Nachts gehen sie an Land und weiden Gras. Wer ihnen dabei zu nahe kommt oder gar den Rückweg zum Wasser abschneidet, wird glatt in einem Happs durchgebissen. Deshalb sind sie die für den Menschen gefährlichste Tierart Afrikas. Mit den Krokodilen scheinen sie sich dagegen gut zu vertragen. Neben den Salzwasserkrokodilen Australiens wirkten ihre afrikanischen Verwandten regelrecht harmlos klein. Es soll früher jedoch immer wieder Todesfälle durch Krokodile gegeben haben, wenn die Zulu-Frauen zum Binsen-Schneiden (für Körbe und Dächer) in Ufernähe kamen.

Wir waren abends noch zu einem Backpacker-Hostel weitergefahren, das ganz in der Nähe des Eingangstores zum Hluhluwe-Park (sprich: schlu-schlu-i ) lag. Dort herrschte erstaunlicherweise ziemlicher Totentanz, obwohl die ganze Zeit behauptet wurde, es wäre alles reserviert. Stammpersonal und Freunde waren die besten Kunden der Bar. Einer arbeitete als Restaurant-Manager im Park und erzählte dolle Stories von Leoparden, die mit Krokodilen kämpfen und wie viele Löwen es gäbe. Um den Befall des Löwenbestandes mit Tbc zu prüfen und die Tiere zu impfen, bediene man sich angeblich eines Tricks. Man locke die Tiere mit Hyänengeheul an, das diese ausstoßen, wenn sie erfolgreich Jagd gemacht haben. Die Löwen kämen dann herbei, um den Hyänen ihre Beute streitig zu machen. Plötzlich wimmele es von gelb-leuchtenden Raubkatzen-Augen in der Dunkelheit. Wie viel davon Dichtung bzw. Wahrheit ist, kann ich nicht sagen. Wir sahen anderntags jedenfalls keinen einzigen Löwen - der einzige Wermutstropfen eines ansonsten großartigen Nationalparkbesuchs.

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fuhren wir im Park herum und sahen unheimlich viele Tiere: Zebras und Gnus, Impalas und Kudus, Wasserböcke und Warzenschweine, Giraffen, u.a. einen Giraffenbullen, der sage und schreibe 10 Minuten lang ununterbrochen pullerte... Natürlich ist jeder scharf auf die "Big Five". Dazu gehören Büffel, Elefanten, Nashörner (v.a. das Spitzmaulnashorn), Löwen und der Leopard. "Big five" werden sie genannt, weil die Jagd auf sie besonders schwierig oder gefährlich ist. Der Hluhluwe-Umfolozi-Nationalpark ist bekannt für seine Zuchterfolge bei den Breitmaulnashörnern. Die Chance, welche zu Gesicht zu bekommen, ist hier höher als in allen anderen Reservaten Südafrikas. Wir sahen ganze Herden sich im Schlammbad suhlten, Mütter mit Jungtieren und einen verrückten kleinen Bullen ohne Ohren. Viel seltener sieht man die etwas kleineren Spitzmaulnashörner. Wir hatten Glück und uns lief am Morgen eine Mutter mit Kalb direkt vor der Kühlerhaube über den Weg. Leoparden hatte ich bei meinen früheren Aufenthalten nur in der Ferne oder lediglich eine Schwanzspitze gesehen. Diesmal entdeckte ich einen im Gebüsch direkt neben der Straße. Scheu wie er ist, verzog er sich gleich ins tiefe Gras, als er sich enttarnt sah. Zum Abend hatten wir noch ein besonders schönes Erlebnis. Eine Elefantenherde zog zu einem Wasserloch, wo sich bereits ein Nashorn und ein Geparden-Pärchen befanden. Der Leitbulle war sichtlich aufgeregt, vielleicht weil die Herde die Straße überqueren wollte und so viele Autos im Weg waren. Jedenfalls trompetete er lauthals. Und dann zeigte er, wer der wahre König der Steppe ist, indem er Nashorn und Raubkatzen einfach wegjagte. Wir mußten uns langsam sputen, bis zum Dunkelwerden den Ausgang zu erreichen. Dabei schlenderte noch eine Hyäne am Straßenrand entlang, bevor sie seitlich ins Gebüsch abbog. Fast zur Verzweiflung brachte uns eine Nashornmutter mit Jungem, die stur auf der Straße stehenblieb, bis ihr unser Lichtgeblende zu viel wurde. Es war schon dunkel, als wir das Tor erreichten und uns wurde langsam unheimlich. Zum Glück waren noch 2 andere Autos da, wobei einer wohl einen Schlüssel fürs Tor hatte, so dass wir ohne Probleme den Park verlassen konnten. Auf der Heimtour fuhren wir mangels Ausschilderung einen Riesenumweg und gerieten in sintflutartigen Regen. Da wir keine Nebelleuchte hatten, machten wir wie die anderen die Warnblinkanlage an. Ich war froh, als wir heil unser Schiff erreichten.

Die Hochs sind hoch und die Tiefs sind tief. Nach der Euphorie des Vortages war nun Katzenjammer angesagt. Es regnete, aber um das Mietauto auszunutzen, fuhren wir zu einer Farm mit Streichelzoo. Wir waren die einzigen Gäste, das Café war geschlossen und der Familieneintritt sollte fast so viel wie im Nationalpark kosten. Auf den Deal, nur die Kinder bezahlen zu lassen und uns einen Kaffee zu servieren, wollte oder konnte sich die schwarze Angestellte nicht einlassen. So zogen wir unverrichteter Dinge wieder ab und landeten in einem Shoppingcenter. Inzwischen scheint es auch unter den Schwarzen mehr Mittelständler zu geben, die Autos und eine gewisse Kaufkraft haben. Es wimmelte vor Billigramsch aus China. Wir schafften es immerhin, drei Viertel der Familie mit neuer Unterwäsche einzukleiden (und der Verkäuferin fiel sogar auf, dass einer leer ausgegangen war). Höhepunkt war die Pizza monsterrito, die im Durchmesser einen halben Meter maß und uns alle satt machte. Draußen lauerten bereits die "Autobewacher" auf ein Trinkgeld. Ob wirklich so viel passiert? Oder würde was passieren, wenn man regelmäßig kommt und nicht bereit ist zu löhnen? Eine Südafrikanerin aus Johannesburg, die wir später kennenlernten, erzählte uns, dass jeder Einkauf sie umgerechnet 3-10 € "Wachschutz" kostet und sie trotzdem mehrfach in der Tiefgarage überfallen wurde. Natürlich kann man verstehen, dass sich arme Leute was dazu verdienen wollen, aber ist es nicht Sache der Läden, die den Umsatz machen, für die Sicherheit ihrer Kunden zu sorgen und entsprechendes Personal einzustellen? Eigentlich war der Mann sehr nett und die Kinder schenkten ihm die Münzen, die sie gerade gefunden hatten. (So viel Geld wie in Afrika fanden die Kinder nirgendwo anders auf der Straße. Die Leute scheinen zu faul zu sein, sich nach den Münzen zu bücken.) Uns kam später die Idee, dass man ihn hätte einladen oder was zu essen mitnehmen und ihn besuchen können. Vielleicht war es besser, dass wir es nicht versucht haben. Geschichten über ausgeraubte Touristen, die sich auf Fremde einließen, gibt es leider auch. Insgesamt kam mir Südafrika aber friedlicher vor als vor 12 Jahren. Gerade in Zululand hatte ich damals eine Aggressivität in den Gesichtern gesehen, die ich nun nicht mehr spürte. Die Brutalität der Delikte soll tatsächlich abgenommen haben. 

Viele im Ausland waren überrascht, dass die Fußball-WM so ganz ohne Zwischenfälle ablief. Das Geheimnis ist, dass der Staat für die Zeit einfach unheimlich viel zusätzliches Sicherheitspersonal einstellte. Die Kriminalitätsrate stieg sofort wieder auf das Niveau davor, nachdem diese Leute entlassen waren. Die Fußball-WM hat wohl die Menschen im Land ähnlich wie bei uns 2006 mächtig zusammen geschweißt. Fußball war vorher eher ein Sport der Schwarzen, wogegen die Weißen sich mehr für Rugby interessierten. Man bewegt sich langsam aufeinander zu.

Die Tage im Zululand Yacht Club vergingen mit Schule und allerlei Erledigungen. Die SY Huayra lag neben uns an der Kaimauer. Jorge und Marissa luden uns zum Assado, der argentinischen Grillabend-Variante, ein. Sie legten schließlich Richtung Durban ab, während wir immer noch auf Ersatzteile für unsere Bordtoilette warteten. 

Wir beschlossen, die Zeit für einen mehrtägigen Ausflug zu nutzen. Diesmal planten wir, in die Drakensberge und nach Lesotho zu fahren, wo wir die Kinder mit Pony-Reiten überraschen wollten. Die leere (weil Maut-pflichtige) Autobahn entlang, ging es über Durban zum Amphitheater-Backpacker, der nach dem gleichnamigen Bergmassiv in der Nähe benannt ist. Das Hostel hatte eine kultige Bar, eine Kletterwand, Swimming-Pool, Sauna und Whirlpool und ein großzügiges Außengelände. Auch hier hatten sich die Preise drastisch erhöht und wir wollten nur den Schlafsaal-Tarif zahlen, statt ein eigenes Zimmer. Daraufhin steckte man uns zu zwei Männern in einen 6er-Raum, was uns insofern verwunderte, als dass überall gähnende Leere herrschte und die anderen Schlafsäle unbelegt waren. Ob das als Erziehungsmaßnahme gedacht war, oder ob man der Saubermachfrau ersparen wollte, am nächsten Tag 2 Räume zu putzen? Uns hatte der Manager entschieden zu viel Dollarzeichen im Auge und wir beschlossen, auf der Rücktour nicht mehr hier abzusteigen. Für das verpaßte Geld hätte die Putzfrau 4 volle Tage arbeiten können. Abends unterhielten wir uns nett mit 4 deutschen Studentinnen, die ein halbes Jahr in Port Elisabeth studierten. Über Nacht begann es zu regnen und sie taten uns leid mit ihrem kleinen Zelt.

Am nächsten Morgen ging es weiter. Little Switzerland hieß ein Ort an der Strecke, und er machte mit seinen dunklen Tannen, wabernden Nebelschwaden und der Gebirgslandschaft seinem Namen alle Ehre. Nur die Pavian-Familien am Straßenrand paßten nicht dazu. Kurz vor der Grenze zu Lesotho fiel uns auf, dass wir unsere Reisepässe auf der Spica vergessen hatten. Es war das erste Mal, dass wir per Auto statt mit dem Schiff oder Flugzeug eine Grenze überqueren wollten. Zum Umkehren war es zu weit. So machten wir das Beste aus der Sache und suchten uns vor Ort eine Ferienanlage, wo man auch reiten konnte. Till war von allein auf diese Idee gekommen, und da wir sofort zustimmten, war die Enttäuschung über die Routenänderung gleich vergessen. Mit dem Bokpoort-Backpacker fanden wir genau das, was wir brauchten. Wir bekamen einen eigenen Bungalow mit Kochnische und Bad. Auf der Koppel weideten die Pferde. Die traumhafte Landschaft des Golden Gate Nationalparks war nicht weit. Und frühmorgens wurde uns ein üppiges Frühstück serviert. Eigentlich war es eine alte Farm, die aber schon vor 20 Jahren von Landwirtschaft auf Tourismus umgestellt hatte. Wir spazierten ohne rechten Weg zu einem Bach. Nachmittags fuhren wir in den Nationalpark, wo wir eine kleine Wanderung machten, badeten und abends Zebras, Gnus und andere Wildtiere beobachten konnten.

In den Drakensbergen zeugen viele Höhlenzeichnungen vom Leben und der Jagd der "Buschmänner", die in steinzeitlichen Verhältnissen lebten. Aus dem Inneren Afrikas rückten jedoch immer mehr schwarze Stämme vor und machten ihnen ihr Land streitig. Diese Völkerwanderung ging wahrscheinlich zurück auf die Ausbreitung der Sahara, die den Stämmen im Norden ihre Lebensgrundlage entzog und zu ständigen Kriegen und Vertreibungen der afrikanischen Stämme auf dem ganzen Kontinent führte. Zeitgleich kamen immer mehr weiße Siedler mit Schiffen übers Meer und wollten, ausgehend von Kapstadt, das scheinbar ungenutzte Land urbar machen. Die San wurden von beiden Seiten verfolgt und aufgerieben oder starben an Krankheiten wie Pocken oder Masern. Viele verdingten sich später bei weißen Farmern und vermischten sich offensichtlich. Viele Cape-Coloureds (Farbige der Kap-Provinz) tragen unzweifelhaft "Buschmann"-Gesichtszüge und holländisch-deutsche Namen. Sie sprechen Afrikaans und leben nach westlicher Art. Von den San und Khoikhoi haben nur wenige Stämme ihre nomadische Lebensweise beibehalten können. Diese findet man am ehesten im jetzigen Botswana.

Die Rivalität von Schwarz und Weiß hält dagegen bis heute an. Viele Schwarze empfinden Afrika als "ihren" Kontinent und betrachten die Weißen schlicht als Eindringlinge. Die Buren dagegen, die seit Generationen das Land bewirtschaften und immer wieder gegen ihre Vertreibung - durch die Briten oder  Zulus - gekämpft haben, betrachten sich nicht ohne Grund als Rückgrat für die Ernährung des Landes. Entsprechend erbittert reagierte Carlos, der Farm-Eigner deshalb auf Zeitungs- oder Augenzeugenberichte über die Ermordung von weißen Farmer-Familien. Ein Stück Rassismus schwang mit, als er sich abfällig über seine schwarzen Angestellten äußerte, die ihn angeblich immer freundlich anlächeln, aber womöglich in der nächsten Nacht abmurksen wollen. Leider hatten wir keine Gelegenheit, die Meinung der Gegenseite zu erfahren.

Wir unternahmen zwei wunderschöne Reittouren durch die traumhafte Landschaft. Zu Pferd nahmen einen die Wildtiere nicht als Mensch und potentiellen Jäger wahr, sondern als ihresgleichen, wodurch man sehr nah an Gnus, Antilopen und Zebras herankam. Die Farmer haben z.T. große Probleme, den Tierbestand unter Kontrolle zu halten, da es in den besiedelten Gebieten natürlich keine Raubtiere mehr gibt, die diese Rolle übernehmen. Trophäen-Jäger, v.a. aus den USA, wollen immer nur ein Exemplar jeder Gattung und die einheimischen Jäger seien zu bierselig und im Suff unberechenbar, klagte Carlos. So heuert er von Zeit zu Zeit einen Hubschrauber an und schießt ganze Herden, was zwar teuer aber viel effektiver sei, als zu Pferd auf Jagd zu gehen. Leider wollen viele auch kein Wildfleisch essen, sondern lieber Rind. Er mogelt es seinen Gästen einfach unter oder verkauft es nach Europa.

Den einen Tag ritten wir in weitem Bogen zu einem Fluss, den anderen zu einer großen, offenen Höhle, die im Winter als Unterstand für die Rinderherden genutzt wird. Hier konnte man sich auch gut vorstellen, dass Menschen ihre Feuer angezündet und Fleisch am Spieß geröstet haben. Das Land soll früher noch viel wildreicher gewesen sein. Auf dem Weg zur Höhle mußten wir über Felsen klettern, die versteinerte Reste von Dinosaurierknochen enthielten. Die Kinder waren stolz wie Bolle, dass sie ganz allein auf den großen Pferden reiten durften. Marlene berichtete hinterher, dass sie nun "Western style" reiten könne. Ich war ganz froh, dass wir alle heile geblieben waren, denn das Gelände war für Anfänger wie uns ziemlich schwierig.

Um nicht den ganzen Rückweg an einem Tag bewältigen zu müssen, fuhren wir zunächst bis zum Champagner Castle Valley. Von den Bergen war nicht viel zu sehen, denn es war grau und regnerisch geworden. Es war Nikolaustag, aber ich verschaffte mir ein wenig Zeit, indem ich den Kindern einredete, dass der Nikolaus erst in der Nacht zum 7.12. kommt. Unterdessen versuchte ich verzweifelt, irgendwo Schokoladen-Nikoläuse zu bekommen. Da mir das nicht gelang, mußte "der Nikolaus" zwei Weihnachtskarten schreiben, dass er leider krank geworden sei und bei nächster Gelegenheit vorbeikommen würde. Die Süßigkeiten, die mit in den Schuhen steckten, kamen den Kindern natürlich bekannt vor und ich gab unumwunden zu, dass ich sie selber dort hinein gesteckt habe, damit sie nicht traurig sind, nur zwei Karten vorzufinden. (Der Nikolaus kam in diesem Jahr schließlich erst am 21.12.) Als Adventskalender dienten uns in diesem Jahr übrigens zwei weihnachtlich beklebte Streichholzschachteln, die jeden Tag mit einer neuen Nascherei gefüllt waren.

Im Champagner Castle mieteten wir uns ein Chalet. Abends unterhielten wir uns lange mit den Eignern, die in Kenia aufgewachsen waren und die letzten Jahrzehnte afrikanischer Geschichte hautnah miterlebt haben. Chris' Vater, der im zweiten Weltkrieg für die britische Armee gedient hatte und nach Ende des Krieges ohne rechte Perspektive dastand, war den Empfehlungen seiner Regierung gefolgt und nach Kenia ausgewandert, das damals britische Kolonie war. Ein richtiger Farmer wurde nie aus ihm, aber er schlug sich so recht und schlecht durch. Chris kam also in Afrika zur Welt, ging zur Schule, machte eine Berufsausbildung und gründete eine Firma, die Landmaschinen vertrieb und wartete. Nach der Unabhängigkeit durften die Weißen vor Ort keine eigenen Unternehmen mehr leiten, selbst wenn sie die kenianische Staatsbürgerschaft besaßen. 51% der Anteile mußten einem Schwarzen gehören. So verließen viele das Land. Chris blieb noch eine Weile und arbeitete für eine Schweizer Firma. Später ging er nach Dubai und schließlich 1990 nach Südafrika. Aber Heimat ist und bleibt für ihn Kenia.

Welchen Luxus wir in Europa mit unseren gepflegten, kostenlosen Wanderwegen haben, spürten wir hier wieder ganz deutlich. Da alle Ländereien eingezäunt sind, kann man eigentlich nur an den Straßen entlang spazieren oder muss in die Nationalparks gehen, die aber Eintrittsgeld erheben. Den ersten Tag wanderten wir von unserem Chalet aus einen privaten Trampelpfad hinunter zum Stausee, wo wir am Ufer über Stock und Geröll kletterten. Wir beobachteten zwei schwarze Männer, die kaum handtellergroße Fische angelten, die man bei uns allenfalls seiner Katze angeboten hätte. Als wir sie fragten, ob sie sie essen würden, gaben sie uns eine schnippische Antwort. Viele Schwarze leben hier in Armut, und im Gegensatz zu den tropischen Inseln, gibt es im Winter richtig Schnee und Eis.

Ein absolutes Highlight der Region ist der Drakensberg Boys Choir. Seit einem halben Jahrhundert werden Knaben hier musikalisch auf höchstem Niveau ausgebildet. Die meisten leben im angeschlossenen Internat. Sie kommen überwiegend aus Südafrika, einige auch aus den Nachbarländern wie Botswana, Lesotho, Swasiland oder sogar von ganz fern wie den arabischen Emiraten und Bulgarien. Neben klassischer Musik und anspruchsvollen Arrangements aus Jazz und Pop, beherrschen sie ein großes Repertoir an traditionellen afrikanischen Liedern. Wir besuchten das letzte Mittwochskonzert des Jahres. Am meisten beeindruckte mich die A-Capella-Nachahmung eines Gewittergusses im afrikanischen Busch. Till war von dem Konzert so beeindruckt, dass er am liebsten sofort bei einem Knabenchor mitgemacht hätte.

Nach diesem tollen Erlebnis fuhren wir zurück nach Richards Bay. Unterwegs gewitterte es tatsächlich. Spät in der Nacht kehrten wir heim auf die Spica. Anderntags gaben wir das Mietauto ab, Lars erledigte den Papierkram für die Weiterfahrt und wir liefen noch Nachmittags aus Richtung Durban.

Nach problemloser Überfahrt kamen wir am nächsten Vormittag an. Durban ist die drittgrößte Stadt des Landes und hat einen großen indischen Bevölkerungsanteil. Die Marina befindet sich ziemlich zentral und ist umgeben von Wolkenkratzern. Ein Haufen freundliches Personal sprang herum, aber Übersicht hatte keiner. So lief ich, begleitet von einem jungen, indischen Angestellten, selber alle Stege ab, um einen freien Fleck für uns zu finden. Keine 3 Stunden später lagen wir endlich in einer Box. Wasser und Strom hatte unser Steg nicht und die Klampen waren verrostet. Wer hatte uns gesagt, die südafrikanischen Marinas wären Preis-Leistungs-mäßig die besten der Welt? Das muss zu einer anderen Zeit gewesen sein. Nicht nur die Küste ist unwirtlich. Es gibt auch keinen einzigen Hafen, der sichere Zufahrt, guten Schutz, freie Plätze für Gastlieger, gute Einkaufsmöglichkeiten und eine nette Umgebung in einem bietet.

Das Wetter war teilweise sehr schwül und wir verbrachten viel Zeit im kleinen Swimmingpool des Yacht Clubs. Zum Einkaufen zogen wir tagsüber manchmal in die Innenstadt, wo wenige alte Gebäude zwischen den modernen Hochhäuser überlebt haben. Wir waren fast die einzigen Weißen, wurden oft angebettelt, aber zum Glück nicht überfallen. Schokoladen-Nikoläuse gab es in den hiesigen Supermärkten nicht. 

Eine neue Schildbürger-Episode erlebten wir bei der Einklarierung. Zu Fuß waren wir durch die Hitze zur Immigration gelaufen. Dort wurden wir mit Papieren zum Zoll weitergeschickt, obwohl wir ja das Land gar nicht verlassen hatten. Wir störten die Herren beim Zeitungslesen. Mürrisch holte einer in Zeitlupentempo weitere Antragsfomulare hervor mit einem Haufen Fragen, die gar nicht auf uns zutrafen. Zum Glück trat in dem Moment eine Weiße herein, die regelmäßig die Papierformalitäten für Charter-Crews erledigt und erklärte den Herren, dass wir gar keinen Antrag ausfüllen bräuchten. Daraufhin stempelten sie nur unseren "Laufzettel" und schickten uns zurück zur Immigration, wo wir mit weiteren Papieren und Anweisungen versehen, entlassen wurden.

Bei nächster Gelegenheit segelten wir weiter. Da die letzten Tage SW-Wind geherrscht hatte, war das Wasser in der Hafenausfahrt schön glatt. Und ich hatte mich schon gegruselt, wie in Richards Bay gegen steile Welle auslaufen zu müssen. Zunächst hatten wir fast gar keinen Wind und mußten motorsegeln. Eine küstennahe Strömung lief gegen uns und bremste uns, bis wir den Agulhas-Strom erreichten, der bekanntlich südwest-wärts setzt. Am nächsten Tag kam wie angekündigt 30 kn starker Wind auf. Zum Glück Rückenwind.Dazu regnete es Bindfäden. Die Seefestigkeit war uns in Australien wieder abhanden gekommen und wir hingen alle schlapp rum und hofften, dass der Tag einfach vergeht, es ein wenig ruhiger wird oder man endlich ankommt. Wind und Strom sorgten allerdings für ein neues Rekord-Etmal von 183 sm, was ein gewisser Trost war.

Am nächsten Morgen hörte der Regen auf und die Sonne kam heraus. Der Wind ließ nach und drehte gegen uns. Wir verließen den Agulhas-Strom und kämpften uns in die Bucht von Port Elisabeth voran. Weiterfahren wäre einfacher gewesen, aber wir wollten ja in den Addo-Elephant-Park und hatten Kontakt zum TO-Stützpunktleiter aufgenommen, den wir besuchen wollten. Immer mehr Seevögel bevölkerten die Bucht. Eine Wolkenfront lag über dem Land und die Vögel schienen in die Gegenrichtung zu fliehen. Sollte das ein schlechtes Omen sein? Hin und wieder tauchte ums Boot ein Pinguin auf. Luft und Wasser waren merklich kühler geworden.

Es war schon dunkel, als wir in den Hafen einliefen. In der Stadt hatte es ein Feuerwerk gegeben, und ein einheimischer Segler, der extra ausgelaufen war, um es vom Wasser aus anzusehen und vor uns angelegt hatte, lotste uns in eine freie Box. Ein Unwetter hatte im Vorjahr die Marina-Stege durcheinander gewürfelt und am Grund lagen etliche Wracks, die dem Unkundigen zum Verhängnis werden konnten. An den Stegen waren die Spuren der Verwüstung noch zu sehen. Die ganze Anlage wirkte nicht sehr solide. Wir erfuhren später, dass der Yachtclub den Pachtvertrag für das Stück Hafengeländejeweils nur für ein Jahr verlängert bekommt und alle Stege innerhalb von 9 Stunden entfernbar sein müssen. Kein Wunder, dass unter diesen Bedingungen keiner investiert. Segeln ist ein Hobby der Weißen. Wir haben auf der ganzen Reise nur einen einzigen schwarzen Skipper getroffen, der aus Belgien kam. Unter der jetzigen südafrikanischen Regierung gibt es also keine Lobby für den Segelsport. In Durban hatten wir einen Segelkurs für Erwachsene beobachtet, wo auch einige Schwarze und Inder mitmachten, und uns über das Miteinander gefreut. An einigen Orten wurden Segelkurse für sozial benachteiligte Kinder aus den Slum-Gebieten angeboten, aber die Resonanz war bescheiden. Andererseits gibt es immer noch Clubs und Cafés, wo weißer Rassismus herrscht und Menschen mit dunkler Hautfarbe rausgeekelt werden.

Der Yachtclub bestand aus einem modernen Gebäude mit Restaurant und Sanitäreinrichtungen und einem winzigen Stück Wiese. Dahinter begann Hafen-Industrie-Brache. Für die Kinder gab es weder Strand, noch Spielplatz oder Auslauf. Um Internet zu bekommen oder einzukaufen, mußten wir immer ins 2 km entfernte Wohngebiet laufen. Die Boote dreckten in wenigen Tagen ein, da in Hauptwindrichtung Mangan-Erz verladen wird, was jede Menge schwarzen Staub entstehen ließ. Dafür war der Yacht-Club sehr freundlich, und die Ein- und Ausklarierungsformalitäten beschränkten sich auf einen Zettel, den man ausfüllen und in eine Holzbox tun mußte. Wir lernten den TO-Stützpunktleiter Thomas Wilm kennen, der auch ein begeisterter Modellsegelboot-Besitzer ist. Er ließ die Kinder das Boot im Hafenbecken selber steuern, wovon sie natürlich hellauf begeistert waren.

Wie geplant, besuchten wir den Addo-Elephant-Park, der seinem Namen alle Ehre macht. Zum Nachmittag fuhren wir vorsichtig an einem riesigen Elefantenbullen vorbei, der stoisch die Straße entlang trottete. Kurz darauf kam uns eine Elefantenherde entgegen, die die ganze Straßenbreite einnahm. Zwei Halbstarke rangelten miteinander und schubsten sich gegenseitig in den Busch. Mütter kümmerten sich um ihre Kinder. Zum Glück beachteten sie uns gar nicht weiter und liefen an unserem Auto einfach vorbei. Wir hätten sie vom Fenster aus mit der Hand berühren können. Wir sahen natürlich auch andere Wildtiere: Schabrackenschakale, Mangusten, Kudus etc. Leider wieder keine Löwen.

Nun war es nicht mehr weit bis Weihnachten. Einen ganzen Tag verbrachten wir mit Einkaufen. Zum Schluß hatte ich tatsächlich genug Geschenke beisammen. Bei einem deutschen Fleischer fanden wir außerdem noch Spekulatius, Dominosteine und Marzipanstollen. Ein paar Plätzchen hatten wir selber gebacken und Weihnachtskarten gebastelt.

Da Port Elizabeth so unwirtlich war und das Wetter günstig aussah, beschlossen wir weiterzusegeln. In 4 Tagen wollten wir in Simonstown, einer Marina kurz vor Kapstadt sein, wo die Kire, Huayra, Odulphus und etliche andere bekannte Segler bereits waren. Telefonisch konnten wir uns sogar ein Stegplätzchen reservieren. Die Kinder waren erst gar nicht begeistert, da uns die letzte schwere Etappe noch zu gut in Erinnerung war, aber die Aussicht, mit Karl und Arne Weihnachten zu feiern, brachte das Murren zum Verstummen.

In der Nacht zum 21.12.2010 liefen wir aus, doch der Törn verlief anders als erwartet. Nach anderthalb schönen Segeltagen drehte der Wind plötzlich gegen uns. Wir hatten seit Abfahrt keine Funkverbindung und damit keine neuen Wetterinformationen bekommen und hofften zunächst, dass die Drehung nur ein vorübergehender Effekt wäre. Auf halbem Wege zwischen Mossel Bay und Cap Agulhas kreuzten wir gegen den Wind, der immer stärker wurde. Um Schutz vor den Wellen zu haben, blieben wir möglichst tief in der Bucht, wo allerdings eine Gegenströmung herrschte und jegliches Vorwärtskommen verhinderte. Wir hofften auf das Peri-Peri-Funknetz, wo man uns nur sagte, dass sie keine Wetterinformationen für uns vorbeireitet hätten und wir uns 12 Stunden später wieder melden sollten. Wir probierten, bei vorbeifahrenden Cargos mehr Wetterinformationen zu bekommen, aber die Großschiffahrt interessiert sich nicht mehr für den Wind. Nur die Schwellhöhe konnten sie uns sagen und den aktuellen Wind. Na den kannten wir ja selber. Aber wie sind die Aussichten????

30 Stunden kämpften wir gegen den Wind. Das zweite Vorstag war wieder gebrochen, so dass wir die Fock nicht mehr dazu setzen konnten. Wir hatten weder Meilen gut gemacht noch verloren. Die Kinder mußten eine Hiobs-Botschaft nach der anderen verdauen: "Wir schaffen es nicht mehr bis zum 24.12., aber vielleicht zum 25. Dezember." "Wir schaffen es frühestens zum 26. Dezember und werden Weihnachten auf See sein." "Wir schaffen es gar nicht mehr zu Weihnachten und die Kire wird vielleicht gar nicht mehr in Simonstown, sondern schon in Hout Bay sein, wenn wir eintreffen." Am Morgen des 24. Dezember beschlossen wir aufzugeben und nach Mossel Bay zurück zu fahren. Wir hatten es den Kindern nicht gesagt, aber Till erkannte es an der veränderten Meilenzahl zum Zielpunkt. 

Mit Wind und Strömung von hinten ging es auf einmal flott voran. Kurz vor Mossel Bay kam die lang ersehnte Winddrehung, die für uns nun wieder "Gegenan" bedeutete. Aber die letzten Meilen schafften wir unter Motor. Wir baten wegen des gebrochenen Vorstags darum, im Hafenbecken liegen zu dürfen und gingen bei einem unbenutzten Fischerkahn längsseits. Die Marina hat keine Gastliegeplätze und die Langfahrtsegler müssen normalerweise draußen im Schwell ankern. Nicht das Ideal, v.a. wenn man in den Mast klettern muß. Nachdem wir auch noch Landstrom ankabeln konnten, machten wir es uns im Inneren mit Lichterkette und Weihnachtsgebäck gemütlich und packten die Geschenke aus. Till bekam ein 200-Teile Puzzle mit Afrika-Tiermotiv, das wir in den nächsten Tagen gleich mehrfach zusammenfügten. Die Kuscheltiere Hippo und Zebra fanden sofort Anschluß an die restliche Plüschi-Bande, und das im Nationalpark erstandene Buch "How zebra got his stripes" erklärte auch, warum "Zebra" schneeweiß aussah. So wurde es doch noch ein schönes Fest, auch wenn wir uns vornahmen, im nächsten Jahr Weihnachten mit allem Tamtam und Trara zu feiern, so viel die deutsche Tradition nur hergibt.

Draußen im Schwell ankerten derweil der französische Katamaran "Kea" und die hollänische Yacht "Angelique II", die später auch noch in den Hafen durfte. Ihr Weihnachten bestand in Erwachsenen-Art aus einem kleinen gemeinsamen Umtrunk.

Vielleicht war es besser, dass wir es nicht nach Simonstown geschafft hatten, denn Arne hatte sich am Vorabend einen Arm gebrochen und die Kire-Familie mußte die halbe Nacht zum 24. im Krankenhaus verbringen. 

Ein Blick auf den Wetterbericht zeigte, dass am Kap ständig Starkwind herrschte. Wir beschlossen deshalb, länger in Mossel Bay zu bleiben und uns hier für den Atlantik zu verproviantieren, wo wir die Einkaufsgelegenheiten im Gegensatz zu Simonstown fußläufig hatten. Ohnehin mußten wir erst einmal das Vorstag reparieren. Dazu fehlte uns die Isolierpaste, die wir vor Ort nicht auftreiben konnten. Ein Ausrüster in Kapstadt hatte sie jedoch vorrätig. Also mußte ein Mietwagen her. Da Ferien- und Haupturlaubszeit herrschte, waren jedoch alle ausgebucht und wir konnten erst fürs Anfang Januar einen organisieren. Damit fiel auch unser Plan ins Wasser, per Auto nach Kapstadt zu fahren, um dort mit den anderen Silvester zu feiern.

Zunächst zogen wir in den Ort. Das Hafengelände war schwer bewacht. Ein großes Gitter riegelte das Hafendock ab. Personen mußten sich durch eine enge Drehtür quetschen. Über ein Stück Straße gelangte man sowohl nach links wie auch nach rechts zu jeweils einer Auto-Schranke und weiteren Drehtür, die einen zur Stadt hin entließ. Warum wir nicht an der Schranke vorbei oder ggf. durch das geöffnete Tor schlüpfen durften, sondern immer durch die Drehtüren sollten, blieb zunächst ein Geheimnis. Das zahlreiche Personal schien sich um die Sinnhaftigkeit auch nicht weiter zu kümmern. Doch wir blieben hartnäckig, und bei der 9. Anfrage hatten wir einen Pfiffikus vor uns, der den Schleier lüftete: "Wer nicht mit seiner eigenen Karte durch die Drehtür herein kommt, den läßt die Türautomatik am Ende auch nicht wieder heraus, und umgekehrt." In unserem Fall war es also komplett sinnlos, da wir immer die Spezial-Karte vom Wächter benutzen mußten. Da das in die Köpfe der Wachhabenden aber nicht hineinpaßte, drehten wir weiter durch die Tür, ca. 300 Mal im Laufe der Zeit.

Mossel Bay ist in Europäischen Augen nicht gerade pittoresk, aber es hat einen hübschen Strand mit dem Nachbau eines Viktorianischen Kurhauses. Auf dem Weg dorthin läuft man über einen wilden Parkplatz und an ein paar Imbißbuden und mehr oder weniger provisorischen Restaurants vobei, bis man zum Yachtclub kommt, der wie vieles in Südafrika mit Stacheldraht gesichert ist. Wie schon in Australien, gehörte auch hier die Wasserfront den Autos. Der Yachtclub war sehr gastfreundlich und wurde quasi unser zweites Zuhause. Für die Kinder gab es einen kleinen Spielplatz, ein bißchen Wiese und vom Restaurant aus hatte man einen schönen Blick über die Bucht. Hier feierten wir schließlich auch Silvester, das im Wesentlichen aus einer gemeinsamen Grillparty bestand. Den einstündigen Stromausfall nahmen alle gelassen. Der gehört zum heutigen Südafrika mit dazu. Die diversen Feuerstellen gaben währenddessen Licht genug. In Südafrika grillt man offensichtlich eher auf Holzfeuer als auf Grillkohle wie bei uns, oder Gas wie in Australien.

Wir fingen das neue Jahr mit Lachsfrühstück und Kindersekt an. Gleich im Anschluss ging es zum Neujahrsempfang zu Dia und At auf die holländischen Yacht "Angelique II", die inzwischen ins Hafenbecken umgezogen war. Hier blieben wir fast bis zum Abendbrot hängen und erfuhren viel Interessantes über Schiff und Crew. At und Dia hatten von ihren Kindern ein selbstgemachtes Quartett-Spiel bekommen, das die wichtigsten Personen, Orte und Ereignisse ihres Lebens beinhaltete. Nachdem wir das Spiel einmal durch hatten, kannten wir die beiden ziemlich gut. Eine unterhaltsame Art, sich kennen zu lernen. Am Spektakulärsten war sicher der Untergang ihrer Yacht "Angelique" auf hoher See in der Karibik. Zum Glück konnten sie selber geborgen werden, und anstelle der Segelei den Rücken zu kehren, kauften sie sich gleich ein neues Schiff. Ihr Lebensmut und Optimismus halfen uns später, als wir Probleme mit der Hafenbehörde bekamen.

Mossel Bay hat ein lohnenswertes Museum, in dem u.a. ein Nachbau der Caravelle von Bartolomeu Diaz ausgestellt ist, der als erster Europäer 1488 das Kap der Guten Hoffnung gerundet hat. Auszüge aus dem Logbuch geben einen Eindruck davon, welche Kultur die Weißen vorfanden, und wie sie mit den "Buschmännern" um Wasser und Proviant verhandelten.

Am 3. Januar bekamen wir endlich ein Mietauto und fuhren Richtung Kapstadt. Die Gegend, durch die wir kamen, hatte ich noch nie bereist. Endlos dehnten sich die Hügelketten am rechten Horizont. Dazwischen lagen Felder, die jetzt im Sommer trocken und staubig wirkten. Kurz vor dem Kap bogen wir auf eine malerische Halbinsel nach Bettys Bay ab, wo eine große Pinguinkolonie lebt. Eine schweizer Touristin hatte uns diesen Geheimtipp gegeben. Tausende der Vögel hockten in der Abendsonne auf den Felsen, trockneten ihr Gefieder, schnäbelten miteinander oder jagten sich gegenseitig davon. Andere kletterten mühsam aus dem Wasser an Land. Gepflegte Stege sorgten dafür, dass die Tiere möglichst wenig gestört wurden und ungehindert zu ihren Höhlen kamen. Hin und wieder huschten kuschelige Dassies vorbei.

Das Backpacker Hostel wurde von einer Deutschen geleitet, die mit einem Südafrikaner verheiratet ist. In der ungezwungenen, wohnzimmerartigen Atmosphäre fühlten wir uns sofort wohl. Die Kinder konnten auf Matratzen bei uns im Zimmer schlafen. Leicht hat man es als Weißer und Ausländer in Südafrika offensichtlich nicht. Immer neue bürokratische Hürden werden vor einem aufgestapelt, ständig wird man für irgendetwas zur Kasse gebeten, neue Regeln erfunden, erfuhren wir. Auf die einheimischen schwarzen Arbeitskräfte war die Inhaberin nicht gut zu sprechen. Sie beschäftigt lieber Menschen aus Malawi. Die wären fleißig, freundlich und ehrlich. Noch eines ärgerte sie: Dass Positionen in Wirtschaft und Verwaltung nicht nach Kompetenz, sondern nach Rassen-Quoten vergeben werden. Auf eine vakante Chirurgie-Chefarzt-Position des Krankenhauses hätten sich etliche Weiße und Inder beworben. Es sollte aber unbedingt ein Schwarzer sein, und so blieb die Stelle unbesetzt und mußten die Patienten für OPs in ein anderes Krankenhaus gebracht werden oder wurden auf Wartelisten gesetzt. Viele gut qualifizierte Weiße finden keine Jobs, da sie die falsche Hautfarbe haben, obwohl es allethalben an Fachkräften mangelt.

Ähnlich frustriert äußerte sich ein Farbiger in Mossel Bay, der zur Besatzung des Schleppers gehörte, neben dem wir festgemacht hatten. Früher waren sie Menschen zweiter Klasse, da sie nicht weiß genug waren, hätten aber immerhin eine gute Ausbildung bekommen und Jobs entsprechend ihrer Qualifikation ausgeübt. Jetzt waren sie nicht schwarz genug und ihre holländisch-deutschen Nachnamen werden ihnen zum Verhängnis. Nicht selten werden "von oben" irgendwelche neuen "Chefs" eingestellt, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, den Mitarbeitern alles Wissen abpressen und sie nach einem halben Jahr entlassen und ihre Position ausfüllen.

Inzwischen gibt es zum Teil desolate Zustände im Trink- und Abwasserbereich, der Stromversorgung etc. Das behindert auch die Wirtschaft. Für Millionen wurde z.B. ein Hafen ausgebaut, wo Eisenerz weiterverarbeitet werden sollte, doch die ausländischen Investoren zogen ihre Pläne zurück, weil ihnen keine ausfallfreie Stromversorgung zugesichert werden konnte. In Johannisburg droht die Vergiftung der Trinkwasser-Reserven, da das Grundwasser aus stillgelegten Bergwerksstollen nicht mehr abgepumpt und entgiftet wird.

Das düstere Bild mag überzeichnet sein. Große Skandale verkaufen sich bekanntlich besser als leise Erfolgsgeschichten. Manches im Land liefe besser als erwartet, erzählte uns eine südafrikanische Familie in Hout Bay. Immer mehr gebildete, junge Schwarze wären die Korruption und Vetternwirtschaft leid. Man darf gespannt sein, was die Zukunft bringt!

Am nächsten Morgen waren wir mit unseren "Kire"-Freunden am Tafelberg verabredet. Es war der erste schöne Tag nach 2 Wochen Sturm, Kälte und Regen. Als wir eintrafen quoll die kleine Bergstraße über vor Autos und Menschen. Über zwei Stunden hätten wir in der glühenden Hitze auf eine Gondel warten müssen. Einen eigentlichen Parkplatz gab es nicht. Die Autos parkten in endloser Schlange am Straßenrand. Wir fuhren wie die meisten erst einmal hoch und an der Seilbahn vorbei, bis wir eine Stelle zum Wenden fanden, und durch das Chaos wieder zurück. Am Fuße des Berges hielten wir an einer kleinen Touristeninformation, die über die Seilbahn aber keinerlei Auskunft geben konnte. Sie wußte noch nicht einmal den Straßennamen ihres Standortes als ein Service-Techniker vom Abschleppdienst verzweifelt nach der Tafelberg Road fragte, wo er einem liegengebliebenen LKW helfen sollte. Lars konnte einspringen, da wir gerade an selbigem vorbeigefahren waren.

Wir fuhren an diesem Tag nicht mehr zum Tafelberg hoch, sondern stattdessen zum gegenüber liegenden Signal Hill. Nach einem kurzen Abstecher zum Schiffsausrüster, der natürlich die CO2-Patrone für Lars Rettungsweste entgegen seinem Versprechen nicht besorgt, zum Glück aber wenigstens die Isolierpaste für unser Vorstag vorrätig hatte, fuhren wir nach Hout Bay, wo die SY Kire inzwischen lag. Der Ort liegt in einer idyllischen Bucht, dicke Seehunde tummelten sich auf den Stegen und am Strand. Sie waren an Menschen gewöhnt und führten z.T. kleine Kunststücke vor. Bunte Fischerkähne lagen in 4er-Päckchen am Kai. Die Marina hatte sich bereits etwas geleert. Die Yachten waren wie Spinnen in den Boxen vertäut. Bei Sturm biegen sich hier die Stege und heben 45° ab, so dass man selbst als Erwachsener Schwierigkeiten hat, zu seinem Boot zu kommen. Die Segelyacht Quver lag verwaist und unversehrt am Steg. (Unsere Freunde John und Freda weilten für 3 Monate in Europa.) Wir genossen es, wieder mit unseren Freunden zusammen zu sein. In einer kleinen Pension hatten wir vor Ort doch noch ein Zimmerchen gefunden und einen bezahlbaren Preis ausgehandelt. So mußten wir abends nicht mehr ins Auto steigen. Das Tankwasser auf der "Kire" war bei der Hitze eine angenehme Erfrischung. Es wirkte wie aus dem Kühlschrank, da die Tanks unterhalb der Wasserlinie liegen und das umgebende Meerwasser hier nur 11° hat. Wir gingen an den Strand, Paul bekochte uns lecker und wir schwatzten, bis die Kinder ins Bett mußten.

Die Nacht war irre heiß, da die ganze Zeit ein warmer Wind von den Bergen wehte. Wir taten kaum ein Auge zu. Am nächsten Morgen fuhren wir beizeiten zum Tafelberg. Wer nicht Schlange stehen will, bucht die Tickets für die Kabel-Bahn besser im Internet. Oben war es wunderschön. Wir frühstückten mit allem, was der Rucksack hergab und genossen die Aussicht. Während ich Panorama und Blumenpracht knippste, waren die Kinder schon auf und davon. Bald verlor sich auch der Weg im felsigen Gelände. Erst an der oberen Gondel-Station trafen wir uns alle wieder.

Unten angekommen hieß es leider schon wieder Abschied nehmen. Zurück Richtung Mossel Bay nahmen wir diesmal den Weg durchs Landesinnere, die sogenannte Scenic-Route, die ihrem Namen alle Ehre machte. Man konnte sich die "Voortrekker" bildlich vorstellen, wie sie mit ihren Planwagen durch die Schluchten und Täler zogen. Ein Museum in einem Örtchen am Weg zeigte ein paar Einrichtungsgegenstände aus der Anfangszeit der Siedler sowie ein paar Fotos und Kunstgegenstände aus der Kultur der Xhosa, die hier ansässig waren. Die fülligen, schwarzen Damen, die das Eintrittsgeld kassierten, sprachen leider kaum Englisch und konnten uns keine weiteren Erklärungen geben. Zur Nacht fanden wir ein Zimmer in einer Biker-Herberge, wo wir die einzigen Gäste waren. Hier öffneten wir auch das Weihnachtspäckchen der Großeltern, das wir im Hout Bay Yacht Club abgeholt hatten.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Oudshoorn, der Stadt mit den legendären Straußenfarmen. Einige haben sich inzwischen ein zweites Standbein mit dem Tourismus aufgebaut und bieten Gruppenführungen an. Wir lernen hier etliches über Aufzucht, Verhalten und Nutzung dieser stolzen Vögel. Den Kindern machte es am meisten Spaß, die Tiere zu füttern. Sie sammelten dafür fleißig Maiskörner vom Boden auf. Sich aus der Hand fressen zu lassen erforderte einigen Mut, obwohl Straußenschnäbel nicht spitz sind und es auf der Handfläche lediglich krabbelte, wenn sie die Körner runterklaubten. Die Eier sind so robust, dass die Kinder sogar darauf stehen konnten, ohne dass sie zerbrachen. Normalerweise lassen die Straußeneltern das natürlich nicht zu und verteidigen ihr Gelege. Auf Straußen läßt es sich auch reiten. Die Rennstrecke war allerdings sehr kurz und der gerühmte Wettlauf wenig beeindruckend. Die Kinder durften auch Mal auf den Rücken klettern. Dazu wurde der Vogel in eine entsprechende Box gesperrt. "Sack über den Kopf - und schon ist klar, wer der Herr ist." Es gab auch eine Art Streitwagen mit speziellem Geschirr für 6 Strauße. Der war wohl mehr zum Gag da, denn bewährt haben sich Strauße als Zugtiere nicht.

Spät abends kamen wir zurück zum Schiff. Da wir das Mietauto noch einen Tag hatten, unternahmen wir von Mossel Bay aus einen Tagesausflug nach Knysna und in einen privaten Wildtierpark, in dem wir nun endlich Löwen sehen wollten. Über die Gegend von Knysna und seine inzwischen ausgestorbenen Waldelefanten gibt es das bekannte Buch von Dalene Matthee "Circles in a forest", das in Südafrika zur Schul-Pflichtlektüre gehört. Es handelt von armen, weißen Holzfäller-Familien, die im Knysna-Wald lebten und von skrupellosen Holzhändlern ausgebeutet wurden, der ewigen Schuldenfalle, für die das Elfenbein der Elefanten herhalten mußte und dem kurzen Goldrausch, der innerhalb weniger Jahre zu Kahlschlag und dem Ausrotten der Elefanten geführt hat. Die fiktive Geschichte beruht auf wahren Tatsachen und ist eine Liebeserklärung an die Natur und die Intelligenz der grauen Riesen.

Nun sahen wir die berühmt-berüchtigten Knysna-Heads, die die Einfahrt zur Lagune "bewachen". Unter der Wasseroberfläche versteckte Felsen und tückische Brecher sind hier schon manchem Schiff zum Verhängnis geworden. Für südafrikanische Verhältnisse ist Knysna recht hübsch. Viele nette kleine Läden sind fußläufig zu erreichen. Die Lagune hat durch die zunehmende Bebauung etwas an Charme eingebüßt. Die Flachstellen sind kaum markiert, ebensowenig die unter Wasser liegenden Felsen in der Einfahrt, die man oben von der Felskante aus gut erkennen kann. Es bleibt also riskant, hier einzulaufen und wir bereuten es nicht, daran vorbei gesegelt zu sein.

Die private Game-Lodge war früher Mal Farmgelände, was noch unschwer an der Landschaft zu erkennen war. Die Löwen liefen auch nicht frei herum, sondern waren in einem elektrisch eingezäunten Gehege untergebracht und wurden gefüttert. Das wahre Löwen-in-der-Wildnis-Erlebnis war es also nicht. (At und Dia hatten da die bessere Wahl getroffen mit dem Schotia-Game-Reserve unweit des Addo-Elephant-Parks. Wer in den großen Nationalparks kein Glück mit der Löwenpirsch hatte, der kann sie hier mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit und trotzdem frei lebend antreffen.) Da es eine geführte Jeep-Tour war, lernten wir jedoch allerhand Neues, z.B. wie der Wasserbock zu seiner auffälligen Zeichnung am Hinterteil kam. Als der Wasserbock nämlich auf die Arche Noah kam, hatte Noah gerade die Klobrille weiß gestrichen und allen Tieren gesagt, sie sollten warten, bis sie getrocknet sei. Der Wasserbock hat nicht darauf gehört und muß seither mit einem weißen Ring auf seinem Fell herumlaufen. Wasserböcke werde ich fortan immer daran erkennen. Ihr Name geht übrigens darauf zurück, dass sie sich bei Gefahr ins flache Wasser retten, das nicht das bevorzugte Jagdrevier für Raubkatzen ist. Ihr Fleisch soll im Übrigen tranig schmecken, weshalb weder Mensch noch Tier besonders an dieser Beute interessiert sind.
Endlich lernte ich auch Impalas und Springböcke unterscheiden, die ich bisher immer verwechselt habe. Wieder muß ich sie dafür von hinten sehen. Die Impalas haben einen Werbevertrag mit MacDonald und tragen das "m" am Po. So einfach ist das. Der Springbock ist übrigens das Wappentier Südafrikas.

Die folgenden Tage putzten und räumten wir im Inneren der Spica, um gute Innen-Fotos fürs Internet zu bekommen. Wir wollten unser Schiff jetzt schon zum Verkauf anbieten, um möglichst bald nach unserer Rückkehr einen Käufer zu finden und uns weitere Kosten und Instandhaltungsaufwand zu ersparen. Denn dass wir die Spica nicht behalten können, stand schon vor Beginn der Reise fest. Abendelang tüftelten wir den Text aus, erstellten Inventarlisten mit genauen Gerätebezeichnungen, recherchierten Kosten und Zeiträume für die gängigen Internet-Verkaufsplattformen, verglichen Preise für ähnliche Segelyachten...

Lars machte sich auf die Suche nach einer großen Nietenzange, um das Vorstag wieder zu befestigen. Als er es schon aufgegeben und eine im Laden gekauft hatte, bekamen wir von der Schlepperbesatzung doch noch überraschend eine geborgt. Die gekaufte konnten wir zum Glück wieder zurückgeben. Als auch diese Aufgabe erledigt war, stand unserer Weiterfahrt nichts mehr im Weg. Wir hatten Wäsche gewaschen, Vorräte eingekauft, die Wassertanks aufgefüllt, die wichtigsten E-Mails und Internet-Dinge erledigt.

In diesen letzten Tagen in Mossel Bay machten wir uns große finanzielle Sorgen wegen des anfallenden Hafengeldes. Als wir um Aufnahme in den Hafen gebeten hatten, war lediglich von Kosten für Strom und Wasser die Rede gewesen, was bei unserem moderaten Bedarf ja kein Vermögen kosten konnte. Eine deutsche Yacht, die keine 24 Stunden hier gelegen hatte, mußte aber umgerechnet 50 € berappen (mehr als das 6-fache von Richards Bay, und das für einen muchtigen Industriehafen statt Marina). Hochgerechnet auf die 23 Tage, die wir insgesamt da waren, wäre das ja eine Summe von über 1000 €, zwei Drittel unseres Monatsbudgets! Wir teilten unsere Sorgen mit der SY Angelique II, die ja ähnlich lange im Hafen gelegen hatte. Wir zogen in Erwägung, in einer Nacht- und Nebel-Aktion einfach zu verschwinden. Da aber ungewiß war, wie gut die Häfen untereinander vernetzt waren und wir ja auch noch ausklarieren mußten, ließen wir diese Variante lieber fallen. Schließlich handelten wir in letzter Minute mit dem silber-blickigen Buchhalter des Hafenkontors. Durch und durch Beamtenseele rechnete er uns die verschiedenen Posten aus Hafengeld, Docknutzung, Bojen- und Leuchtfeuergebühr, Tagesmindestpauschale für Strom und Wasser etc. vor. Wir hielten reale Kosten für Strom und Wasser und vergleichbare Marina-Kosten dagegen. Er wand und krümmte sich ebenso wie wir, räumte hier und da einen Discount ein oder erließ uns unter irgendwelchen Vorwänden gewisse Summen, um unseren Fall sauber in seine Bücher zu bringen. Dass man nie wußte, mit welchem Auge er uns ansah, war auch nicht gerade eine Hilfe zum Abschätzen der Situation, und gespannt warteten wir auf das Endergebnis all seiner Berechnungen. Als er schließlich auf umgerechnet 60€ kam, atmeten wir erleichtert auf. Das war ja geradezu ein Schnäppchen. So gerne haben wir wohl noch nie eine Rechnung beglichen. Gemeinsam mit "Angelique II" liefen wir in der Nacht zum 17. Januar 2011 aus Richtung Kapstadt. Wir sollten unsere Freunde bis zum Ende der Reise leider nicht mehr wiedersehen.

Diesmal hielt sich der Wind an die vorhergesagten Werte. Es war sonnig und dümpelig. Statt Delfinen spielten Seehunde in den Wellen und vollführten dolle Sprünge. Es war zu putzig, wie sie mit ihren Stummelöhrchen und Schnurrbarthaaren aus dem Wasser guckten und uns hinterher starrten. Da wir nicht vorgeschlafen hatten und der lange Schwell uns seekrank machte, hingen wir den ersten Segeltag überwiegend in den Kojen ab. Um Mitternacht rundeten wir das Kap Aghulas und erreichten damit den südlichsten Punkt unserer Segelreise. Bei Sonnenaufgang war der Wind fast eingeschlafen. Wir motorten durch die Flaute und rundeten bei schönster Nachmittagssonne das Kap der Guten Hoffnung. Das Wasser war inzwischen sehr kalt geworden und mit nachlassender Sonneneinstrahlung wurde es recht kühl und auch etwas neblig. Am liebsten wären wir ja gleich nach Namibia weitergefahren, aber es war uns nicht gelungen, in Mossel Bay auszuklarieren. Auch im nördlicher gelegenen Saldhana Bay kann man auch nicht ausklarieren, sondern muß für den Papierkram nach Kapstadt fahren. So mußten wir notgedrungen das gute Wetterfenster verstreichen lassen und noch einmal am windigen Kap anhalten. Bei Vollmond liefen wir in die Hout Bay ein. Die Marina kannten wir ja durch unseren letzten Besuch. Freie Plätze gab es zur Genüge, denn die ARC war inzwischen weitergezogen.

Allan, der Chef der Hout Bay Marina war Engländer und hatte seinen Laden im Griff. Es war die erste Marina in Südafrika, wo wir nicht das Gefühl hatten, dass das Personal seinen Lohn hauptsächlich fürs Herumsitzen bezieht. Leider ist der Hafen recht ungeschützt. Seit Jahren kämpft Allan darum, den Fischersteg zur massiven Mauer umbauen zu lassen, denn bei Südost-Sturm bauen sich ziemliche Wellen im Hafenbecken auf. Bei starkem Südwestwind, wie wir ihn erlebten, flog die Gischt nur so über die Mole und bedeckte alle Yachten mit einer dicken Salzkruste.

Wir mußten, wie gesagt, noch ausklarieren und fuhren mit Taxi in die Innenstadt. Die Ortsangabe war nicht sehr präzise, und so landeten wir erstmal im falschen Gebäude, wo wir uns in die Schlange der Wartenden einreihen mußten. Ohne Antragsformular liefe gar nichts, hieß es. Durch beharrliches Nachfragen erfuhr ich jedoch nach nicht allzu langer Zeit, dass wir hier völlig falsch seien und wurde in den richtigen Aufgang geschickt. Auch dort wurde unsere Geduld wieder auf eine harte Probe gestellt. Der füllige Beamte erwies uns schließlich die Gnade, unser Anliegen zu bearbeiten. Nach hartem Kampf mit dem Computer waren unsere Pässe irgendwann ausgescannt und alle notwendigen Papierchen beschrieben. Anderen ergeht es viel schlimmer. Zum Teil mußten sie sich wilde Schimpftiraden gefallen lassen und mehrfach antanzen. Allan hatte uns davor gewarnt. Der Zoll saß in einem anderen Gebäude, stellte sinnlose Fragen und ließ uns natürlich auch wieder auf "den richtigen" Mitarbeiter warten, während die anderen Däumchen drehten. Nun sollten wir innerhalb von 24h das Land verlassen, aber das Wetterfenster schloß sich gerade und eine Starkwindphase stand bevor. So blieben wir noch ein paar Tage illegal im Land und hofften, dass der Zoll nicht gerade in der Marina aufkreuzen würde bzw. wir uns irgendwie rausreden könnten.

Im Yachtclub-Gebäude frönten wir unserem neuen Hobby, dem Billiardspiel. Till konnte bald recht geschickt mit dem Queue umgehen und mit etwas Glück versenkte auch Marlene die ein oder andere Kugel. Till schloß Freundschaft mit dem 14jährigen Michael, der mit seinen Eltern und seiner Schwester auf ihrer Segelyacht "Baltic Sun" bald auf große Fahrt gehen wollte. Mutter Ingrid berichtete von dem Überlebenswillen und der Kreativität mancher Jugendlicher aus den Slum-Gebieten, die sie im Rahmen von Sozialprojekten unterstützt hat. Bessere Freunde könne sie sich für ihren Sohn nicht vorstellen. So überrascht es auch nicht, dass Michael ausgerechnet Suaheli als 2. Fremdsprache lernen will.

Während im Hafen Sturmböen von 50kn durchziehen und die Gischt die Luft salzig vernebelt, fahren wir mit Ingrids Familie in die Innenstadt, besuchen ihr Lieblingsrestaurant und lassen uns beim Spaziergang vorbei am Parlamentsgebäude über südafrikanische Politik und Geschichte erzählen.

Ich machte die namibische Gastlandflagge fertig. In bewährter Art malte ich sie mit Textilfarbe auf die von Omi Elfi geschneiderte weiße Fahne. Wenn man sich überlegt, dass jede Flagge im Laden um die 20€ und mehr kostet (wenn man sie überhaupt bekommt), ist das eine preiswerte und vor allem auch flexible Alternative, falls die Route geändert wird. Lars verwöhnte das Getriebe mit neuem Öl. Dabei löste sich der Einfüllstutzen und verschwand samt Drahtbefestigung im Gehäuse. Mist! Nach einer halben Stunde Popelei hatte Lars sie endlich wieder herausgefischt. Die Erleichterung darüber könnt ihr Euch sicher vorstellen.

Nach 5 Tagen ließ der Wind endlich nach. Wir nahmen Abschied von unseren neuen Freunden und Südafrika und liefen am 24. Januar 2011 gegen Mittag aus der Hout Bay aus. Im Hafen hatte sich kein Lüftchen geregt, aber als wir um die Felsnase herum waren, legte der Wind auf 30 kn zu. Zum Glück kamen Wind und Welle von hinten. Seekrank wurde diesmal niemand, vielleicht weil es im Hafen so kabbelig gewesen war. So gab es am Losfahrtag sogar mal Bratwürstchen.

Ringsherum herrschte reger Cargo-Verkehr. Langsam verschwanden Kapstadt und der Tafelberg achteraus. Im Wasser schwamm viel Kelp. Manchmal waren es regelrechte "Baumstämme", die gegen den Schiffsrumpf donnerten. Wenn man genau hinschaute, entdeckte man regelmäßig eine Seehundflosse oder eine neugierige Schnauze, die hinter den Blättern auftauchte. Ob die Robben die pflanzlichen Flöße als Tarnung oder als Schwimmhilfe benutzten?

Der Kapwind ließ bald nach und was wir anfangs zu viel hatten an Wind, das fehlte uns später. So mußte wieder der Flautenschieber ran. Ich liebe die Farbspiele auf dem Wasser, wenn die Oberfläche so glatt ist. Nur das Gebrumm nervt auf Dauer. Irgendwann begann auch noch der Autopilot zu spinnen. Am Kap Agulhas hatte er das schon mal kurz getan. Beim Studieren des Handbuches lernten wir, dass man eigentlich etwas umstellen muß, wenn man von der Nord- auf die Südhalbkugel wechselt. Aber wir waren doch nun schon so lange auf südlicher Breite unterwegs, dass das nicht die Erklärung sein konnte. Nach einer von Hand gesteuerten Nacht waren wir redlich müde. Nachdem Lars diverse Spannungen nachgemessen  und alle Kontakte nachgezogen hatte, gab sich das Problem zum Glück von selbst. Irgendwann konnten wir auch wieder segeln. Von der Küste sahen wir nichts. Zum Teil war es recht neblig.

So zogen die Tage dahin. Irgendwann begann sich ein Rhythmus abzuzeichnen: morgens Flaute, im Laufe des Tages aufkommender Wind, der zur Nacht wieder abebbte. Till war inzwischen zu einer richtigen Leseratte geworden. Hundert Seiten las er locker an 2 Nachmittagen durch. Notgedrungen griff auch Marlene öfter allein zum Buch und kämpfte sich durch den "Zauberer der Smaragdenstadt".

Wir Großen genossen die gewonnene Zeit in der Nachmittagssonne. Was haben wir nicht alles ausgetüftelt und erfunden: den perfekten Wecker, das vorausfahrende Echolot und eine Kamera im Mast für die Fahrt durch Korallenriffe, die perfekte Innenaufteilung einer kleinen Fahrtensegelyacht. Wir reformierten im Gespräch das deutsche Gesundheits-, Sozial- und Steuersystem, debattierten übers Bildungswesen. Lars baute seine Idee von der Globetrotterkneipe weiter aus, Luise erfand für ihre zukünftigen Patienten einen Aufklärungs-Trickfilm über den Patho-Mechanismus des Diabetes. Wir entwickelten Konzepte zur Umnutzung alter Fischerkähne, entwarfen unser Zuhause "in-spe" und so weiter...

Abends guckten wir mit den Kindern zusammen Sternenhimmel. Da fast Neumond herrschte, waren die Nächte rabenschwarz, wodurch das Fluoreszieren des Planktons besonders eindrucksvoll wurde. Noch war das Wasser ringsherum recht kühl und wir zogen uns nachts lieber in den Schiffsbauch zurück.

Tagsüber bevölkerten Vögel die Meeresoberfläche. Am letzten Tag trieb ein komisches, weißes Etwas an uns vorbei. Ein abgetriebenes Dingi oder Fender, dachte ich erst. Irgendwie rund. Oder etwa eine aufgedunsene Leiche? Das erzählte ich den Kindern lieber nicht. In Walfishbay erfuhren wir später, dass es sich wohl um einen Mondfisch gehandelt haben mußte.

Am Nachmittag des 7. Tages liefen wir wohlbehalten in Walfishbay, dem größten Hafen des südlichen Afrikas ein. Walfische sahen wir nicht. (Auch hier waren wir nicht zur richtigen Saison da.) Dafür Delfine, Seehunde und jede Menge Seevögel.

Namibia

Die Küste Namibias besteht aus reiner Wüstenlandschaft. Skelettküste nannten die frühen Seefahrer den Abschnitt nördlich von Svakopmund, denn wer hier strandete, hatte keine Chance zu überleben. Schiffswracks liegen z.T. weithin sichtbar am Strand. Südlich von Walfishbay befinden sich die berühmten Dünen von Sossusvlei. Einen weiteren Hafen gibt es in Namibia: Lüderitz. Der gleichnamige Kaufmann aus Bremen hatte in der Hoffnung auf Bodenschätze den ansässigen Orlam den Großteil ihrer Stammesgebiete abgeschwindelt. Diamanten wurden aber erst 20 Jahre später gefunden. Ähnlich wie beim Goldrausch entstand dort "über Nacht" eine mondäne Stadt, in der Champagner in Strömen floß, die luxuriösesten Villen gebaut wurden und Prostituierte in Edelsteinen bezahlt wurden. Kurze Zeit später war der Boom vorbei und Kolmannskuppe kann heute als Geisterstadt gegen Eintritt besichtigt werden.

Wir hatten beschlossen, nicht in Lüderitz anzuhalten, sondern direkt nach Walfishbay zu segeln, da es den besseren Ausgangspunkt für die Erkundung des Landesinneren bot. Auf Google-Maps sah die Stadt selber recht trostlos aus. Die Realität war diesmal deutlich angenehmer als erwartet. Man lag sicher an einer kostenlosen Mooring und konnte unkompliziert beim Yachtclub an Land kommen und duschen. Die großen Cargos waren weit genug entfernt und stellten keine Belästigung dar. Dagegen hatte man seine helle Freude an der Tierwelt im und über'm Wasser. Seehunde tummelten sich und waren regelmäßig bei den Ausflugskatamaranen zu Gast. Wahrscheinlich wurden sie dort extra gefüttert und stellten bereits einen Teil des Touristenprogrammes dar. Vogelschwärme flogen besonders kurz vor Abend dicht über dem Wasser lang. Sturmmöwen ließen sich senkrecht in die Fluten fallen und kamen mit kleinen Fischen im Schnabel wieder hoch. Am schönsten waren jedoch die gelbschnäbeligen Pelikane, wenn sie im Abendrot in langen Reihen über die Boote schwebten.

Frühmorgens, wenn der Wind noch schwach war, segelte regelmäßig ein älterer Herr auf seiner Jolle durch das Ankerfeld. Er kam sogar noch vorwärts, wenn die Wasserfläche glatt wie ein Löschteich um einen lag. Wir nannten ihn den "Flautensegler".

Die Stadt selber wirkte eher langweilig. Immerhin konnte man prima Rad fahren, da das Gelände total flach und die Straßen breit und verkehrsarm waren. Es gab verschiedene Supermärkte mit einem breiten Angebot und Preisen, die entgegen anderslautender Berichte nicht höher als in Südafrika waren. Das Sortiment war ähnlich dem des Nachbarlandes. Gelegentlich mogelte sich das ein oder andere deutsche Produkt dazwischen wie Apfelmus oder Zuckerrübensirup.

Ehe wir am ersten Tag unser Dingi aufgebaut, an Land gerudert, mit anderen Fahrtenseglern geschwatzt, eine Dusche genommen und per Taxi in die Stadt gefahren waren, war es bereits 5 vor Eins. Vor dem Schalter der Immigration stand eine lange Schlange und 13 Uhr sollte er geschlossen werden. Wir verschoben das Einklarieren deshalb auf später. Eine Anzeigentafel teilte mit, dass Visa 39 Euro pro Person kosten sollten. Mal 4 macht das schlappe 156€. Wer weiß eigentlich, dass wir überhaupt im Land sind? Und wen interessiert das? Später erfuhren wir, dass wir als EU-Bürger kein Visum bräuchten und man sich auch nicht bei der Schlange anstellen muß, sondern gleich in den dahinter liegenden Flur weitergehen darf. So kamen wir schließlich doch noch zu einem weiteren Stempel im Paß. Der Beamte, der für die Einklarierung zuständig war, saß Zeitung lesend in seinem Sessel, als wir zaghaft durch die offene Tür in sein Zimmer traten. Ein bißchen space-ig sahen wir aus mit unseren 4 Fahrradhelmen auf den Köpfen. Nachdem wir unser Anliegen vorgetragen hatten, zeigte er müde auf einen Stapel Pappkartons im Hintergrund des Zimmers. Wir sollten uns die passenden Antragsformulare dort herausnehmen. Bei so viel Gelassenheit ließen wir spaßeshalber die Kinder ihre Formulare selbst ausfüllen; das kann man nicht früh genug lernen bei dem Anschwellen der Bürokratie rund um den Globus. Aus Deutschland kämen wir also, hm. Ob Till denn Ingenieur werden wolle? Leider hatte Till das Klischee des "ordentlichen" deutschen Berufes noch nicht verinnerlicht und sagte, dass er lieber Bäcker oder Reitlehrer werden möchte. Und Marlene - ob sie Ärztin werden will? Uns Große fragte der Beamte nicht. Ob er geahnt hat, dass er mit diesen beiden Berufen glatt ins Schwarze getroffen hätte?

Unweit der Behörden befand sich eine Seefahrer-Mission. Wir fühlten uns von dem Spruch "seafarers welcome" eingeladen und waren neugierig, was sich wohl dahinter verbergen mochte. Es war ein großzügiges Gebäude mit diversen Aufenthaltsräumen, preiswerter Bar, einem kleinen Swimmingpool, Internet und kleinem Souvenirverkauf. Seeleute, die an- oder abmustern oder einfach mal der Enge ihres Schiffes entkommen wollen, können sich hier ein Zimmer nehmen. In der Zeitschriftenecke fanden wir diverse Spiegel-Ausgaben. Es gab auch Bücher in verschiedensten Sprachen zum Tausch. Es müssen wohl viele Russen unterwegs sein, denn an der Tiefkühltruhe stand eigens ein Pappschild: "МОРОЖЕНОЕ". Das Personal war sehr freundlich und hilfsbereit. Unter anderem konnten wir hier preiswert ins Ausland telefonieren, ein Fax empfangen und ein Einheimischer ging mit Lars auf Ersatzteilsuche für unser Ruderstangengelenk, das immer wieder mal knirschte. Die Mission wurde fast unser zweites Zuhause in Walfishbay.

Unterdessen hatten wir übers Internet ein Mietauto gebucht, um das Land zu bereisen. Der erste Ausflug führte uns nach Svakopmund, der nächstgelegenen Küstenstadt, die stark deutsch geprägt ist. Hier fanden wir deutsche Kinderbücher und CDs, aßen Kartoffelpuffer mit Apfelmus und wurden in der Touristeninformation von einer Namibia-Deutschen beraten, die den ganzen Laden allein schmiß. Auf dem Spielplatz sprachen die Kinder zu Tills und Marlenes Erstaunen deutsch.
Zum Abend waren wir mit meinem Kommilitonen und Freund Gunar verabredet, der in Begleitung von 4 Professoren der Uni Lübeck und des Forschungszentrums Borstel nach Namibia gereist war, um eine Uni-Partnerschaft aufzubauen. Sie waren wohl ebenso neugierig auf uns wie wir auf sie. Die Kinder sprudelten nur so los über ihre Reise-Erlebnisse und waren stolz wie Bolle. Die "Zauber"-Bleistifte der Uni Lübeck, die sie geschenkt bekamen, wurden fortan heilig gehalten, denn sie sollten ja erst während des Studiums benutzt werden. Anderntags kamen sie uns in Walfishbay auf der Spica besuchen. Die Zeit verging wie im Flug und eigentlich wollten wir alle noch auf Reisen gehen: Gunar und co nach Sossusvlei zu den Riesendünen - eine Strecke, die während der Regenzeit, die gerade herrschte nur mit Jeep passierbar war. Wir dagegen wollten Richtung Norden - zunächst bis zum Brandberg. So trennten sich nachmittags unsere Wege.

Wir fuhren zunächst an der Küste entlang, wo sich endlos die Wüste dehnte. Als wir später vom Meer weg Richtung Inland fuhren, änderte sich ganz langsam die Vegetation. Erst tauchte hier ein Grasbüschel auf, dann dort ein Strauch, und irgendwann war aus der endlosen Sandwüste eine grün angehauchte Trockensavanne geworden. Die Wüste, muß ich zugeben, machte mir Angst. Was, wenn hier der Motor versagte und man liegenblieb? Wir waren auf einer absoluten Nebenstrecke unterwegs und mutterseelenallein.

Als wir die erste Ortschaft erreichten, hatte es begonnen zu regnen. Die Dunkelheit war hereingebrochen und wir hatten keinerlei Lust zum Zelten. Zum Glück fanden wir ein Zimmer in einer Pension, wo wir noch 2 Matratzen für die Kinder mit auf die Erde legen konnten. Wir durften sogar die Restaurant-Küche benutzen, um unser Abendessen zu kochen, denn wir hatten uns ja auf Selbstverpflegung eingestellt.

Am nächsten Morgen fuhren wir zum Brandberg. Die Landschaft war einfach gigantisch in ihrer Weite. Kaum ein Auto fuhr auf der unbefestigten Straße, die sich durch die breiten Täler wand. Grau-rot ragten die Bergmassive aus der Steppe. Zu den berühmten Felsmalereien der "White Lady" wanderten wir allerdings nicht, da ein dunkle Regenfront im Anmarsch war. Stattdessen ging es weiter nach Twyvelfontain, der einzigen Weltkulturerbe-Stätte Namibias mit Felsmalereien und Steingravuren. Die Stoßdämpfer unseres Autos waren völlig hinüber und die Fahrerei auf den Waschbrettstraßen eine Tortur. Jetzt begriffen wir, warum die Mietautos in Namibia so viel teurer waren als in Südafrika. Bei dem Gerüttel können die Autos ja nicht alt werden. Wir hatten im Vorfeld versucht, uns ein Bild über die Straßenverhältnisse Namibias zu machen und ganz unterschiedliche Antworten bekommen. Die einen meinten, die Straßen seien ähnlich zivilisiert wie in Europa und man könne auf den Landstraßen locker 100 km/h fahren. Die anderen hatten eine Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h angegeben. So widersprüchlich das klang, hatten doch beide recht, denn die eine Äußerung bezog sich offensichtlich auf geteerte Straßen, die andere dagegen auf Gravel Road. Durch die vielen Flußbetten, die zu queren (und zum Glück überwiegend trocken waren) betrug unsere Durchschnittsgeschwindigkeit ca. 30 km/h.

Am späten Nachmittag stießen wir auf einen fließenden Strom, an dem es nicht mehr weiter ging. Man solle einen Umweg fahren und dafür den weißen Markierungen folgen, besagte ein Schild. Zum Glück kamen gerade Einheimische, denen wir hinterher fahren konnten. Da Twyvelfontain diesseits des Flusses lag, gelangten wir schließlich doch noch hin.

Wir waren spät dran und die einzigen Gäste. Ein Dutzend Schwarze vom Stamm der Damara spielte im Schatten des modern angelegten Eingangsbereichs "Mensch-ärger-Dich-nicht". Wir kauften Eintrittskarten und bekamen eine Führung über das Gelände. Ein Weißer hatte sich 1947 hier angesiedelt, um eine Farm zu betreiben. Die Quelle, für die er sogar eine eigene Pumpe bauen ließ, erwies sich jedoch als unzuverlässig (daher der Name "Zweifel-Quelle) und der Farmbetrieb wurde 1964 wieder aufgegeben. Von den ehemaligen Wohngebäuden stehen nur noch wenige Mauerreste. Wer zuerst von den Felszeichnungen berichtete, ist unklar. Um sie vor Vandalismus zu schützen, wurden die Gegend 1952 zum Nationalen Denkmal erklärt und sie darf nur noch im Beisein eines qualifizierten Führers betreten werden. Die Felsgravuren und Malereien sind schwer zu datieren und offensichtlich ohne Werkzeuge angebracht. Sie zeigen einen Reichtum an Wildtieren, der suggeriert, dass es hier früher wohl mehr Niederschläge gegeben haben muß. Immer wieder stößt man auf Giraffenbilder, die als Regenbringer gelten. Besonders eindruckvoll ist die Ritzung eines Löwen, dessen Schwanzquaste seiner Fährte nachempfunden ist. Ähnlich wie bei den Aborigines in Australien symbolisieren Punkte und Kreise Wasserlöcher.

Da wir nur einen Teil der Pfade abgelaufen waren, beschlossen wir, am nächsten Tag wieder zu kommen. Wir bogen zu den "Orgelpfeifen" - einer entsprechenden Felsformation und zum "Verbrannten Berg" ab. Der Berg machte seinem Namen alle Ehre. Er soll vor 80 Millionen Jahren vulkanisch entstanden sein. Hier endete die Stichstraße. Da wir keine Lust auf eine teure Campingplatz-Übernachtung hatten, schlugen wir gleich hier unser Zelt auf. Wir fanden eine ebene und etwas höher gelegene Stelle (falls es regnen sollte) und köchelten im trockenen Flußbett auf unserem australischen Gas-Campingkocher unser Abendessen. Eine herrliche Ruhe lag über der Gegend. Ob wir die seltenen Wüstenelefanten zu Gesicht bekommen würden? Angeblich sollen sie während der Regenzeit in die Berge hinaus ziehen.

Die Nacht verlief ungestört und wir machten uns am nächsten Morgen erneut auf nach Twyvelfontein. Wieder saßen ein Haufen Leute um das Spielbrett herum. Der Kiosk war jedoch geschlossen. Also leider kein Kaffee zum Frühstück, wie wir gehofft hatten. Unser Führer vom Vortag zeigte uns diesmal Felsmalereien und vom Wind geschaffenen Felsbögen und Formationen.

Danach wollten wir zum Etosha-Nationalpark weiterfahren. Der Flußarm, der gestern noch unpassierbar war, führte heute nur noch wenig Wasser. Allerdings war viel Sand angeschwemmt, in dem wir fast stecken blieben. Am anderen Flußufer nahmen wir eine schwarze Tramperin mit, die in die nächste Stadt zum Arzt wollte. Sie gehörte zum Stamm der Herero und arbeitete in der Twyvelfontein-Lodge als Supervisor. Wie viel sie denn verdiene, wollten wir u.a. wissen. Genau sagte sie es uns nicht, aber offensichtlich weniger als 300 €, denn da liegt die Steuergrenze, und Steuern zahle von den Angestellten keiner. Die Lodge habe 56 Doppelzimmer, gepflegte Außenanlagen mit Pool, Bar und ein Restaurant. Insgesamt gäbe es 93 Angestellte. Wir tippen, dass eine ähnliche Anlage in Deutschland mit einem Zehntel an Personal betrieben würde, die nicht ganz das Zehnfache verdienen würden und davon ca.die Hälfte als Steuern und Abgaben abführen müßten. Kein Wunder, dass die Übernachtungskosten für Touristen in Namibia im Vergleich zum Lohnniveau nicht gerade billig sind und andererseits nicht genug Steuergelder für den Bau von Straßen, Brücken, Bildung und Gesundheitsversorgung vorhanden ist. Andererseits scheint mir das Tourismus-Geschäft eine riesige ABM-Maßnahme zu sein und die Leute machen sich nicht tot vor Streß. Die Lodge hatte in der Nacht, die wir am "Verbrannten Berg" verbrachten, vermutlich nicht mehr als 2 Gäste, denn wir sahen nur einen Touristen-Jeep dort einbiegen von den wenigen Besuchern, denen wir in Twyvelfontein begegnet waren.

Leider war der nächste Flußlauf wieder nicht passierbar und zwang uns zu einem Umweg. Nun half nur noch Daumendrücken, dass nicht am Ende noch ein unpassierbarer Fluss kommt und wir die gesamte Strecke zurückfahren müßten. Wir wünschten uns ein paar kleine Betonbrücken über die Flußarme, denen wir uns jedes Mal mit Bangen näherten, und je länger wir fuhren umso dringlicher eine Asphaltdecke für die Straße. Selten haben wir die Rückkehr zu zivilsierten Verkehrsverhältnissen als wohltuender empfunden. Es ist eben ein Unterschied, ob man gemächlich auf dem Eselskarren, mit einem gewöhnlichen Kleinwagen oder mit angepaßtem Jeep auf der Schotterpiste unterwegs ist.

Ein schöner Abstecher führte uns noch zum Finger Clip, einer Felsformation, die wie ein Finger in den Himmel ragt. Ich versuchte mich mal wieder mit der Panorama-Funktion an unserer Kamera. Einfach herrlich - diese Weite der Landschaft ringsum, rote Felsen und grüner Busch.

Als wir in Outjo, der letzten Ortschaft vor dem Etosha-Park ankamen, hatte ich ein Erlebnis, das den ganzen afrikanischen Kontinent bei mir in Ungnade fallen ließ. Wir waren durch die lange Fahrt über die schlechten Straßen ziemlich geschlaucht, waren vor dem Supermarkt wieder angebaggert worden von Leuten, die auf unser Auto aufpassen oder uns Souvenirs verkaufen wollten. Wir hatten am Ortseingang getankt und hielten nach unserem Einkauf vor der Weiterfahrt noch einmal an derselben Tankstelle, weil wir vergessen hatten, den Reifendruck zu prüfen. Dabei fragte ich die Angestellte, ob ich meine Wasserflasche auffüllen könne, was sie mir mit der Bemerkung abschlug, ihr Chef hätte angeordnet, dass nur Mineralwasser verkauft werden dürfe. Eigentlich eine Enttäuschung, die man mit einem Schulterzucken hätte abtun können, 2 € - eine Summe, die einen nicht in den finanziellen Ruin getrieben hätte. Wir hatten Durst bei der Hitze, aber wir waren nicht am Verdursten. Und dennoch brachte diese kleine Ungefälligkeit das Fass bei mir zum Überlaufen. Der im Verlauf unserer Reise angestaute Frust über die weltweite Abzocke von Touristen brach sich Bahn und ich in Tränen aus. "Schande über sie und dieses Land, wo nur das Geld zählt und nicht der Mensch, der zu Besuch kommt", warf ich ihnen an den Kopf. "Wir können nichts dafür", wehrten die Damen ab und setzten abweisende Gesichter auf. "Wir folgen nur den Anweisungen des Chefs".

Wieso mich diese kleine Szene so aufgebracht hat und mich noch heute beschäftigt, frage ich mich oft. Vielleicht, weil es sich in andere Erfahrungen einreiht. Zum Beispiel aus meiner Zeit 1998/99 in Südafrika, wo ich im Baragwanath-Hospital, dem größten Krankenhaus Sowetos in Johannesburg arbeitete: Wie querschnittsgelähmte junge Männer auf der chirurgischen Station uns weiße Studenten anbettelten, ihnen ein Glas Wasser zu bringen oder sie auf die andere Seite zu lagern, weil die Krankenschwestern dies nicht für sie tun würden. Wie eine Krankenschwester früh um 4 Uhr meine Bitte abschlug, für einen Patienten Blutkonserven aus der Blutbank zu holen mit der Bemerkung "My feet are tired" (Meine Füße sind müde) und ich selber diesen Gang erledigte, obwohl ich auch seit 20 Stunden auf den Beinen gewesen war. Warum nehmen deutsche Ärzte ihren 6-wöchigen Jahresurlaub, um in Hilfsprojekten in indischen Slums mitzuhelfen, während sich die indischen Ärzte dafür zu schade sind oder trotz Bezahlung nebenher Bestechungsgelder dafür kassieren. Wie viele indische oder afrikanische Ärzte arbeiten in Großbrittanien, Australien, USA und Kanada und streichen gutes Geld dabei ein - viel mehr als man in Deutschland verdienen würde - und leiden offensichtlich nicht unter dem Helferkomplex wie wir?

Warum geschehen in Afrika so viele Gewalttaten, Kriege, Vergewaltigungen, Genitalverstümmelung von Frauen? Warum zählt das Menschenleben nicht so viel wie bei uns, reicht Solidarität selten über Familien- und Stammesgrenzen hinaus? Was hat diese Erwartungshaltung erzeugt, dass einem Hilfe von außen zusteht?

Gestern las ich in einem Buch ein Kapitel über den Kongo und die letzten 175 existierenden Freiland-Gorillas. Eine Straße, die zu belgischen Kolonialzeiten gebaut wurde und inzwischen von Urwald überwuchert weitgehend unpassierbar geworden ist, sollte mit Europa-Geldern wieder saniert werden, wenn es sich mit dem Naturschutz vertragen würde, da die Trasse durch besagtes Gorilla-Gebiet führt. Die Straße ist für die anliegenden Ortschaften ökonomisch überlebenswichtig. Und wie reagieren die Einheimischen? "Wenn Europa uns das Geld wegen der Gorillas nicht gibt, dann knallen wir die Tiere einfach ab." Wer hat da wem Versprechungen gemacht und welche Konsequenzen entstehen daraus? Nebenher erfuhr ich, dass der berühmte Gorilla-Forscher Bernhard Grzimek, der mir seit Kindheitstagen ein Begriff ist und dazu geführt hat, dass ich heute Ärztin bin, bei seinem Einsatz 1989 im Kongo vergiftet wurde.

Es gehören noch mehr Puzzle-Stückchen dazu, die ich nicht alle aufführen kann und will. Meine Wasserflasche bekam ich schließlich doch noch gefüllt. Ich weiß nicht, woher die Frau kam, die sie mir füllte, und wer sie war, aber ich danke ihr, denn es sind die kleinen Gesten der Mitmenschlichkeit, das Sich-über-Regeln-auch-mal-hinwegsetzen, die einem wieder Hoffnung geben für die Welt und den schwarzen Kontinent. Möge es viele solcher Menschen geben und die Erinnerung an sie einem helfen, aus seinem eigenen Panzer der Abschottung und Gleichgültigkeit gelegentlich heraus zu kommen.

An diesem Abend fuhren wir noch bis kurz vor den Etosha-Park, wo wir auf dem samtweichen Rasen einer Lodge zelteten. Wer es sich leisten kann, in Lodges zu nächtigen und einen Jeep zu mieten, der wird von Namibia begeistert sein: üppiges Frühstücks- und Abendbüffet mit Musikumrahmung, ein kühles Bad im Swimmingpool, tagsüber tolle Landschaften und faszinierende Tierwelt oder exotische afrikanische Kultur - und im Meer noch Wale sichten... Wer allerdings tiefer in die Kultur eindringen möchte, muß sich auf Abwege begeben, auf Straßen, Wasser und Strom verzichten und in die entlegenen (Malaria-bedrohten) Gegenden im Norden fahren. Leider zerstört solcher Tourismus ungewollt das, was er sucht: die ursprüngliche Lebensweise. Ob Fotoabzug oder Lebensmittelspende als Gastgeschenk, auch einfach nur das Vorleben der eigenen Kultur, werden schon zu veränderten Bedürfnissen der Einheimischen führen und ihre traditionellen Werte in Frage stellen.

Am nächsten Tag  fuhren wir kreuz und quer durch den Etosha-Nationalpark, der durch den vielen Regen sehr grün war. Die Wasserlöcher waren alle unbesucht, da überall genug Pfützen standen, und so sahen wir vergleichsweise wenig Tiere. Zu unserer großen Freude entdeckten wir jedoch einen prächtigen Löwen, der faul hinter einem Busch lag und ab und zu mit dem Schwanz wippte. Neu waren die Gemsböcke, die wir bislang nur von den Buschmannzeichnungen kannten. Den lustigsten Tiernamen hatte ein Vogel namens "Gackeltrappe". Am zweiten Tag gab es zunächst kaum große Tiere zu sehen, weshalb wir uns zu Vogelbestimmungsexperten entwickelten. Die Pfützendurchquerungen wurden immer abenteuerlicher, bis wir an einer Stelle kapitulieren und 60 km Umweg antreten mußten. Dafür liefen uns abends über 50 Giraffen, 2 Nashörner, eine Hyäne und die bis dahin noch gar nicht gesichteten Damara-Dikdiks über den Weg. Eingeschlammt bis über die Frontscheibe erreichten wir im Dunkeln das Sachsenheim-Camp jenseits des anderen Ausgangs.

Vom Service in und um den Park, der schließlich Touristenattraktion Nr. 1 des Landes ist, waren wir wenig begeistert. Adhoc fielen uns in typisch deutscher Manier mindestens ein Dutzend Verbesserungsideen ein, z.B. Fernglas-Verleih, Schautafeln, wo aktuell welche Tiere gesichtet wurden, Autowasch-Anlage am Ausgang etc. Angeblich soll es so viel Angestellte und Verwaltungsposten geben, dass der Etosha-Park sogar subventioniert werden muß.

Auf dem Rückweg nach Walfishbay besuchten wir noch den größten Meteoriten der Welt, eine Holzschnitzerei und eine Pralienen-Manufaktur. Hinter Svakopmund kletterten wir auf eine der hohen Sanddünen und genossen den Blick aufs Meer. Im Landesinneren war in diesem Jahr richtig grün gewesen, so viel hatte es geregnet. In Walfishbay führte der viele Regen paradoxer Weise dazu, dass die Trinkwasserversorgung zusammenbrach. Die Einheimischen meinten, es wäre bereits das 4. Jahr in Folge, wo das passiert und die Reparatur würde sich 3-4 Monate hinziehen. Zum Glück hatten wir unsere Wassertanks bereits vor unserer Reise aufgefüllt, denn das Wasser, was jetzt sporadisch mal durch die Leitungen lief, war so stark gechlort, dass es schlichtweg ungenießbar war.

Bevor wir uns wieder der Weite des Ozeans anvertrauen konnten, mußte wieder allerhand erledigt werden. So stockten wir noch einmal unsere Vorräte auf, da wir weder auf St. Helena, noch Ascension oder den Kapverden mit guten Einkaufsmöglichkeiten rechnen konnten. Wir nutzten das Internet, um noch die Verkaufsanzeige für die Spica ins Netz zu stellen. Die Eingabemasken der Internetplattformen waren z.T. so schlecht programmiert, dass unser Schiff u.a. als 355m breit und nur noch 9kg schwer angegeben wurde. Beim Ausklarieren füllten die Kinder diesmal selbst ihre Formulare aus. Man kann ja kaum früh genug damit anfangen, sich in der Bürokratie-Bewältigung zu üben.

Endlich fanden wir auch Leute, denen wir unsere Fahrräder überlassen konnten. Wir tauschten sie ein gegen handgeschnitzte Souvenirs. Als der Deal sich bei den anderen Schnitzern rumsprach, konnten wir uns vor Angeboten kaum retten, aber wir hatten ja nur 2 Räder zu vergeben. Unter Deck genossen wir den zusätzlichen Platz.

Am 16. Februar 2011 hieß es dann endlich Leinen los mit Kurs auf St. Helena.

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