Coffs Harbour und Clarence River
(06.11.-02.12.2009)
Durch
die Nationalparks nach Sydney
(02.12.-18.12.2009)
Neuseeland (18.12.2009-22.01.2010)
Heimisch
in Iluka (22.01.-21.05.2010)
Entlang
der australischen Küste (21.05.-29.08.2010)
Ankunft
in Coffs Harbour und Clarence River
Was werden nicht für Schauermärchen erzählt über das
Ankommen in Australien! Die
Behörden wären so streng mit dem Unterwasserschiff und man müsse ggf. sofort
aus
dem Wasser, wenn man zu viel Bewuchs hat. Der letzte
Unterwasseranstrich darf
nicht älter als ein Jahr sein. Anker und Kette müssen frei von Schlamm
und
Bewuchs sein. Die Listen der Dinge, die konfisziert werden können,
umfassen
etliche Seiten. Darunter sind Plüschtiere, die mit Reis oder Samen
gefüllt sind,
die als Souvenir beliebten Holzschnitzereien, Körbe, Flechtwerke,
Halsketten
etc. wegen möglichem Insekten- oder Wurmbefall. Sämtliche Fleisch-,
Eier- und
Milchprodukte. Alle Sämereien, wie Bohnen, Erbsen, Mohn usw. Frisches
sowieso.
Schuhsohlen und Zeltböden dürfen keine
Erdspuren enthalten. Was sagen
sie dann
wohl zu Muscheln und Sand?
Australische Freunde hatten uns geraten, alles zu
verstecken, was wir nicht missen möchten. Also suchte ich auf dem
ganzen Schiff
nach Verstecken. Außerdem hatten wir zwei ruhige Segeltage zum
ausführlichen
Frühjahrsputz genutzt, um möglichst wenig Verdacht zu erregen. Die
Bordfrau
hat’s gefreut, dass es mal wieder ein bisschen sauber wurde und dazu
noch alle
mithalfen. Die Wirklichkeit war diesmal viel harmloser als erwartet.
Einkassiert
wurde eigentlich nur, was ich freiwillig herausgab. In die Schapps
guckten die
Herren nicht. Unser Unterwasserschiff erntete zwar einen kritischen
Blick, aber
wir bekamen keinerlei Nachfragen oder Auflagen. Die Kinder bekamen
sogar
Ausmalhefte geschenkt.
Nachdem wir mit dem Einklarierungskram fertig waren,
verlegten wir uns in einer Regenpause
in die Marina. Da es später
weiter
schüttete, ließen wir die Segel unaufgeräumt und machten es uns unter
Deck
gemütlich. Uns Großen stand der Sinn vor allem nach Schlafen. Der
Pazifik hatte
es mit seiner Weite schon in sich gehabt, die Pausen an Land waren
nicht immer
die reine Erholung gewesen und wir waren froh, diesen Abschnitt so gut
zu Ende
gebracht zu haben und bis auf vielleicht noch eine kurze Strecke für
ein halbes
Jahr Segelpause zu haben. Die Entscheidung für den Pazifik bereuten wir
jedoch
nicht. Er war uns viel sympathischer als die Karibik.
Nun hat sie uns wieder –
die zivilisierte, besser gesagt westliche Welt. Alles ist ordentlich
und sauber,
und alles hat seinen Preis. Der erste
Supermarkt schockte uns
mit
seinen
Preisen. Zum Glück gibt es aber auch günstigere. Die Preise für die
Nahverkehrsmittel sind
wie bei uns, und wir fühlen uns
wie
Sozialhilfeempfänger,
die (relativ) viel Zeit und nur begrenzt Geld haben. Der
Familien-Eintritt ins
Aquarium beträgt z.B. nur 20 Dollar, aber der Bus für uns alle noch
einmal das
gleiche. Taxi kommt überhaupt nicht in Frage. Wir hatten schon die
Wanderbrote
geschmiert und wollten den anderhalb Stunden langen Weg zu Fuß
zurücklegen, aber
es regnete weiter Bindfäden. So verkriechen wir uns mal wieder in
unseren
gemütlichen Schiffsbauch, malen, spielen und lesen Bücher. Als Lars
anderntags
die Fahrräder aufbaut, sind wir ein wenig beweglicher. Aber
Australien
ist ein Autoland.
Die Gebrauchtwagen sind jedoch viel teurer und werden
offensichtlich
wesentlich länger gefahren als bei uns. Nach 3 Tagen kommt die Sonne
durch und
wir gehen fast jeden Tag an den Strand. Dieser hatte uns ja über
Google-map
hierher gelockt. Jung und alt,
dick und dünn treibt hier Sport. Die
einen fahren
Kanu oder Ruderboot, die anderen joggen, surfen oder üben Break-dance.
Wir
lassen uns anstecken und joggen durch den weichen Sand.
Am Wochenende findet ein
„Game-fishing“-Wettbewerb statt. Das Startgeld kostet 200 pro Nase und
für 2000
Dollar wird Benzin verfahren. Ein teurer Sport, an dem die größte
körperliche
Leistung wohl das Stemmen der Bierpaletten an Bord ist. Es ist eine
ausschließliche Männerdomäne und die meisten Typen sind recht laut und
bierseelig. Unsere unmittelbaren Nachbarn sind jedoch nett und schenken
uns am
ersten Wettkampftag große Filetstücke einer Dorade. Daraus machen wir
Fischstäbchen, die selbst unserer kleinen Mäkeltante Marlene schmecken.
Nebenher
sammeln wir Informationen, wo wir während der Cyclon-Saison
am besten
bleiben
können. Der 60 Seemeilen nördlich gelegene Clarence-River ist
möglicherweise der
richtige Ort für uns. Der Wind scheint aber immer so zu wehen, dass
nördlich von
Coffs Harbour Nordwinde und südlich davon Südwinde vorherrschen. Sind
wir in
eine Wetterfalle geraten?
Wir hatten eingeplant, uns zwei Wochen Ruhe zu gönnen,
aber als wir nach 10 Tagen das Wetter checken, sieht es so aus, als ob
wir
besser noch am selben Tag oder nächsten Morgen los sollten. Es pfeift
und windet
jedoch heftig und Sturmwarnungen sind ausgegeben. Trübe Wolken
verhängen den
Himmel. Jetzt auslaufen? Über Nacht soll es ruhiger werden und das
trifft
diesmal auch ein. Wir haben uns den Wecker auf 4:30 Uhr früh gestellt
und legen
im ersten Morgengrauen ab. Bei unseren polnischen Freunde, die wir hier
kennen
gelernt haben, haben wohl die Zweifel überwogen. Sie folgten uns eine
Woche
später und erlebten noch ein paar windreiche Tage in Coffs Harbour, wo
die
Gischt in der Marina so über die Felsenmole spritzte, dass sie nicht
trocken zu
ihrem Schiff kamen.
Wir sind derweil gut am Clarence River angekommen. Da
die
Fahrt schneller verlief als gedacht, herrscht noch Ebbe. Wir sitzen in
der
flachen Ankerbucht zweimal leicht auf in dem Sand und lassen uns
daraufhin
lieber von einem Einheimischen
lotsen. Hilfreich war dabei der
Funkkontakt zu
der Freiwilligen Seerettungsmannschaft, die die ganze Küste entlang,
Seefahrern
zur Seite steht. Iluka, ein kleiner Ort am nördlichen Flussufer,
bezaubert uns
vom ersten Augenblick. Es ist sehr grün, die Ankerbucht ruhig und es
gibt
herrliche Strände. Die Kinder zieht es sofort zum neu errichteten
Spielplatz und
sie freuen sich über die vielen Kaninchen, die hier auf den Wiesen
herumhoppeln.
Auch die Schule gefällt uns. Quartiermöglichkeiten gibt es genug, da es
sich um
einen Ferienort handelt und in der Nebensaison (d.h. nach den langen
Sommer=Weihnachtsferien, die wir ja in Neuseeland verbringen wollten)
viele
Wohnungen nicht ausgebucht und günstiger sind. In diesem 2000-Seelenort
gibt es
sogar 2 Supermärkte, eine Bäckerei, Fleischerei, Bibliothek,
Post und
vieles
mehr, aber natürlich kein billiges Großeinkaufszentrum. Das Schiff
können wir
hier nicht an Land stellen, was soviel heißt wie, dass wir unbedingt
einen
fahrbaren Untersatz bräuchten.
Deshalb fahren wir nach einigen Tagen ins größere
Yamba auf der anderen Flussseite. Theoretisch hat es alles, was wir
brauchen:
Moorings, Trockenplätze, Quartier und natürlich auch eine Grundschule.
Aber es
gefällt uns nicht so sehr und kostet recht viel. Flußaufwärts finden
wir eine
günstigere Werft und so fallen die Würfel zugunsten von Iluka. In der
Zeitung
haben wir Autoannoncen gefunden und gleich die erste scheint ein
Volltreffer zu
sein. Ein Toyota-Kombi wird für wenig Geld angeboten. Er sieht zwar
nicht mehr
ganz schick aus, aber soll noch keinen Unfall
gehabt haben und in den
letzten 6
Jahren problemlos gefahren sein. Wir machen den Kauf fest und sitzen in
der
Tinte. Unsere Kreditkarten gehören zu denen, die von der Bank
zurückgezogen
wurden, und das „emergency cash“ ist nicht so einfach und vor allem
nicht in der
Höhe zu bekommen, wie wir gedacht hatten. Vier Tage kostet es uns,
darunter x
Telefonate mit Visa in Singapore und Baltimore und der
Kartenservicefirma in
Deutschland und mit unserer Hausbank, ehe wir endlich das Auto bezahlen
können
(Mensch, war uns das peinlich!) und auch für Quartieranzahlung und
Mooringmiete
genug Bares in der Hand haben.
Richard und Anna aus Polen sind inzwischen hier
eingetroffen. Sie sind zwischen den
flachen Inseln aus der Rinne
geraten und
furchtbar aufgelaufen. Bei der Bergungsaktion haben sie Schäden an Bug
und Ruder
in Kauf nehmen müssen. Wir verleben 2 weitere schöne Abende mit diesen
interessanten Menschen.
Unser neu erworbenes Auto zeigt die ersten
Macken. Es
funktionieren weder die Tankanzeige noch der Kilometerzähler. Wir
ziehen in
Erwägung, es nur hier vor Ort zu benutzen, und für die Fahrt nach
Sydney und
durch die Nationalparks ein 4x4 zu mieten, aber es gibt gerade keinen.
So
entscheiden wir uns für unser eigenes, lassen es reparieren und hoffen,
dass es
die einzigen Tücken bleiben.
Durch
die Nationalparks nach Sydney
Immer dauert alles länger als man denkt, aber am 2.
Dezember haben wir alles soweit organisiert und gepackt, dass wir unser
Schiff
verlassen können, um einige Wochen auf dem Landweg weiter zu reisen. In
Maclean,
der nächsten Kleinstadt, wollen
wir unser Auto anmelden und erleben die
ersten
Schattenseiten der australischen Bürokratie. Anmelden können wir es
nur, wenn
wir eine Wohnadresse in New South Wales nachweisen können. Ankerbucht
Iluka
reicht da nicht und Wohnung in spe gilt auch nicht. Immerhin bekommen
wir die
Anmeldefrist verlängert, bis wir in unsere Ferienwohnung in Iluka
einziehen,
dessen Vertrag wir vorweisen können.
Nächster Stop ist in Grafton, wo wir uns
verproviantieren und Rat bezüglich der Nationalparks
einholen. Uns wird
der
Campingplatz an der Mulligans-Hut im Gibraltar-Range-Nationalpark
empfohlen.
Eine schmale Straße windet sich immer höher in die Berge hinauf,
gesäumt von
uriger und abwechslungsreicher Vegetation. Die Wolkenschleier
gehen in
Regen
über und es ist ziemlich kalt und auch schon fast dunkel, als wir
ankommen. Viel
mehr als Zelt aufbauen und Abendbrot essen, passiert dann auch nicht
mehr. Am
nächsten Tag scheint zum Glück wieder die
Sonne und wir können eine
schöne
Wanderung durch den Urwald bis zu einem Wasserfall
unternehmen. Abends
wollen
wir ein Feuerchen anzünden, aber
Streichhölzer gehören zu den Dingen,
die wir
vergessen haben mitzunehmen. Wir müssen borgen gehen und lernen dabei
Melissa
und Mitchell aus Newcastle kennen, die uns später zu sich nach Hause
einladen.
Die Kinder genießen es, im Wald rumzustromern und mit Stöcken zu
spielen. Jeden
Morgen bekommen sie kleine Adventssäckchen, in denen sich Schleichtiere
und
anderes kleines Spielzeug verbergen. Von „Futter besorgen“ bis Zäune
bauen, der
Einfallsreichtum der Kinder kennt keine Grenzen. Froh zu sein bedarf es
wenig...
Abends hüpfen die ersten Känguruhs, besser gesagt ihre
kleineren Verwandten, die
Wallabis am Zelt vorbei. Wir sind ganz offensichtlich in Australien.
Die
Wanderung des
nächsten Tages bringt uns zu einem Aussichtspunkt. Es
sieht ein
bißchen aus wie die Sächsische Schweiz, nur viel viel größer. Keine
Ortschaft
soweit das Auge reicht! ...und am Himmel kreisen zwei Adler. Inzwischen
ist es
so warm, dass wir auf dem Rückweg ein Bad im Fluß neben der Mulligans
Hütte
nehmen. Es ist wirklich ein idyllisches Fleckchen Erde hier und wir
wären gerne
länger geblieben. Leider haben wir nur begrenzt Vorräte, da sie sich
ohne
Kühlbox nicht so lange halten, und wir müssen auch weiter.
Unser nächstes Ziel
sind die Apsley-Wasserfälle. Man zeltet direkt an einer Felskante mit
Aussicht
in die Schlucht. Während wir wieder unser Zelt aufbauen, stellt sich
heraus,
dass unsere Nachbarn ebenfalls Deutsche sind. Sie sind Rentner aus
Zerpenschleuse und schon zum wiederholten Mal in Australien. Sie haben
sich
verschiedene Haus-Hüte-Jobs organisiert und reisen
zwischendurch durch
die
Nationalparks. Die Kinder plappern gleich munter drauf
los und abends
wird
gemeinsam gekocht. In der Abenddämmerung kamen jede Menge graue
Kängurus zum
Äsen. Ein Halbstarker wollte sich mit Barbara, die selber nicht
besonders groß
ist, boxen, als sie auf dem Weg zur Toilette war. Sie konnte ihn zum
Glück mit
ein bißchen in-die-Hände-klatschen vertreiben. Das Boxen ist die
typische Art
der Kängurus, ihre Rangordnung auszufechten. Gefährlicher ist es, wenn
sie sich
auf ihren Schwanz stellen und mit den Hinterläufen zutreten. Da kann es
sogar zu
Knochenbrüchen kommen.
Am nächsten Tag wandern wir um die Schlucht herum. Der
Wasserfall ergießt sich über viele kleine Kaskaden, ist aber nur ein
Rinnsal.
Wirklich beeindruckend ist dagegen das Echo. Die Kinder hören gar nicht
mehr
auf, „Was essen die Studenten?“ zu rufen. Als wir den letzten
Aussichtspunkt
erreicht haben und durchs Fernglas zu den Pools hinabschauen, sehen wir
einen
sich bewegenden Punkt. Es ist einer der scheuen Platypusse, den selbst
die
meisten Australier noch nie zu Gesicht
bekommen haben. Im Deutschen
nennt man es
auch Schnabeltier, weil es einen entenartigen Schnabel hat. Es gehört
zu den
Säugetieren, obwohl es Eier legt. Die Tierwelt Australiens ist wirklich
einzigartig. Auf dem Rückweg haben wir noch ein weiteres Naturerlebnis.
Ein
Ameisenigel, Echidna würde man hier sagen, läuft uns über den Weg. Er
frißt
hauptsächlich Termiten und seine Schnauze ist perfekt dafür gemacht.
Abends
können wir noch ein paar freche Possums beobachten, die uns schon beim
letzten
Campingplatz Kartoffeln und Brot angefressen haben.
Wenn man in Australien durch
den Wald geht, klingt das ganz anders als in Deutschland. Es gibt einen
Vogel,
dessen Gezwitscher klingt wie Lachen, weshalb er wohl auch
„lachender
Hans“
genannt wird (behaupteten jedenfalls Barbara
und Manfred). Ich glaube,
es ist
der Coocaburra, denn so genau kriegt man ihn meist nicht zu Gesicht.
Andere
Vögel singen eine Melodie mit einem perfekten Dreiklang. So
groß die
Nationalparks, so kurz sind die Wanderwege darin. Die meisten sind
schon in 1-3
Stunden abgelaufen, und mehr gibt es dann auch nicht mehr zu tun. Also
fuhren
wir weiter nach Gloucester. Im Auto wurden wir fast gebraten, da die
Sicherung
für die Klimaanlage immer durchbrannte. Es lag am Regler und der könnte
2 Tage
später eingebaut werden, wenn wir ihn gleich bestellen würden, sagte
man uns bei
der Werkstatt.
Eigentlich waren wir mit unseren deutschen Bekannten
verabredet,
konnten aber den Treffpunkt nicht ausmachen und beschlossen deshalb
nach
vergeblicher Rundtour,
zu den Gloucester Tops hinauf zu fahren. Die
Campingplätze in den Nationalparks sind eher einfach, oft nur mit
Plumpsklo und
Wasser vom Fluß. Dieser lag an einem Bach und bestand aus einer grünen
Wiese.
Warum die ebenen Stellen als Picknick-Platz reserviert sind und man auf
den
buckligen und schrägen zelten soll, bleibt ein Geheimnis. Wir
erreichten unser
Ziel mit den letzten Strahlen der Abendsonne, legten schnell unsere
Wassermelone
in den kühlen Bach und es hätte so schön sein können, wenn nicht ein
Ameisenvolk
gerade an diesem Tag seinen Umzug beschlossen hätte. Die geflügelten
Wegen
flogen in jedes Nasenloch
und mir in den Ausschnitt, so daß uns nur die
Flucht
ins Zelt blieb.
Zum Ausgangspunkt für die Wanderungen mußten anderntags
noch 12
km Gravel
Road zurückgelegt werden. Dafür fanden wir ein absolutes
Traumfleckchen, wo der
Bach in Terassen hinabplätscherte und einen eiskalten Pool bildete. Das
Wasser
konnte man trinken und den ganzen Tag störte uns kein Mensch. Am
folgenden Tag
wurde die Klimaanlage fürs Auto repariert.
Als nächstes Ziel hatten wir uns den
Yengo-Nationalpark auserkoren. Dieses Mal konnten wir nicht mehr
rechtzeitig bei
der Touristeninformation Erkundungen einholen und fuhren nur nach
Landkarte. Was
so verheißungsvoll ausgesehen hatte, entpuppte sich nach 25 km übelster
Sandpiste als trockener, trostloser Fleck. Keine Aussicht, kein Wasser,
keine
Leute, einfach nichts! Die Kinder machten ihrer Enttäuschung Luft, aber
an
Weiterfahren
war zu dieser Stunde auch nicht mehr zu denken. Also
campierten wir
auf steinhartem Boden umgeben von halbverkohlten Bäumen. Die vielen
Gefahren,
wie Waldbrände, giftige Schlangen oder Spinnen, waren uns nur vage
bewußt.
Immerhin hatten wir auf dem Weg einen Aussichtsspot genossen. Wir
hatten langsam
genug von Trockenwäldern, die vom Feuer gezeichnet waren und freuten
uns
aufs
grüne Neuseeland. Am nächsten Morgen fuhren wir also schleunigst aus
diesem
unwirtlichen Nationalpark hinaus und frühstückten neben einer Kuhweide.
Zur
Freude der Kinder gab es zwei süße Shetland-Ponies, die – keine Frage-
vor dem
Hungertode zu bewahren waren und damit wichtiger zählten als der eigene
Magen.
Langsam näherten wir uns der Großstadt Sydney. Die
Entfernungen zwischen den
Ortschaften nahmen europäische Größenordnungen an. Die Ausschilderung
ließ
dagegen
zu wünschen übrig. Trotzdem fanden wir den Bouddi-Nationalpark
mit
seinem Zeltplatz direkt hinter der Düne am Meer. Da es sich um ein
beliebtes
Ausflugsziel der Sydneyer handelte, mußte man eigentlich im Voraus
buchen.
Zumindest fürs Wochenende. Bei unserer Ankunft war es allerdings
ziemlich leer,
weshalb wir ungeniert unsere kleine Hütte auf einem freien Stück Wiese
aufschlugen. Hier gab es sogar wieder Duschen, und dass sie eigentlich
nur zum
Abspülen des Salzwasser gedacht waren und keinen Sichtschutz hatten,
störte uns
kaum. Köstliches Naß und endlich mal wieder Haare waschen !
Im Tagesausflug
erkundeten wir den Australia Walkabout Parc, in dem man heimische
Tierarten aus
der Nähe beobachten konnte. Die Rangerin stammte aus München und wir
waren nicht
böse, wenn sich zu den stündlichen Vorführungen wegen
Hitze oder
Bequemlichkeit
die wenigen anderen Besucher nicht anschlossen, weil sie dann deutsch
reden
konnte. Hier sahen wir nun endlich auch Dingos, einen Wombat und
natürlich
Koalabären, nicht zu reden von den verschiedenen Känguru-Arten und den
ausdrucksvoll aussehenden Emus. Interessant waren auch die Einblicke in
die
Aboriginal-Kultur. Stephanie erklärte uns, welche Wurzeln oder Pflanzen
einen
vorm Verdursten retten können, an welchen Bäumen man sich kühlen kann
und was es
so an Eßbarem oder Heilkräutern gibt.
Am nächsten Tag wanderten wir an schönen
Sandsteinformationen vorbei die Küste entlang und verbrachten die
heißesten
Stunden des Tages in einer kühlen Höhle
mit Aussicht aufs Meer. Bei
unserer
Rückkehr war der Zeltplatz knackevoll. 17 Zelte preßten sich in die 5
reservierten Stellplätze. Eine Rangerin lief herum. Aus Angst,
weggeschickt zu
werden, warteten wir ab, bis sie Feierabend machte. Was sind wir doch
tyrannisiert von unserer deutschen, bürokratischen Art! Kein Mensch
wollte uns
hier verjagen. Wir hätten nur bezahlen brauchen, wie sich
herausstellte. In
Australien herrscht oft noch gesunder Menschenverstand über bestehende
Regeln.
Wir hatten inzwischen beschlossen, das Angebot unserer
Freunde aus Newcastle
anzunehmen, unser Auto dort während der Neuseelandzeit abzustellen und
ein Teil
des Gepäcks da zu lassen. Leider hatten wir unser Handy in den
Nationalparks
nirgendwo nachladen können und der Akku war restlos leer. Wir hielten
an der
nächstbesten Tankstelle, und der vielbeschäftigte Angestellte war so
freundlich,
es uns
wieder aufzuladen, während wir derweil sein Telefon benutzen
konnten.
Außerdem zeigte er uns noch die Strecke, die wir fahren mußten auf der
Landkarte. Wir waren wieder einmal sehr beeindruckt von der
Freundlichkeit und
Hilfsbereitschaft der Australier. In Newcastle wurden wir von Mitchell
herzlich
empfangen und konnten in seinem Gästezimmer schlafen. Wir kamen uns vor
wie im
7. Himmel mit dem breiten Bett, dem weichen Vorleger, der sauberen
Dusche...
nach Monaten auf Campingniveau.
Mitchell arbeitet beim örtlichen
Energieversorger, womit die Männer ihr Hauptgesprächsthema bereits
gefunden
hatten. Am nächsten Tag zeigte er uns die Stadt, die schöne Parkanlagen
und
Strände und ein wenig alte Bausubstanz hat. Im Sommer finden viele
Open-Air-Veranstaltungen kostenlos statt. Sicherlich ist es sehr
lebenswert
hier. Wir lernten außerdem ein paar Cricket-Regeln, konnten allerdings
die
Faszination dieses Spiels nicht so richtig nachempfinden.
Nach 2 Nächten fuhren
wir per Zug weiter nach Sydney. Die Zugpreise waren moderat, aber es
gibt quasi
nur Bummelzüge. Wir hatten im „Railway-Hostel“ Betten reserviert und
schliefen
in einem umgebauten Zugabteil, quasi auf einem Abstellgleis
des
Hauptbahnhofs.
Lars fühlte sich krank und schlapp und legte sich umgehend in sein
Bett, während
ich mit den Kindern in einem China-Restaurant essen ging. Später schlug
ich mich
alleine durch die Stadt zum
Opernhaus durch und erstand für teures Geld
vier der
letzten Karten für das Dornröschen-Ballett. Am nächsten Tag sollten
meine Eltern
einfliegen und das Warten in ihrer Hotelvorhalle wurde zur
Geduldsprobe.
Schließlich trafen sie mit 4 Stunden Verspätung ein und wir schafften
es
allesamt gerade noch rechtzeitig zur Nachmittagsvorstellung in die
Oper. Wo in
der Welt kann man klassische Kultur genießen und in den Pausen einer
Mittwochs-Segelregatta zuschauen? Wir hatten unsere besten Sachen
angezogen, als
Schuhwerk jedoch nur unsere Universal-Crocs. In den anderhalb Tagen
absolvierten
wir das übliche Touristenprogramm mit Harbourbridge, Fährfahrt durch
den Hafen
nach Manly und ein wenig Schaufensterbummel.
Neuseeland
Am 18.12. flogen wir
nach Neuseeland.
Mutti hatte vorsorglich Flüge für uns gebucht. Ursprünglich
hatten wir vorgehabt, per
Cargo dorthin zu kommen. Wir konnten jedoch
kaum Angebote finden (insbesondere Schiffe, die
Kinder unter 6 Jahren
mitnahmen) und teuer wäre der Spaß obendrein geworden. Unser
Flieger ging einen halben Tag früher als der meiner Eltern und
wir
hatten uns belegte Frühstücks-Brötchen mitgebracht, die wir
während der Wartezeit in Ruhe verzehren wollten.
Wieder kam es ganz
anders. Da wir keine Rückflugtickets vorweisen konnten, durften wir
gar nicht erst einchecken. Uns blieb nichts weiter übrig, als auf
der Stelle Rückflüge für uns zu buchen.
Als wir mit unseren neuen
Kreditkarten bezahlen
wollten, kam aber wieder nur eine Fehlermeldung
heraus. Wir versuchten, meinen Vater im Hotel zu erreichen
und das
Geld über seine Karte abrechnen
zu lassen, was bei der Zeitknappheit
und der mangelnden Unterstützung des Hotelpersonals auch nicht
klappte. Ewig hing er in irgendeiner automatischen
Warteschleife. Wir
saßen wie auf Kohlen, denn unser Flug sollte geschlossen werden. Zum
Glück hatten uns meine Eltern 500 NZ Dollar Bargeld
gegeben.
Zusammen mit unseren restlichen Australien-Dollars reichte es in
letzter Minute gerade so zum Bezahlen der Tickets. Im
Dauerlauf
rannten wir schließlich zum Gate. Das
war wohl verdächtig, denn
Lars wurde noch extra ausführlich gefilzt. Mit hängender Zunge
erreichten wir den Flieger und konnten erstmal durchatmen. Der Flug
verlief dann
recht angenehm
und unspektakulär. Meine Ohren machten mir keine Probleme und meine
Angst vor einer erneuten Trommelfellruptur blieb grundlos.
Die Kinder
freuten sich vor allem über das Filmangebot.
In Auckland angekommen,
verzehrten wir noch unsere Brötchen, bevor wir sie den Mülleimern
der Quarantäne hätten anvertrauen mußten. Wir hatten ja
möglicherweise bis zum Abend ohne Geld auszuharren. Unser Zelt (das
wir die ganze Reise lang dann doch nicht nutzten) wurde inspiziert,
was uns bestimmt eine ganze Stunde kostete. Marlenes kleiner „Elchi“
war bei der Rennerei irgendwie verloren gegangen
und die Kinder in Tränen. Erfreulicherweise
funktionierte jetzt
jedoch auf einmal die Visa-Card und wir konnten
per Shuttle-Bus
zum
vorbestellten Hotel fahren, wo meine Eltern einige Stunden
später
eintrafen. Ende gut – alles gut.
Mutti hatte das Hotel
nicht zuletzt
wegen seiner Lage gegenüber eines Rosengartens ausgesucht und so
frühstückten wir am nächsten Morgen mit weitem Blick über die
Blumenpracht. Der kleine Hotelpool wurde natürlich auch ausprobiert,
obwohl es dafür eigentlich viel zu kalt war.
Und nun kam das,
worauf sich die Kinder
schon seit Wochen gefreut hatten: Wir bezogen unser Wohnmobil. Es war
brandneu und die Kinder völlig aus dem Häuschen.
Die Abwicklung
dauerte geraume Zeit, denn wir waren nicht die einzigen Urlauber.
Viel Zeit zum Verstauen des Gepäcks blieb nicht, da wir zum
Abendessen bei Bekannten in deren Feriendomizil eingeladen waren und
noch anderthalb Stunden fahren mußten. So stapelten wir die Koffer
und Taschen einfach nur auf den Fußboden, wo sie unter dem Gejohle
der Kinder bei jeder Kurve hin und her rutschten. Lars spielte den
Chauffeur, ich die Beifahrerin, mein Vater den Kinderbespaßer und
Mutti die Chronistin. Diese Einteilung war praktisch und wurde fast
die ganzen nächsten Wochen so beibehalten.
Wäre der Titel „Grüne
Insel“
nicht schon für Irland vergeben, so würde er auch gut auf
Neuseeland passen, vor allem wenn man aus dem trockenen Australien
kommt. Die
Landschaft nördlich von Auckland windet sich lieblich
durch sanfte Hügel und die
Straßengräben blühten voller bunter
Blumen. Diesen Anblick hatten wir schon lange
vermißt.
Das
Wochenendhaus von Linda und Warren, die Freunde meiner Tante sind,
lag in Omaha, einem Ferienort am Strand. Es war sehr großzügig und
hell und nur einen kurzen Fußweg vom Strand entfernt. Linda und Warren
bekochten uns mit leckerer Lammkeule und anderen Köstlichkeiten und
gaben uns noch viele Tipps
für unsere Rundtour. Am nächsten Tag
konnte wir am Strand den Wettkämpfen der Rettungsschwimmer
zuschauen, die sich im Buggy-Board-Wettpaddeln,
Rudern und anderen
Disziplinen maßen. Ich fand die schönsten Jakobsmuscheln am Strand,
die wunderbarerweise nicht nur grau, sondern auch in der seltenen
Farbe rosa angeschwemmt waren.
Leider konnten wir nicht länger
bleiben, da wir uns ziemlich viel für die nächsten Wochen
vorgenommen hatten. Papi hatte einen Streckenplan aufgestellt, der
uns um beide Inseln herumführen sollte.
So
nahmen wir Abschied und
fuhren weiter zur Coromandel-Halbinsel, wo wir auf einem
Picknickplatz am Meer übernachteten. Rot
blühten die Rata-Bäume
und wir konnten uns von ihrem Anblick kaum losreißen. Eigentlich
hätten wir dort nicht bleiben dürfen, denn überall waren Schilder
mit der Aufschrift „No camping“. Der erste Wehrmutstropfen der
Reise, denn wozu hat man so ein teures Wohnmobil, wenn
man an
den
schönen Stellen nicht bleiben darf und doch immer
auf Campingplätze
soll.
Vormittags
flanierten
wir durch einen
schön angelegten Wassergarten und aßen lecker
Kuchen. Es
gab auch
Gästezimmer und wir fanden eine Broschüre über „handverlesene“
Unterkünfte
in NZ, deren Preise durchaus moderat waren.
Wer außerhalb
der Ferienzeit und nicht gerade zu sechst kommt, kann
sicher zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis sehr angenehm
nächtigen in diesem Land. Wenige Kilometer die Straße ins Tal
hinauf wuchs einer der wenigen übrig gebliebenen alten
Kauri-Bäume. Auf 1200 Jahre wurde sein Alter geschätzt. Ein
wahrer Fürst unter
den Bäumen. Unvorstellbar, dass es früher ganze Wälder
davon
gegeben hat.
Nachmittags fuhren
wir zu heißen
Quellen am Strand und reihten uns in das Gaudi ein, uns unsere eigene
„Badewanne“ zu buddeln. Auf die richtige Mischung zwischen heißem
Quell- und kühlem Meerwasser kam es an, um weder
zu frieren, noch
sich die Füße zu verbrennen. Durch den sich
ändernden Wasserstand bei
Ebbe kam jeder zu seiner Chance, denn die zunächst besten
Plätzchen wurden irgendwann zu heiß und an anderen Stellen wurden
neue Pools eröffnet. Abends fuhren wir weiter und fanden abgelegen
einen sehr schönen Picknickplatz. Über eine Brücke und
20 Minuten Fußweg durch den Wald ging es zu einem traumhaft weißen,
weichen, einsamen Strand. Schade, dass wir so wenig Zeit hatten, denn
hier wären wir gerne länger geblieben.
Auf kurvenreicher
Straße ging es am
nächsten Tag zum klaren Roturoa-See, wo wir
zufällig auf einen
Maori-Tempel stießen. Die geschnitzten Holzfiguren
erinnerten sehr
an die Tikis in Französisch Polynesien. Tatsächlich sind die Maoris
ja auch Polynesier und ihre Sprachen sehr verwandt. Was uns damals
als Zungenbrecher erschien, konnten unsere neuseeländischen
Seglerfreunde mühelos aussprechen und sich die Namen sogar merken.
Wir nächtigten wieder illegal auf einem Rastplatz mit wunderschönem
Blick auf den See und Spielplatz für die Kinder.
Am nächsten Tag
besuchten wir eine
Show, die die verschiedenen Schafrassen unterhaltsam
präsentierte.
Es war die Art von Rummel, wo ganze Busladungen von koreanischen
Touristen abgesetzt werden. Die Kinder waren jedoch glücklich und
kamen gar nicht von den Tieren los. Als wir den Ort Roturoa mit
seinen Schwefelquellen erkundeten, regnete es bereits. In der Luft
lag der Geruch nach faulen Eiern. Auch wenn es noch so gesund sein
mag, meinen Urlaub würde ich an so einem Kurort nicht verbringen
wollen.
Die ganze Gegend
wimmelt nur so vor
Geothermalstätten und jede soll besser und toller sein als die
nächste. Man hat die Qual der Wahl. Wir fuhren nach Süden aus der
Stadt hinaus, erwanderten bei Sonnenschein noch den Rainbow-Kratersee
und fuhren bis zum Abend weiter in das entlegene „Hidden Valley“.
Die Straße führt bis zu
einem See, wo es am Rand schön blubbert
und Badewannen-warm ist. Baden gingen wir lieber nicht. Zum
eigentlichen Ziel muß man per Boot übersetzen. Der Ort selber
besteht nur aus dem Kassierhäuschen und einer privaten Ferienanlage.
Wir
waren mit unserem Campervan zum Glück autark und konnten dadurch
den Sonnenaufgang und die Morgenstimmung genießen. Mit dem ersten
Boot setzten wir über. So früh waren noch kaum andere Touristen da
und wir hatten das Gelände fast für uns allein. Es wimmelte nur so
vor Fotomotiven: kleine Geysire, kalkgeformte „Winterlandschaften“,
Sinter-Vorhänge, tolle Farbspiele, üppig grüne Vegetation. Hätten
wir rohe Eier mitgenommen, hätten wir uns in einem der brodelnden
Löcher Frühstückseier kochen können. Eine Höhle führte hinab
ins Zwielicht zu einem warmen Teich (Baden lebensgefährlich) und
Bäume und Farne rankten den Eingang zu. Schlamm blubberte vor sich
hin und warf immer neue Kreise und Muster. Moose wuchsen auf einer
dunkelblauen Wasseroberfläche und sahen aus wie Weltkarten, auf
denen man Kontinente erkennen konnte. Das Hidden Valley war
zweifellos eines der schönsten Erlebnisse unserer Neuseelandreise.
Da kann uns der höchste Geysir, der pünktlich um 10.15 Uhr dank
kleiner chemischer Zusätze für die Kameras koreanischer
Touristenmassen explodiert, gern gestohlen bleiben.
Doch das blieb nicht
der einzige
Höhepunkt dieses ganz ungewöhnlichen 24. Dezembers. Etliche
Fahrstunden weiter, während derer wir mit Bangen die bedrohlich
abrutschende Tankanzeige im
Blick hatten, erreichten wir Hastings und
dahinter, eine Seitenstraße in die Hügel hinauf, die Farm von
Mathilde und Hamish, bei denen wir zum Weihnachtsfest eingeladen
waren. Mathilde ist die deutsche Freundin unsere neuseeländischen
Freunde Jane und John von "Tara III", die wir auf dem Pazifik kennen
gelernt hatten.
Mathilde und Hamish sind übrigens auch Segler und haben
sich in
der Karibik kennengelernt. Sie als Aussteigerin auf einem viel zu
großen, alten
Traditions-Schoner. Er als Crew auf verschiedenen Schiffen. Die Wege
kreuzten sich mehrere Male, bis Mathilde zu ihm nach Neuseeland
auswanderte.
Wir wurden mit
überwältigender
Herzlichkeit in die Familie aufgenommen, die sich zum Fest
eingefunden hatte. „The more, the merrier“ hieß der Wahlspruch.
Bei schönstem Sommerwetter saßen wir auf der Terrasse und ließen
uns von ihren Lebensgeschichten inspirieren und mit leckerem Essen
verwöhnen. Nach deutscher Tradition gab es bereits am 24. unterm
Tannenbaum die Geschenke und Mathilde spielte sogar Weihnachtslieder
am Klavier, die wir sangeskräftig unterstützten. Am nächsten Tag
zeigte uns Hamish die Farm. Er betreibt Weidewirtschaft und hält
mehrere
Hundert Jung-Bullen, die sich in ihrem Verhalten nicht viel
von menschlichen Teenagern zu unterscheiden scheinen. Eigensinn,
Kraftproben und Rangeleien paaren sich mit ungebremster Freßsucht.
Ein Hütehund, der seinen angestammten Platz im Auto neben Hamish an
Mutti
abgeben mußte, zog beleidigt ab. Würden
wir Menschen anders
reagieren? Endlos erstreckten sich die grünen Hügel, soweit das
Auge blickte. Arbeit genug für einen allein, die Weidezäune
umzustecken und das Ganze am laufen zu halten.
Inzwischen war
Hamishs Schwester mit
ihren erwachsenen Kindern eingetroffen und es gab, der englischen
Tradition folgend, Truthahn und als Dessert Chrismas Pudding und
Pawlova. Der Abschied am nächsten Tag fiel uns ausgesprochen schwer.
Mathilde beschenkte uns noch mit herrlichen, frischen Süßkirschen,
ehe wir uns wieder auf die Straße nach Süden machten. Kurz vor
Wellington übernachteten wir auf einem Caravanplatz zwischen großen
Hecken. Als es anfing zu regnen, zogen wir uns in unser mobiles
Zuhause zurück und verzichteten auf weitere Erkundungen.
Da es den ganzen
nächsten Tag naßkalt
blieb, strichen wir den Zoobesuch und gingen stattdessen ins „Te
Papa“-Museum. Sehr anschaulich (und kostenlos) werden
verschiedene
Aspekte der neuseeländischen Geschichte und Natur dargeboten. Am
meisten zu denken gab mir die Karte mit dem Baumbestand Neuseelands
vor und nach der Besiedlung durch die Maoris zum einen und Europäer
zum anderen. Die Maoris sind keine Ureinwohner, sondern erst vor
einigen hundert Jahren in NZ ansässig geworden. Sie rodeten die
Wälder in den Ebenen und legten dort Kulturland an. Die Europäer
dagegen haben innerhalb weniger Jahrzehnte fast die gesamte Nordinsel
abgeholzt und in Weideland umgewandelt. Das wertvolle Holz der
Baumriesen hat nur wenige reich gemacht. Die meisten blieben arme
Teufel. Schon im 19. Jahrhundert regte sich Widerstand gegen die
Abholzung und einige wenige Gebiete im Norden wurden verschont und
unter „Naturschutz“ gestellt. Die Baumlosigkeit und intensive
Weidewirtschaft bringt erhebliche ökologische Probleme mit sich.
Erosion und
Belastung der
Gewässer mit Tierkot, Versteppung und das Kippen der
klaren
Seen im Landesinneren sind nur wenige Beispiele. Neuseelands
Haupteinnahmequellen sind die Landwirtschaft und
der Tourismus. Das
Umweltbewußtsein ist laut einer Seglerbekannten nicht besonders
ausgeprägt. Wer würde auch schon auf Weideland verzichten wollen,
um Wälder wieder aufzuforsten? So sieht das Land über weite
Strecken aus wie eine
gerupfte Hühnerbrust. Ein krasser Gegensatz zum Image der intakten
Natur, das in der Tourismusbranche vorgegaukelt wird. Tierärzte
stehen übrigens höher in der Wertschätzung als Humanmediziner. Es
gibt nur 4 Millionen Menschen in Neuseeland, aber ein Vielfaches an
Schafen und Rindern.
Wir
übernachteten auf
dem Parkplatz
neben dem Museum. Kein besonders idyllischer Ort,
aber praktisch, da
früh am nächsten Tag unsere Fähre hinüber zur Südinsel
ging. Um
die Bordtoilette zu schonen, erkundeten wir entsprechende Örtlichkeit
im gegenüberliegenden Museums-Hotel. Die Gemälde der Eingangshalle
ließen das Hotel künstlerisch-gediegen erscheinen. Noch mehr
beeindruckten jedoch die Seidenvorhänge in den Toilettenräumen.
Außerdem gab es zur Erbauung der Homepage-Verfasserin sogar
kostenloses Internet im Vestibül.
Noch vor dem
Frühstück reihten wir
uns in die Autoschlange zur Fähre ein. Es ging zügig voran, noch
ehe wir einen Bissen essen konnten. So kam es, dass wir unseren
Kaffee im Schiffsbauch zu uns nahmen, bis
uns ein durchdringender
Pfeifton aus dem Laderaum vertrieb. Die Kinder waren kaum zu bremsen,
den Spielplatz an Bord
zu erkunden. Ohne Ende konnten sie durch
Kletterstrecken und Bälle toben. Dass jegliches natürliches Licht
fehlte, störte sie nicht. Lars und ich tranken bei dem Höllenlärm
nebenher einen Cappuccino und versuchten, uns zu entspannen. Als der
Reiz des Neuen etwas nachließ, gingen wir in den Sonnenschein an
Deck. Der Großvater hatte eine Familie aus Tübingen entdeckt und
die Kinder wurden bald ein Herz und eine Seele. Fast ein Jahr war es
her, dass unsere mit anderen deutschen Kindern spielen konnten.
Zufälligerweise deckten sich die Reisepläne beider
Familien. Die
Simachers hatten im Gegensatz zu uns ein Mietauto und ein festes
Quartier gebucht. Die ganzen Fahrstunden lang Richtung
Abel-Tasman-Park gab es in beiden Autos nur ein Thema: Werden wir uns
wieder sehen? Wir selber hatten kein konkretes Ziel und
Übernachtungsmöglichkeiten schienen in dieser Gegend rar zu sein.
Deshalb steuerten wir als erstes das Tübinger Urlaubsquartier an und
hatten Glück, dass der deutsche Eigner ein Herz für Kinder hatte
und wir unser Wohnmobil unterhalb der Ferienbungalows auf der Wiese
parken durften. Die junge Schar waren überglücklich und wir Großen
genossen die nette Gesellschaft.
Die nächsten 2 Tage
verbrachten wir
gemeinsam. Die Kinder bauten Staudämme und Sandburgen am Strand,
ritten im Wasser auf einem Baumstamm und wanderten
fröhlich durch
den Nationalpark. Wir buchten dieselbe Tour mit einem Wassertaxi, die
wetterbedingt fast zum Horrortrip wurde. Statt entspannt die
Landschaft zu genießen, ertrugen wir mit letzter Kraft das Gestucker
des kleinen Motorbootes über die steilen Wellen, die der 35 Knoten
starke Gegenwind aufbaute. „Buche nie eine Bootstour ohne vorher
Wetterinformationen einzuholen!“, lernte ich daraus. Den Anbietern
geht es nur ums Geschäft. Und so warnte uns auch früh keiner davor,
was uns nachmittags erwarten würde, sonst hätten wir sogar aufs
Geld verzichtet und wären auf Schusters Rappen nach Hause gelaufen,
statt uns stundenlang durchrütteln zu lassen. Eigentlich hätten sie
uns das Geld zurückerstatten müssen, aber skrupellos
verkauften sie ihre Touren für die nächsten Tage weiter. Möglich,
dass das Wetter selten so rauh ist.
Der Abel-Tasman-Park
ist wirklich
wunderschön. Lars und ich genossen die Gelegenheit, mal ohne Kinder
wandern zu gehen. Die Pfade sind zwar viel begangen, aber der Magie
des türkis durch die Bäume schimmernden Wassers und der
weiß-sandigen Flußmündungen tat das kein Abbruch. Abends kehrten
wir in einem kleinen Café am Rande des Parks ein, dass erstaunlich
leckeres Essen servierte.
Am Silvestertag
trennten sich leider
unsere Wege. Während sich die anderen direkt nach Kaikura an der
Ostküste auf den Weg
machten, fuhren wir entlang des Bullertals
Richtung Westküste. Der
Tag
wird uns wohl für immer mit seiner herrlichen
Landschaftskulisse in
Erinnerung bleiben. Das Bullertal war schon wunderschön,
die
in der Nachmittagssonne liegende, felsige Küstenlandschaft dagegen
einfach magisch. Wir hielten an der erstbesten Stelle am
Strand und
fanden in kürzester Zeit kiloweise schöne Steine. Es tat mir in der
Sammlerseele weh, nur einen Bruchteil behalten zu können, denn die
Staukapazitäten und das zugelassene Fluggepäck sind leider
begrenzt.
Am Spätnachmittag erreichten wir die Pancake-Rocks, eine
aus bizarren, schichtweise verlaufenden Steinen bestehende
Felsformation. Ein Fotomotiv war schöner als das andere. Mutti
begeisterte sich außerdem für
die Neuseelandpalmen, die hier üppig
wuchsen. Der
Ansatz der Palmkrone erinnert an Tulpenknospen. Leider
durfte man auch hier nicht auf dem Parkplatz stehen bleiben,
sonst
hätten wir uns die Szenerie gerne noch einmal bei Morgensonne
angeschaut. Wir fuhren einige Kilometer weiter zu einem Campingplatz,
der noch ein Plätzchen mit Strom anbieten konnte. Bis Mitternacht
war es nicht mehr lang hin. Passend zum Tagesprogramm gab es abends
Eierkuchen - mit Sahne, Pfirsichen und Schokosoße. Um Mitternacht
stießen wir mit Sekt und Traubensaft an.
Der
Campingplatz war
eher einer der
abschreckenden Sorte mit überwiegend Dauercampern. Das
Zeltwart-Pärchen hatte sich entsprechend sein eigenes Paradies mit
Kübelpflanzen eingerichtet und großer Fernseh-Antenne auf dem Dach.
Die Duschgelegenheiten waren ziemlich primitiv in einem
heruntergekommenen Gebäude untergebracht, das in seinen besseren
Tagen eine Dorfschule (mit nur einem Klassenraum) gewesen war.
Schade, denn die Lage mit Blick übers Meer war eigentlich
wunderschön und man hätte der Sache dank der alten Substanz richtig
Flair verleihen können.
Wir fuhren weiter
südwärts Richtung
Franz Josef Gletscher, nutzten den letzten größeren
Ort für
unseren Lebensmitteleinkauf und fanden abends ein sehr
schönes Fleckchen
am McDonald Creek. In dem trocken liegenden Teil des
steinigen Flußbettes
fanden wir einiges Treibholz, um
abends
ein Feuerchen zu machen. Am nächsten Morgen war die Szenerie wie
umgewandelt. Über Nacht hat es stark geregnet und der Fluß war zu
einem brausenden, grau-schlammigen Strom angeschwollen. Auf dem Weg
zum Gletscher überquerten wir noch einige ähnlich brodelnde Flüsse.
Unvergeßlich bleibt uns der Anblick eines Flußbettes mit seinen
aufsteigenden Nebeln im gleißenden Sonnenlicht.
Durch den Regen war
auch das
Gletschertal überflutet und nur für geführte Wanderungen
freigegeben. Wir mußten uns mit dem
Ausblick begnügen und
versuchten den Gletscher mit dem letzten Sonnenstrahl im Foto
festzuhalten, ehe graue Wolken alles wieder verhingen. Mutti fand
wieder allerlei interessante Pflanzen und zeigte voller Stolz ein
„nichtssagendes“ Bild mit einer grünen Pflanze herum, die
angeblich eine Orchidee sein sollte. Die hätten wir anderen alle
übersehen, aber es war herrlich, Mutti in ihrer Begeisterung zu
erleben und natürlich würdigten wir die Orchidee, indem wir ihr auf
dem Rückweg einen Besuch abstatteten.
Anders war es am
Matheson-See, den wir
nachmittags umwanderten. Wir hatten Glück mit dem Wetter, denn die
Wolken blieben in den Bergen hängen und hier unten schien die Sonne.
Ehrfurchtsvoll wandelten wir unter den riesigen, moosbehangenen
Bäumen entlang und staunten über die Vielfalt an Farnen auch ganz
ohne botanischen Hintergrund. Grün war die alles beherrschende Farbe
– in allen Formen und Schattierungen. Bei gutem Wetter spiegeln
sich die schneebedeckten Berggipfel im See und geben atemberaubende
Fotomotive ab. Als wir zum „view of the views“ kamen, hoben sich
gerade ein wenig die Wolken und gaben den Blick auf ein Stückchen
Berggipfel frei.
Wir campierten gleich
vor Ort, aber
über Nacht hatte es sich wieder eingeregnet und am nächsten Morgen
war alles nur noch grau in grau. Wir beschlossen, die für Regen
berüchtigte Westküste zu verlassen. Entlang der Straße kamen immer
wieder Bäche den Hang herab, die sich in reißende Wasserfälle
verwandelt hatten. Wir hofften, dass die Straße nicht irgendwann
plötzlich gesperrt sein würde. Unterwegs überholten wir mehrere
Radfahrer. Sie taten uns leid bei diesem Mistwetter. Wer hat
behauptet, Neuseeland wäre toll zum Radwandern? Die Gegend ist
menschenleer. Trotzdem herrscht allerhand Verkehr auf den wenigen
Straßen. Selten gibt es mal einen Seitenstreifen, geschweige denn
einen eigenen Radweg.
Als
wir über den
Haast-Paß kamen, riß
der Himmel wieder auf. Die Berge spiegelten sich im türkisblauen
Wasser der Seen, an deren Ufer wunderschöne Fleckchen zum
Übernachten einluden. Leider waren wir an keinem Supermarkt mehr
vorbeigekommen und mußten bis zur nächsten Ortschaft weiterfahren
und nächtigten auf einem rummeligen Zeltplatz. Supermärkte und
Tankstellen sind im Süden Neuseelands nicht so dicht gesät und
leider im Straßenatlas nicht verzeichnet. Da der Kühlschrank an
Bord nicht besonders groß war, kauften wir in der Regel immer nur
für einen Tag ein.
Anderntags fuhren wir
weiter Richtung
Milford-Sound. Die Landschaft und Vegetation änderten sich ständig.
Mutti entdeckte eine seltene Pflanze nach der anderen und war vor
Begeisterung ganz aus dem Häuschen. Von großen Königskerzen über
ganz kleine Blümchen, wogende Gräser und schöne
Landschaften
versuchten wir alles mit der Linse festzuhalten. An den Bachläufen
wuchsen ganze Felder von violetten Lupinen, die in der Abendsonne
leuchteten und mit der Bergkulisse im Hintergrund das schönste Motiv
abgaben. Ob es am nächsten Tag am Milford-Sound nun regnen sollte
oder die Sonne schien – der Abstecher ins Milford-Tal hatte sich
für uns schon gelohnt.
Der Südwesten der
Südinsel
Neuseelands erinnert an norwegische Fjordlandschaften. Fast senkrecht
fallen die Berge ins Wasser hinab und mächtige Wasserfälle donnern
in die Tiefe. Der Milfordsound ist eine der Haupt-Touristenattraktionen
Neuseelands. Dabei erleben 85% aller
Touristen ihn nur bei Nebel und Regen, denn die von Westen kommenden
Wolken regnen sich regelmäßig hier ab. So war es auch bei uns und
wir fragten uns, wie sich ein derartiges Regenloch als Legende halten
kann. In
der Touristeninformation wurde uns
versichert, dass sich die Bootsfahrt trotzdem lohnt und die
Wasserfälle bei Regen sogar besonders imposant wären.
Da wir nun
einmal hier waren, löhnten also auch wir die beträchtliche Summe,
konnten
die Faszination jedoch nur erahnen.
Eine Besonderheit des Milfordsounds ist außerdem seine
Unterwasserwelt. Hier wächst die
schwarze Koralle bereits in einer Tiefe von 8m, da sich aufgrund der
Schichtung von Süßwasser über Salzwasser besondere
Lebensverhältnisse ergeben. Sie ist übrigens mitnichten
schwarz, sondern als lebender Organismus weiß, und kommt eigentlich
nur in über 25m Tiefe vor. Das Unterwasser-Aquarium war trotzdem
eher eine Enttäuschung, da es nicht viel mehr als ein
Unterwasserturm mit vorgehängten „Blumenkästen“ war.
Als nächstes liefen
wir die Catlins
an, ein Stückchen wilde Küste ganz im Süden mit schönen
Sandstränden und Resten ursprünglicher Vegetation. Wir beobachteten
die scheuen Gelbohrpinguine und schlenderten über Klippen mit
uralten Versteinerungen von Bäumen früherer Zeitalter.
Monstergroßer Blasentang wuchs an Felsspalten und wogte im
Meerwasser, das ein- und ausströmte.
Unser Campingplatz
lag inmitten von
riesigen Flachsstauden. Meine Vorstellung von Flachs war bis dahin
nur sehr vage und beruhte auf Märchen und anderen alten Erzählungen.
Ich hatte eher eine Art Stroh vor Augen und war recht überrascht,
dass es sich mitnichten um Getreidefelder, sondern um mannshohe
Gewächse handelte, die für mich Laien wie Aloe Pflanzen aussahen.
(Ich hoffe, Mutti rauft sich hier nicht die Haare wegen ihrer
botanisch unbeschlagenen Tochter.)
Das Wetter blieb
leider kühl und
unbeständig. In den kurzen Regenpausen gingen wir uns die Beine
vertreten. Morgens maßen wir 9°C im Inneren unseres Campingbusses,
obwohl 6 Schläfer „mitheizten“. Wir hatten mit den Catlins den
südlichsten Punkt unserer Reise erreicht und fuhren von nun an an
der Ostküste nordwärts.
An den Stränden kann man an verschiedenen
Punkten Robben, Seelöwen und Pinguine beobachten. Meist sind sie
aber nur von weitem zu sehen und beeindruckten uns nicht so sehr wie
die agilen Seehunde auf Galapagos. Entlang der Touristenroute muß
man an den Aussichtsstellen ordentlich Geld bezahlen, während sie
abseits davon umsonst und nicht schlechter waren. Man nimmt das Geld
hier von den Lebenden und wir hatten langsam die Nase voll davon (und
beschlossen, es fortan lieber für gutes Essen auszugeben). Auf
der Otago-Halbinsel befindet sich z.B. die einzige Albatross-Kolonie
des Festlands. 40$ kostet der Familieneintritt, der einen berechtigt
durch ein Fernglass die Küken zu sehen und für den man noch einen
halbstündigen Informationsfilm geboten bekommt. Wir begnügten uns
mit den frei fliegenden erwachsenen Albatrossen
sowie den Kormoranen
und anderen Seevögeln, die man vom Parkplatz aus beobachten
konnte. Sehr
interessant war jedoch das angegliederte Informationszentrum,
wo man viel Wissenswertes über diese Könige der Lüfte erfuhr.
Leider sind auch sie durch die Menschen vom Aussterben bedroht.
Erschüttert hat mich das Bild eines Albatrosses, dessen Magen voller
Plastik-Müllreste war, die er für Beute gehalten hat und an denen
er zugrunde ging. Viele Albatrosse sterben auch durch sorglose
Fischfangmethoden als "Beifang".
Neuseeland hatte auf
unserer Reise mit
die größte Vielfalt an Muscheln, die man als Strandgut finden
konnte. Besonders schön waren die grün-schimmernden Pauras (Iris
haliotis), aus denen auch viel Schmuck hergestellt wird. In Moeraki
findet man nicht nur Muscheln, sondern auch Iglu-große Steinkugeln
am Strand, über deren Entstehung Naturwissenschaftler verschiedene
Theorien aufgestellt haben. Wie von Riesen verlorene Murmeln sehen
sie aus.
Nördlich von Moeraki wird die
Landschaft langweilig und trocken. Bei uns nieselte es
natürlich selbst hier. Auf den Ebenen wird Wein und vieles andere
angebaut. In
den Ortschaften sind z.T. riesige Hecken angepflanzt, die gerade
beschnitten wie haushohe Mauern wirkten. Wir machten einen Abstecher
auf die Ataroa-Halbinsel,
die ihren vulkanischen Ursprung nicht
verleugnen kann. Kreisrund und mit schönstem Faltenwurf klebt der
Krater wie eine Klette am ebenen Küstenumland.
Für Christchurch
nahmen wir uns nur
eine Stunde Zeit, denn wir wollten noch Sigrid besuchen, die Tochter
von Volkmar, den wir in der Karibik von Martinique nach St. Lucia
mitgenommen hatten. Er segelt sozusagen per Anhalter um die Welt, um
nach Neuseeland zu kommen. Obwohl unser Besuch nur kurz war, haben
wir ihn in schönster Erinnerung. Sigrid erklärte uns ihren Garten,
den sie ökologisch bepflanzt. Die Kinder lernten von der
Waldorf-Erzieherin wie man Wolle spinnt und waren ganz begeistert
über die puscheligen Hühner, die zu irgendeiner speziellen
asiatischen Rasse gehörten.
Abends fuhren wir
noch über Kaikura
hinaus. Die Küste war einfach großartig. Auf den zerklüfteten
Felsen tummelten sich die Seelöwen und wir versuchten ein paar
Filmaufnahmen zu machen, da unsere Videobänder von Galapagos ja
ärgerlicherweise verloren gegangen sind. Die
Imbißstände entlang der Küste, wo man frischen Hummer essen kann,
waren leider alle schon geschlossen.
Unsere gemeinsame
Reise neigte sich
langsam dem Ende zu. Mit der Fähre ging es zurück zur Nordinsel und
dort in den Tongarino-Nationalpark, wo Lars und ich eine größere,
die Kinder und Großeltern eine kleinere Wanderung unternahmen. Da
die Gipfel permanent in den Wolken hingen, nahmen wir von der
berühmten Tour über die Tongarino-Crossing Abstand. Wie schon so
viele Male campierten wir an einem Naturpark-Zeltplatz, badeten im
glasklaren Bach und genossen die herrliche Natur um uns herum.
Die letzte gemeinsame
Nacht verbrachten
wir auf einem Campingplatz in Miranda mit eigener warmer Quelle.
Wohlig lagen wir im warmen Pool, während es ringsherum langsam
dämmrig und kühl wurde. Am nächsten Tag ging es zurück in die
Großstadt Auckland, wo wir das Wohnmobil abgeben und von den
Großeltern Abschied nehmen mußten.
Die
Neuseeland-Rundreise mit dem
Wohnmobil war in vieler Hinsicht ähnlich wie unsere
bisherige Reise
mit der Spica. Wieder war es recht beengt, womit wir jedoch
gut
zurecht kamen. Vielleicht, weil wir da nun auch schon einige Übung
hatten. Alles, was nicht fest verstaut war, klapperte und fiel durch
die Gegend. Ordnung war also oberste Pflicht. Die Bettverriegelung
und ein Schapp ließen sich allerdings nicht fest verschließen,
weshalb es zur Belustigung der Kinder immer mal wieder rumste.
Ähnlich wie beim Segeln hatten wir uns ein ehrgeiziges
Ziel
gesetzt, nämlich das ganze Land zu bereisen und waren
damit an einen
engen Zeitplan gebunden. Das ewige Weiter-Weiter ist ziemlich
anstrengend und der Spagat zwischen den Bedürfnissen der Kinder und
der Großen war nicht immer leicht. Würde Neuseeland nicht gerade am
anderen Ende der Welt liegen und wäre es damit leichter, noch einmal
wieder
zu kommen, hätte man vielleicht nur einen Teil bereist.
Ungebrochen blieb die Begeisterung der Kinder für Tiere. Auch nach 4
Wochen glühten sie vor Freude, wenn sie Kühe, Schafe, Hirsche oder
vor allem Pferde zu Gesicht bekamen.
Die restlichen 4 Tage
ohne Omi und Opi
mieteten wir uns einen PKW. Eigentlich wären wir zufrieden gewesen,
irgendwo ein paar Tage am Strand zu verbringen, aber
wir fanden nicht
so den rechten Ort dafür. Daher wurde es eine
Fortsetzung der
Rundreise. Wir besuchten das Kauri-Museum in Matakohe, wo
eindrucksvoll die Geschichte der Besiedlung durch die Europäer und
die Holzgewinnung dargestellt waren. Ein Längsschnitt durch den
größten bekannten Kauri-Baum reichte durch den kompletten Saal,
eine Andeutung der größten Baumdurchmesser über die ganze
Seitenwand. Massivholzmöbel waren bei dem Holzüberfluß damals gang
und gäbe. Ausgestellt war u.a. eine Badewanne, die jemand als
Hochzeitsgeschenk für seine Geliebte ausgehöhlt hatte. Weiter im
Norden konnten wir dann noch den zweitgrößten lebenden Kauri-Baum,
den „Tane Mahuta – Lord of the forest“ bewundern. Ich glaube,
es gibt niemanden, der angesichts dieses Giganten nicht von Ehrfurcht
erfüllt wäre.
Eines der schönsten
Erlebnisse für
die Kinder war die Übernachtung auf einer Bio-Farm. Neben der
Milchwirtschaft bestand das Hauptgeschäft in der Organisation von
Jungs- und Mädchen-Ferienlagern, und als wir ankamen, rannten 60
Jungs von 8-16 Jahren übers Gelände. Bei den Neuseeländern (und
Australiern) hat sich der Jagdinstinkt offensichtlich stärker
erhalten als bei uns im dicht bevölkerten Europa. Der Umgang mit
Jagdwaffen und Outdoor-Aktivitäten sind nicht ungewöhnlich. Die
Sicherheitsanforderungen scheinen niedriger angebunden zu sein als
bei uns. Jedenfalls können die Jungs hier wild mit
Cross-Country-Motorräder über Wiesen und Hügel gurken, auf dem
Pferderücken Kühe zusammentreiben, sich nach Herzenslust mit Farbe
beschießen, schnorcheln gehen oder nachts Possums schießen, die
nicht nach Neuseeland gehören und zur Plage geworden sind. In den
Zimmern herrscht ein wildes Durcheinander, aber beim Essen stellen
sich alle brav an und waschen hinterher auch ihr Geschirr alleine
sauber. Beim Trampolin paßten die
Jugendlichen selber auf, daß
keiner vordrängelt und wann der nächste dran ist. Der Umgang
untereinander wirkte
sehr fair.
Klar, dass die Nacht
nicht gerade die
ruhigste war. Dafür war die Atmosphäre wirklich ungezwungen und
locker. Einfach zum Wohlfühlen, wenn man den Trubel abkann. Till und
Marlene waren jedenfalls nicht mehr weg zu kriegen. Am nächsten Tag
bekamen sie sogar noch eine Reitstunde, bei der sie zunächst den
Umgang mit den Pferden übten, bevor sie sich dann auch auf den
Rücken setzen durften.
Zurück
in Auckland
besuchten wir noch
die „Tarlton Unterwasserwelt“. Durch dicke Röhren fuhr man auf
einem Rollband durchs Aquarium und hatte die Fische über
und neben
sich. Es ist schon eine andere Perspektive als beim Schnorcheln, wenn
die Haie und Rochen über einen hinweg gleiten. Königspinguine, eine
Austellung zur Entdeckung der Antarktis, die Fütterung von riesigen,
schwarzen Manta-Rochen und kleinere Aquarien mit Seepferdchen und
anderen Meeresbewohnern machten die Sache rund.
Gesättigt von
Eindrücken flogen wir
zurück nach Sydney. Diesmal klappte alles problemlos. Nur Tills
Schulzirkel erregte Anstoß bei der Sicherheitskontrolle und wurde
leider einbehalten.
Am selben Abend
fuhren wir noch weiter
nach Newcastle zu Mitchell, der uns wieder gastlich in seinem Haus
aufnahm. So schön die Reise war, so anstrengend war sie auch und wir
waren froh, einfach nur einen Tag „abhängen“ zu können. Draußen
herrschten wahnsinnige 43°C und ein heißer Wind blies aus dem
Landesinneren. Es
war sogar
mit Klimaanlage kaum auszuhalten. Kurzzeitig fuhren wir an den Strand
zu den Rock-Pools, wo das Wasser mit 18°C aber ziemlich kalt war,
während einem die Sonne auf den Kopf knallte. Am Abend schlug das
Wetter um und nach einem Gewitter wehte eine kühle Brise vom Meer
her.
Am nächsten Tag war
es wolkig und
etwas kühler und wir waren froh, daß wir die lange Autostrecke nach
Iluka nicht am gestrigen Tag angegangen waren. Nach 2/3 der
Strecke
erreichten wir Coffs Harbour, wo wir an der Marina vorbei
schlenderten um zu gucken, ob zufällig irgendwelche bekannten
Yachten da wären. Tatsächlich trafen wir Don und Priscilla von
„Chautauqua“ und Jane und John von „Tara III“ und es gab ein
herzliches Hallo. Lange konnten wir nicht bleiben. Im Dunkeln kamen
wir schließlich in Iluka an, wo wir unsere Ferienwohnung bezogen.
Müde fielen wir in die unbezogenen Betten, denn die Bettwäsche war
natürlich auf der Spica. Eine neue spannende Zeit lag vor uns: die
Kinder würden ein Vierteljahr lang hier zur Schule gehen.
Heimisch
in Iluka
Nach
der Enge auf dem Segelboot und im Wohnmobil empfanden wir die
Ferienwohnung, die wir gemietet hatten, wie einen Palast. Sie war
wirklich ungewöhnlich großzügig und wirkte eigentlich wie eine
möblierte Privatwohnung. Die
Kinder waren vor Freude aus dem Häuschen
und nutzten sofort
den vielen Platz zum Spielen. Die Wohnung hatte eine
riesige Wohnküche über die ganze Hausbreite, davor einen schönen Balkon
mit Blick auf ein Stück vom Fluß und 3 Schlafzimmer mit insgesamt 9
Schlafgelegenheiten. Luxuriös fanden wir auch, jederzeit
fließend
(Warm-) Wasser aus der Leitung zu haben, 4 Flammen am Herd und üppige
Arbeitsflächen in der Küche zum Hantieren und Abstellen. Abwaschen
machte richtig Spaß. Toaster, Mikrowelle und Waschmaschine...
was für
ein Luxus.
Die
ersten Tage brauchten wir, um uns einzurichten. Die zahlreichen Geckos
hatten überall mäusedreckähnliche Spuren ihres Nachtmahls hinterlassen
und sämtliche Flächen und Regale mussten ausgewischt werden, bevor man
sie einräumen konnte. So nach und nach brachten wir unseren ganzen
Hausrat vom Schiff an Land.
An
die Entfernungen in Australien mußten wir uns erst einmal gewöhnen.
Iluka lag sehr abgelegen. Bis zum Pacific Highway waren es locker 25
km, in die nächste Kleinstadt Maclean 35km. Größere Supermärkte gab es
nur in Yamba, das zwar "nur" auf der anderen Flußseite, per Straße
jedoch 40 km entfernt lag oder im 80km entfernten Grafton,
das
sogar einen ALDI-Markt hatte, die neueste Konkurrenz
zu den gängigen
"Woolworth" oder "Coles"-Supermärkten. Unsere Nachbarn hatten uns von
Ballina als Einkaufsparadies vorgeschwärmt, und da wir in der Wohnung
über einen großen Kühlschrank
mit geräumigen Gefrierfach verfügten,
dachten wir, uns dort fürs erste ordentlich einzudecken, um nicht auf
die kleinen teuren Supermärkte vor Ort zurückgreifen zu müssen. 2 x
110km nur fürs Einkaufen! Ballina selber gab nichts her und es
überzeugte uns nicht, dafür diese ewige Strecke zu fahren. Für das
verfahrene Benzingeld konnte man lieber vor Ort zum doppelten Preis
einkaufen.
Die Preise für Lebensmittel waren übrigens saftig.
Selbst Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln, Zwiebeln, Mehl, Reis und
Linsen kosteten deutlich mehr als in Deutschland. Einzig Zucker war
billig. Im Gegensatz zu allen sonstigen Waren, die zu annähernd 100%
"made in China" waren, kamen die Lebensmittel fast alle aus
Australien.
Möglicherweise lag das an den restriktiven "biosecurity"-Gesetzen. Lars
hatte
die Kinder auf dem Pazifik immer auf Australien vertröstet, wo es
angeblich wieder "alles" geben sollte. Ganz so war dem nicht. Wir
vermißten Negerküsse ebenso wie Harribo (die australischen Gummibärchen
schenkten die Kinder freiwillig weg). Und Marlene trauerte noch immer
ihrem "Schokobonbon" hinterher, das ich zu ihrem Geburtstag in der
Karibik aus Versehen einem anderen Kind als Preis hatte zukommen
lassen. Ich selber vermißte vor allem die europäische Käseauswahl, die
zwar als Import vorhanden, aber für uns unbezahlbar war. Die
australischen Käse schmeckten alle wie Cheddar, egal ob Mozzarella oder
Gouda drauf stand. Dagegen ist Australien ein richtiges Fleischland und
in kaum einem Haushalt fehlt ein Gas-Grill, denn die Aussies lieben ihr
Barbecue. Sie haben ja auch das passende Wetter dazu.
Am 26.
Januar ist Australia Day. Das ließen wir uns nicht entgehen und zogen
mit vor die Community Hall, wo die Nationalhymne gesungen, ein paar
Reden geschwungen und Scones mit Marmelade und Tee verteilt wurden.
Wir lernten Julia und David kennen, die als ehrenamtliche
Helfer der Coastguard
Bratwürstchen verteilten, deren Erlös der Organisation zu Gute kam.
Ehrenamtliche
Tätigkeit ist in Australien überaus verbreitet. Ob in der Schule, bei
der Feuerwehr, der Seenotrettung oder den Touristeninformationen, über
die selbst
Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern verfügen - man trifft sie
überall. Jeder, der ein wenig Zeit erübrigen kann oder sich auch als
Rentner noch fit fühlt, engagiert sich irgendwo. Davon könnten wir uns
in Deutschland ruhig eine Scheibe abschneiden. Jedenfalls ergab sich
aus der Bekanntschaft mit Julia und David eine nette Freundschaft. Und
als Segler, Küstenschiffer und weltgereiste Erdenbürger konnten sie uns
viel über die Küste von New South Wales und Queensland erzählen und wir
verbrachten etliche nette Abende zusammen.
Wie
viele Einheimische
verbrachten auch wir den Rest des Tages am Strand. Und Iluka hatte
tolle Strände! Nach Baden stand uns nicht der Sinn. Das war an diesem
Tag auch besser so, denn der Nordost-Wind hatte die gefährlichen "blue
bottle"-Quallen (auch Portugiesische Galeere genannt) angeschwemmt, die
übelste Verätzungen bereiten können. Viele Küsten Australiens sind
gefährlich, weil es entweder Haie, Krokodile oder Feuerquallen gibt.
New South Wales gehört zu den glücklichen Regionen, wo man sich darum
so gut wie keine Sorgen machen muß.
Am nächsten Tag begann für
die Kinder das vielleicht größte Abenteuer der Reise. Wir meldeten sie
an der "Iluka Public School" an und erstanden für beide schöne,
grau-rote Uniformen, die
sie sofort liebten. Till lernte sogar schon
seine Lehrerin kennen, die genau wie er neu in der Schule anfing. Till
kam in die zweite Klasse, die am
nächsten Tag beginnen sollte, Marlene
in die Kindergarten-Gruppe (wir würden es Vorschule nennen), die erst
am Montag losging.
Zuckertüten sind in Australien
unbekannt. Wir holten unsere von Bord und Lars ging Donnerstag früh in
den Supermarkt und prüfte unter dem staunenden Blick des Personals, wie
viel Süßigkeiten hineinpassten. Natürlich begleiteten wir Till zu
seinem ersten Schultag. Er begann wie zu Ostzeiten mit einer Art Apell,
wo gemeinsam die australische Nationalhymne gesungen wurde und der
Direktor die Schüler zum neuen Schuljahr begrüßte. Till
fühlte sich
etwas verloren, weil
er nicht verstand, dass für die Hymne die
Schulhüte abzunehmen waren. Ich beschloss deshalb, den ganzen ersten
Tag bei ihm zu bleiben. Wir
fanden es schon unglaublich mutig von den
Kindern, sich ohne Sprachkenntnisse unter die anderen Schüler zu
trauen. Tills Lehrerin, Mrs. Gardner, war sehr einfühlsam und
freundlich und mochte Till sichtlich gern. Es dauerte nicht lange, so
war Till aufgetaut und für ihn stand fest, dass "richtige" Schule viel
besser als Bordschule ist. In der Pause verteilte er stolz seine
Süßigkeiten und als ein Junge ihn zum Fußballspielen aufforderte, ließ
er sich nicht zweimal bitten. Die australischen Kinder waren sehr nett
und viele boten an, ihm beim Englischlernen helfen
und sein Freund sein
zu wollen. Das
war ein super Start und Marlene konnte es kaum erwarten,
auch endlich Schulkind zu werden.
In
Australien gibt es ebensowenig
wie in Deutschland ein einheitliches Schulsystem, aber es gibt
Bemühungen, es zu vereinheitlichen. In NSW geht die Grundschule vom
Vorschuljahr bis zur 6. Klasse. Sie beginnt für alle Kinder um 9 Uhr
und geht für alle bis 15 Uhr. Es gibt zwei Pausen: "little lunch" von
11 Uhr bis 11:30 Uhr und "big lunch" von 13 Uhr bis 14 Uhr. Es gibt
keine Unterrichtsstunden wie bei uns, sondern die Gliederung obliegt
dem jeweiligen Klassenlehrer. Der
Schwerpunkt scheint auf Englisch,
Mathe und Sachkunde zu liegen. Kunst, Musik und Sport werden nach
eigenem Vermögen von den Klassenlehrern eingeflochten Jedenfalls gab es
in Iluka keine extra dafür ausgebildeten Lehrer, was wir als Manko
empfanden.
Fremdsprachen spielen wie in den meisten
englisch-sprachigen Ländern keine große Rolle. In Iluka wurde
Französisch fakultativ gegen Extra-Gebühr angeboten. Übrigens sieht es
an der Highschool nicht wirklich besser damit aus. Für die meisten
Schüler beschränken sich Fremdsprachenkenntnisse auf einen
Schnupperkurs über ein Jahr. Selbst Akademiker wie z.B. Lehrer sprechen
oft keine andere Sprache außer Englisch.
Großer Wert wird aufs Lesen
gelegt. Neben einer Schulbibliothek, in der wöchentlich eine
Unterrichtsstunde stattfindet, verfügt jeder Klassenraum über Bücher,
die je nach Leseanforderung unterschiedlich farblich gekennzeichnet
sind. Die
Kinder sind aufgefordert, jeden Tag zu lesen und das in einem
extra Heft zu dokumentieren. Auch gemeinsames Lesen und Vorlesen zählt
bei den Jüngeren.
Hausaufgaben werden montags als Arbeitsblätter
ausgegeben und bis spätestens Freitag ausgefüllt zurück erwartet. Das
fanden wir sehr eltern-freundlich.
Gefallen hat uns auch der
wöchentliche Newsletter, in dem die Klassenlehrer eine kurze
Zusammenfassung bzw. einen Ausblick auf Unterrichtsschwerpunkte geben
und ggf. Probleme thematisieren. Außerdem wird auf
Schulveranstaltungen, Elternversammlungen und ähnliches hingewiesen.
In
Iluka gab es keine Schulspeisung. Wir gaben den Kindern oft Salate oder
Reste vom warmen Abendessen des Vortags mit. Die meisten Kinder hatten
Toast bzw. Chips
und Süßkram dabei. In Australien ist es allgemein
nicht üblich, mittags warm zu essen, da es in den meisten Gegenden
ziemlich heiß ist. Auch die Erwachsenen essen nicht mehr als belegte
Sandwiches, kochen dafür aber abends. Nicht anfreunden konnte ich mich
damit, dass die Kinder sich zum Essen auf den blanken Betonfußboden
setzten statt an Tische. Einmal wöchentlich organisierten einige Mütter
einen "tuck-shop", um unterprivilegierten Kindern "gesundes" Essen zu
kleinem Preis zu ermöglichen. In meinen Augen war das meiste jedoch
ebenso "junk" und ich erlaubte Till und Marlene nur die Wahl zwischen
Pizza und Lasagne.
Um keine Sache gab es so viel Diskussionen wie um
"scripture". Es handelte sich um eine massiv-agitatorische Art von
Christenlehre,
die von zwei Pastorinnen kostenlos angeboten wurde. Es war zwar
fakultativ, fand aber während der normalen Unterrichtszeit statt. Die
Kinder, deren Eltern nicht damit einverstanden waren, saßen z.T. mit im
selben Raum und sollten Arbeitsblätter ausfüllen oder malen. Nicht
nur
Amerika, sondern auch Australien verfügt über eine Art "bible belt".
Eine
weitere Sache ist erwähnenswert. Die Kinder konnten sogar ein
Instrument in der Schule erlernen. Auch dieser Unterricht fand in der
Schulzeit statt
und die Schüler verpaßten einfach ein wenig ihres regulären
Unterrichtes.
Die Anwesenheitspflicht wurde deutlich lockerer
gehandhabt als in Deutschland. Viele Eltern nahmen ihre Kinder nach
eigenem Gutdünken aus dem Unterricht, wenn sie es für notwendig
hielten. In Deutschland gehen Anträge für 3 Stunden Beurlaubung, wie
wir gehört haben, zum Teil bis zum Ministerium. Es kamen und gingen
auch ständig Schüler, deren Eltern umzogen. Warum wir in Deutschland
glauben, uns mit dem Kauf eines Eigenheims auf alle Ewigkeit fest zu
legen, können die Australier nicht nachvollziehen.
In der
Grundschule gibt es keine Zensuren. Die Kinder bekommen zum Jahresende
eine Beurteilung, in der die eigenen Lernfortschritte festgehalten
werden. Die Lehrer stufen die Schüler zwar intern ein, aber Schüler und
Eltern erfahren diese Einschätzung nur, wenn sie explizit nachfragen.
Nach der Grundschule wechseln alle Schüler auf die Highschool, wo sie
ihrem Leistungstand entsprechend unterschiedlichen Klassen zugeordnet
werden. Diese Klassen können sie, wenn sie sich verbessern oder
verschlechtern, auch wechseln.
Insgesamt fanden wir das deutsche
Schulprogramm wesentlich anspruchsvoller als das australische.
Erstaunlicherweise liegt Australien bei der weltweiten Pisa-Studie aber
auf Platz 6 und Deutschland nur auf Platz 23. Den Kindern hat die
Schule in Australien großen Spaß gemacht und wie viele australische
Kinder haben sie während der Ferien dem erneuten Schulbeginn entgegen
gefiebert.
Auch Marlenes Start war unkompliziert. Begeistert hielt
sie ihre große Zuckertüte im Arm, die natürlich nicht kleiner als die
von Till auf der Biskaya sein durfte. Und die war mir ziemlich groß
geraten. Zur Schule nahm sie nur eine kleine mit. Ihr Lehrer, Mr.
Barrington, hatte seine liebe Mühe, die Kleinen zur Ruhe zu bringen,
die ja alle neu waren oder den Übergang in die 1. Klasse nicht
geschafft hatten. Sie hatten im Wesentlichen mit sich selbst zu tun und
konnten Marlene nicht so gut integrieren, wie das in Tills Klasse der
Fall gewesen war. Zum Glück bekamen sie alle
Paten aus der 6. Klasse
und Marlenes "buddy" Mary war ein besonders nettes Mädchen. So kam es,
dass Marlene zu Beginn nur Freundinnen hatte, die wesentlich älter
waren als sie.
Ich blieb insgesamt 2 Tage bei ihr im Unterricht. Es
wurde noch sehr viel gespielt und gebastelt und war gar nicht so
richtig Schule, wie Marlene das erwartet hatte. Da sie so enttäuscht
war und auch noch nicht richtig Anschluss gefunden hatte, machten wir
den Versuch, sie in die erste Klasse zu stecken. Die Kinder paßten
eigentlich besser zu ihr und hätten sie auch gerne in der Klasse
gehabt, aber da sie weder Englisch noch Lesen und Schreiben konnte und
nur 3 Monate bleiben sollte, wäre sie dort doch mächtig überfordert
gewesen. Also ging sie zurück zu Mr. Barrington, dessen Vorlesestunden
sie liebte. Trotz fehlender Sprachkenntnisse war sie bald eine der
Besten in der Klasse.
Weniger gefiel mir das "white board" - eine
Art riesiger, interaktiver Bildschirm, der die Tafel ersetzte. Ich fand
das stundenlange Geflimmer ausgesprochen ermüdend und die
Computerstimme monoton. In Australien scheint man dem Computer- und
Fernsehkonsum
wesentlich unkritischer gegenüber zu stehen als bei uns.
Computerspiele waren in den Pausen im Computerkabinett legitim und die
"white boards" addierten 6 Stunden täglich zu den ohnehin ausgiebigen
Flimmerzeiten der Schüler zuhause. Wenn uns Tills Freunde besuchen
kamen und aufgrund der stockenden Konversation manchmal
Langeweile aufkam, fragten sie uns des öfteren, ob sie unseren Computer
für Spiele nutzen könnten, was wir jedoch ablehnten. Auch intelligente
Erwachsene wie unser Vermieter klebten regelmäßig vor der Mattscheibe,
deren Reiz wir auch nach mehreren Versuchen unterschiedlicher
australischer Sender nicht nachvollziehen konnten.
Ebenso
enttäuschend waren übrigens die Nachrichten der
Deutschen Welle, die
wir uns einmal zu Gemüte führten. Nach einem
gefühlt-5-minütigen Beitrag zu Formel 1 folgten Skandälchen
eines aufgeblasenen Herrn
Westerwelle, die Ankündigung, dass in Frankreich Wahlen stattgefunden
hätten ohne jegliche Hochrechnung oder sonstige Aussage, ein
bißchen
Putsch in Thailand und zum Abschluß Bundesliga-Fußball.
Aber
zurück zur Iluka Public School. Die Kinder gingen also wirklich mit
viel Freude hin. Es war nur 5 Minuten zu Fuß von unserer Wohnung aus.
Später bekamen sie Kinderfahrräder geborgt und konnten sich endlich
wieder im Radfahren üben. Sie liebten ihre Schuluniformen, die aus
grauen Shorts bzw. Röckchen
und rotem T-Shirt bestand. Dazu der
obligatorische Hut, der bei der Sonneneinstrahlung in Australien
unverzichtbar ist. Freitags dagegen war "Sporttag" und die Sportsachen
waren rot-weiß. Zu viel Sport darf man dabei aber nicht
vermuten.
Was jedoch regelmäßig Freitag mittags stattfand, war eine Art Appell,
wo natürlich wieder die australische Nationalhymne gesungen wurde und
Urkunden für besondere schulische Leistungen verteilt wurden. Die
Ausgezeichneten wurden auch im Newsletter erwähnt. Natürlich stellten
die Lehrer sicher, dass alle Schüler mal mit einer Urkunde bedacht
wurden. Die Kinder waren trotzdem immer sehr stolz darauf und zwischen
Marlene und Till gab es einen regelrechten Wettbewerb, wer mehr
Urkunden nach Hause bringt.
Einmal pro Woche war jeder Schüler
dran, vor seiner Klasse seine "news" vorzutragen. Viele Kinder
berichteten über Spielsachen, die sie gern hatten oder kürzlich
geschenkt bekommen haben. Manche brachten Haustiere mit. Sogar Pferde
und Hunde hat es in der Schule schon gegeben. Mit Till arbeitete ich
immer einen kleinen Kurzvortrag zu einem Thema seiner Wahl aus, den ich
ins Englische übersetzte.
Zum Beispiel brachte er Fotos von
Schneelandschaften mit und erzählte den Kindern, die zum größten Teil
noch nie Schnee in ihrem Leben gesehen hatten, wie viele Lagen Sachen
man sich anziehen muß, wenn es kalt ist. Als Till besser englisch
konnte, erzählte er wie seine Klassenkameraden aus dem Stehgreif. Das
erste Mal war eine wirkliche Überraschung für die Kinder, da sie ihn
bis dahin kaum englisch reden gehört hatten. Einmal gab ich ihm ein
Pippi-Langstrumpf-Buch auf deutsch und eins auf englisch mit. Er las es
erst auf deutsch und dann auf englisch vor. Anschließend sollten seine
Klassenkameraden mal versuchen, auf deutsch zu lesen. Ein Mädchen kam
mir nachmittags entgegen gerannt und erklärte, deutsch lesen sei viel
schwieriger als englisch. Sie hatte sich freiwillig für das Experiment
gemeldet. Tills Lehrerin begrüßte diese Horizont-Erweiterung für die
australischen Kinder sehr, ebenso
wie der Direktor, Mr. Dennis.
Marlene
tat sich etwas schwerer mit der Fremdsprache und da sie sich nie an das
hielt, was sie sich zuvor ausgedacht hatte, ging ich ziemlich lange mit
und übersetzte für sie während ihres Vortrages. Sie stellte mit
Vorliebe ihre Kuscheltiere vor und Mr. Barrington begann sich zu
wundern, wo wir den Platz für so viel Spielzeug auf dem Boot hätten. Im
Anschluß konnten die Kinder Fragen dazu stellen und es kam
meistens, wann und von wem sie das Spielzeug geschenkt
bekommen hätte und warum
sie es so toll fände. Ich glaube, diese spielerische und
selbstverständliche Art, die Kinder in den Mittelpunkt zu rücken und
sie vor der Klasse laut und deutlich vortragen und Fragen
beantworten
zu lassen, ist
eine gute Übung für späteres selbstbewußtes Auftreten.
Gleich
in der 2. Schulwoche fand ein schulinterner Schwimmwettbewerb
in Maclean statt. Die australischen Kinder hatten die letzten
2 Wochen vor
den Weihnachtsferien Schwimmunterricht gehabt und sollten über den
Sommer ordentlich üben. Till hatte nie etwas anderes als Brustschwimmen
gelernt und konnte deshalb nur in dieser Disziplin antreten. Wir haben
nie extra mit ihm geübt, aber da er groß und kräftig war, wurde er
sogar Zweiter in seiner Altersklasse. Damit qualifizierte er
sich
für die nächste Stufe, wo mehrere Schulen gegeneinander
antraten. Marlenes
Gruppe machte Wettspiele im Baby-Becken. Die Kinder zogen das
Baden im Swimmingpool deutlich dem Baden im Meerwasser vor.
Fast
jede Woche gab es australienweit Tage unter einem bestimmten Motto,
z.B. den
"Clean up Australia Day", wo die Kinder auf dem Schulgelände und im Ort
Müll auflasen. Es gab den "Harmony Day", wo es um freundschaftliches
Miteinander aller (Nationen) ging.
Dem ANZAC Day, wo der australischen
und neuseeländischen Gefallenen der zwei Weltkriege gedacht wurde,
konnten wir wenig abgewinnen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass
Australien auch beim Irak-Krieg mitgemacht hat und es zweitens zwar in
so ziemlich jedem Örtchen Australiens ein Denkmal für die gefallenen
Soldaten des 1. und 2. Weltkrieges gibt, aber
nirgendwo eines, das an die ermordeten Aborigine
seit der Besiedelung durch die Europäer erinnert, deren Opferzahl
sicher größer war. Wenn man der Kriegsopfer
gedenkt, dann doch
bitteschön auch der Opfer unter der Zivilbevölkerung, und es sollte
mindestens ein Appell an den Frieden daraus hervorgehen. Wie früher zu
den 1. Mai Demonstrationen im Osten wurde fehlende Anwesenheit beim
ANZAC-Aufmarsch sogar öffentlich gerügt. Besser gefielen uns der "Ride
into school" und "Walk into school"-Day, wo Kinder und ihre Eltern
aufgefordert waren, zu Fuß bzw. Fahrrad zur Schule zu kommen und auf
das übliche Transportmittel Auto zu verzichten.
Interessant für
uns waren auch die Elternversammlungen. Von den etwa 80 Elternpaaren
tauchten nur so ca. 6-8 auf. Stimmrecht bei Entscheidungen erwarb man,
wenn man den symbolischen Betrag von 1 $ bezahlt hatte. Natürlich ging
es meist um Finanzdinge: wie man Geld auftreiben kann und wofür es
ausgegeben werden sollte. Hauptprojekt war die Anlage eines
Spielplatzes auf dem Schulgelände, der zwar schon seit Jahrzehnten in
Diskussion war, aber nie realisiert wurde. Geheime Widerstände in der
Lehrerschaft? Vermutlich. Ob nun tatsächlich eine extra Aufsichtperson
neben einer Kletterpyramide gebraucht wird und ob Kletterstangen nicht
mehr den heutigen Sicherheitsstandards entsprechen, haben wir nicht
mehr erfahren. Viel Raum nahm auch das jährliche Schulfest ein. Unsere
Freundin
und Grünen-Aktivistin Anja setzte sich mit "Nachhaltigkeit -
living the good life" bei der Themenfindung durch. Trotz aller Skepsis
der Gegner wurde das Fest ein großer Erfolg, hat sie uns
später
berichtet.
In der Schule helfen viele Eltern ehrenamtlich oder
als geschulte pädagogische Helfer gegen kleine Aufwands-Entschädigung.
Sie üben
mit den Kindern Lesen oder unterstützen schwache Schüler bei den
Mathe-Aufgaben. Die
Schule bietet ihrerseits regelmäßig Seminare zu Konfliktbewältigung und
positiver Erziehung für die Eltern an. Finden Lehrer-Weiterbildungen
während der Schulzeit statt, werden sie von extra bestellten
Vertretungslehrern für den Tag ersetzt.
Die Schule hielt auch uns
Große auf Trab. Neben den ständigen Sonderereignissen und dem damit
verbundenen Engagement, der Unterstützung bei den "News" brauchten die
Kinder vor allem ein offenes Ohr am Nachmittag, wo sie die vielen
Eindrücke des Tages, über die sie mit niemandem sprechen konnten,
loswerden mußten. Da jedes Kind sofort lossprudeln wollte, gingen Lars
und ich sie nachmittags immer gemeinsam abholen. Till brauchte
natürlich auch Hilfe, um seine Hausaufgaben zu lösen, da er zunächst
die meisten Anweisungen
nicht verstand bzw. sein Englisch einfach noch nicht ausreichte.
Diszipliniert lasen wir jeden Tag die "Homereader", kleine - oben
bereits erwähnte - Büchlein in passendem Schwierigkeitsgrad. Wir hatten
also jeden Tag unser Tun.
Auch wenn die Kinder in der Schule
waren, riß die Arbeit für uns nicht ab. Nachdem wir dank "wireless
broadband modem" wieder Internetzugang hatten, richtete Lars den neuen
Computer ein, den meine Eltern uns zu Weihnachten geschenkt hatten.
Alle Programme mußten neu installiert werden. Die alte Festplatte
wollten wir auslesen, was verschiedene Anläufe in Maclean erforderte
und trotzdem nicht klappte, bis uns jemand vom monatliche Flohmarkt in
Iluka half. Es
war das 3. Mal auf dieser Reise, dass wir einen Computer
neu einrichten mußten.
Ich spielte mit dem Gedanken, vielleicht doch in
Australien zu arbeiten, da allerorts über den Ärztemangel gejammert
wurde. Die
Verdienstmöglichkeiten schienen grandios und Spaß hätte es mir auch
gemacht. Also zog ich Erkundigungen ein, aber die Hürden waren zu groß.
Man mußte nicht nur einen Englisch-Test machen und seine
Qualifikationen anerkennen lassen, sondern auch verschiedene
medizinische Prüfungen ablegen und in den letzten 12 Monaten ärztlich
tätig gewesen sein, um dann unter Aufsicht ärztlich arbeiten zu können.
Meine Facharztausbildung galt ebenso wenig wie eine aus Kroatien,
Brasilien oder anderen Ländern der Welt. Gleichwertig anerkannt waren
nur die Abschlüssen aus den westlichen englisch-sprachigen Ländern,
also Großbrittannien, Neuseeland, USA und Kanada. Es hätte mich sicher
ein Jahr und etliche Tausend Dollar gekostet, um als Ärztin arbeiten zu
können. Außerdem hatte ich nur ein Touristen-Visum. Kurzum, das war
alles recht frustrierend und ich beschränkte mich darauf, bei einem
Kollegen in Maclean 2 Tage zu hospitieren. Die Sprechstundentätigkeit
einschließlich der Formalitäten waren recht ähnlich wie in Deutschland.
Anders als bei uns decken die Hausärzte auch einen großen Teil der
Gynäkologie mit ab. Die Vorsorgeuntersuchungen bei den Frauen werden
von Schwestern vorgenommen. Einmal wunderte ich mich mächtig, als der
Arzt einer Patientin mit total vergammelten Zähnen und entsprechenden
Beschwerden Antibiotika und Schmerzmittel verschrieb, statt sie zum
Zahnarzt zu schicken. Ich lernte, dass selbst Zähneziehen kein
Bestandteil der versicherten Gesundheitsleistungen ist und die Dame
sich den Zahnarzt einfach nicht leisten konnte. Die Medikamente vom
Hausarzt bekam
sie dagegen umsonst. Schon verrückt!
Ein
Hauptgrund, weshalb wir uns eine Ferienwohnung genommen hatten, statt
auf der Spica zu wohnen, war, dass wir diverse Farbarbeiten am Schiff
erledigen wollten. Auch das Unterwasserschiff war inzwischen
überfällig. Wir hatten noch einmal Erkundigungen über den Slip vor Ort
eingezogen und beschlossen, doch nicht
zur Werft nach Harwood
flußaufwärts zu fahren, sondern die Arbeiten in Iluka zu erledigen. Da
jeder Tag an Land ordentlich Geld kostete, mußte zumindest für das
Unterwasserschiff alles vorbereitet sein, damit alles zügig vonstatten
gehen konnte. Das Besorgen von Farbe, Anoden und den Tausend
Kleinteilen, die für die Reparaturen notwendig waren, war mühsam und
zeitaufwendig. Etliche Male fuhren wir zum Marine-Ausrüster nach Yamba,
aber immer konnten wir nur ein Bruchteil der benötigten Dinge
auftreiben. Für den Rest bekamen wir Hinweise, wo sie ggf. zu finden
seien. Oft wurde man dort auch nur wieder weitervertröstet. Der
Fisch-COOP in Iluka war keine große Hilfe. Vieles fanden wir nach
mühseliger Recherche im Internet. Wir machten eine große Bestellung bei
"Whitworths", einem der größeren Marine-Ausrüstungs-Ketten. Die nächste
Filiale war
3 1/2 Fahrstunden entfernt an der Goldcoast. Als wir
ankamen, waren noch nicht einmal alle bestellten Artikel vorrätig. "No
problem" bekamen wir zur Antwort. Das können sie uns nachsenden. Kostet
nur 16$ Versandgebühr plus 40$ extra, da es sich bei der Farbe um
"Gefahrensgut" handelt.
Unsere Zinkanoden fanden wir schließlich in
Brisbane. Warum braucht man auch exakt 30mm statt der in Australien
üblichen x 3/4 Zoll-Inch-Weiß-der-Kuckuck für den Propeller-Schaft?
Weil's sonst nicht paßt.
Darüber verging die Zeit. Unsere Suche nach
einem Generator, um an Deck einige Stellen mit der Flex zu bearbeiten,
blieb auch vergebens. Außerdem regnete es anfangs jeden Tag. Meistens
pünktlich 15 Uhr, wenn wir die Kinder abholen gingen. Manchmal auch
tagelang hintereinander. Nicht die idealen Voraussetzungen zum Malern.
Um
die Spica aus dem Wasser zu kriegen, brauchten wir 4 Anläufe. Bei
unserem Tiefgang
waren wir auf Spring-Tiden angewiesen, die noch dazu
bei Tageslicht auftreten mußten. Die Anzahl der Tage im Monat, die für
uns in Frage kamen, war deshalb begrenzt und konkurrierte mit den
Bedürfnissen der einheimischen Fischer. Der erste Termin wurde vom
Slipmaster abgesagt, da jemand anderes den Termin dringlicher brauchte.
Der 2. Versuch fand am 12. März im Morgengrauen bei heftig Wind und
Regen statt. Doch als wir auf den Slipwagen treiben wollten, stießen
wir gegen eine harte Kante. Das Wasser war nicht tief genug für uns.
Wir drehten ab und hängten das Boot wieder an die Mooring. Wie sich
später herausstellte,
hätte der Wasserstand gereicht, aber wegen Versandung der Schienen war
der Slipwagen nicht tief genug hineingerollt. Der neue
Termin lag in der Woche vor Ostern.
Auch
der nächste
Versuch klappte nicht. Die Seitenstützen waren zu weit auseinander und
die inneren Seitenstützen, die man montieren konnte, für unser Schiff
viel zu niedrig. Das hätte John vorher wissen können, denn wir hatten
ihm die Schiffsrisse mit den Maßen gezeigt, aber wir sind ja
in Australien. Da macht man sich um Probleme erst Gedanken, wenn sie
auftreten. Offensichtlich waren wir die erste Yacht, die hier aus dem
Wasser wollte. Der Slip ist für die Fischerkähne oder kleinere
Segelboote ausgelegt.
Bis zum nächsten Tag versprach der
Slipmaster, sich um die Verlängerung der Seitenstützen zu kümmern.
Hoffnungsvoll starteten wir am nächsten Morgen erneut den Motor. Es war
Wochenende und wir haben die Kinder in aller Frühe geweckt und
mitgenommen. Julia und David waren verständigt, um sich um sie zu
kümmern, während wir die Spica in den Slip manövrieren. Doch die
Stützen waren nur aufgesteckt und gaben nach. Erneut mußten wir den
Versuch abbrechen. David schüttelte nur noch den Kopf.
Slipmaster
John war die Sache ziemlich peinlich. Diesmal machte er Nägel mit
Köpfen,
besser gesagt, er ließ die Stützen wir ursprünglich besprochen,
anschweißen. Mit Rolf, dem Schweißer, waren wir ohnehin verabredet, da
er ursprünglich unsere neuen Opferanoden befestigen sollte. Anderntags
klappte dann alles auch wie am Schnürchen. Nun hieß es, schnell
arbeiten, denn jeder Tag kostete ein kleines Vermögen. Rumpf
und
Propeller waren hoffnungslos mit Seepocken bewachsen. Kein Wunder bei
dem nährstoffreichen Flußwasser und der langen Liegezeit. Unter voller
Maschine hatten wir in der Bucht kaum mehr als 2 Knoten gemacht. Nie im
Leben wären wir damit noch gegen die Strömung nach Harwood gekommen.
Die nächsten Tage vergingen mit viel Arbeit. Verschiedene kleine
Stellen wurden gemacht, der untere weiße Klebestreifen entfernt, um das
Antifouling höher zu ziehen, alles abgeklebt etc. Eine böse
Überraschung erlebten wir mit dem Antifouling. Eine zähflüssige Pampe
war es und reichte nicht einmal für den Erstanstrich. Woher sollten wir
so schnell einen weiteren Kübel bekommen? Unser
Slipmaster fuhr
anderntags wegen eines Arzttermines nach Southport, wo die
Whitworth-Filiale die Farbe vorrätig hatte, aber sollte man ihn damit
belasten? Außerdem wäre der Tag vorbei, ehe die Farbe einträfe. Dann
doch lieber Yamba, wo der Yachtservice der Marina versprach, die Farbe
bis zum nächsten Tag bestellen zu können. Also fuhren wir nach Yamba.
Es war Gründonnerstag, die Farbe war jedoch nicht eingetroffen. "No
problem", dann kommt sie eben "Oster"-Dienstag. Aber so viele Tage
konnten wir nicht warten. John hatte sein Handy leider auch nicht
eingeschaltet, als wir von unserem Mißerfolg erfuhren und war
schon
fast wieder von Southport zurück in Iluka, als er unseren Spruch
auf dem
Band abhörte. Ärgerlich. Schlußendlich fuhr Lars am Samstag selber
nach Southport um einen Topf Farbe zu holen. 500km ! Australien eben.
Schade um die Zeit, denn das hätte er bereits am Mittwoch tun können.
Aber Ende gut, alles gut. Am Ende strahlte die Spica wieder und wurde
Ostersonntag bei hellem Mondlicht zurück ins Wasser und an die Mooring
gelassen. Die
Decksarbeiten erledigten wir später in Townsville, wo uns ein Segler
unkompliziert einen Generator lieh und wir die Roststellen bearbeiten
konnten.
Noch
ein kleiner Nachtrag zu den Schweißarbeiten: wie bereits an
verschiedenen anderen Orten der Welt, waren die als "beste" empfohlenen
Schweißer durchweg Deutsche.
Hatten wir nicht mit der Schule, am Computer, am Schiff
oder mit Einkaufen zu tun, ergab sich doch einiges an Zeit fürs
Seele-baumeln-lassen und um soziale Kontakte zu pflegen.
Ich
hatte
mich nach Musik-Treibenden im Ort erkundigt und von einer Singegruppe
erfahren, die ich mehrere Male besuchte. Es mangelte aber nicht nur an
Mitgliedern, sondern vor allem an einer entsprechenden Führung und
musikalischem Niveau. Deshalb traf ich mich später lieber mit Tina, der
Mutter von Marlenes Patenschülerin Mary, die zusammen mit Anja einen
neuen Singekreis ins Leben
rief. Einmal hatten wir sogar einen kleinen Auftritt, als einige
Friedensaktivistinnen durch den Ort kamen auf dem Weg von Brisbane zur
Hauptstadt Canberra.
Tina war nicht nur musikalisch, sondern war
auch künstlerisch sehr begabt. Sie arbeitete
stundenweise in einer
Kneipe, gab Unterricht an der Volkshochschule und war
vielfältig
engagiert. Ihr Mann arbeitete für die Nationalpark-Behörde und kümmerte
sich ehrenamtlich um angefahrene Tiere, die sie gesund pflegten. Wir
brachten ihnen einmal eine Taube, die von anderen Vögeln gejagt, gegen
unser Fenster geflogen war.
Ken war eher praktischer Art und die
zunehmende Bürokratie auf Arbeit war nicht sein Ding. Da ihm nach 10
Jahren Firmenzugehörigkeit ein halbes Jahr "Frei" zustand, nutzte er
die Zeit, um seinem eigentlichem Interesse, dem Bauen, zu frönen. So
baute er aus eigenen Mitteln und in Eigenleistung 6 Wohneinheiten im 80
km entfernten Grafton. Finanziell entpuppte sich das ganze als
Nullnummer. Irgendwie war das auch wieder typisch australisch: neben
dem Job so viel Zeit zu haben und eine Weile außerhalb des eigentlichen
Berufes zu arbeiten. Dazu der finanzielle Spielraum, sich als
Hobby-Immobilienentwickler zu betätigen.
Anja war eine bemerkenswerte Frau.
Als Grünen-Aktivistin redete sie nicht nur dauernd von Nachhaltigkeit,
sondern lebte sie auch. Sie hatte sich von Ersparnissen ein großes
Wald-Sumpf-Grundstück gekauft und eine Wellblech-Scheune
low-budget-mäßig
zu Wohnzwecken ausgebaut. Das aufgefangene
Regenwasser, meinte sie, wäre besser als das Trinkwasser aus der
Leitung (das tatsächlich regelmäßig nach Regenfällen Durchfälle
verursachte). Mittels Solaranlage speiste sie Strom ins Netz und aus
ökologischen Gründen gab es nur ein Plumsklo. Vor dem Haus baute sie
eine Umzäunung für ihr Pferd "Oli". Da sie alleinerziehend war und nur
von Einnahmen aus Gesangs-Tourneen in Japan und gelegentlichen
Veröffentlichungen in der Zeitung lebte, ging es bei ihr recht
spartanisch zu. Als rechte Power-Frau (sie sagte dazu she-men) stemmte
sie alles alleine: den Ausbau der Scheune, die Anlage des Gartens, ihr
Engagement in der Schule und Politik, die
Kindererziehung...
Mit
Japan verband sie ein langjähriges Engagement gegen die Abholzung
australischer Regenwälder, deren Holz überwiegend von der
japanischen Papierindustrie
zur Herstellung von Zellstoff-Taschentüchern verwendet
wird. Die japanischen Verbraucher sollen dazu animiert werden,
nur
Taschentücher von jenen Herstellern
zu verwenden, die auf zertifiziert
nachhaltig angebautes Holz in ihrer Verarbeitung
bestehen. Haarsträubend,
dass ein reiches Land wie Australien es überhaupt nötig
hat, seine ohnehin spärlichen Wälder für ein paar
Taschentücher abzuholzen.
Bei Anja in
Woombah hüpften abends Känguruhs über das Grundstück. Unvergessen
bleiben uns die Lagerfeuer, bei denen gegessen und gesungen und
Stockbrot gebacken wurde.
Anja war ganz fasziniert von unserer
Segelreise. Sie selber träumt davon, mit einer Freundin und den Kindern
von Equador (wo der Vater ihrer Kinder lebt) nach Australien zu
segeln.
Eine weitere Freundschaft verband uns mit Zac. Als
Künstlerin und Schriftstellerin begann sie nach der Kinderpause, sich
an einer Fern-Universität zur Lehrerin weiter zu qualifizieren. Sie war
mit ihrer Familie erst kürzlich nach Iluka gezogen. Ihr
Mann Chris, der
Tischler ist, baute
überwiegend in Eigenleistung am zukünftigen
Wohnhaus. Auch hier verblüffte uns, wie locker in Australien
eine
Familie über ein halbes Jahr ganz aufs Einkommen
verzichten und
ein
riesiges Haus mit über 300qm bauen kann, und dabei noch nicht einmal
von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gestresst ist. Nebenher kaufte
sich Chris in dieser Zeit noch spontan einen Porsche, von dem er schon
sein ganzes Leben geträumt hatte. Die Kombination von studierter Frau
und handwerklich tätigem Ehemann haben wir übrigens öfters erlebt.
Uns
gegenüber wohnten Lin und Rick mit ihren Kinder Sarah und Dylan. Dylan
war ein Jahr älter als Till und unglaublich sportlich. Oft kam er
neugierig zu uns zu Besuch. Er nahm Till auch mit zu den Pfadfindern
und zum Karate-Training, was allerdings nicht so ganz Tills Sache war.
Sie spielten jedoch oft zusammen Fußball: Dylan und sein Freund gegen
Till und Lars. Als wir Lin und Rick kennenlernten, luden wir sie zu uns
ein. Sie kannten unsere Vermieter und auch den schönen Blick von
unserem Balkon und nahmen gerne an. Die eigenen "drinks" brachten sie
im Übrigen selber mit, nach australischer Art gekühltes Büchsenbier mit
Neopren-Isolierung. Dass man auch bei Einzel-Einladungen seine Getränke
selber mitbringt und sich nicht aushalten läßt und erst bei einer
Gegeneinladung revanchiert, lernten wir bei dieser Gelegenheit. Lin und
Rick waren nett, aber wir fanden nur wenig gemeinsame Gesprächsthemen.
So grüßten wir sie später meist nur im Vorbeigehen, wenn sie in ihrer
Garage saßen und grillten. Ihr Garten war so klein, dass nur gerade
noch
Platz zum Aufbocken für das kleine Alu-Boot vorhanden war, das sie
gelegentlich zum Fischen auf dem Fluß benutzten. Der Blick, den das
Grundstück früher auf den Fluß gehabt hatte, war von einem
großen
Neubau-Riegel verdeckt. Die Nutzung der Garage als Wohnzimmerersatz
fiel uns in Folge auch an anderen Stellen immer wieder auf. Bilder an
der Wand und Couchgarnituren darin waren kein seltener Anblick. Lin und
Rick gingen auch öfters zum Picknick-Platz auf den Zeltplatz am Fluß,
um in der Abendsonne "a couple of drinks" zu genießen.
In der
Erdgeschoß-Einheit unseres Hauses wohnten Steve und June. Er war im
Alter von 13 Jahren mit seinen Eltern aus China eingewandert. Sie war
gebürtige Australierin.
Ihre Beziehung stieß in beiden Familien auf
wenig Begeisterung, aber die Dauerhaftigkeit gab ihnen am Ende recht.
Er war so dünn wie sie dick war. Sie wohnten nur die halbe Woche in
Iluka, wenn Steve das Restaurant im Golf-Club öffnete. Sie langweilte
sich derweil und saß die meiste Zeit vor dem Fernseher und sehnte sich
nach ihren Enkelkindern in Brisbane. Sie zogen kurz vor uns aus, nicht
ohne uns vorher in die Geheimnisse der chinesischen Kochkunst
eingewiesen zu haben.
Ebenso wie Rick und Lin und viele andere in
Iluka hatten sie einen Hund. Für die große Anzahl Hunde im Ort gab es
erstaunlich wenig Hundescheiße, da die allermeisten Herrchen und
Frauchen sie gewissenhaft wegräumten. Das werden wir in Deutschland
vermissen. In unserem Heimatkiez in Berlin watete man förmlich durch
Hundehaufen, da sich die Besitzer der Tiere offensichtlich auf den
"Staubsauger" der Stadtreinigung verließen, statt selber die
Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner zu entsorgen.
Nach Ostern
wurde das Wetter deutlich besser. Es regnete nur noch selten und war
tagsüber nicht mehr ganz so knallig warm. Die schönen Strände, die wir
anfangs nur selten besucht hatten, lockten zunehmend. Am liebsten war
uns Fraser Reef. Es lag in der Mitte einer langen Bucht mit breitem,
weißen Strand. Das Wasser hatte aus den Felsen kleine Becken
ausgehöhlt, wo man Krebse und kleine Fische beobachten konnte,
die die
Flut hineingespült hatte. Die
Wellen in der Mitte der Bucht waren
wunderbar weich. Am liebsten bauten die Kinder
jedoch Sandburgen
und
Lars und ich wurden es nie müde, im Sand zu liegen und über dies und
das und jenes zu debattieren, seien es Tagesereignisse oder
Zukunftspläne. Meistens war kaum jemand außer uns da.
Diese
Einsamkeit hat etwas Bezauberndes. Lange Zeit waren unsere heimischen
Ostseestrände für uns unschlagbarer Favorit gewesen. Kein Schwarz-,
Mittel-, Rotes, Totes Meer, keine Nordsee oder Atlantikküste, keine
Karibik und selbst keine Südsee konnten daran etwas ändern. Seit Iluka
müssen wir uns revidieren. Die Strände hier sind
die schönsten der
Welt.
Und was sagten die Kinder dazu? "Nicht schon wieder an den Strand!"
Ebenso
schön waren die Farbspiele über dem Clarence-River in der
Nachmittagssonne. Die Bucht mit ihren Booten, die Felsenmole, die
einlaufenden Fischer. Beim Fähranleger gab es ein kleines Café direkt
am Wasser. Ansonsten befanden sich an den schönsten Aussichtsstellen
meist die Parkplätze: am Fischereihafen, am Café an der
Strand"promenade"... Als ob es den Australiern gefällt, den Anblick
ihrer Autos vor der untergehenden Sonne oder schönen Landschaft zu
genießen.
Apropos Café.
Da muß ich unbedingt noch eine australische Eigenheit berichten. Das
Freitags-Raffle. Es handelt sich um ein Treffen in einer Kneipe, bei
der man Tombola-artig Lose kauft. Der Hauptgewinn ist ein riesiges
Paket
Grillfleisch, und nachdem man gemütlich den ganzen Abend zusammen Bier
getrunken hat, wird der Gewinner bekannt gegeben. Klar, bei wem die
nächste Grillparty steigt, oder?
Zu unserer Schande muß ich
gestehen, dass wir selber nie bei einem Raffle mitgemacht haben.
Vielleicht,
weil ich kein Bier trinke. Auch Australien hat uns nicht zu
Grillmeistern gemacht. Für uns alleine lohnt es sich einfach nicht. Als
ich dann am Ende der Iluka-Zeit zu meinem Geburtstag doch mal grillen
wollte, war die Gasflasche alle und das mitgebrachte Fleisch mußte in
der Pfanne gebraten werden.
Und
was war sonst so los? In Iluka gab es jeden ersten Sonntag im Monat
einen Flohmarkt. In Maclean ist man stolz auf seine schottische
Vergangenheit und feiert das
jährlich mit einem Musikfestival. Außerdem
findet einmal im Jahr eine Landwirtschaftsausstellung statt, bei der
der beste Bulle, der beste Salatkopf, der beste Kuchen etc. gekürt
wird. Wir fanden es ziemlich provinziell, aber es gab dafür sogar
schulfrei. In Yamba gingen wir auf eine Kirmes. Die einladende
Kirchgemeinde hält ihre Gottesdienste in einer ehemaligen Lagerhalle
aus Wellblech.
Die Touristeninformation organisierte außerdem
Touren zum Kennenlernen der Aborigine-Kultur.
Viel ist davon nicht
übrig, das wenige wird teuer touristisch vermarktet. Es ist keine
einheitliche Kultur, sondern handelt sich um zig verschiedene
Stämme
mit eigenen Sprachen, Lebensgewohnheiten, Kunstformen etc. Die meisten
Ureinwohner sind ermordet worden oder an Krankheiten
zugrunde gegangen.
Da Erfahrungen nur mündlich weitergereicht wurden, ist mit ihnen ein
ungeheurer Schatz an Wissen, insbesondere zum Umgang
mit der Natur und ihrer Nutzung für Nahrung und Medizin, verloren
gegangen.
Ein weiterer Bruch an Traditionen und Familienbande erfolgte,
als man im 20. Jahrhundert versuchte, Aborigine-Kinder bei weißen
Familien unterzubringen, um sie in die westliche Zivilisation zu
integrieren. Dieser Versuch ist kläglich gescheitert und hat viel
Trauer und Wut bei den betroffenen Familien
verursacht. Die
australische Regierung hat sich dafür zwar offiziell entschuldigt,
verschiedene Landesteile rückübertragen und steckt viel Geld in die
farbigen Kommunen, aber vieles verpufft, trifft nicht die wahren
Bedürfnisse
oder ist zu kurzfristig angelegt. Vielleicht ist es auch einfach zu
spät. Alkohol und Gewalt, die Gewöhnung an Sozialhilfe, die Sehnsucht
nach westlichen Konsumgütern und nicht zuletzt der Mangel an geeigneten
Persönlichkeiten unter der Urbevölkerung lassen die Zukunft
hoffnungslos
erscheinen.
Unser
Führer war "Onkel Ron". "Onkel" ist eine
Ehrenbezeichnung. Seine Mutter
war Aborigine und sein Vater Engländer.
So lernte er beide Kulturen kennen und konnte entsprechend vermitteln.
Er erzählte aus seiner Kindheit, wo von Fledermäusen, über Fische,
Raupen und verschiedenste Pflanzen alles verspeist wurde und
nie
Hunger herrschte. Die Nahrung war viel abwechlungsreicher als
heutzutage. Verwundert waren wir über die Heiratsgewohnheiten.
Angeblich durften nur erprobte Männer (oft erst im Alter von 25-30
Jahren) heiraten. Wurde in einer befreundeten Familie ein Kind
erwartet, so konnte er sich mit dessen Eltern verständigen und (im
Falle, dass es ein Mädchen wurde) das Neugeborene als seine zukünftige
Ehegattin aushandeln. Dafür mußte er in all den Jahren, die er auf sie
wartete, zum Familienunterhalt beitragen.
Die
Busfahrt ging zu einem malerischen Küstenstreifen. Vorgelagerte
Felsen dienten den Aborigine
als natürliche Fischfallen. Onkel Ron wies
auf Versammlungs- und Handelsplätze hin, die von unserem Ausguck aus
sichtbar waren. Nicht immer konnten wir alles verstehen, was z.T. am
schwierigen Englisch, zum anderen aber auch an Onkel Ron's eigener
Logik lag, die sich uns nicht ganz erschloß. So richtig ergiebig war
dieser Einstieg in die Kultur für uns nicht. Im Hintergrund des Busses
saßen übrigens Jugendliche, die extra aus einer Sozialsiedlung abgeholt
wurden. Vielleicht sollte die Fahrt sie ihrer ursprünglichen Kultur
näher
bringen. Mit ihren Gel-gestylten Haaren interessierten sie sich
augenscheinlich aber kaum für das Gesprochene und spielten lieber Ball,
als wie aus dem Bus stiegen.
Ein weiterer Ausflug führte uns nach Brisbane, wo unsere
Vermieter
wohnten. Sie kamen regelmäßig nach Iluka, um nach dem Rechten
zu sehen, und waren als Segler interessiert, uns kennen zu lernen. Da
die Sympathie gegenseitig war, luden sie uns zu sich nach Hause ein.
Dieses Angebot nahmen wir dankbar an.
Wir mußten wegen der vielen
Ersatzteile und Farbbestellung beim Marine-Ausrüster sowieso dorthin.
Neben dem Warten der Rettungsinsel, dem Besorgen
der Zink-Anoden,
der
Abholung der bestellten Ware von Whitworths verbrachten wir einen
entspannten Tag mit Chris und Dinah, schlenderten über den Flohmarkt,
besuchten die sehr sehenswerte Gallerie für Moderne Kunst, schleckten
Eis auf der zur Expo angelegten innerstädtischen Flußpromenade incl.
kostenlosem Schwimmbad, ehe wir abends nach australischer Art zum
Barbecue eingeladen waren.
Brisbane selber gefiel uns eigentlich nicht besonders.
Eine
gesichtslose Großstadt, wo gnadenlos die historische Substanz neuen
Wolkenkratzern weichen muß und Schnellstraßen den Verkehr bestimmen. Da
Australien aber nicht viele Großstädte hat, ist Brisbane unter
Studenten trotzdem beliebt. Es hat sicher hier und da kleine Nischen
mit etwas Flair und bietet vergleichsweise viel Kultur.
Chris
und Dinah hegen Pläne, für eine Weile nach Sizilien auszuwandern,
wenn die Kinder aus dem Haus sind. Chris fällt es nicht schwer, dafür
seinen Job als Hochschul-Dozent an den Nagel zu hängen. Wir haben viele
Australier getroffen, die gute Verdienstmöglichkeiten leichtfertig
aufgaben, um mal was anderes im Leben zu machen. Geld ist eben nicht
alles.
Die Osterferien rückten heran und alle Versuche, unter unseren Freunden
mit Kindern jemanden zu finden, mit dem man was zusammen hätte
unternehmen können, schlugen fehl. Entweder waren sie bereits mit der
eigenen Familie verabredet oder sie konnten aus dem ein oder anderen
Grund nicht verreisen. Wir hatten uns also damit abgefunden, alleine
auszuschwärmen und wollten in den Dorrigo-Nationalpark und zu einem
Rodeo in der Nähe. Just als wir letzte Einkäufe im Supermarkt von Iluka
tätigten, schickte uns der Zufall eine Familie aus Berlin-Pankow
vorbei, die 3 Jahre in Neuseeland lebt und in den Osterferien Urlaub in
Australien machte. Die Kinder waren sofort ein Herz und eine Seele, wir
gingen zusammen an den Strand und luden sie zum Übernachten zu uns ein.
In Dorrigo zelteten und picknickten wir zusammen, die
Kinder liefen ohne Murren die ganze Wanderung durch den Nationalpark,
auf der wir
sogar eine echte Python zu Gesicht bekamen. Gigantische Baumriesen
breiteten ihre Wipfel über uns aus. Lianen rankten sich die Stämme hoch
und bildeten die skurrilsten Formen. Der Skywalk war weniger ein Weg
als ein Steg, der einen Ausblick über die Baumkronen ermöglichte.
Australien hat schon sagenhafte Natur zu bieten.
Beeindruckend
war auch das "Rodeo", das gar kein Rodeo war, sondern
ein Campdraft,
bei dem die Reiter aus einer Jungbullenherde einen Stier
aussondern und in einer großen Acht über den Platz jagen mußten. So
tolle
Pferde und so beeindruckende Reitkunst hatte ich noch nie gesehen. Das
dazu passende Cowboy-Outfit machte die Sache rund. Die jüngsten
Teilnehmer/innen waren erst 6 Jahre alt. Wow!
Beim Wort "Rodeo" hatten unsere Freunde in Iluka
übrigens die Nase
gerümpft. Tierquälerei wäre das. Den Pferden würde der Sattelgurt viel
zu eng umgeschnallt, damit sie mittles Bocken versuchen, ihn los zu
werden.
Das Wetter wurde nach dem Osterwochenende in Iluka immer
schöner.
Tagsüber war es nicht mehr ganz so brütend heiß. Es regnete kaum noch
und das Licht der Nachmittagssonne war weich wie in Skandinavien. Die
Sonnenuntergänge über dem Fluß wurden regelrecht kitschig mit Pelikanen
und anderen Seevögeln, die in langen Reihen über die goldene
Wasseroberfläche schwebten.
Die Arbeiten an der Spica waren soweit abgeschlossen und
ganz im
Gegensatz zu den meteorologischen Bedingungen überfiel uns das Grau des
Alltags. Wir fragten uns zunehmend nach der Sinnhaftigkeit unseres
Hier-Seins, hatten Heimweh, vermißten den Tiefgang unserer
Freundschaften zu Hause... Immer mehr zogen wir auch die Weiterführung
unseres Projektes "Weltumsegelung" in Frage. Die Abkürzung durchs Rote
Meer hatten wir schon 2008 verworfen und die aktuellen Zahlen aus dem
Internet zeigten eine weitere exponentielle Zunahme der Piraterie, die
sich inzwischen fast über den gesamten nördlichen Indischen Ozean
erstreckt.
Der südliche Indische Ozean genießt ohnehin den Ruf,
"schwierig" zu
sein, insbesondere die Annäherung an Südafrika mit seinen regelmäßigen
Sturmtiefs und berühmt-berüchtigten
Monsterwellen. Uns war klar, dass
wir wieder viele Meilen in vergleichsweise kurzer Zeit abzusegeln
hätten. Die Zwischenziele waren aber weit weniger verlockend als im
Pazifik. Südafrika kannten wir Großen bereits von früheren Reisen: ein
Leben hinter sicherem Stacheldrahtzaun, ob Marina-Gelände oder
Nationalpark. Letztere waren inzwischen aber empfindlich teuer
geworden, so dass längere Aufenthalte dort für uns finanziell nicht in
Frage kamen, von noblen Lodges ganz zu schweigen.
Wir nahmen den Kindern gegenüber kein Blatt vor den
Mund. Alternativ
entwickelten wir die Idee, noch eine halbe Saison in Ruhe im
Louisiade-Archipel zu segeln, das Schiff anschließend in Australien zu
verkaufen und noch ein paar Monate auf einer Farm mitzuarbeiten. Auf
dem Rückflug planten wir einen Umweg über Afrika ein, da die Kinder
unbedingt die Löwen sehen wollten. Doch die Kinder sprachen sich zu
unserem Erstaunen eindeutig für eine Fortsetzung der Weltumsegelung
aus. Auf keinen Fall wollten sie per Flugzeug zu Hause ankommen. Mit
der Spica heimzukehren war Ehrensache.
Lars und ich blieben skeptisch. Wir loteten die
Möglichkeiten aus, das
Schiff in Australien zu verkaufen und hielten uns beide Optionen offen.
Bis Cairns wollten wir uns entschieden haben.
Langsam neigte sich unsere Zeit in Iluka ihrem Ende
entgegen. Wir
hatten die Ferienwohnung noch einmal bis 8. Mai verlängert, um meinen
Geburtstag dort feiern zu können. Es wurde eine sehr schöne Party mit 6
Familien. Dann war es Zeit, auf die Spica zurückzukehren. Fuhre für
Fuhre schleppten wir unseren Kram zurück aufs Schiff. Unter
Deck konnte
man kaum noch treten, da wir mit dem Wegräumen gar nicht so schnell
hinterher kamen. Dann regnete es auch noch. Aber so
langsam fand alles
seinen Platz und irgendwie fühlte es sich verdammt gut an, wieder an
Bord zu sein. Alltagsgrau und Sinnkrise waren verflogen: Wir segeln
weiter! Mal sehen, wohin...
Noch 2 Wochen dauerte es, bis wir wirklich in See
stachen. Unser Auto
verkauften wir am allerletzten Tag. Der Abschied von den Freunden
schmerzte mehr als gedacht. Aber dann, am 21. Mai 2010, fuhren
wir zur Lagune hinaus, zur Mündung des Clarence-Rivers und raus aufs
Meer.
Entlang der australischen Küste
Die Nächte in Iluka waren immer kälter geworden. Lausige
11°C zum Schluß. Zeit, weiter nach Norden ins Warme zu kommen.
Die
erste Nacht auf See war naß und seit der Karibik plagte und das erste
Mal wieder
die Seekrankheit. Zum Glück waren es bis Mooloolaba (sprich
Mululaba) nur zwei Tage und der Ankerplatz in der Flußmündung
war
wunderbar nach allen Seiten geschützt.
Was für ein Kontrast zu
Iluka. Die Ufer waren ringsumher mit modernen Luxuxvillen bebaut. An
privaten Stegen lagen die dazu passenden Yachten. Für Gärten war nicht
viel Platz, da die Wasserfront heiß begehrt und sicher entsprechend
teuer war. Die Grundstücke fielen entsprechend schmal aus. Die Stadt
ist in den letzten Jahrzehnten regelrecht explodiert. Die Ufer wurden
befestigt., die Mangroven zurückgedrängt.
Wir lagen direkt an der
Einmündung eines Seitenarms und es herrschte reger Sonntagsverkehr auf
dem Wasser. Eigentlich ist das Leben an Bord gar
nicht gestattet.
Die
Fischerei-Behörde wacht darüber. Wir redeten uns heraus, dass wir
Freunde vor Ort hätten, bei denen wir Dusche und WC benutzen und ggf.
nächtigen könnten. Was mit dem Verbot bezweckt
wird, war uns
schleierhaft. Ging es darum, die horrenden Marina-Gebühren abzufassen?
Wollten die betuchten Anwohner ihren teuer bezahlten Wasserblick nicht
mit Zigeunervolk wie uns teilen? Ging es um die Verhinderung von
Wohnkolonien auf dem Wasser wie in Asien?
Wir werden es nie erfahren,
aber nach uns kommenden Seglern sei empfohlen, das Wohnen an Bord
einfach abzustreiten, denn Ankern selber ist erlaubt. Und wer will
schon wissen, wie lange man an einer Reparatur an Bord gearbeitet hat,
über der man dann eingeschlafen ist.
Abgesehen davon, dass
Mooloolaba am Weg liegt und man gut ankern kann, hatten wir noch 2
weitere Gründe, hier anzuhalten. Wir wollten uns über den Verkaufswert
der Spica informieren und mit Yacht-Brokern sprechen. Zum einen trafen
wir uns mit der netten TO-Stützpunktleiterin aus Scarborough Anita, zum
anderen war uns Nick Cox als erfahrener, fairer Yachtmakler empfohlen
worden, von dem wir auch den allerbesten Eindruck hatten. Bezüglich
unserer Frage des Weitersegelns halfen uns diese Treffen allerdings
nicht weiter. Es deutete sich an, dass man in Australien zwar einen
besseren Preis
erzielen konnte als in Europa nach der Wirtschaftskrise.
Allerdings machten Zoll- und Maklergebühren den Mehrerlös wieder
zunichte.
Zum
anderen wollten wir unsere Freunde Bill und Linda von
der Segelyacht Valiam wiedersehen. Wir hatten sie auf Galapagos
kennengelernt und uns auf Nuku Hiva und Suwarrow wiedergetroffen. Immer
positiv und zum Feiern aufgelegt, haben sie mit ihren Ideen viel zum
Spaß unserer Pazifiküberquerung beigetragen. Sie konnten unsere
Bedenken, die Weltumsegelung fortzusetzen, überhaupt nicht verstehen.
Für sie stand immer fest, dass sie einmal "rundherum" wollten. Auch sie
hatten sich entschieden, die südliche Route ums Kap der Guten Hoffnung
zu fahren, statt durch den Suezkanal, und schwärmten von Rodrigues und
Mauritius. Nicht zuletzt waren es die Gespräche mit ihnen, die unsere
Zweifel zum Verstummen brachten und uns die Weltumsegelung
vollenden
ließen.
Bill
und Linda hatten in nur 2 statt geplanten 3 Jahren
die Welt umsegelt und waren etwas enttäuscht, dass die Zeit so schnell
vorbei war. Einerseits fehlte ihnen das Geld, um gleich wieder los zu
segeln, zum anderen wollten sie eigentlich nicht mehr zurück ins
Berufsleben. So fing Linda an, ein Buch über ihre Reise zu schreiben.
Ihnen fehlte die Segler-Gemeinschaft und sehnsüchtig warten sie auf den
Tag, wo sie die Leinen wieder loswerfen können. "Valiam" liegt derweil
in Sichtweite vor der Anlegestelle. Ihr nächstes Projekt ist Patagonien
und die Rundung Kap Hoorns. Dazu müssen sie noch einiges am Schiff
ändern und wollen auch zusätzliche Crew mitnehmen. Vielleicht treffen
wir sie in Europa wieder, denn Linda tut es leid, dass sie auf ihrer
Reise den alten Kontinent ausgelassen haben.
Nach ein paar
netten, gemeinsamen Tagen mußten wir wiederum Abschied nehmen
und
segelten an Fraser Island vorbei zur Lagune von Lady Musgrave. Uns war
empfohlen worden, sie nur bei ruhigen Bedingungen anzulaufen und wir
hatten Glück. Kristallklar konnte man die Korallen erkennen und zum
Abend schlief der Wind völlig ein und ließ den Abendhimmel auf dem
spiegelglatten Wasser widerleuchten. Auf der kleinen Insel gab es
herrliche Muscheln und einen primitiven Zeltplatz, wo Naturliebhaber
und Ruhesuchende ihr Paradies finden können.
Nach zwei
Segelnächten erreichten wir die Insel Scawfell, die zum Glück auch
nachts angelaufen werden kann. Bei uns hatte sich das Tageslicht gerade
verabschiedet, als der Anker fiel. Am nächsten Morgen betrachteten wir
staunend die
Kulisse. Zwei weiße Sandbuchten streckten sich vor dem
üppigen Grün der Hügel aus. Die Vögel zwitscherten ihren exotischen
Morgengesang. Kein Zeichen der Zivilisation außer ein paar Yachten.
Wollte man die Hügel erklimmen, müßte man sich mit der Machete einen
Weg bahnen wie zu Cooks Zeiten.
Obwohl man gegen den vorherrschenden
Wind und Schwell geschützt ist, hat die Insel einen Nachteil: Eine
Lücke zwischen zwei Hügeln sorgt für einen Düseneffekt, der sich genau
aufs Ankerfeld auswirkt. In der zweiten Nacht wehte es denn auch sehr
heftig und wir schliefen nur unruhig. Irgendwann weckte
uns ein Bums gegen die Bordwand. Ein anderer Ankerlieger war uns
zum Anfassen
nahe gekommen. Wahrscheinlich war das
Dingi gegen unser Schiff geknallt
Die andere Mannschaft schlief seelenruhig und ich mußte sie
erst
mit unserer Tröte wach machen. Einen Ankeralarm hatten sie
offensichtlich nicht gesetzt. Zu allem Überfluß hatten sie auch noch
ihr Steuerrad demontiert, sicher um im Cockpit mehr Platz zu haben, und
brauchten unendlich, ehe sie überhaupt manövrierfähig
waren. Lars
konnte mit unserem dicken
Fender zum Glück Schäden an beiden Schiffen verhindern. Ihre Ankerkette
hatte sich irgendwie mit unserer gekreuzt. Wir schwitzten Blut und
Wasser, aber erstaunlicherweise kamen die Schiffe ohne weitere
Kollisionen voneinander los. Ich war erleichtert, als sie ihren Anker
später hinter statt vor uns in der Bucht warfen. Tagsüber ruhten wir
uns
von unseren nächtlichen Abenteuern aus.
Die
australische Küste
verfügt über eine Unzahl von kleinen, unbewohnten Inselchen. Die
meisten mußten wir links liegen lassen. Unser nächstes Ziel
war die
Insel Goldsmith, auf der es einen Wanderpfad geben sollte. Wir konnten
ihn allerdings nicht finden und brüteten am Strand in der Hitze herum.
Zu viel Wildnis ist dann eben auch nicht perfekt. Ein wenig Schatten,
ein kleiner Rundweg, um sich die Beine zu vertreten und vielleicht eine
nette einheimische Familie zum Schwatzen und Kinder zum Spielen wären
zur Abwechslung auch mal ganz nett.
Als nächstes liefen wir Cid
Harbour auf Whitsunday Island an. Trotz des Namen "Harbour" handelt es
sich nur um eine Ankerbucht und es gibt im Gegensatz zur Angabe
im
Revierführer auch kein Wasser. (Der Alan Lucas gilt immer noch als
einschlägige Literatur. Wir fanden ihn ziemlich antiquiert. Ein Relikt
der Vor-GPS-Ära mit jeder Menge veralteter Angaben auch bei neuester
Auflage.) Die Whitsundays hatte ich mir als weißsandige Insel- und
Flußmündungslandschaft vorgestellt. Keine Ahnung, wo das Bild geknipst
wurde, das ich meinte, gesehen zu haben. Um uns her waren jedenfalls
lauter Felseninsel, die europäisch-vertraut mit Nadelwäldern bewachsen
sind. Hier gab es nun tatsächlich mal einen gut markierten Wanderweg
hinauf zum Gipfel, den wir anderntags auch sofort erklommen. Oben wurde
man mit der herrlichsten Aussicht belohnt.
Die
Nachbarinsel ist
übrigens mit modernen Ferienanlagen verschandelt. Die weißen Strände
der vorgelagerten Inseln gelten als relativ krokodilsicher und damit
badetauglich, was in Queensland schon was besonderes ist. Manchmal
sollen sich Krokodile von den Flußmündungen her relativ weit ins Meer
hinauswagen. Wir sahen nur Meeresschildkröten, die als Glücksbringer
gelten.
Die Whitsundays sind ein herrliches Segelrevier. Was uns
allerdings fehlte, war die internationale Seglergemeinschaft, wie wir
sie vom Pazifik gewohnt waren. Hier machte doch jeder selbst sein
Krämchen, fuhr seine eigene Route, hatte andere Zeit- und Zielvorgaben.
Unser
nächstes Ziel war Magnetic Island, wo wir Anjas Freundin Gail besuchen
wollten, die wir in Iluka kennengelernt hatten. Ihre Kinder waren 4
Wochen in Iluka zur Schule gegangen. Gail wäre gern nach Iluka
umgezogen, aber ihr Ex-Gefährte
war mit dem Wegzug der Kinder nicht
einverstanden. Des einen Pech - des anderen Glück. Wir hatten dadurch
hier nette Gesellschaft und die Kinder mal wieder Spielgefährten.
Wir
ankerten in der Horseshoe-Bay im Norden der Insel. Gail kam uns öfters
besuchen. Gemeinsam wanderten wir zu einem Fort aus dem 2. Weltkrieg.
Neben der schönen Aussicht waren die wild lebenden Koalas entlang des
Weges die Hauptattraktion. Wir sahen eine Koala-Mutter mit Baby, das es
den Kindern sofort angetan hatte. Die meiste Zeit des Tages sitzen die
Koalas fast unbeweglich in den Bäumen, aber wenn es drauf ankommt,
können sie ziemlich flink sein. Koalas sind nahrungsmäßig auf bestimmte
Eukalyptusarten spezialisiert und festgelegt und lassen sich deshalb
nicht so leicht umsiedeln.
Von
einem Segler konnten wir hier einen
Generator borgen und den Roststellen an Deck zu Leibe rücken, während
Gail auf unsere Kinder aufpaßte. In der Marina sind fliegende
Rostpartikel ausgesprochen unbeliebt und entsprechende Arbeiten am Steg
meist verboten. Deshalb waren wir froh über die Gelegenheit auf dem
Ankerfeld.
Nach einigen Tagen fuhren wir nach Townsville in die
Marina. Hier konnten wir die Spica mal wieder gründlich reinigen,
Wäsche waschen und Vorräte bunkern. Wir unternahmen auch eine Exkursion
ins örtliche "Museum of tropical Queensland".
Neben
Interessantem zum Great Barrier Reef und tropischen Regenwald ist
die
Hauptattraktion das Schiffswrack der "Pandora", die die Meuterer der
Bounty
auffinden sollte. Ein paar der Meuterer waren
auf Tahiti geblieben.
Angeblich hatten sie nicht freiwillig bei der Meuterei mitgemacht und
gingen davon aus, dass die Pandora zu ihrer Rettung zurückgekommen sei.
Sie wurden jedoch in Ketten gelegt und mußten unter übelsten Umständen
wochenlang in einem kleinen, schwitzigen Kabuff aushalten (nach der
griechischen Sage auch als Büchse der Pandora bezeichnet), während
Kapitän Blight vergebens die Südsee auf der Suche nach den restlichen
Meuterern durchkämmte. Diese hatten sich auf die bis dahin unbekannte
Insel Pitcairn verzogen und die Bounty versenkt. Die Pandora soll
Pitcairn sogar auf 150sm nahe gekommen sein. Schließlich wurde die
Suche aufgegeben. Die Pandora hatte jedoch kein Glück und lief beim
Great Barrier Reef
auf und sank. Die meisten Seeleute und auch
die
Mehrzahl der Gefangenen konnten dabei ihr Leben retten.
Da
man in Queensland wegen Feuerquallen und Krokodilen nicht im Meer
baden kann,
wurde auch hier in Townsville eine großzügige Strandpromenade mit
Wasserspielplatz, Fitnessmeile, verschiedenen Kinderspielplätzen und
Meereswasserpools errichtet. Die Wege teilten sich Radfahrer und
Fußgänger kulant, indem die einen nicht rasten und die anderen ggf.
einen Schritt zu Seite traten. Kein Mensch sah irgendein Problem darin.
Wie schön wäre es, wenn wir das in Deutschland hätten! Hunde dagegen
waren unter Androhung von 1500$ Strafe an der Leine zu führen. Auch
hier gab es quasi keine Hundehaufen. Tütenspender gab es an jedem
Mülleimer.
In
Townsville kamen unsere Fahrräder erstmalig richtig
zum Einsatz. Ein Radweg führte den Fluß
entlang zu einem öffentlichen
Swimmingpool. Unterwegs konnten die Kinder sich auf Spielplätzen
austoben. Eigentlich sind sie längst zu groß, um auf dem Kindersitz
mitzufahren, aber 4 Räder passen nun wahrhaftig nicht aufs Schiff. So
hatten wir Großen am Ende des Tages ordentlich Muskelkater.
Australien
ist und bleibt ein Autoland. Das hatten wir schon in Coffs Harbour
gemerkt. Radwege begannen irgendwo und endeten blind, aber wehe man
benutzte sie nicht. Dann wurde man sofort böse angehupt. Auch
Gehwege waren Fehlanzeige. Wozu, wo man doch auf seinem Grundstück ins
Auto steigt und am Ziel
wieder aus. Nur dumm, wenn das Theater über
keinen Parkplatz verfügt. Dann müssen die Damen mit ihren
Stöckelschuhen über das Gras der Vorgärten laufen...
In Townsville
hatte es mal fortschrittlich eine Fußgängerzone gegeben. Als wir da
waren, war alles aufgewühlt und sollte umgestaltet werden. Doch
mitnichten zu einer moderneren Fußgängerzone. Nein, man wollte wieder
Autos zwischen den Läden fahren lassen. Wir waren ganz fassunglos, als
Gail uns das erzählte. Irgendwie ticken wir hoffnungslos gegen den
Zeitgeist und können an Lärm und Abgasgestank oder alternativ an
überdachten Malls kein Vergnügen
finden.
Die Lackiererei an Bord dauert immer länger als man
denkt. Nach kurzem Hin und Her beschlossen wir deshalb, dass
Luise die
Einladung von unserer Freundin Gail zu einem
Camping-Wochenende mit den
Kindern
annehmen sollte, damit Lars in der Zeit ungestört die Farbarbeiten am
Boot zu Ende
bringen kann. Lars war also die 4 Tage ausgesprochen fleißig und kam
ordentlich
voran. Außerdem konnte er in Ruhe um Mitternacht in die Kneipe ziehen,
um sich das Fußball-Weltmeisterschaftsspiel Deutschland gegen England
anzugucken. Luise, Till und
Marlene dagegen fuhren mit Gail und zwei weiteren Halb-Famlien
(insgesamt 4
Erwachsene und 7 Kinder) in den Broadwater-National-Park und
praktizierten
Camping
auf australische Art mit Eski, Falt-Stühlen und sogar einem
Sofa,
was unter dem Ansturm der Kinder allerdings zusammenbrach.
Ganz untypisch
für die Jahreszeit regnete es die ersten zwei Tage nahezu
ununterbrochen, aber
ein überdachtes Picknickareal mit 4 Tischen und zwei Grills bot zum
Glück
trockenen Unterschlupf und genug Platz zum Spielen. Zu Essen gab es
reichlich
und die Kinder nutzten jede Gelegenheit, im Fluß zu baden. Ein
Wanderrundweg
führte durch den Regenwald, am Fluß und an echten Baumriesen mit
beeindruckenden Brettwurzeln vorbei. Wallabis,
Guannas und Busch-Truthähne bevölkerten die Wiese, Cockaburras und
Schmetterlinge die Lüfte und Steinfische, denen wir zum Glück nicht
begegneten,
angeblich das Bachbett.
Die
Fußball-WM bestimmte schließlich unsere weitere Route. Wir wollten zum
nächsten deutschen Spiel in Cairns sein. Deshalb fuhren wir an der
Insel Hinchinbrook vorbei, die uns eigentlich mit ihren Wanderwegen
entlang der Küste und über hohe Bergmassive angezogen hätte.
Einen
Ausruh-Stop legten wir bei Dunk-Island ein. Auf dem Ankerfeld wurden
wir fast von einem Motorboot angefahren. Mir war die Ankerkette
unpassenderweise ausgerauscht
und hier wollte uns wohl jemand eine
Lehre erteilen, das wir an dieser Stelle besser nicht zu ankern hätten.
Beim
Landgang ging uns dann auch noch Marlene verloren. Aber pfiffig wie sie
ist, wanderte sie allein zum Dingi zurück, wo wir ja früher oder später
auftauchen mußten. Den Weg an der Flugbahn passierte sie genau in dem
Moment, als ein Flugzeug landete und bekam einen kleinen Schreck. Die
Warnschilder hatte sie natürlich nicht gelesen. Im Gegensatz zu uns
Großen, die wir uns mit jeder Viertelstunde mehr sorgten, kam sie uns
schließlich ganz gelassen auf dem Weg entgegengeschlendert.
Von der
beschriebenen Künstlerkolonie auf der Insel war nichts mehr übrig.
Wandern konnten wir nicht, da Till sich einen Dorn eingetreten hatte
und die Stelle noch weh tat. So genossen wir den Pool und ein paar
Drinks an der Hotelbar.
Der nächste Tag glich eher einem Märtyrium.
Pausenlos fuhren Motorboote mit Wasserskiläufern,
hinterhergezogenen Luftbetten und Jetskis um uns herum und machten
Gestank und
Wellen, dass es kaum zum Aushalten war. Wir waren froh, als wir endlich
auslaufen konnten. Am nächsten Morgen erreichten wir Cairns, wo wir
kurz vor Einsetzen einer Starkwindphase sicher in der Marina vertäut
waren.
Die
Zeit in Cairns haben wir als sehr angenehm in Erinnerung.
Wahrscheinlich, weil wir so viele nette Leute um uns hatten, denn das
Wetter war regnerisch, grau und windig.
Zum
einen trafen wir den
deutschen Einhandsegler Jens von der SY Moana wieder, den wir in
Mooloolaba kurz kennengelernt hatten. Hier lagen unsere Schiffe
einträchtig nebeneinander am Steg (beide dunkelblau und aus Berlin) und
man konnte jederzeit zum Pläuschchen beim anderen vorbei gehen. Jens
wurde mehr und mehr als Familienmitglied adoptiert. Als ehemaliger
Flugkapitän der Lufthansa konnte er spannende Geschichten erzählen.
Interessant war auch seine persönliche Lebensgeschichte, wie es ihn
eher unabsichtlich vom Osten in den Westen verschlagen hat.
Wir
lernten auch verschiedene australische Seglerfamilien kennen, so dass
Till einen richtigen Kindergeburtstag feiern konnte. Mit Schatzsuche,
Spielen und allem Pi-Pa-Po.
Später kam noch die neuseeländische
Yacht "Spontanous" mit ihrer lustigen Männer-Crew. Das ergab so manches
nette Gespräch und gemeinsame Fußballspiel. Die Kinder beeindruckten
Kevin mit ihrem Vorsatz, um die Welt zu segeln, um bei der
Ankunftsparty ein Grillschwein aufgewartet zu bekommen. Für ihn stand -
wie für viele erwachsene Segler
- fest, dass Langfahrtsegeln viel
besser für die Kinder ist als der normale (Schul-)Alltag zu Hause.
Apropos
Fußball. Die WM-Spiele fanden alle zu völlig unchristlichen Zeiten
statt. Mitternacht bzw. 4:30 Uhr früh. Es war nicht einfach, überhaupt
einen Ort zu finden, wo man sie sehen konnte. Das erste erlebten wir im
Casino, das zweite auf einem Nachbarboot und das Finale in einem
Backpacker-Hostel.
Ein Ausflug führte uns in die ehemalige
Hippiesiedlung Kuranda. Die eigentliche Attraktion war die
Seilbahnfahrt über die Wipfel der Urwaldriesen. Für
die Kinder war es
ein dolles Erlebnis. Wir fühlten uns wie in einer Ski-Gondel mit Urwald
statt Skipiste.
Eine andere Tour brachte uns ins Landesinnere zu den Karsthöhlen von
Chillagoe.
Ausgestattet mit Taschenlampen wurden wir durch das Labyrinth einer
riesigen
Tropfsteinhöhle geführt, bewunderten uralte Stalaktiten, ließen uns von
Fledermäusen umsausen, leuchteten in die bernsteinfarbenen Augen der
riesigen
Huntsmen-Spinnen und probierten zwischendurch mal die völlige
Dunkelheit aus.
Echt abenteuerlich.
Aber
auch Cairns selber gefiel uns, obwohl Lars es 15 Jahre nach seinem
letzten Besuch fast nicht mehr wiedererkannt hätte. Die Stadtränder
sind weiter nach außen gerückt und die mittlere Geschoßhöhe hat
deutlich zugenommen. Auch hier gibt
es eine schön gestaltete
Uferpromenade. Die Hauptattraktion ist unbestritten die Lagune, wo
jedermann kostenlos planschen und schwimmen kann. Sie bildet sicher das
häufigste Fotomotiv für Touristenkameras. Die Marina liegt supergünstig
am Beginn der Uferzone. Guckt man jedoch in die andere Richtung über
den Fluß, findet man noch unzerstörte Natur die Hügel hinauf und dichte
Mangroven am Ufer.
Wir besuchten einige der zahlreichen Kunstgallerien, wo die typischen
Punktzeichnungen der Aborigines mehr oder weniger als touristische
Massenware angeboten wurden. Die Preise waren jedoch gepfeffert
(vermutlich die einzige Einnahmequelle
der Familien plus
Händler-Kommission), so dass wir uns lieber selber als Künstler
versuchten. Ist aber schwerer als gedacht, von dem fehlenden
Symbolgehalt mal ganz abgesehen.
Im
Hafen lag eine weitere Attraktion - Shenandoah - die wohl schönste
Segelyacht der Welt. Der historische Dreimaster wurde bis ins Detail
restauriert. An den Linien, den wohlgeformten Holz- und Messingteilen
konnte man sich gar nicht satt sehen. Die Lackarbeiten erfolgten dabei
offensichtich im Vierer-Team. Einer hält die Farbbüchse, einer
streicht, einer guckt von der Seite, ob der Lack gleichmäßig verläuft,
einer kontrolliert und hat das Oberkommando. Ob alte Schiffe auch unter
Denkmalschutz fallen?
Der Wind pustete und hielt uns fest, aber
am 19.7. konnten wir endlich weitersegeln. Die Entscheidung war
zugunsten der Fortsetzung unserer Weltumsegelung gefallen. Ab jetzt
waren wir quasi schon auf dem Heimweg.
Wie
sagte Till so schön? "Komm Mami, laß uns endlich weiterfahren.
Beim Segeln haben wir immer schönes Wetter und an
Land regnet es
ständig." Auch wenn es dafür
keine Garantie gab, traf es auch diesmal wieder zu. Einen
Tag später ließen wir den Anker in der Watson-Bay von Lizard Island
fallen. Ein
Schwarm Vögel begrüßte uns. Die Korallen waren deutlich zu
erkennen. Später sollten wir dort schnorcheln und entdeckten
badewannengroße Klappmuscheln.
Von
Lizard Island hatten die anderen Seglerfamilien geschwärmt. Zum Teil
hatten sie Monate dort verbracht. Hier gab es sogar Süßwasser. Eine
Pumpe stand mitten in der Natur. Davor ein kaputter Eimer. Als
wir das
erste Mal kamen, sprangen uns zwei muntere Fröschlein entgegen.
Daraufhin hielt ich später immer meinen Fotoapparat parat, aber es
saßen nie mehr welche im Eimer.
An Land zu kommen, war eine
spritzige Angelegenheit. Hätten wir gewußt, wie lange wir bleiben,
hätten wir vermutlich doch den Außenborder ans Banana-Boot montiert. So
kämpften wir uns viele Tage rudernd gegen heftigen Wind zum
Strand. Rückzu hingegen brauchte man sich nur vom Wind treiben zu
lassen und blieb einigermaßen trocken.
Das Süßwasser hatte seiner
Zeit wohl auch die Familie Watson hergelockt. Damals war mit Seegurken
gut Geld zu machen. Herr Watson hatte sich zu anderen Inseln begeben
und seine Frau mit Säugling und Dienern allein zurück gelassen,
als Eingeborene
vom Festland herüber kamen, um ihre traditionellen
Kultstätten auf der Insel aufzusuchen. Sie waren mit der Anwesenheit
der Weißen natürlich nicht einverstanden, erschossen einen
Diener und
jagten die anderen davon. In einem leeren Wassertank drifteten sie
viele Tage und Wochen zwischen den Inseln umher und verdursteten
schließlich elendiglich. Herr Watson fand seine Familie nach langer
Suche tot auf einer wasserlosen Insel. Es hielt ihn nicht länger auf
Lizard Island und nur die Ruine ihres Wohnhauses und der Name der Bucht
erinnern noch an die Watsons.
Heute befindet sich eine moderne
Hotelanlage in der Nachbarbucht und eine meeresbiologische
Forschungsstation auf der anderen Seite der Insel. Eine Landebahn
wird
zweimal täglich von kleinen Propellermaschinen angeflogen.
Die
höchste Erhebung der Insel heißt bezeichnenderweise Cooks Lookout,
denn von hier aus sah der berühmte Australien-Entdecker die
langersehnte Passage durchs Riff. Auch wir erklommen den Berg
und genossen die
herrliche Aussicht. Nebenher spähten wir nach einer passenden Stelle,
um einen Schatz zu verstecken. Das hatten wir uns schon lange
vorgenommen und Lizard Island schien wie dafür geschaffen. Es ist aber
nicht nur schwierig, Schätze zu entdecken,
sondern auch, sie gut zu verstecken. Das Versteck darf nämlich nicht zu
niedrig liegen wegen des steigenden
Meeresspiegels, es sollte markant sein, damit wir die Stelle in ca.
30 Jahren
noch wiedererkennen können. Man muß trotz Felsbodens tief genug graben
können,
damit die künstlichen Waldbrände
der Nationalparkbehörde der Kiste
keinen
Schaden antun u.s.w. Ein bißchen komisch fühlte es sich schon
an, mit
Schippe und Brechstange auf Wanderung
zu gehen. Wo wir den Schatz schließlich vergraben haben und
was genau
drin steckt, verraten wir natürlich nicht. Er soll erst von der
nächsten Generation gehoben werden.
Unser
Schatz ist übrigens nicht der einzige auf der Insel. Die Idee hatten
vor uns schon andere. So gibt es direkt neben dem kleinen Zeltplatz ein
Faß mit Schatzkiste, die ein altes Buch, gläserne Kelche, fast echtes
Silberbesteck sowie Perlenketten und glitzernde Edelsteine enthält.
Es
wehte und wehte, aber da der Wind keine Anstalten machte, sich zu
legen, fuhren wir trotzdem irgendwann weiter. Durch die vorgelagerten
Riffe blieben die Wellen klein und unter dreifach gerefftem Groß
schossen wir mit 6 Knoten dahin, hatten
es jedoch
immer noch
einigermaßen bequem. Unser nächstes Ziel waren
die Flinders-Inseln.
"Everybody loves the Flinders group" hatte man uns gesagt. Wir waren
trotzdem die einzige Yacht, als wir ankamen, und hatten gar keine
anderen Ankerlieger zur Orientierung. Natur - so weit das Auge reicht.
Auch hier sollte es einen Wanderweg geben. Aber wo ging der los? In
welcher Bucht ankerte man am besten? Und wo ließ sich am einfachsten
mit dem Dingi anlanden? So detailliert hatte ich die anderen Segler
nicht befragt und hier war keiner, der uns Auskunft hätte geben können.
So stolperten wir nur ein wenig über eine kleine Halbinsel, immer mit
der Angst im Nacken, es könne plötzlich ein Krokodil
auftauchen. Als
wir zur Spica zurückruderten, war eine weitere Yacht eingetroffen: die
"Qwyver" mit dem englischen Pärchen Freda und John. Unsere Wege
kreuzten sich in der Zukunft noch öfter, denn sie hatten bis Südafrika
den gleichen Weg und Zeitplan. Auch die Flinders Inseln waren wie für
einen Urlaub à la Robinson wie geschaffen. Schade, dass wir nicht mehr
Zeit
hatten.
Einen Segeltag weiter, in der Margaret Bay, sahen wir
dann unser erstes echtes Krokodil. 3 1/2 Meter lang war es sicher und
kreiste träge um unser Boot. Den Landgang verschoben wir lieber auf
später. Andere Segler waren da nicht so zimperlich.
Kaum hatten sie
Anker geworfen, fuhren sie schon mit ihrem Dingi an Land. Entgegen
aller Regeln in "Croc country" kamen sie auch erst bei hereinbrechender
Dunkelheit zurück - offenbar lebend. Ihre Lektion erhielten sie dann
aber über Nacht. Man solle sein Dingi nie hinten raushängen lassen,
sondern besser hochziehen oder wenigstens seitlich am Schiffsrumpf
festmachen, hatten wir gelesen, denn Krokodile mögen keine Dingis und
Außenborder. Auch die Australier hatten davon gehört, es jedoch als
Ammenmärchen abgetan. Während Vater und Sohn sich im Innern ihres
Katamarans einen Film reinzogen, versenkte eines der Reptilien
ihr
Beiboot. Sie hatten den ganzen nächsten Tag damit zu tun, den
abgesoffenen Motor
auseinander zu bauen und zu trocknen sowie die
unzähligen Löcher ihres Schlauchbootes zu flicken.
Wir wollten
dennoch zur anderen Seite der Halbinsel wandern und folgten dem "blue
floatsam and jetsam trail". Wie der Name sagt, bestand die Markierung
des Weges aus angespültem Müll und Strandgut der Farbe Blau. Jeder, der
den Weg benutzte, war angehalten, die Markierung zu vervollkommnen.
Viel zu sehen gab es auf der anderen Seite zu unserer Zeit nicht, aber
andere vor uns hatten ein paar Nautilus-Schnecken zusammen gesammelt,
von denen ich mir ein Gehäuse zur Erinnerung mitnahm.
Wieder
warteten wir auf ein passendes Wetterfenster, um die nördlichste Spitze
Australiens, das Kap York zu runden. Erfahrungsgemäß bläst der Wind an
den Kaps
immer noch etwas stärker als in den Gribfiles angegeben.
Derweil
besuchten wir Qwyver und lernten die Crew einer neuseeländischen Yacht
kennen. In der Bucht beobachteten wir auch Seekühe, die man nur mit
viel Glück zu Gesicht bekommt.
Endlich flaute der Wind etwas ab und wir gingen am
späten Nachmittag Anker auf. Ganz im Zeitplan erreichten wir
bem nächsten Sonnenaufgang und einsetzender
Flut die Albany-Passage. Nach kurzem Strudel und dem Schreck, dass
unser Lot plötzlich nur noch 0,7m unter Kiel anzeigte,
legten sich die
Wellen und wir glitten in Ruhe an der majestätischen Landschaft vorbei.
Was ist Australien doch reich an unberührter, zauberhafter Natur! Am
Cape York regnete es. Die Wellenabdeckung auf der anderen Seite hielt
leider nicht lange vor und bei immer noch steifem Wind in der flachen
Bucht bauten sich unangenehm steile, kurze Wellen auf. Bis Cape Wessel
wurden wir einige Tage mächtig durchgeschüttelt. Danach wurde der
Himmel blau, die Sonnenuntergänge tiefrot und der Wind flaute ab, so
dass wir am Ende sogar motoren mußten. Darwin hat bis zu 9m Tidenhub
und die Strömungen muß man unbedingt einplanen, wenn man am
Cape Don
nicht auf der Stelle segeln will. Wir übernachteten deshalb noch einmal
in der Trepang-Bay. Auch hier war nichts als Stille und Natur um uns.
Was wäre es für ein herrliches Segelrevier, wenn nicht die Krokodile
und Quallen wären, die einem das Baden vermasseln.
Am nächsten Morgen ging es weiter. Die 126sm bis Darwin sind wir fast
komplett motort. Wie sich die Relationen doch verschieben: Das wäre so,
als ob man mit einem Segelboot mal eben die Strecke von Rügen nach
Schweden und wieder zurück unter Maschine zurücklegt. Am Howard Channel
stellten wir dank Flutstrom einen neuen Geschwindigkeitsrekord mit
10,9kn auf.
Darwin ist die Hauptstadt des Northern Territory.
Rundherum gibt es nur Natur, Aborigines-Land und ein paar Minen. Es
liegt in den Tropen und in der Hurrican-Zone. Wir waren zum Ende der
Trockenzeit da und fanden es unerträglich heiß und schwül. Zur
Regenzeit will ich lieber nicht hier sein.
Es
gibt 3 Marinas, die wegen der starken Gezeiten nur über Schleusen zu
erreichen sind. Zum Teil sind sie nur bei Hochwasser anlaufbar. Bevor
man allerdings herein gelassen wird, müssen die Seewassersysteme
desinfiziert werden. Dazu kommt ein örtliches Tauchteam und spritzt
irgendein stinkendes Mittel von außen in die Ventile. Das soll
Entenmuschel-Larven abtöten, die unlängst zu einem kompletten Zuwuchern
der Cullen Bay Marina geführt haben. Der Schaden war immens und die
Marina blockt nun Kurzzeitbesucher mit der horrenden Schleusengebühr
von 250$ ab. Das Desinfizieren kostet zwar kein Geld, aber 14h Zeit,
weshalb quasi jeder Segler erst einmal draußen in der Fanny Bay ankern
muß. Wohl dem, der wenig Tiefgang hat oder trocken fallen kann, denn
sonst hat man es über eine Meile weit bis zum Strand.
Wir schleusten uns anderntags in die Tipperary Marina ein. Hafenmeister
Keith war selbst Langfahrtsegler und teilte gerne seine Erfahrungen zu
den Kimberleys und Indonesien mit. Er achtete darauf, ob man die Fender
in der richtigen Höhe angebracht hat und ob der Rudergänger die
Strömung beim Abbiegen in die Schleuse
richtig einkalkuliert. Hier
trafen wir auch Qwyver wieder und lernten ein paar Segler der World-ARC
kennen, u.a. den Gesamtschul-Lehrer Jörg, der als Crew auf einer der
kleineren Yachten um die Welt segelt. Die Tipperary-Marina liegt etwas
abseits, aber wir kamen per Fahrrad ganz gut ins Zentrum. Der
Hauptnachteil war, dass nicht das kleinste Lüftchen ging. Die Kinder
bekamen fortan Hitzefrei. Aber selbst nachts geisterten sie über die
Stege, spielten Nikolaus für Qwyver etc., weil man bei der Demse
einfach nicht schlafen konnte.
Wieder gab es allerhand zu tun an Reparaturen und Besorgungen. Lars
checkte das Rigg, ersetzte die Positionslampe an der Mastspitze, trieb
endlich die richtige Sicherung für unseren Seame auf, dichtete den
Ruderkoker neu ein. Diverse Fallen und Schoten wurden erneuert, neue
Salonpolster in Auftrag gegeben... Wieder hieß es, sich für ein
Vierteljahr zu verproviantieren, Spiritus für den Kocher auftreiben
u.s.w.
Am
Rande erkundeten wir die touristische Seite der Stadt und erlebten
das Darwin-Festival mit. Unvergessen bleibt uns die
Kunstpreisverleihung am Museum, zu der eine Pop-Band zur musikalischen
Umrahmung engagiert war. Obgleich die Musik gut und mitreißend war,
verzog keines der Bandmitglieder, die aus Männern und Frauen der
Urbevölkerung bestand, auch nur die kleinste Miene. Kein Lächeln, keine
Begeisterung, keinerlei Blickkontakt mit dem Publikum, auch keinerlei
erkennbare innere Extase war auf ihren Gesichtern abzulesen. Völlig
schräg, oder besser: Einfach anders.
Für ein paar Tage mieteten wir ein Auto. Wir hatten in Cairns eine
Deutsche kennengelernt, die uns zu einem gemeinsamen Camping-Wochenende
von deutschen
Familien aus Darwin in den Lichfield-Nationalpark
eingeladen hatte. Wir erfuhren, welche unterschiedlichen Schicksale sie
jeweils nach Australien geführt hatten und was sie dort hielt. Die
Kinder spielten miteinander, bauten Staudämme am Wasserloch und
buddelten den roten Boden auf. Das Tolle an den Wasserlöchern war, dass
es in dieser heißen, trockenen Gegend überhaupt kühles, klares Nass gab.
Abends lernten wir noch etwas über Cane Toads. Das sind Giftkröten, die
aus Südamerika eingeführt wurden, um einen bestimmten Schädling in den
Zuckerrohrfeldern zu bekämpfen. Da sie über eine Giftdrüse verfügen,
die ihre natürlichen Freßfeinde wie Schlangen, Vögel u.s.w. zum Ableben
bringt, haben sie sich
selber zur Plage ausgewachsen. Allerorten
sammeln Menschen diese nachtaktiven Tiere ein, um die Seuche
einzudämmen. Der humanste Tod für Kröten sei das Einfrieren im
Gefrierschrank, lernten wir bei der Gelegenheit. Die schlauen Krähen
haben derweil gelernt, ihre Beute von der Bauchseite her zu fressen und
damit die Giftdrüse auf dem Rücken zu vermeiden. Vielleicht richtet die
Natur wieder einmal besser selbst, was der Mensch ihr eingebrockt hat.
Beeindruckend am Lichfield-Park waren auch die unterschiedlichen
Termitenhügel. Manche waren hoch wie Türme, andere glatt wie Grabsteine
und alle streng nach Himmesrichtung angeordnet, um optimale
Temperaturbedingungen im Inneren zu gewährleisten.
Nach einem kühlen Bad im Buley-Rockhole fuhren wir zum Adelaide River,
wo wir anderntags eine Krokodil-Flussfahrt unternehmen wollten. Ein
bißchen hatte es ja etwas
von Zirkus, wie da die Fleischköder den
Krokodilen über die Nase gehalten wurden, damit sie nach ihnen aus dem
Wasser sprangen. Trotzdem müssen wir zugeben, dass es uns sehr
beeindruckt hat. Nebenher erfuhren wir auch wieder viel über die
Lebensbedingungen der Krokodile, weshalb kaum ein Weibchen noch seine 4
Gliedmaßen hat, die wenigsten Jungen überleben und sahen das häßlichste
Tier seiner Gattung, dem ein Rivale die Nase abgebissen hatte. Nicht
nur der Mensch ist seinen Artgenossen das größte Raubtier! Die
Krokodile in Südafrika konnten uns später nicht mehr beeindrucken, denn
sie wirkten wie Schoßhündchen gegen die australischen "Salties".
Bei der Hitze hielt man es tatsächlich nur mit Badegelegenheit aus.
Unterwegs hielten wir deshalb noch bei den Berry Springs, wo
man krokodilfrei durch glasklare Süßwasserarme und
tropische Landschaft schwimmen konnte. In
Darwin kühlten wir uns im
Leanyer Recreation Park, wo es die fetzigsten Rutschen
der Welt
gibt.
Freda und John nahmen die Kinder einen Tag ins Wellenbad mit und zur
Not konnte man am geschützten Stadtstrand ins salzige Naß springen.
Darwin wuchs uns nicht ans Herz und wir sehnten uns den
Tag herbei, wo wir es endlich verlassen konnten. Am 29.08.2010
schleusten wir uns frühmorgens aus der Marina aus und stachen in See,
um den 3. großen Ozean, den Indischen, zu überqueren.
zurück nach
oben